Living Planet Report 2012 - Biodiversität, Biokapazität und neue Wege - WWF Deutschland
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DIESER REPORT WURDE ERSTELLT IN ZUSAMMEN- ARBEIT MIT: REPORT 2012 Living Planet Report 2012 Biodiversität, Biokapazität und neue Wege
WWF Der World Wide Fund For Nature ist eine der größten und erfahrensten unabhängigen Naturschutzorganisationen der Welt. Er wird von fast 5 Millionen Förderern unter- Inhalt stützt und verfügt über ein weltweites Netzwerk in mehr als 100 Ländern. Der WWF hat es sich zum Ziel gesetzt, der Umweltzerstörung auf der Erde Einhalt zu gebieten und an einer Zukunft zu arbeiten, in der die Menschen im Einklang mit der Natur Einleitung leben. Das kann erreicht werden, wenn die biologische Vielfalt der Erde bewahrt wird und die Nutzung natürlicher Ressourcen auf nachhaltige Weise erfolgt, während Europäische Weltraumorganisation: Beobachtung der Erde aus dem Weltraum 4 gleichzeitig Verschmutzung und Verschwendung verringert werden. Mehr Raum für die Erde! (Vorwort von André Kuipers – Europäische Weltraumorganisation) 5 Die Bewahrung unseres lebendigen Planeten (von Jim Leape) 6 Zoological Society of London 7 Milliarden Erwartungen und nur eine Erde 8 Die 1826 gegründete Zoological Society of London (ZSL) ist eine internationale Orga- Auf einen Blick 12 nisation mit wissenschaftlichen und pädagogischen Naturschutzzielen. Sie setzt sich für die weltweite Bewahrung von Tierarten und ihren Lebensräumen ein. Die ZSL betreibt den ZSL London Zoo und den ZSL Whipsnade Zoo, führt wissenschaftliche Kapitel 1: Der Zustand der Erde 14 Forschungen am Zoologischen Institut durch und engagiert sich aktiv für den Schutz von natürlichen Lebensräumen in aller Welt. Der Living Planet Index 16 Der Ökologische Fußabdruck 36 Global Footprint Network Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Entwicklung 52 Das Global Footprint Network fördert durch die Bekanntmachung des „Ökologischen Der Wasser-Fußabdruck 62 Fußabdrucks“ eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Der Ökologische Fußabdruck stellt die Nachhaltigkeit menschlicher Aktivitäten dar. Um die wissenschaftliche Grundlage dieser Messmethode zu stärken und auszubauen, koordiniert das Netzwerk gemeinsam Kapitel 2: Es geht uns alle an 68 mit seinen Partnern Forschungsaktivitäten und entwickelt methodische Standards. Mit dem Ziel, der Menschheit eine Entwicklung innerhalb der ökologischen Grenzen zu Zusammenhänge zwischen Biodiversität, Ökosystemdienstleistungen und dem Menschen 70 ermöglichen, stellt es Entscheidungsträgern fundierte Informationen zu den verfügba- Wälder74 ren Ressourcen bereit. Gewässer82 Ozeane84 European Space Agency Der Kampf um Land 88 Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) ist Europas Tor zum All. Ihre Aufgabe ist es, die europäischen Weltraumaktivitäten zu gestalten und dabei sicherzustellen, dass die Investitionen in die Weltraumforschung den Einwohnern Europas und der ganzen Kapitel 3: Was wird die Zukunft bringen? 90 Welt weiterhin Nutzen bringen. Die ESA ist eine internationale Organisation mit 19 Mitgliedstaaten. Mithilfe der Koordinierung von Finanz- und Wissensressourcen ihrer Auswirkungen erhöhter Treibhausgasemissionen 92 Mitglieder kann sie Programme und Aktivitäten durchführen, die kein europäisches Was hält die Zukunft bereit? Einsatz von Szenarien 98 Land allein bewältigen könnte. Die verschiedenen ESA-Programme sollen Erkennt- Prognosen zum Ökologischen Fußabdruck bis zum Jahr 2050 100 nisse über die Erde, ihre unmittelbare Weltraumumgebung sowie über das Sonnensys- Modellierung von Naturkapital am Beispiel von Sumatra 101 tem und das Universum liefern. Das Modell „Lebendige Wälder“ 102 WWF International Kapitel 4: Neue Wege für einen lebendigen Planeten 104 Avenue du Mont-Blanc 1196 Gland, Schweiz Abschließende Worte 124 www.panda.org Institute of Zoology Anhänge 126 Zoological Society of London Regent’s Park, London NW1 4RY, UK Anhang 1: Der Living Planet Index 128 www.zsl.org/indicators | www.livingplanetindex.org Anhang 2: Ökologischer Fußabdruck – Häufig gestellte Fragen 135 Anhang 3: Glossar mit Begriffen und Abkürzungen 148 Global Footprint Network 312 Clay Street, Suite 300 Literaturnachweise 156 Oakland, California 94607, USA www.footprintnetwork.org Gestaltung: millerdesign.co.uk ISBN 978-2-940443-47-5 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 3
Europäische Weltraumorganisation: Beobachtung der Erde aus dem Weltraum Mehr Raum für die Erde! Aus der Raumstation vom All auf die Erde zu schauen, Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), unsere neue Partnerorgani- gehört zu meiner Arbeit als Astronaut und ist ein riesiges sation, die uns bei der Erstellung des diesjährigen Umweltberichts Living Planet Report zur Seite stand, engagiert sich dafür, mehr über unsere Erde, Privileg. ihre unmittelbare Weltraumumgebung, über das Sonnensystem und das Universum herauszufinden. PromISSe ist meine zweite Weltraummission. Diesmal werde ich fünf Monate in der Internationalen Raumstation (ISS) verbringen. Die erste Mission im Eine wachsende, vom Direktorat für Erdbeobachtungsprogramme koordi- Jahr 2004 dauerte nur elf Tage. Doch diese elf Tage haben mein Leben zu nierte Satellitenflotte versorgt uns fortwährend mit wichtigen Informatio- einem anderen gemacht. Der Blick aus dem Weltraum auf die Erde verändert nen. Diese helfen uns dabei, den Zustand der Erde besser zu verstehen und die Perspektive: Unser wunderschöner, zerbrechlich anmutender Planet ist Veränderungen zu registrieren. nur durch eine hauchdünne Atmosphäre vom Weltraum abgeschirmt, ohne die kein Leben auf ihm möglich wäre. Die nach irdischen Maßstäben groß Seit der Entsendung ihres ersten Wettersatelliten im Jahr 1977 beobachtet erscheinenden Wälder sind aus dem Raumschiff betrachtet winzig klein und die ESA die Erde aus dem Weltraum. Zwar entwickelt sie auch heute noch ziehen rasch an einem vorbei. Diese bewusstseinsverändernde Perspektive Satelliten für meteorologische Zwecke, aber ihr Augenmerk gilt zunehmend hat mich dazu motiviert, WWF-Botschafter zu werden. den Fragen, wie die Erde als System funktioniert und wie sich menschli- ches Handeln auf natürliche Prozesse auswirkt. André Kuipers Mit Forschungsprojekten will die Europäische Weltraumorganisation (ESA) Astronaut, Informationen über den Gesundheitszustand unseres Planeten erhalten. Die Satellitentechnik ist von unvergleichlichem Nutzen bei der Beobach- Europäische Einige Bedrohungen sind mit bloßem Auge zu erkennen, für andere sind tung der Erde als Gesamtsystem. Präzise sammeln ihre hochempfindlichen Weltraumorganisation konkrete Zahlen nötig, die uns helfen zu verstehen, wie, wo und warum sich Instrumente die kosmischen Daten, die uns komplexe Vorgänge auf unse- die Erde verändert. Beides – persönliche Eindrücke und wissenschaftliche rem Planeten verständlich machen und Veränderungen festhalten – insbe- Erkenntnisse – spiegelt sich im vorliegenden Bericht wider. sondere solche, die wir als Folgen des Klimawandels verstehen müssen. Auch in dieser neunten Ausgabe des Umweltberichts Living Planet Report Abgesehen davon, dass die Erdbeobachtung der europäischen Forschung deuten die wichtigsten Indikatoren darauf hin, dass die Erde untragbaren dient, stellen die Satellitenmissionen sicher, dass Entscheidungsträger mit Belastungen ausgesetzt ist. Wir wissen, dass der Bedarf an natürlichen den notwendigen Informationen versorgt werden, um dem Klimawandel Ressourcen wie Fisch, Holz und Nahrungsmittel so sehr in die Höhe schießt, entgegenzuwirken, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten und auf Naturka- dass die Bestände nicht mehr nachhaltig aufgestockt werden können. tastrophen und vom Menschen verursachte Krisen angemessen reagieren zu können. Alles, was mir lieb und teuer ist, befindet sich auf diesem einen Planeten. Er ist mein Zuhause, das Zuhause meiner Familie, meiner Freunde und weiterer Zwei Zugpferde unter den ESA-Projekten – die Satellitenmissionen ERS 7 Milliarden Menschen. Er beherbergt Wälder, Berge, Savannen, Meere, Seen und Envisat – haben uns zu einer Vielzahl neuer Erkenntnisse über und Flüsse und ist Heimat aller darin lebenden Tier- und Pflanzenarten. Die zahlreiche Aspekte der Erde verholfen: über die Luftverschmutzung, das Erdkugel ist wunderschön, aber auch empfindlich und schutzbedürftig. Ozonloch, die Veränderungen des Polareises. Außerdem ermöglichen sie die Kartierung von Größe und Temperatur der Meeresoberfläche sowie der Wir haben es in der Hand, unser Zuhause zu retten – und zwar nicht nur für Landnutzungen. uns, sondern auch für zukünftige Generationen. Die Lösungen sind bekannt. Jeder von uns kann einen Beitrag leisten: in der Art und Weise, wie wir re- Die Earth-Explorer-Missionen sollen dringende wissenschaftliche Fragen gieren, verwalten, produzieren und konsumieren. Wir haben es in der Hand. beantworten, etwa zur Erdanziehungskraft, zu den Veränderungen der Eis- Lasst uns liebevoller mit unserer Erde umgehen! dicke, des Wasserkreislaufs, des Magnetfelds, des Windes, zur Bedeutung von Wolken in der Energiebilanz der Erde sowie zum Kohlenstoffkreislauf. Parallel dazu entwickelt die ESA die sogenannten „Sentinel“-Satelliten, die im Dienst von Europas globaler Umwelt- und Sicherheitsüberwachung stehen. Die mit diesen Satelliten gewonnenen Daten kommen in verschie- denen Bereichen zur Anwendung und dienen dem Umweltmanagement André Kuipers – etwa der Überwachung der Biodiversität, der natürlichen Ressourcen, der Astronaut, Europäische Weltraumorganisation Luftqualität, von Ölteppichen und Vulkanasche – sowie der Bereitstellung humanitärer Hilfe und Nothilfe in Krisenzeiten. 4 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 5
Die Bewahrung Wir können unseren gesamten Energiebedarf aus Quellen wie Wind und unseres lebendigen Planeten Sonnenlicht decken. Diese Ressourcen sind sauber und im Übermaß verfüg- bar. Besonders notwendig ist es, die genutzte Energie stärker auszuschöpfen. Mit effizienteren Gebäuden, Autos und Fabriken können wir den Gesamt energieverbrauch halbieren. In Kombination mit diesen Einsparungen ist es uns möglich, unseren Gesamtenergiebedarf mit Energie aus erneuerbaren Wir kennen sie alle – die nüchternen Diagramme über CO2- Quellen abzudecken – unter der Voraussetzung, dass wir uns darauf konzen Emissionen, Abholzung, Wasserverknappung und Überfi- trieren, diese Technologien wirtschaftlich zu betreiben und wir uns verab- schung. Sie illustrieren, wie wir die irdischen Ressourcen 20 Jahre nach schieden von den 700 Mrd. US-Dollar Subventionen, die uns von Öl und dem wegweisen Kohle abhängig halten. aufbrauchen und die Erde auf eine Belastungsprobe stellen. den „Erdgipfel“ In der aktuellen Ausgabe des Umweltberichts Living Planet Im Juni 2012 – 20 Jahre nach dem ersten wegweisenden „Erdgipfel“ in Brasilien – treffen* sich die Nationen der Welt sowie Unternehmen und Report von 2012 wird aufgezeigt, wie alle Faktoren zu- sammenspielen und wie sich der Gesundheitszustand der bietet sich nun Vertreter der Zivilgesellschaft erneut in Rio de Janeiro zur UN-Konferenz die einmalige über nachhaltige Entwicklung. Dies ist eine große Chance, die eingeschlagene Wälder, Flüsse und Meere durch den fortwährenden Druck, Richtung zu bilanzieren und uns darüber klar zu werden, wie wir die Zukunft Chance, den gestalten möchten. den wir auf unsere Erde ausüben, verschlechtert. bisher einge Das kann und muss der Moment sein, in dem die Staaten einen neuen Kurs schlagenen Weg Die Menschheit lebt heute so, als ob ihr ein Ersatzplanet zur Verfügung in Richtung Nachhaltigkeit einschlagen. Außerdem bietet die Konferenz Jim Leape stünde. Wir verbrauchen 50 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde bereithält. eine einmalige Gelegenheit zur Schaffung von „Koalitionen der Willigen“ – zu überprüfen Generaldirektor Wenn wir den Kurs nicht ändern, wird der Naturverbrauch weiter steigen, bis etwa aus Staaten des Kongobeckens oder der Arktis, die sich zusammentun WWF International im Jahr 2030 auch zwei Erden nicht mehr ausreichen werden, um unseren können bei der Bewirtschaftung ihrer Ressourcen; Koalitionen aus Städten, Ressourcenhunger zu stillen. und die Zukunft die sich gegenseitig dazu anregen, ihre CO2 -Emissionen zu reduzieren und der Erde nach lebenswertere Stadtquartiere zu schaffen; Koalitionen von Unternehmen, die Doch es liegt an uns: Tatsächlich können wir eine bessere Zukunft aufbauen, zwar miteinander in Konkurrenz stehen, aber dennoch ihre Kräfte bündeln, die Nahrung, Wasser und Energie für jene 9, vielleicht sogar 10 Milliarden Menschen bereithält, die sich im Jahr 2050 die Erde teilen werden. haltiger zu um ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten und Produkte anzubieten, die den Kunden helfen, weniger Ressourcen zu verbrauchen; und schließlich Wir sind in der Lage, die von uns benötigte Nahrung zu produzieren, ohne gestalten. Koalitionen aus Pensionskassen und Staatsfonds, die in grüne Arbeitsplätze investieren. den Ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft weiter zu vergrößern – ohne noch mehr Wälder zu zerstören, ohne den Einsatz noch größerer Mengen Diese und andere Lösungen, die in der vorliegenden Ausgabe des Living Wasser und Chemikalien. Vielversprechend sind beispielsweise Lösungen zur Planet Reports zur Sprache kommen, zeigen: Wir alle müssen dazu beitragen, Reduzierung von Lebensmittelverschwendungen und Nachernteverlusten (ein dass unsere Erde lebendig bleibt, eine Erde mit genügend Nahrung, Wasser großer Teil der angebauten Nahrungsmittel wird heutzutage weggeworfen), und Energie für alle, eine Erde mit dynamischen Ökosystemen, die die der Einsatz von besserem Saatgut und besseren Anbautechniken, die Um- Grundlage allen Lebens bilden. wandlung von degradiertem Land in Anbauflächen sowie die Veränderung unserer Ernährungsgewohnheiten, insbesondere indem wir in den einkom- mensstarken Ländern weniger Fleisch konsumieren. Wir können sicherstellen, dass genügend Wasser vorhanden ist, um unseren Jim Leape Bedarf zu decken. Und wir können gleichzeitig die Flüsse, Seen und Sumpf Generaldirektor gebiete gesund erhalten, denen wir unser Wasserangebot zu verdanken haben. WWF International So machen es intelligentere Bewässerungstechniken und Ressourcenplanungen möglich, Wasser effizienter zu nutzen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Entwicklung von Wassermanagementplänen, die die Interessen gruppen in größerer Zahl einbeziehen und die die Flussgebiete als das behandeln, was sie sind: komplexe Systeme voller Vielfalt und Leben. * Vorwort vom April 2012 6 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 7
7 Milliarden Erwartungen Abbildung 1: 2 Living Planet Index und nur eine Erde (WWF/ZSL 2012) Index Value (1970 = 1) Globaler Living Planet Index In unserem unvorstellbar großen Universum gibt es einen Planeten mit einer dünnen Zone voller Leben. Unter einer 1 Luftschicht zwischen Erdgestein und Weltall gedeihen Mil- lionen verschiedener Tier- und Pflanzenarten. Zusammen bilden sie die Ökosysteme und Lebensräume, die wir als „Planet Erde“ bezeichnen und die ihrerseits eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen erbringen, von denen die 0 Menschen und alle Lebensformen abhängig sind. Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Der ständig steigende menschliche Ressourcenbedarf setzt die Biodiversität Abbildung 2: 2 unter gewaltigen Druck. Er bedroht all das, was die Ökosysteme bereitstellen Globaler Ökologischer Fußabdruck und leisten. Auf dem Spiel stehen somit nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Sicherheit, die Gesundheit und das Wohlergehen unserer eigenen Art. Diese neunte Ausgabe des Living Planet Report dokumentiert Veränderungen Anzahl Erden in der biologischen Vielfalt sowie die Nachfrage nach natürlichen Ressourcen. 1 Dabei werden die Auswirkungen dieser Veränderungen auf Biodiversität und Gesellschaft erwähnt. Festzuhalten bleibt vorab, dass wir die aktuellen Trends mit klugen Entscheidungen zugunsten neuer Wege, bei denen die Natur ins Zentrum unserer Wirtschaftssysteme, Unternehmensmodelle und Lebenswei- sen rückt, immer noch umkehren können. In Kapitel 1 wird der Zustand des Planeten anhand von drei komplementären 0 Indikatoren dargestellt. Der Living Planet Index (LPI) enthält Populations Jahr 1961 1970 1980 1990 2000 2008 daten zu weit mehr Arten als in der Vergangenheit und er zeigt einen etwa Der Living Planet 30-prozentigen Rückgang der Biodiversität seit 1970 an (Abbildung 1). Dieser Trend zeichnet sich bei Ökosystemen an Land, in Flüssen und im Meer ab, ist Eine neue Untersuchung von Konsumtrends in den BRIICS-Ländern (Brasili- Index zeigt welt aber bei den Fließgewässerarten mit einem durchschnittlichen Rückgang von en, Russland, Indien, Indonesien, China und Südafrika) und in verschiedenen 37 Prozent am stärksten. Der Index für tropische Süßwasserarten zeigt mit 70 nach Einkommen und Entwicklungsstand eingeteilten Bevölkerungsgruppen weit einen rund Prozent sogar einen noch stärkeren Rückgang. Der Index für Arten der Tropen verdeutlicht zusammen mit der Bevölkerungsentwicklung und den Urbanisie- 30-prozentigen verdeutlicht eine Abnahme seit 1970 um 60 Prozent. Im Vergleich dazu stellt rungstendenzen das besorgniserregende Wachstumspotenzial des menschli- man für Arten in den gemäßigten Breiten im gleichen Zeitraum eine Zunahme chen Fußabdrucks. Rückgang seit um 30 Prozent fest. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Biodiversität in den gemäßigten Breiten in einem besseren Zustand befindet als in den Der Wasser-Fußabdruck ist ein weiterer Indikator für den menschlichen 1970. Tropen, da im Index für die gemäßigten Breiten die immensen Biodiversitäts- verluste vor 1970 nicht enthalten sind. Bedarf nach erneuerbaren Ressourcen. Dieser Bericht enthält erstmals eine Analyse der Wasserverfügbarkeit in den weltweit wichtigsten Flussgebieten im Jahresverlauf. In der Analyse wird deutlich, dass 2,7 Milliarden Menschen auf Der Ökologische Fußabdruck zeigt einen anhaltenden Trend übermäßigen der Welt bereits heute in Einzugsgebieten leben, die mindestens einen Monat Verbrauchs (Abbildung 2). Im Jahr 2008, dem aktuellsten Jahr, für das Daten im Jahr von schwerer Wasserknappheit betroffen sind. ausgewertet wurden, übersteigt der Ökologische Fußabdruck die Biokapazität der Erde – also die Landfläche, die für die Erzeugung von erneuerbaren Kapitel 2 zeigt die Zusammenhänge zwischen Biodiversität, Ökosystem- Ressourcen und den Abbau von CO2 -Emissionen tatsächlich bereitsteht – um dienstleistungen und menschlicher Nutzung. Dabei werden die Auswirkungen mehr als 50 Prozent. Der Kohlenstoff-Fußabdruck stellt einen beträchtlichen menschlicher Aktivitäten auf drei Ökosysteme – Wälder, Süßwasser und Einflussfaktor dieses „ökologischen Overshoots“ dar (dieser Begriff wird Meere – sowie die von diesen Systemen erbrachten Ökosystemdienstleistun- verwendet, wenn der globale Ökologische Fußabdruck die Biokapazität der gen genauer untersucht. Überdies stehen die konkurrierenden Ansprüche auf Erde übersteigt). natürliche Ressourcen zur Diskussion, etwa die von wirtschaftlichem Kalkül motivierten Interessen an den Agrarflächen in den Entwicklungsländern. 8 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 9
Der Living Planet Report bietet eine Übersicht zum Gesundheitszustand Kapitel 3 zeigt Lösungen auf, die uns bereits heute zur Verfügung stehen: unserer Erde. Der WWF will aber auch hinter die Daten schauen, um besser Auf der Grundlage veränderter Ernährungsmuster sowie eines Stopps von zu verstehen, welche Erwartungen, Anstrengungen und Bedürfnisse die Men- Entwaldung, Waldschädigung und Waldzerstörung werden dort alternative schen veranlassen, die Erde zu verändern. Dabei hilft uns in der vorliegenden Zukunftsszenarien dargestellt, von denen einige bereits heute als Optionen Ausgabe des Living Planet Report die kenianische Bäuerin Margaret Wanjiru zur Verringerung des ökologischen Overshoots und zur Milderung eines Mundia, die wir in Kapitel 2 vorstellen. Als Kontrast zu dieser persönlichen gefährlichen Klimawandels zur Verfügung stehen. Diese Optionen werden in Sicht werfen wir dank einmaliger Aufnahmen der Europäischen Weltraum Kapitel 4 ausführlicher betrachtet. Im gleichen Kapitel wird auch die WWF- organisation (ESA) einen fotografischen Blick auf die gesamte Erde. Initiative „One Planet“ für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Natur- kapitals – der Biodiversität, der Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen – Kapitel 3 schaut in die Zukunft. Es werden mögliche Auswirkungen des innerhalb der ökologischen Grenzen unserer Erde vorgestellt. Klimawandels untersucht und verschiedene Szenarien vorgestellt, darunter auch Szenarien für den Ökologischen Fußabdruck. Diese Analysen zeigen, Zusätzlich zu den groß angelegten Schutz- und Wiederherstellungsmaß- dass wir mit schwerwiegenden, möglicherweise gar katastrophalen Folgen nahmen soll diese Initiative zu klugen Entscheidungen zugunsten neuer rechnen müssen, wenn wir mit der Erde weiterhin umgehen wie bisher. Insbe- Wege entlang des gesamten Produktions- und Verbrauchssystems verhelfen. sondere ein weiterer Anstieg der Treibhausgasemissionen wird endgültig zur Dazu gehört die Bewahrung des Naturkapitals, u. a. durch die Umverteilung Erderwärmung von durchschnittlich weit über 2 °C führen, was viele Ökosys- von Finanzmitteln, sowie eine gerechte Ressourcenbewirtschaftung. Die teme der Erde aus dem Gleichgewicht bringen wird und die Entwicklung und Verwirklichung eines derartigen Paradigmenwechsels stellt eine immense das Wohlergehen der Menschen drastisch beeinträchtigt. Herausforderung dar, die auch unangenehme Entscheidungen und Kompro- misse erfordert. Unsere Szenarien zeigen jedoch, dass wir beim Ökologischen Fest steht, dass der Fortschrittsglaube, dem wir verhaftet sind und der auf Fußabdruck und bei der Klimaerwärmung eine Wende bewirken können, einem immer stärkeren Konsum und der Abhängigkeit von fossilen Brenn- indem wir unser heutiges Wissen und moderne Technologien einsetzen und stoffen beruht, zusammen mit wachsender Erdbevölkerung und ineffizientem den Weg hin zu einer nachhaltig wirtschaftenden und gerechten menschlichen Management natürlicher Ressourcen, dem Nachhaltigkeitsgedanken wider- Gesellschaft einschlagen. Sämtliche 193 spricht. Bereits heute sehen sich viele Länder und Völker mit einer ganzen Reihe von Risiken konfrontiert: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, schwin- dende Ökosystemdienstleistungen, verbunden etwa mit Nahrungs-, Wasser- und Energieknappheit oder einem erhöhten Risiko von Naturkatastrophen, Mitgliedstaaten Der Living Planet Report und Rio +20 20 Jahre sind vergangen, seit die Staatsoberhäupter der Welt in Rio de Gesundheitsproblemen, Ressourcenkonflikten und Landflucht. Von diesen der Vereinten Janeiro zusammentrafen, um einige der bedeutendsten internationalen Nationen haben Risiken sind unverhältnismäßig viele arme Menschen betroffen, obwohl diese Vereinbarungen zu den Herausforderungen auszuhandeln, denen wir auf relativ wenig zum Ökologischen Fußabdruck der Menschheit beitragen. der Erde gegenüberstehen. Auch wenn es mancherorts gelingen sollte, verlorengegangene Ökosystem sich im Rahmen Neben anderen Initiativen wurden damals das Übereinkommen über Vorausschauende dienstleistungen durch entsprechende Technik zu ersetzen und die Aus- der Millenniums- die biologische Vielfalt sowie das Rahmenübereinkommen der Vereinten entwicklungsziele wirkungen des Klimawandels abzuschwächen, werden die Risiken – wenn Nationen zum Klimawandel unterzeichnet. Überdies wurde ein Prozess Staaten und wir weitermachen wie bisher – wachsen und sich weiter ausdehnen. Die in Gang gesetzt, der ein Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbil- Unternehmen Schwellenländer laufen Gefahr, dass ihr Streben nach einem besseren Le- bensstandard erfolglos bleibt. Und die einkommensstarken Länder riskieren verpflichtet, dung zum Ziel hatte. Die dem Gipfel zugrunde liegende Botschaft erhielt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sich im Rahmen der Millenniumsent- haben damit den Verlust ihres heutigen Wohlstandes. Vorausdenkende Regierungen und der Armut ein wicklungsziele alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dazu Ende zu setzen, Unternehmen engagieren sich bereits heute für eine Verringerung dieser verpflichteten, die Armut zu beenden, die biologische Vielfalt zu erhalten begonnen, auf Risiken, beispielsweise durch die Förderung von erneuerbaren Energien, Res- und die Treibhausgasemissionen zu verringern. Im Juni 2012 trafen sich erneuerbare sourceneffizienz, umweltfreundlichere Herstellungsprozesse und einer sozial ausgewogeneren Entwicklung. Die in diesem Bericht dargelegten Entwick- die Biodiversität erneut Vertreter der UN-Staaten in Rio, um sich den dringlichen Problemen nachhaltiger Entwicklung im globalen Maßstab zu stellen. Den Delegierten Energien und lungen und Herausforderungen zeigen jedoch, dass die meisten gegenwärtig zu schützen und stand eine spezielle Konferenzzusammenfassung des Living Planet Report die Treibhaus- unternommenen Anstrengungen nicht genügen. zur Verfügung (www.panda.org/lpr), die auf die Anforderungen des Gipfels Ressourcen zugeschnitten war und die ihnen dabei helfen sollte, die Informationen des effizienz zu set Wie aber können wir den Biodiversitätsverlust stoppen, den Ökologischen Fußabdruck auf ein für die Erde erträgliches Maß begrenzen, den vom Men- gasemissionen Reports in ihre Überlegungen und Beiträge einzubeziehen. In vielen Ver- handlungsdiskussionen und Foren war in Rio zu beobachten, dass bereits zen, um Risiken schen verursachten Klimawandel wirksam bremsen und dessen katastrophale Folgen abwenden? Und wie können wir gleichzeitig für immer mehr Menschen zu reduzieren. viele Teilnehmer den Übernutzungskoeffizienten zu Hilfe nahmen, um die Probleme auf der Erde angemessen darzustellen. zu mindern. einen gleichberechtigten Zugang zu natürlichen Ressourcen, zu Nahrung, Wasser und Energie gewährleisten? 10 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 11
Auf einen Blick »»Die Häufigkeit von Landnutzungskonflikten wächst mit dem Landhunger. Wie nie zuvor drängen ausländische Investoren in die Entwicklungsländer, um sich für die zukünftige Produktion von Nahrungsmitteln und Brennstoff Kapitel 1 den Zugang zu Nutzflächen zu sichern. »»Der Verlust von Biodiversität und von damit verbundenen Ökosystem- dienstleistungen betrifft insbesondere arme Menschen, deren Überleben Weltweiter Verlust der Biodiversität unmittelbar von diesen Leistungen abhängt. »»Der globale Living Planet Index (LPI) ging zwischen 1970 und 2008 um fast 30 Prozent zurück. »»Der Index für tropische Regionen ging in der gleichen Zeit insgesamt um 60 Kapitel 3 Prozent zurück. »»Der Index für gemäßigte Zonen stieg insgesamt um 31 Prozent an, wobei Szenarien zeigen realistische Alternativen für die Zukunft jedoch starke Verluste an Biodiversität vor 1970 nicht im Index enthalten »»Die letzten Jahrzehnte waren wärmer als alle anderen vergleichbaren sind. Perioden in den vergangenen 400 Jahren. »»Die globalen Land-, Süßwasser- und Meeres-Indizes verringerten sich alle- »»Eine Begrenzung der durchschnittlichen Erderwärmung auf 2 °C gegenüber samt, wobei der Süßwasser-Index mit 37 Prozent am stärksten schrumpfte. dem vorindustriellen Stand erfordert höchstwahrscheinlich die Verringe- »»Der Süßwasser-Index für tropische Gebiete fiel noch stärker: um 70 rung der Treibhausgasemissionen um über 80 Prozent bis zum Jahr 2050 Prozent. gegenüber den Werten des Jahres 1990. »»Der Rückgang des Living Planet Index (LPI) und der sich vergrößernde Die menschliche Nachfrage übersteigt das Angebot unserer Erde Ökologische Fußabdruck machen den Bedarf an Strategien zur nachhaltigen »»Der Ökologische Fußabdruck der Menschheit überstieg im Jahr 2008 die Nutzung deutlich. Szenarien können uns dabei helfen, besser durchdachte Biokapazität der Erde um über 50 Prozent. Zukunftsentscheidungen zu treffen. »»Der Kohlenstoff-Fußabdruck erwies sich in den letzten Jahrzehnten als »»Die Szenarien zeigen uns, wie wichtig die Erhaltung der Biodiversität für bedeutende Komponente des ökologischen Overshoots. die Bewahrung der Ökosystemdienstleistungen ist. »»Die Biokapazität pro Person verringerte sich von 3,2 globalen Hektar (gha) im Jahr 1961 auf 1,8 gha im Jahr 2008. »»Die steigenden Konsumtrends in einkommensstarken Bevölkerungsgrup- Kapitel 4 pen weltweit und in den BRIICS-Ländern sind in Verbindung mit den wachsenden Bevölkerungszahlen ein Warnsignal für einen wahrscheinlich Lösungen für ein Leben innerhalb der ökologischen Grenzen der weiter steigenden Ökologischen Fußabdruck in der Zukunft. Erde »»Es gilt, das Naturkapital – Biodiversität, Ökosysteme und Ökosystemdienst- Wassermangel in zahlreichen Flüssen leistungen – zu bewahren und ins Zentrum von Wirtschaft und Gesell- »»Eine Überprüfung des Wassermangels auf monatlicher Basis zeigt, dass schaften zu rücken. viele Flüsse, die im Jahresdurchschnitt genügend Wasser führen, übernutzt »»Die WWF-Initiative „One Planet“ hält Vorschläge bereit, wie das Naturkapi- sind. Das führt zur Beeinträchtigung wichtiger Ökosystemfunktionen. tal innerhalb der ökologischen Grenzen der Erde verwaltet, bewirtschaftet »»Weltweit leben 2,7 Milliarden Menschen in Einzugsgebieten, die mindestens und gemeinsam genutzt werden kann. einen Monat pro Jahr von schwerer Wasserknappheit betroffen sind. »»Aus der globalen Perspektive unserer „One Planet“-Initiative werden die „16 neuen Wege“ dargestellt sowie die vordringlichsten Maßnahmen, die zum Kapitel 2 Erreichen der Ziele notwendig sind. Der Wohlstand, die Gesundheit und das Wohlergehen der Mensch- heit sind von Ökosystemdienstleistungen abhängig »»Viele Gebiete mit ökologisch wichtiger Biodiversität erbringen zentrale Ökosystemdienstleistungen wie Kohlenstoffspeicherung, Produktion von Brennholz, Bereitstellung von Süßwasser und Fischbeständen. Menschliche Eingriffe beinträchtigen die künftige Bereitstellung dieser Leistungen. »»Abholzung und Waldzerstörung sind momentan für bis zu 20 Prozent der weltweiten menschenverursachten CO2 -Emissionen verantwortlich. »»Weltweit kann nur ein Drittel der Flüsse mit einer Länge von über 1.000 km frei fließen und ist am Hauptlauf nicht mit Dämmen verbaut. »»Als Folge eines fast fünffachen Anstiegs des weltweiten Meeresfischfangs – von 19 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 87 Millionen Tonnen im Jahr 2005 – kommt es zu einer Überfischung in vielen Fischereigebieten. 12 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 13
Kapitel 1: Der Zustand der Erde Dieses Bild zeigt die akkurat angelegten Anbauflächen der autonomen Gemeinschaft Aragón im Westen und Katalonien im Nordosten Spani- ens. Hier wachsen zahlreiche Nutzpflanzen, etwa Weizen, Gerste, Obst und Gemüse. Die runde Form vieler Felder ist auf die Kreisberegnung zurückzuführen, bei der ein Brunnen in der Mitte des Kreises ein rotie- rendes Sprühsystem mit Wasser versorgt.
Der Living Planet Index Der Living Planet Index (LPI) ist ein kombinierter Indikator, der Verän- derungen der Populationsgröße wild lebender Tiere misst, um auf diese Weise globale Entwicklungstrends des Gesamtzustands der Biodiversität aufzuzeigen. Großes Bild: Forscher und Eisbär in Svalbard, Norwegen Links: Förster beringen einen jungen Weißbauchtölpel Foto eines Sumatra-Nashorns auf Borneo, aufgenommen von einer Kamerafalle Kennzeichnung von Walhaien, Donsol, Sorsogon, Philippinen
LPI Beobachtung GLOBAL globaler Biodiversität LPI Land- gemäßigte LPI LPI Zonen Die Komplexität globaler Biodiversität macht es so schwer, sich ein umfassen- Tropen Die Wirbeltier Meeres des Bild ihres Gesundheitszustands zu machen. Doch so wie der Aktienindex gemäßigt LPI populationen anhand von Veränderungen des Börsenwerts ausgewählter Unternehmen landlebend den Marktzustand bemisst, können die bei bestimmten biologischen Arten Süßwasser LPI des globalen LPI beobachteten Veränderungen der Abundanz als aussagekräftiger Indikator für tropisch gemäßigt landlebend marin den ökologischen Zustand des Planeten herangezogen werden. waren 2008 im tropisch marin gemäßigt Süßwasser Durchschnitt Laut LPI waren die Wirbeltierpopulationen im weltweiten Jahresdurchschnitt Art 2008 um ein Drittel kleiner als im Jahr 1970 (Abbildung 3). Diese Beob- 1 um ein Drittel tropisch achtung stützt sich auf die Entwicklung von 9.014 Populationen aus 2.688 Art Süßwasser Säugetier-, Vogel-, Reptilien-, Amphibien- und Fischarten. Damit wurden Population 2 kleiner als 1970. 1 mehr Populationen und Arten in die Ermittlung des Living Planet Report einbezogen als in früheren Ausgaben (WWF 2006b; 2008b; 2010a). Art Population 3 2 2,0 Population 3 Indexwert (1970 = 1) –28 % 1,0 Abbildung 4: Von Popu Jede vom LPI erfasste Population wird einer Gruppe zugeteilt – je nachdem, lationstendenzen zum ob sie in einer gemäßigten oder in einer tropischen Klimazone vorkommt, und Living Planet Index je nachdem, ob sie an Land, im Süßwasser oder im Meer lebt. Diese Einteilung bezieht sich ganz spezifisch auf die jeweilige Population und nicht auf die Globaler Tierart an sich, so dass einige Tierarten in mehreren Gruppen vorkommen. Living Planet Index 0 Die Populationen von Tierarten wie dem Lachs beispielsweise, die sowohl im Konfidenzgrenzen Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Süßwasser als auch im Meer leben, oder die Populationen von wandernden Tierarten, die sowohl in tropischen als auch in gemäßigten Klimazonen vor- kommen, werden separat erfasst. Keine Population wird doppelt gezählt. Die Abbildung 3: Der globale Living Gruppen bilden die Grundlage der Indizes für gemäßigte und für tropische Planet Index Klimazonen sowie der Indizes für Land-, Süßwasser- und Meeresgebiete, die zusammen den globalen LPI bilden (Abbildung 4). Der Index für die gemäßig- te Zone umfasst mehr Populationen als der tropische Index. Um zu verhin- dern, dass die Populationsentwicklungen der gemäßigten Zone im globalen Index zu stark ins Gewicht fallen, werden der tropische und der gemäßigte Index zur Berechnung des globalen Index gleich gewichtet (Einzelheiten dazu befinden sich im Anhang 1). Zusätzlich wird jede Land- und Süßwasserpopulation gemäß ihrem geo- grafischen Vorkommen einer Ökozone zugeteilt. Bei der Berechnung der Indizes für diese Ökozonen wird jede Tierart gleich stark gewichtet. Die einzige Ausnahme ist die paläarktische Ökozone, in der zum ersten Mal bei dieser Analyse jede Art gleich gewichtet wird. Dadurch wird verhindert, dass Vogelarten, für die im Vergleich zu anderen Tierarten dieser Zone viel mehr Bestandsdaten vorliegen, zu stark ins Gewicht fallen. 18 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 19
WWW wwf.de/lpr-interaktiv Interaktive Grafik zum Living Planet Index auf Englisch. Mehr zum LPI Der LPI ist ein kombinierter Indikator, der Veränderungen der Populationsgröße wild lebender Tiere misst, um auf diese Weise globale Entwicklungstrends des Gesamtzustands der Biodiversität aufzu- zeigen. Tendenzen innerhalb einer bestimmten Population geben lediglich über die Entwicklung einer Tierart innerhalb eines bestimmten Gebietes Aufschluss. Zur Berechnung eines verlässlichen Index werden umfassende Populationsdaten für möglichst viele Arten und Populationen aus der ganzen Welt gesammelt. Während einige Populationen im Laufe des Beobachtungszeitraums gewachsen sind, sind andere geschrumpft. Im Durchschnitt jedoch ist der Populationsrückgang größer als der Populationszu- wachs, so dass der Index insgesamt einen Rückgang anzeigt. 60.000 Abbildung 5: Roter Thun Laicherbiomasse (Thunnus thynnus), Westatlantik Überfischung führte zu einem katastrophalen (in Tonnen) Rückgang dieser Populationen seit den 1970er Jahren. Wegen des sehr hohen Marktwerts von Rotem Thun ließ der Nutzungsdruck durch die Fischerei nicht nach, so dass die Fischart heute 0 vom Aussterben bedroht ist. 1971 2004 450 Abbildung 6: Europäischer Fischotter (Lutra lutra), Dänemark Nachdem diese Tierart in den 1960er und 1970er Jahren einen starken Populationsrückgang erlitten hatte, trugen eine Verbesserung der Wasserqua- lität sowie Otterschutzmaßnahmen von 1984 bis 2004 zur Erholung bei, u. a. in Dänemark und in 0 verschiedenen anderen Ländern. 1984 2004 1.800 Abbildung 7: Wanderalbatros (Diomedea exulans), Vogelinsel, Populationsgröße Südgeorgien, Südatlantik Die Population des Wanderalbatros ist seit 1972 (Brutpaare) stetig zurückgegangen. Es wird vermutet, dass u. a. die Langleinen-Fischerei dafür verantwortlich ist. Eine der geplanten Maßnahmen zum Schutz dieser Art besteht darin, Langleinen zu entwickeln 0 und einzusetzen, die den Beifang von Albatrossen 1972 2010 und anderen Arten vermindern. Silhouette eines Tauchers und eines Atlantischen Fächerfischs (Istiophorus albicans). Der Fisch schwimmt vor der Yucatán-Halbinsel (Mexiko, Karibik) auf einen Köderball aus Sardinellen/ Sardinen (Sardinella aurita) zu. 20
Der LPI für die tropischen und gemäßigten Regionen ziellen Walfangs auf 1.000 bis 3.000 Tiere geschätzt wurde, die sich seither aber erholt hat und im Jahr 2001 wieder schätzungsweise 10.545 Tiere zählte (Angliss und Outlaw 2006). Abbildung 8: Der LPI Der Living Planet Index (LPI) für tropische Arten ging zwischen 1970 und für die tropischen und 2008 um gut 60 Prozent zurück, während der LPI für die gemäßigten Zonen gemäßigten Regionen Der Living Planet Index für Landlebewesen im gleichen Zeitraum um 31 Prozent anstieg (Abbildung 8). Dieser Unter- schied zeigt sich bei Säugetieren, Vögeln, Amphibien und Fischen in gleicher Weise wie beim Vergleich von Land-, Meeres- und Süßwasserlebewesen (Abbildungen 9 bis 11) und in allen tropischen und gemäßigten Ökozonen (Abbildungen 16 bis 20). Abbildung 9: Der Living Der globale LPI für Landlebewesen ging zwischen 1970 und 2008 um 25 Prozent Planet Index für Land lebewesen zurück (Abbildung 9a). Der Living Planet Index für Landlebewesen enthält 3.770 Da für die Zeit vor 1970 keine veröffentlichten Daten vorliegen, können his- (a) Der globale Index für Populationen von 1.432 Vogel-, Säugetier-, Amphibien- und Reptilienarten, die torische Veränderungen der Biodiversität nicht im LPI festgehalten werden. Landlebewesen zeigt einen in einem weiten Spektrum gemäßigter und tropischer Lebensräume anzutref- Rückgang von etwa 25 Proz- Sämtliche Indexwerte für 1970 wurden deshalb auf 1 gesetzt. Wie auf den ent zwischen 1970 und 2008; fen sind, wie zum Beispiel Wälder, Grasland und Trockengebiete. Der LPI für folgenden Seiten detaillierter dargestellt, kam es sowohl zwischen den einzel- (b) der Index für Landlebew- tropische Landlebewesen ging um fast 45 Prozent zurück, während der LPI für nen Tierarten als auch zwischen Tierarten, die sich den gleichen Lebensraum esen der gemäßigten Zonen Landlebewesen der gemäßigten Zonen um etwa 5 Prozent anstieg (Abbildung weist eine Zunahme von etwa teilen, zu beträchtlichen Unterschieden bei den Populationstrends. 5 Prozent auf, während der 9b). Index für Landlebewesen der 2,0 2.0 2,0 tropischen Zonen um rund 44 Prozent fiel (WWF/ZSL 2012). Indexwert (1970 = 1) Indexwert (1970 = 1) 1,0 1.0 1,0 Index gemäßigter Zonen Konfidenzgrenzen Index für land- 0 lebende Populationen 0 Index tropischer Zonen Konfidenzgrenzen Konfidenzgrenzen Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Der in jüngster Zeit festgestellte durchschnittliche Populationszuwachs in 2,0 den gemäßigten Breiten bedeutet nicht unbedingt, dass sich die Ökosysteme dort in einem besseren Zustand befinden als die der Tropen. Vier miteinan- der zusammenhängende Phänomene sind für den beobachteten LPI-Trend Indexwert (1970 = 1) verantwortlich: ein Ausgangswert, der nicht weit genug in der Vergangenheit liegt; unterschiedlich verlaufende Populationskurven der verschiedenen ta- xonomischen Gruppen; beachtliche Erfolge im Arten- und Naturschutz sowie die relative Stabilität von Tierpopulationen in jüngerer Zeit. Würde der Index 1,0 für die gemäßigten Breiten Jahrhunderte und nicht nur Jahrzehnte zurückrei- chen, würde er einen Rückgang verzeichnen, der mindestens so ausgeprägt ist Index für land- lebende Populationen wie jener des tropischen Indix der letzten Jahre. Im Gegensatz dazu wäre beim gemäßigter Zonen tropischen Index vor 1970 eine viel langsamere Veränderung wahrscheinlich. Konfidenzgrenzen Index für land- Die Populationen einiger Tierarten in den gemäßigten Breiten haben sich in lebende Populationen den letzten Jahren dank Arterhaltungsbemühungen vergrößert. Zu diesen tropischer Zonen 0 Tierarten gehören Wasservögel in den Vereinigten Staaten (BirdLife Interna- Konfidenzgrenzen Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 tional 2008), Brutvögel und überwinternde Vögel im Vereinigten Königreich (Defra 2010) sowie gewisse Walpopulationen, etwa die westarktische Grön- landwalpopulation (Balaena mysticetus), deren Zahl bei Ende des kommer- 22 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 23
Der Living Planet Index für marine Arten Der Living Planet Index für Süßwasserarten Der LPI für marine Arten ging zwischen 1970 und 2008 um über 20 Prozent Abbildung 11: Der Living Der LPI für Süßwasserarten ging stärker zurück als der LPI in anderen Öko- Planet Index für Süß zurück (Abbildung 10a). Er bildet Veränderungen bei 2.395 Populationen aus systemen. Er verfolgt Veränderungen bei 2.849 Populationen aus 737 Fisch-, wasserarten 657 Fisch-, Seevogel-, Meeresschildkröten- und Meeressäugetierarten ab, (a) Der globale Index für Vogel-, Reptilien-, Amphibien- und Säugetierarten, die in gemäßigten und die in gemäßigten und tropischen Meeresökosystemen (Pelagial, Küste und Süßwasserarten zeigt einen tropischen Süßwasserökosystemen (Seen, Flüssen und Feuchtgebieten) an- Rückgang von 37 Prozent Riffe) anzutreffen sind. Ungefähr die Hälfte der Arten in diesem Index wird zutreffen sind. Insgesamt ging der globale LPI für Süßwasserarten zwischen zwischen 1970 und 2008; kommerziell genutzt. (b) der Index für Süßwasser- 1970 und 2008 um 37 Prozent zurück (Abbildung 11a). Der LPI für tropische arten der gemäßigten Zonen Süßwasserarten war wesentlich stärker (nämlich um fast 70 Prozent) rück- Abbildung 10: Der Living weist eine Zunahme von etwa Bei den marinen Arten zeigte sich die größte Diskrepanz zwischen Arten der läufig, was den größten Rückgang aller ökosystembezogener Indizes darstellt, Planet Index für marine 36 Prozent auf, während der Arten gemäßigten und tropischen Breiten: Der LPI für tropische Meeresarten ging Index für Süßwasserarten während der LPI für Süßwasserarten der gemäßigten Zonen um etwa 35 (a) Der globale Index für zwischen 1970 und 2008 um etwa 60 Prozent zurück, während der LPI für der tropischen Zonen um Prozent anstieg (Abbildung 11b). Meeresarten zeigt einen rund 70 Prozent fiel (WWF/ Meeresarten der gemäßigten Zonen um etwa 50 Prozent anstieg (Abbildung Rückgang von etwa 22 Pro- ZSL 2012). zent zwischen 1970 und 10b). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass in den vergangenen Jahrhunderten 2008; massive langfristige Rückgänge bei den Meeres- und Küstenspezies der gemä- (b) der Index für Meeresar- ßigten Regionen stattgefunden haben (Lotze et al. 2006; Thurstan et al. 2010). ten der gemäßigten Zonen weist eine Zunahme von etwa Somit beginnt der Index für Meeresarten der gemäßigten Zonen im Jahr 1970 53 Prozent auf, während auf einer wesentlich niedrigeren Ausgangsbasis als der Index für tropische der Index für Meeresarten Meeresarten. Der seither gemessene relative Anstieg bei Meeresarten der der tropischen Breiten um rund 62 Prozent zurückging gemäßigten Zonen ist wahrscheinlich Anzeichen einer leichten Erholung nach (WWF/ZSL 2012). einem historischen Tiefststand. 2,0 2,0 Indexwert (1970 = 1) Indexwert (1970 = 1) -22 % 1,0 1,0 –37 % Index für marine Index für Süßwasser- Populationen 0 populationen 0 Konfidenzgrenze Konfidenzgrenze Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 2,0 +53 % 2,0 +36 % Indexwert (1970 = 1) Indexwert (1970 = 1) 1,0 1,0 Index für marine Populationen -62 % Index für Süßwasser- populationen -70 % gemäßigter Zonen gemäßigter Zonen Konfidenzgrenze Konfidenzgrenze Index für marine Index für Süßwasser- Populationen populationen tropischer Zonen 0 tropischer Zonen 0 Konfidenzgrenze Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 Konfidenzgrenze Jahr 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2008 24 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 25
Beispiel für Populationstendenzen 2 Living Planet Index für Tiger (1980–2010) Indexwert (1980 = 1) • • • Fallstudie: Tiger 1 -70 % • • •••• • Der Tigerbestand (Panthera tigris) hat einen • ••• • historischen Tiefstwert erreicht. Der LPI für den 0 Tiger deutet auf eine drastische Dezimierung der Jahr 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Tigerpopulationen mit einem durchschnittlichen Rückgang von 70 Prozent in den letzten 30 Jahren hin. Das Verbreitungsgebiet des Tigers 5.000 ist auf 7 Prozent des ehemaligen Gebiets 120 geschrumpft, da die Populationen in einigen Amur-Tiger der am dichtesten bevölkerten Regionen Indischer Tiger (Indischer Bestand) der Erde um Lebensraum kämpfen müssen Russland (Sanderson et al. 2006). Der Tiger wird auf 60 (16*) der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 0 China (IUCN 2011) als „stark gefährdet“ eingestuft. 1970 1990 2010 (1*) Gemäß Schätzungen des sogenannten 0 „Global Tiger Recovery Programme“ leben •• •• 1970 1990 2010 nur noch zwischen 3.200 und 3.500 erwach- *Beobachtungsstellen sene Tiger in freier Wildbahn (Global Tiger • • Initiative 2011). • • • Der Tiger ist durch Wilderei, Racheakte für verursachte Schäden, Lebens- • raumverluste und Bestandsrückgänge seiner Beutetiere im Verbreitungsgebiet • bedroht. Der stärkste Populationsrückgang der letzten Jahre wurde außerhalb ••• der Schutzgebiete festgestellt (Walston et al. 2010). In den Gebieten, in denen die größten Bemühungen zur Arterhaltung unternommen werden, sind die • • Populationen stabiler oder wachsen sogar wieder. Viele Umweltschutzorgani- sationen, darunter der WWF und ZSL, konzentrieren sich bei ihren Vorhaben auf die größten verbleibenden Lebensräume, da dort kurzfristig die besten Chancen bestehen, den dramatischen Rückgang der Tigerpopulationen um- zukehren. Weltweite Anstrengungen zielen darauf ab, bis zum Jahr 2022 die • Anzahl der Tiger in freier Wildbahn auf mindestens 6.000 Tiere zu erhöhen. • •• Abbildung 12: Tiger – Populationsentwicklung, Verbreitungsgebiet und Erhal tungsprioritäten (a) Aktuelle Verbreitung und jüngste Populationsentwicklungen des Tigers: Hellgrüne Bereiche •• zeigen das aktuelle Verbreitungsgebiet (IUCN 2011), dunkelgrüne jene Gebiete, auf die sich die Anstrengungen zur Arterhaltung konzentrieren. Die roten Punkte geben den Mittelwert für jede beobachtete Population an (Zeiträume und Beobachtungsgebiete der Studien variieren; die 625 Malaysia-Tiger Mittelwerte in Sumatra, Malaysia und Südchina repräsentieren die an mehreren Standorten (1997–98) beobachtete gesamte Unterart) und die Graphen stellen Populationsveränderungen bei fünf 500 • Tiger-Unterarten dar. Die zwei Linien in der Grafik für die Schätzung des Bengaltigers in Indien zeigen die sich aus zwei unterschiedlichen Analysemethoden ergebenden Tendenzen; (b) ein LPI für den Tiger: Der Index zeigt die durchschnittliche Bestandsänderung von 43 Populationen 300 zwischen 1980 und 2010, wobei alle sechs Unterarten gleich gewichtet wurden. Da für die 1970er 1996 1997 1998 1999 Jahre nicht genügend Daten vorliegen, wurde der Ausgangswert mit dem Indexwert 1 auf das Jahr 1980 festgelegt (WWF/ZSL 2012). 1.200 Sumatra-Tiger • Beobachtungsstellen Vorrangige Schutzgebiete Gegenwärtiger Umfang 0 26 1970 1978 2007 2010 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 27
Beispiel für Populationstendenzen Fallstudie: Flussdelfine 500 Chinesischer Flussdelfin 500 Ganges Indus-Delfin Die Bestände von Süßwasserdelfinen gehen drastisch zurück. Diese Delfine 250 und Tümmler kommen in einigen der größten Flüsse der Erde vor: im Ganges, Indus im Indus, im Jangtse, im Mekong und im Amazonas. An diesen Flüssen leben 250 auch geschätzte 15 Prozent der Menschheit. Jangtsekiang 0 1970 1980 1990 2000 0 1970 1980 1990 2000 2010 Mekong Der Bau von Infrastrukturen wie Dämmen, Deichen und Talsperren, der Einsatz von Fischernetzen, in denen sich die Tiere verfangen, Zusammenstöße Amazonas mit Schiffen, Überfischung sowie Verschmutzung haben in den letzten 30 Jahren zu einem raschen Rückgang vieler Populationen von Süßwasserdel- 3000 finen beigetragen, die ausschließlich in Flüssen und Seen leben. Eine Süß- wasserdelfinart, der Jangtse-Delfin oder Baiji (Lipotes vexillifer), ist wahr- scheinlich bereits ausgestorben (Turvey et al. 2007; Abbildung 13). Auch die 1500 Jangtse-Glattschweinswal Abbildung 13: Populationen des Irawadidelfins (Orcaella brevirostris), die sowohl im Meer 30 6000 Populationstrends und Ganges-Delfin als auch im Süßwasser leben, sind geschrumpft. Die Zunahme beim Indus- Verbreitungsgebiet der 20 Süßwasserdelfine Delfin (Platanista minor) ist möglicherweise einer Erholung der Bestände 3000 0 1980 1990 2000 2010 Aktuelles Verbreitungsgebiet nach Einführung eines Jagdverbots oder der Zuwanderung von Delfinen aus 10 von Süßwasserdelfinen und umliegenden Gebieten zu verdanken (Braulik 2006), doch für ein besseres Populationstrends für sechs Arten. Der schattierte Be- Verständnis des Gesamtzustands der Populationen sind weitere Informa- 0 1980 1990 2000 2010 reich bezeichnet das aktuelle tionen über diese Entwicklung sowie über die Süßwasserdelfine insgesamt Verbreitungsgebiet (IUCN erforderlich. Nach dem heutigen Wissensstand deutet vieles darauf hin, dass 2011) und die Graphen zeigen Beispiele der Populationsent- dringend Schritte unternommen werden müssen, um das Aussterben dieser wicklung bei jeder Art. faszinierenden und noch wenig erforschten Tiere zu verhindern. 300 Irawadi-Delfin 50 0 1992 1998 2004 2010 2016 8 SOFORTIGE MASSNAHMEN SIND ERFORDERLICH, UM DAS Amazonas-Flussdelfin 4 AUSSTERBEN DIESER FASZINIERENDEN, NOCH WENIG 0 1998 2000 2002 ERFORSCHTEN TIERE ZU VERHINDERN. 28 Living Planet Report 2012 | Biodiversität, Biokapazität und neue Wege | 29
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