Deutsche Wirtschaft zwischen Lockdown und Normalität
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DEUTSCHE WIRTSCHAFT Deutsche Wirtschaft zwischen Lockdown und Normalität Von Claus Michelsen, Paul Berenberg-Gossler, Marius Clemens, Max Hanisch, Simon Junker, Konstantin Kholodilin und L aura Pagenhardt Die deutsche Wirtschaft steht in den kommenden Monaten ABSTRACT vor einer schleppenden Erholung. Der beschlossene Stufen- plan zur Öffnung in den Dienstleistungsbereichen dürfte Lockdown-Lockerungen trotz bereits wieder steigender zunächst zu einem Stop-and-Go, beispielsweise im Han- Corona-Infektionszahlen und der langsame Impffortschritt del, der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche, füh- schicken die deutsche Wirtschaft auf einen Stop-and-Go-Kurs. ren. Im ersten Quartal des laufenden Jahres wird die deut- Auf Öffnungsschritte müssen wohl mindestens regional immer sche Wirtschaft voraussichtlich um knapp anderthalb Pro- zent schrumpfen (Abbildung 1). Im Schlussquartal 2020 wieder Schließungen folgen, um das Infektionsgeschehen im konnte sie ihr Niveau trotz des neuerlichen Lockdowns noch Griff zu behalten. Die Industrie zeigt sich vor allem wegen des halten, im Januar und Februar schlugen die Schließungen guten Auslandsgeschäfts insgesamt robust. In den Dienst- aber mit voller Wucht durch. Insbesondere in vielen Dienst- leistungsbranchen wird die Erholung nach einem erneuten leistungsbranchen sinkt daher die Aktivität im ersten Quar- tal. Vielerorts haben sich die Unternehmen zwar auf einen Rücksetzer zum Jahresbeginn allerdings schleppend verlau- Geschäftsbetrieb unter Pandemiebedingungen eingestellt, fen. Wohl erst im Laufe des dritten Quartals werden die gesell- der Lockdown dauert aber bereits jetzt länger an als der erste schaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen nachhaltig im Frühjahr vergangenen Jahres. zurückgefahren werden können. Nachdem noch im Dezember Auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. März wurde des vergangenen Jahres ein Wachstum der Wirtschaftsleis- eine Fortsetzung des Lockdowns beschlossen, am Ende der tung von 5,3 Prozent im Jahr 2021 realistisch erschien, liegt Beratungen stand aber auch ein Fahrplan für sukzessive die aktuelle Prognose mit 3,0 Prozent deutlich niedriger. Für Lockerungen, die die Bundesländer je nach Infektionsver- 2022 sind derzeit 3,8 Prozent zu erwarten. Unklar sind bisher lauf seit 8. März regional und zeitlich gestaffelt vornehmen können. Angesichts der bereits jetzt wieder steigenden Inzi- die wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Corona-Pandemie: denzzahlen wird für die vorliegende Prognose unterstellt, Beispielsweise bei den Unternehmensinsolvenzen wird sich dass zunächst vollzogene Öffnungsschritte spätestens um das Ausmaß frühestens im Laufe dieses Jahres zeigen. Ostern herum vielfach wieder zurückgenommen werden müssen und Lockerungen erst im Laufe des dritten Quartals nachhaltig Bestand haben werden (Kasten 1). Das Wechsel- spiel von Lockerungen und regional aufflammendem Infek- tionsgeschehen führt zu einem „Stop-and-Go“, das sich in den betroffenen Dienstleistungszweigen unterschiedlich bemerkbar macht. Alles in allem wird sich die wirtschaftli- che Erholung länger hinziehen, als dies in der raschen Auf- holphase vom vergangenen Sommer der Fall war (Tabelle 1). Anders als vor einem Jahr, als die globalen Lieferketten emp- findlich gestört waren, dürfte die Industrie ihren Aufwärts- trend fortsetzen. Mit der Automobilindustrie erhält zwar der gewichtigste Industriezweig zu Jahresbeginn einen Dämp- fer; die Produktion ist im Januar zweistellig eingebrochen. Dies dürfte aber größtenteils an Engpässen beim Bezug von Halbleitern gelegen haben und im Folgenden aufgeholt werden. Die im vergangenen Jahr in erheblichem Umfang 190 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 DOI: https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-11-3
Deutsche Wirtschaft Abbildung 1 Bruttoinlandsprodukt und wichtige Komponenten Saison- und arbeitstäglich bereinigter Verlauf 1. Bruttoinlandsprodukt 2. Konsumausgaben der privaten Haushalte 840 16 460 16 Prognose Prognose 800 8 435 8 760 0 410 0 720 −8 385 −8 2,6 1,3 0,6 −4,9 3,0 3,8 1,5 1,5 1,6 −6,1 0,1 6,5 680 −16 360 −16 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2017 2018 2019 2020 2021 2022 3. Exporte 4. Importe 440 30 400 16 Prognose Prognose 400 15 370 8 360 0 340 0 320 −15 310 −8 4,7 2,3 1,0 −9,4 8,9 5,2 5,3 3,6 2,6 −8,5 4,7 8,5 280 −30 280 −16 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2017 2018 2019 2020 2021 2022 5. Ausrüstungsinvestitionen 6. Bauinvestitionen 60 20 90 6 Prognose Prognose 55 10 86 3 50 0 82 0 45 −10 78 −3 4,2 4,4 0,5 −12,1 4,7 7,3 0,8 2,6 3,8 1,9 −0,4 4,8 40 −20 74 −6 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Verkettete Volumenangaben - in Milliarden Euro (linke Skala) Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent (rechte Skala) Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent (Ursprungswerte) Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Prognose ab dem ersten Quartal 2021. © DIW Berlin 2021 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 191
Deutsche Wirtschaft Kasten 1 Annahmen zum Pandemieverlauf Weltweit kam es im Winter zu erheblichen Anstiegen der Co- zidenzen sind auch hier Termine notwendig und ein tagesaktueller vid-19-Infektionszahlen, auf die vielerorts mit rigiden Maßnahmen negativer Corona-Schnelltest. Die Auflagen werden zurückgenom- reagiert wurde. In vielen europäischen Ländern steigen die Infek- men und die Öffnungen auf weitere Bereiche ausgedehnt, wenn tionsfälle – auch aufgrund der Verbreitung der infektiöseren briti- die Inzidenz weitere 14 Tage nicht steigt. schen Virusmutation – nach dem Abebben der zweiten Welle nun erneut. Für Deutschland hat die Ministerpräsidentenkonferenz am Vor dem Hintergrund der bereits ohne Öffnungen wieder stei- 3. März die Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März be- genden Inzidenz und der zunehmenden Verbreitung der wohl schlossen, gleichzeitig unter Bedingungen aber auch erste Locke- gefährlicheren Virusmutation wird für die vorliegende Prognose rungsschritte ermöglicht. Geöffnet werden schrittweise Schulen davon ausgegangen, dass erste Öffnungen nur wenig verzögert und Kindertagesstätten, Teile des Einzelhandels sowie bestimmte mit steigenden Inzidenzzahlen einhergehen. Diese Infektionswelle körpernahe Dienstleistungen. Weitere Lockerungen sind an den könnte aber glimpflicher verlaufen, da immer mehr Menschen Verlauf der Sieben-Tage-Inzidenz geknüpft, insbesondere an das geimpft sind und auch zunehmend die Möglichkeit von Selbst- Unterschreiten gewisser Schwellenwerte. Davon abhängig kön- tests besteht. Entsprechend wird unterstellt, dass die Zahlen auf nen zunächst die übrigen Handelsbereiche, Museen und andere einem niedrigeren Niveau zum Halten kommen als in der zweiten kulturelle Einrichtungen unter Auflagen öffnen, bei „hohen“ Inzi- Welle (Abbildung). Dafür dürften auch die „Reißleinen“ sorgen, denzwerten (zwischen 50 und 100) sind zudem Terminvergaben die in der Öffnungsstrategie vorgesehen sind: Ab Überschreiten die Voraussetzung. Steigt daraufhin die Inzidenz 14 Tage nicht an, der 50er-Inzidenzschwelle treten schärfere Einschränkungen folgen die Außengastronomie, Theater und Opern – bei „hohen“ In- innerhalb des dann aktuellen Öffnungsschritts in Kraft, jenseits der 100er-Schwelle eine „Notbremse“ mit weitreichender Rück- nahme der Öffnungen. Angenommen wird, dass dies für eine Abbildung Eindämmung des Infektionsgeschehens ausreicht, die Inzidenz in der Folge wieder sinkt und dies im Rahmen der Beschlusslage Bisheriger und im Weiteren untertellter Inzidenzverlauf erneute Öffnungen ermöglicht. Dieses „Stop-and-Go“ setzt sich Neuinfektionen je 100 000 EinwohnerInnen fort – jeweils mit geringerer Intensität –, solange noch nicht genug 250 Menschen geimpft sind. Eine Impfquote, die ausreicht, um das Region mit hoher Inzidenz Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen, wird erst für die 200 Zeit ab dem Spätsommer unterstellt. 150 Das Infektionsgeschehen unterscheidet sich zwischen den (Land-) Kreisen in Deutschland teils erheblich. Angenommen wird, dass 100 Bundesweite diese Unterschiede strukturelle Ursachen haben – etwa die Be- Sieben-Tage-Inzidenz völkerungsdichte oder die Nähe zu Nachbarländern, die auch im 50 Folgenden zu ähnlich divergierenden Infektionsentwicklungen Region mit geringer Inzidenz 0 führen. Dies wird in der Prognose berücksichtigt, indem die aktuel- 1.10.20 1.12.20 1.2.21 1.4.21 1.6.21 1.8.21 1.9.21 le Inzidenz mit der gesamtdeutschen Entwicklung fortgeschrieben Öffnungsschritt 1 Öffnungsschritt 4, Inzidenz zwischen 50–100 wird. Dies führt zwischenzeitlich zu einem Flickenteppich regional Öffnungsschritt 2 Öffnungsschritt 4, Inzidenz unter 50 Öffnungsschritt 3, Inzidenz zwischen 50–100 Öffnungsschritt 5, Inzidenz zwischen 50–100 unterschiedlicher Öffnungsgrade. Öffnungsschritt 3, Inzidenz unter 50 Öffnungsschritt 5, Inzidenz unter 50 Für die Prognose relevant ist der Bevölkerungsanteil, der – alle Quelle: Robert-Koch-Institut, Bundesregierung; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Kreise zusammengenommen – die Vorzüge gewisser Öffnungsstu- © DIW Berlin 2021 fen nutzen kann. Für die einzelnen Dienstleistungsbranchen sind Die Inzidenzzahlen drohen in ein Stop-and-Go aus Öffnungen und deren Rücknahme unterschiedliche Öffnungsstufen relevant. Diese werden ihrem An- zu entgleiten. teil entsprechend auf die Wertschöpfungsentwicklung umgelegt. vorgezogenen Pkw-Käufe – wie sie bei einer angekündigten Entwicklung verläuft in den unterschiedlichen Beschäf- (Wieder-)Anhebung der Mehrwertsteuer üblich sind – las- tigungsformen allerdings gegensätzlich: Die sozialver- ten nun allerdings auf der Nachfrage. Andere Schlüsselin- sicherungspflichtige Beschäftigung hat sich bis zuletzt dustrien wie der Maschinenbau sind, auch im Zuge einer merklich erholt, die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist regen Auslandsnachfrage, mit kräftigen Zuwächsen in das im Zuge des neuerlichen Lockdowns wieder gesunken – Jahr gestartet. sogar unter das Niveau vom vergangenen Frühjahr. Dabei schlägt die eingeschränkte Aktivität in einigen Dienst- Der Arbeitsmarkt hat sich von dem Einbruch im vergan- leistungsbranchen zu Buche. Zum größten Teil dürfte genen Frühjahr bislang kaum erholt (Abbildung 2). Die der geringere Arbeitseinsatz aber wieder über Kurzarbeit 192 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
Deutsche Wirtschaft Tabelle 1 Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungs- und Entstehungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent; saison- und kalenderbereinigt 2020 2021 2022 I II III IV I II III IV I II III IV Privater Verbrauch −2,3 −11,0 10,8 −3,3 −3,9 3,8 2,3 2,1 1,4 1,1 0,8 0,8 Öffentliche Konsumausgaben 0,6 2,1 0,6 −0,5 0,5 0,7 0,5 0,4 0,4 0,3 0,2 0,2 Bruttoanlageinvestitionen −0,8 −6,6 3,9 1,0 −3,3 3,3 2,3 1,6 0,8 1,0 0,8 0,8 Bauten 4,3 −4,3 −1,3 1,8 −5,0 4,5 2,6 1,3 0,7 0,7 0,5 0,4 Ausrüstungen −6,9 −15,1 15,9 −0,1 −3,0 3,0 2,8 2,8 1,0 1,5 1,5 1,5 Sonstige Investitionen −4,1 0,6 1,9 0,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 Lagerveränderung 1 0,0 0,0 −1,9 1,4 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Inländische Verwendung −1,4 −7,1 4,7 −0,3 −2,8 3,0 1,9 1,6 1,0 0,9 0,7 0,7 Außenbeitrag1 −0,7 −2,9 3,9 0,6 1,2 −0,6 −0,1 −0,2 −0,2 −0,2 −0,2 −0,2 Export −3,3 −20,4 18,0 4,5 1,0 0,6 2,1 1,9 1,4 1,0 0,8 0,5 Import −2,0 −15,9 9,0 3,7 −1,8 2,2 2,9 2,8 2,2 1,7 1,2 1,0 Bruttoinlandsprodukt −2,0 −9,7 8,5 0,3 −1,4 2,2 1,6 1,3 0,7 0,6 0,5 0,5 Bruttowertschöpfung −1,6 −10,3 8,1 −0,2 −1,2 2,2 1,6 1,3 0,7 0,6 0,5 0,5 Verarbeitendes Gewerbe −3,9 −18,2 13,9 6,7 1,5 1,5 1,4 0,8 0,7 0,6 0,6 0,6 Baugewerbe 4,1 −3,0 −3,2 5,2 −4,3 3,5 0,8 0,8 0,7 0,7 0,5 0,4 Handel, Gastgewerbe, Verkehr −1,0 −14,2 13,3 −4,4 −4,2 3,2 4,4 3,4 0,9 0,7 0,5 0,5 Unternehmensdienstleister −1,8 −11,6 4,9 −0,5 −1,5 2,4 0,8 2,7 1,5 1,2 1,0 1,0 Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit −1,3 −7,8 9,6 −3,2 −0,9 3,5 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,4 1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten. Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Prognose ab dem ersten Quartal 2021. © DIW Berlin 2021 aufgefangen werden, die Zahl der hiervon betroffenen Abbildung 2 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfte bis Feb- Erwerbstätige ruar auf über 2,8 Millionen gestiegen sein, bevor sie im In Tausend Personen (saisonbereinigt) Zuge der allmählichen Erholung wieder abschmilzt. Weil sich die Beschäftigung zunächst kaum ändert und im spä- 45 600 Prognosezeitraum teren Verlauf allmählich wieder aufgebaut wird, verharrt 45 400 auch die Arbeitslosenquote vorerst auf hohem Niveau, sinkt im Jahresdurchschnitt aber auf 5,8 Prozent in die- 45 200 sem beziehungsweise 5,0 Prozent im kommenden Jahr 45 000 (Tabelle 2). In diesem Umfeld bleiben die Lohnzuwächse 44 800 verhalten. In der Summe steigen die Löhne aber merk- 44 600 lich, um 3,8 Prozent in diesem und um 5,5 Prozent im 44 400 Jahr 2022 – vor allem, weil mehr und mehr Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer von der Kurzarbeit in ihre 44 200 reguläre Beschäftigung zurückkehren. 44 000 2020 2021 2022 Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr wohl nur um Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. 3,0 Prozent zulegen, im kommenden Jahr dann etwas stär- ker, um 3,8 Prozent. Dies sind zwar vergleichsweise hohe © DIW Berlin 2021 Zuwächse, die Unterauslastung bleibt aber erheblich (Abbil- Der Einbruch auf dem Arbeitsmarkt konnte bisher kaum wettgemacht werden. dung 3). Nachdem die Krise die Wirtschaft im vergangenen Jahr fast fünf Prozent unter die Normalauslastung gestürzt hatte, bleibt diese Lücke auch in diesem Jahr mit gut drei Prozent hoch und wird sich selbst im kommenden Jahr noch aber nach einem Rücksetzer zu Jahresbeginn im Zuge der nicht ganz schließen. regen Industriekonjunktur dynamisch. Die ausländische Nachfrage nach deutschen Waren und Dienstleistungen ent- Durch die neuerlichen Lockdowns – und der nur allmähli- wickelt sich kräftig, die coronabedingt eingeschränkte Reise- chen Öffnung bis zum Sommer – wird vor allem der Kon- tätigkeit belastet aber vorerst noch. Die unterstellte Eindäm- sum getroffen. Die Investitionen bleiben in diesem Umfeld mung der Pandemie im späteren Verlauf wird die Urlaubs- zunächst zwar verhalten, entwickeln sich im weiteren Verlauf freude – und damit die Importe – beflügeln. Alles in allem DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 193
Deutsche Wirtschaft Tabelle 2 Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland 2017 2018 2019 2020 2021 2022 Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) 2,6 1,3 0,6 −4,9 3,0 3,8 Erwerbstätige im Inland (1 000 Personen) 44 262 44 868 45 269 44 782 44 743 45 087 Erwerbslose, ILO 1 621 1 468 1 373 1 846 1 946 1 685 Arbeitslose, BA 2 533 2 340 2 267 2 695 2 651 2 308 Erwerbslosenquote, ILO2 3,8 3,4 3,2 4,2 4,4 3,8 Arbeitslosenquote, BA2 5,7 5,2 5,0 5,9 5,8 5,0 Verbraucherpreise3 1,5 1,8 1,4 0,5 2,1 1,5 Lohnstückkosten4 1,1 2,8 3,2 4,2 0,0 1,0 Finanzierungssaldo des Staates5 in Milliarden Euro 44,4 61,6 52,5 −139,6 −157,8 −69,9 in Prozent des BIP 1,4 1,8 1,5 −4,2 −4,5 −1,9 Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP 7,8 7,9 7,5 7,0 8,0 6,8 1 In Preisen des Vorjahres. 2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA). 3 Verbraucherpreisindex. 4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde. 5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG). Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. Prognose ab 2021. © DIW Berlin 2021 bleibt der Leistungsbilanzüberschuss hoch: In diesem Jahr Arbeitsmarkt: Sozialversicherungspflichtige wird er in Relation zum Bruttoinlandsprodukt 8,0 Prozent Beschäftigung trotzt Krise betragen und im kommenden Jahr 6,8 Prozent. Der Arbeitsmarkt hat sich seit dem Einbruch vom vergan- Die vorliegende Prognose ist geprägt durch die Annahmen zum genen Frühjahr bislang kaum erholt, die Zahl der Erwerbs- Pandemieverlauf. Nicht auszuschließen ist, dass die Infekti- tätigen lag zuletzt nahezu unverändert um rund eine Drei- onszahlen im Zaum gehalten werden und die geplanten Öff- viertelmillion niedriger. Dabei hat die Zahl der sozialversi- nungsschritte zügiger als hier unterstellt vollzogen werden kön- cherungspflichtig Beschäftigten bereits seit Juni wieder mit nen. Allerdings ist auch eine massive dritte Infektionswelle – in hohem Tempo zugenommen; die der geringfügig Beschäftig- Deutschland oder auch in ganz Europa – nicht auszuschlie- ten ist dagegen – nach einer kaum merklichen Erholung wäh- ßen. Die Auslandsnachfrage, die derzeit die Industriekonjunk- rend der Sommermonate – seit Beginn des Lockdowns wie- tur anschiebt, könnte dann wegbrechen. Doch schon allein die der im Sinkflug. Die Corona-Krise hat zudem den Abwärts- stärker eingeschränkten Dienstleistungsbranchen würden die trend bei der Zahl der Selbstständigen verschärft; bis zuletzt wirtschaftliche Entwicklung dann erheblicher bremsen. sank deren Zahl insbesondere in den betroffenen Branchen, allen voran im Handel. Abbildung 3 Bruttoinlandsprodukt und Potenzial bzw. Produktionslücke Dabei hat die Kurzarbeit Schlimmeres verhindert: Um den In Milliarden Euro bzw. Prozent des Potenzials Arbeitseinsatz in gleichem Maße an die geringere Wirt- schaftsleistung anzupassen wie durch den Einsatz von Kurz- 3 400 10 arbeit, hätte die Zahl der Beschäftigten in der Spitze um fast 3 300 8 zweieinhalb Millionen Personen reduziert werden müssen. Bruttoinlandsprodukt Nachdem sie auf rund eine dreiviertel Million gesunken war, 3 200 6 ist diese Zahl bis Dezember im Zuge des neuerlichen Lock- 3 100 Potenzial 4 downs wieder auf über 1,2 Millionen angewachsen. 3 000 2 2 900 0 Auch im ersten Quartal wird dem lockdownbedingten Rück- 2 800 Produktionslücke (rechte Achse) gang bei der Wertschöpfung wohl vor allem mit Kurzarbeit –2 begegnet werden. In den ersten Monaten des Jahres dürfte 2 700 –4 die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter von zuletzt 2 600 –6 2,4 Millionen auf gut 2,8 Millionen gestiegen sein. Mit der 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 zunehmenden Belebung der wirtschaftlichen Aktivität wird Quellen: Statistisches Bundesamt, EU-Kommission; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. sie aber bald – und dann rasch – wieder sinken (Abbildung 4). © DIW Berlin 2021 Weil die Anpassung des Arbeitseinsatzes analog zum ver- Die Corona-Krise reißt die Wirtschaft deutlich unter ihr Potenzial. gangenen Jahr über die Inanspruchnahme von Kurzarbeit laufen dürfte, wird sich der neuerliche Lockdown kaum 194 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
Deutsche Wirtschaft spürbar auf die Beschäftigung insgesamt auswirken. Die Abbildung 4 Zahl der Minijobberinnen und Minijobber wird indes wei- Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter ter sinken (Tabelle 3). Im weiteren Verlauf wird die Erho- In Tausend Personen lung dann auch die Erwerbstätigkeit erfassen, allen voran 7 000 die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Alles in Prognosezeitraum allem wird das Arbeitsvolumen bereits in diesem Jahr wie- 6 000 der zulegen; vor allem im kommenden Jahr wirkt sich die 5 000 Rücknahme der Kurzarbeit aus, die Arbeitszeit wird dann 4 000 den Vorkrisentrend erreichen. 3 000 2 000 Im Zuge dieser Belebung sinkt auch die Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote wird von 6,0 Prozent im Februar all- 1 000 mählich zurückgehen und im Verlauf des kommenden Jah- 0 res wieder unter fünf Prozent fallen; dabei spielt allerdings 2020 2021 2022 auch eine Rolle, dass die Zahl der Erwerbspersonen demo- Quelle: Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. grafisch bedingt kaum noch zulegt. Im Jahresdurchschnitt © DIW Berlin 2021 2021 liegt die Arbeitslosenquote aufgrund des hohen Niveaus Die Kurzarbeit wird nach ihrem Zwischenhoch im Frühjahr wieder deutlich sinken. zum Jahresbeginn noch bei 5,8 Prozent, im kommenden Jahr dann bei 5,0 Prozent. Angesichts der zunächst noch anhaltenden schwachen Verbraucherpreise deutlich angeschoben und hinzu kam Gewinnentwicklung dürften die effektiven Stundenlöhne die Einführung der bundesweiten CO2-Bepreisung. Ab Juli in diesem Jahr nur wenig über dem ohnehin schon gedämpf- werden die Preise mit der nun wieder erhöhten Mehrwert- ten Tariflohnanstieg liegen. Im kommenden Jahr wird sich steuer mit denen vom vergangenen Jahr verglichen, als die die konjunkturelle Erholung in einem höheren Plus wider- Preise durch die Senkung der Steuersätze vorübergehend spiegeln. niedriger waren. Vor allem deswegen wird die Inflation dann über zweieinhalb Prozent liegen; ab dem kommenden Jahr Inflation: Nur vorübergehend hoch fällt dieser Effekt weg – und die Raten fallen mit rund andert- halb Prozent deutlich geringer aus. In diesem Jahr kommen Die Inflation wird derzeit durch Sondereffekte und die zudem die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise hinzu. starken Ölpreisschwankungen geprägt: Die Rücknahme Alles zusammengenommen ergibt sich für dieses Jahr mit der Mehrwertsteuersenkung zum Jahresbeginn hat die 2,1 Prozent eine ungewöhnlich hohe Inflation – zumal die Tabelle 3 Arbeitsmarktbilanz In Millionen Personen 2018 2019 2020 2021 2022 Erwerbstätige im Inland 44,87 45,27 44,78 44,74 45,09 Selbständige und mithelfende Familienangehörige 4,22 4,15 4,00 3,85 3,76 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 32,99 33,54 33,58 33,92 34,26 BeamtInnen, RichterInnen, Zeit- und BerufssoldatInnen 1,86 1,88 1,90 1,92 1,94 Ausschließlich geringfügig Beschäftigte (Minijobber) 4,67 4,57 4,27 4,11 4,20 Sonstige 1,12 1,12 1,04 0,95 0,93 +/− PendlerInnen, Beschäftigtigte in staatlichen E inrichtungen des Auslandes bzw. im Ausland etc. -0,14 -0,15 -0,11 -0,11 -0,11 Erwerbstätige Inländer 44,73 45,12 44,68 44,64 44,98 Erwerbslose 1,47 1,37 1,85 1,95 1,69 Erwerbspersonen 46,20 46,50 46,52 46,58 46,67 Nachrichtlich: Arbeitslose 2,34 2,27 2,70 2,65 2,31 Arbeitslosenquote BA1 (Prozent) 5,2 5,0 5,9 5,8 5,0 Arbeitslosenquote SGB2 (Prozent) 6,6 6,3 7,4 7,2 6,3 Erwerbslosenquote VGR3 (Prozent) 3,2 3,0 4,0 4,2 3,6 Erwerbslosenquote ILO-Statistik (Prozent) 3,4 3,2 4,2 4,4 3,8 Erwerbstätige am Wohnort nach ILO 41,7 42,2 42,3 42,3 42,6 1 Registrierte Arbeitslose bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. 2 Registrierte Arbeitslose bezogen auf die Summe von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und registrierten Arbeitslosen. 3 Erwerbslose bezogen auf die Summe der Erwerbstätigen nach VGR und der Erwerbslosen. Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021 © DIW Berlin 2021 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 195
Deutsche Wirtschaft Kasten 2 Annahmen und Rahmenbedingungen Die Finanzpolitik war im Jahr 2020 nicht zuletzt wegen der Co- zahl investiver Maßnahmen zusammenfassen, die im Zukunftspa- vid-19-Hilfsmaßnahmen und dem beschlossenen Konjunkturpro- ket des Konjunkturprogramms angekündigt wurden und zum Teil gramm expansiv ausgerichtet. Bereits vor Beginn der Pandemie über den deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) finanziert beschlossene Maßnahmen wie die Abschaffung des Solidaritätszu- werden. Insgesamt wird für diese Prognose mit einem zusätzlichen schlags in Höhe von rund neun Milliarden Euro, die Mehrausgaben finanzpolitischen Impuls durch das Konjunkturprogramm in Höhe für die Grundrente in Höhe von jährlich 1,4 Milliarden, die steuerli- von 16 Milliarden Euro gerechnet. Die Unsicherheit bezüglich des chen Entlastungen für Familien sowie diverse investive Ausgaben, tatsächlichen zukünftigen Abflusses von Mitteln aus dem Hilfs- und unter anderem für Klimaschutz und das Gute-Kita-Gesetz, sorgen Konjunkturprogramm ist allerdings hoch. Es wird angenommen, im Jahr 2021 für eine expansive Grunddynamik. dass die geplanten Mittel, die über den DARP finanziert werden, bis 2027 vollständig abgerufen werden. Bezüglich der wirtschaftli- Hinzu kommen verschiedene Maßnahmen des im Juni 2020 chen Soforthilfemaßnahmen wird angenommen, dass 15 Milliarden beschlossenen Konjunkturprogramms, die entweder erst jetzt Euro im ersten Quartal abgerufen werden und aufgrund des un- abfließen können oder ohnehin erst in diesem Jahr geplant sind. terstellten Pandemieverlaufs auch im zweiten Quartal 2021 noch Zu ersteren zählen die wirtschaftlichen Soforthilfemaßnahmen in Mittel in Höhe von fünf Milliarden abfließen. Höhe von 25 Milliarden Euro, von denen bisher rund 13 Milliarden Euro beantragt worden sind.1 Unter letzteren lassen sich eine Viel- Um die negativen wirtschaftlichen Folgen der verlängerten Ein- schränkungsmaßnahmen zur Bekämpfung des Infektionsgesche- 1 Genau genommen sind die zum aktuellen Zeitpunkt beantragten Mittel in Höhe von rund zehn Milliar- hens abzumildern, hat die Bundesregierung zudem steuerliche den Euro den November- und Dezemberhilfen zuzuordnen. Die im Konjunkturprogramm veranschlagten Hilfsmaßnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro verlängert und Überbrückungshilfen I, II und III b wurden bis zum aktuellen Zeitpunkt nur in relativ geringem Umfang be- antragt. ausgeweitet. Die Maßnahmen umfassen eine Verlängerung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Gastronomiebranche bis zum 31. Dezember 2022, eine Erhöhung des steuerlichen Ver- Tabelle 1 lustrücktrags für die Jahre 2020 und 2021 sowie einen zusätzlichen Kinderbonus im Jahr 2021. Auch die Regelungen zum Kurzarbei- Annahmen dieser Prognose tergeld wurden verlängert. 2020 2021 2022 EZB-Leitzins Prozent 0,0 0,0 0,0 Neben den Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft wurden im Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent −0,4 −0,5 −0,5 Rahmen der nationalen Impf- und Teststrategien zusätzliche Mittel Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger bereitgestellt. Diese umfassen Bestellungen von Impfdosen für Kapitalmarktzins 0,0 0,0 0,3 Restlaufzeit insgesamt rund neun Milliarden Euro (ein Teil hiervon wird über Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Kapitalmarktzins Restlaufzeit −0,5 −0,4 −0,2 das COVAX-System an andere Länder vergeben). Die Bereitstel- Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,14 1,21 1,21 lung von Schnelltests wird für die nächsten Monate rund zwei Tarifliche Monatslöhne Änderung gegenüber Vorjahr in Prozent 1,9 1,6 1,8 Milliarden Euro kosten. Während letzteres wohl eine einmalige Erdölpreis US-Dollar/Barrel 43,1 60,5 57,2 Maßnahme sein könnte, wird angenommen, dass im Jahr 2022 Erdölpreis Euro/Barrel 37,8 49,9 47,1 nochmals drei Milliarden Euro für die Impfung der Bundesbürge- Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. rInnen bereitgestellt werden. © DIW Berlin 2021 Kapazitäten noch deutlich unterausgelastet sind. Im kom- wieder beschnitten. Und selbst erhebliche Umlenkungsef- menden Jahr dürfte die Inflation dann wieder auf andert- fekte – so wird etwa der ausgefallene Restaurantbesuch durch halb Prozent zurückgehen. Ohne die Energiepreise liegt die zusätzliche Lebensmittelnachfrage im Einzelhandel ersetzt Teuerung (Kernrate) in diesem Jahr bei 1,8 Prozent. Im kom- und der Onlinehandel boomt – können nur einen Teil des menden Jahr beträgt sie bei annahmegemäß leicht sinken- ausfallenden Konsums kompensieren. Entsprechend wird den Rohölnotierungen (Kasten 2) 1,7 Prozent. ein immenser Teil des Einkommens gespart. Auch im Auf- taktquartal wird der Konsum erneut empfindlich sinken; Privater Verbrauch: Es fehlen die Möglichkeiten, im weiteren Verlauf erholt er sich dann – allerdings lang- nicht das Einkommen samer als im vergangenen Sommer, weil die nach wie vor hohen Inzidenzzahlen zunächst nur allmähliche Lockerun- Die Corona-Krise schlägt sich vor allem beim privaten Ver- gen zulassen. brauch nieder: Die verfügbaren Einkommen entwickeln sich zwar – auch dank der staatlichen Stabilisierungsmaß- Die Löhne werden nach dem Rücksetzer im vergangenen nahmen – angesichts der tiefen Krise solide. Im Zuge der Jahr bereits 2021 wieder spürbar steigen. Zu den eher verhal- Lockdowns werden die Konsummöglichkeiten aber immer tenen Lohnzuwächsen kommt eine merkliche Ausweitung 196 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
Deutsche Wirtschaft Tabelle 2 Finanzpolitische Maßnahmen1 Belastungen (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts in Milliarden Euro gegenüber Vorjahr 2021 2022 Einnahmen der Gebietskörperschaften2 Teilabschaffung Soli −9 −1,4 Alterseinkünftegesetz −1,4 −1,4 Mehreinnahmen durch steigende Rentenbesteuerung 0,4 0,4 Erhöhung Grund- , Kinderfreibetrag, Verschiebung Tarifeckwerte/ Familienentlastungsgesetz −0,8 −0,2 Zweites Familienentlastungsgesetz −3,9 −4,4 Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen −0,2 −0,9 Sonstige steuerliche Maßnahmen3 −0,1 0,2 Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben −1,2 −0,1 Steuerliche Förderung Mietwohnungsneubau −0,1 0 Paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung 0 0 CO2-Bepreisung in Verkehr und Wärme (Beschluss des Klimakabinetts) 7,3 1,5 Zusätzliche Maßnahmen (Beschluss des Klimakabinetts) −0,2 −0,2 Einnahmen der Sozialversicherungen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung 2,3 0,0 Ausgaben der Gebietskörperschaften Kindergelderhöhung um 10 bzw. 15 Euro zum 1. Juli 2019 und 1. Januar 2021 −2,8 0 Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung 0 0 Einsparungen bei ALG II durch das Familienentlastungsgesetz bzw. Kindergeldanhebung 0,2 0 Gute KiTa-Gesetz −1 −0,5 Beihilfen aufgrund von Ernteausfällen von Bund und Ländern 0 0 „Bauernmilliarde“ −0,1 0,1 Arbeit-von-morgen-Gesetz −0,1 −0,1 Pflegebonus 0,5 0 Senkung EEG-Umlage −5,4 0 Weitere sozialpolitische Maßnahmen4 −0,5 0 Verteidigung 0 0 Mehrausgaben für Entwicklungshilfe 0,7 0 Mehrpersonal innere Sicherheit −0,3 0 Aufstockung des BAFöG, Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung −0,2 0 Investive Ausgaben GroKo 2018 −6,4 −2,1 Sonstige investive Ausgaben5 0,5 0,5 Ausgaben der Sozialversicherungen Gesetz für fairen Kassenwettbewerb in der GKV 0 0 Qualifizierungschancengesetz (ALV) 0 0 Arbeit-von-morgen-Gesetz −0,2 −0,2 Anpassung der Renten Ost −0,6 −0,5 Erhöhung der Zurechnungszeit der Erwerbsminderungsrente −0,1 −0,1 Grundrente −1,4 0 Gesundheits- und pflegepolitische Maßnahmen6 −1,3 0 Finanzpolitische Maßnahmen −25,4 −9,4 Finanzpolitische Corona-Maßnahmen −3,9 90,7 Insgesamt −29,3 81,3 In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent −0,8% 2,2% 1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen 2 Die Wirkungen der Steuerrechtsänderungen beziehen sich auf das Kassenjahr. 3 u.a. steuerliche Absetzbarkeit Erhöhung des PV-Beitrags, Bürokratieentlastungsgesetz. 4 u.a. Bundesteilhabegesetz für Menschen mit Behinderung, Baukindergeld (inkl. Bayrische Eigenheimzulage und Baukindergeld Plus), Erhöhung des Wohngelds (einschließlich Klimapaket), Starke-Familien-Ge- setz, Teilhabechancengesetz, Angehörigenentlastungsgesetz. 5 u. a. Fonds zur Förderung der künstlichen Intelligenz, Bayirsches Programm zur Förderung der Automobilindustrie, Erhöhter „Umweltbonus“ für Elektroautos, Sofortprogramm „Saubere Luft“, Digitalpakt Schule, Ausbau Bahnstrecke. 6 Konzertierte Aktion Pflege, Pflegepersonalstärkungsgesetz, Terminservice- und Versorgungsgesetz und Krankenhausstrukturgesetz. Quellen: Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. © DIW Berlin 2021 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 197
Deutsche Wirtschaft Tabelle 4 Jahresende stabil. Insgesamt waren die Ausrüstungsinvesti- Reale Bauinvestitionen tionen im Jahr 2020 dennoch deutlich von der Corona-Pan- Konstante Preise, Veränderung in Prozent demie gezeichnet: Sie gingen um 12,1 Prozent zurück. Die Erholung im zweiten Halbjahr verhinderte dabei Schlimme- 2020 2018 2019 2020 2021 2022 res: Im Jahr der Finanzkrise 2009 waren die Ausrüstungsin- Anteile in Veränderungen gegenüber dem Vorjahr vestitionen um über 20 Prozent gesunken. Prozent Wohnungsbau 61,5 3,0 4,0 2,8 −0,4 5,1 Im laufenden Quartal ist angesichts der Beschränkungen und Nichtwohnungsbau 38,5 1,9 3,5 0,4 −0,4 4,2 der Unsicherheit bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Erho- Gewerblicher Bau 26,1 1,1 2,4 -0,8 −2,8 3,0 lung mit einem erneuten Rückgang der Ausrüstungsinvestitio- Öffentlicher Bau 12,4 3,9 6,0 3,2 4,6 6,5 nen zu rechnen. Zwar bleibt die Industrie vom Lockdown weit- Bauinvestitionen 100,0 2,6 3,8 1,9 −0,4 4,8 gehend verschont und Investitionsgüterhersteller zeigen sich Ausrüstungen 4,4 0,5 −12,1 4,7 7,3 mit Blick auf die Geschäftslage laut ifo-Konjunkturumfrage Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. zuversichtlicher als in den vergangenen Monaten – die schwa- che gesamtwirtschaftliche Entwicklung hemmt jedoch auch © DIW Berlin 2021 die Investitionsbereitschaft: Auftragseingänge und Inland- sumsätze der Investitionsgüterhersteller gingen zu Jahres- der Arbeitszeit, weil mehr und mehr Arbeitnehmerinnen und beginn merklich zurück. Dies betraf in erster Linie die Auto- Arbeitnehmer von der Kurzarbeit in die reguläre Beschäfti- mobilhersteller. Bei den Maschinenbauern ist die Lage der- gung zurückkehren. Dieser Effekt ist besonders im kommen- weil stabil. Insgesamt ist im laufenden Quartal ein Rückgang den Jahr ausgeprägt, wenn die Kurzarbeit nahezu vollständig der Ausrüstungsinvestitionen um drei Prozent zu erwarten. abgebaut sein dürfte. Entsprechend ziehen allerdings auch die Lohnsteuer und die Sozialbeiträge an; vor allem im kommen- Für den weiteren Prognoseverlauf ist damit zu rechnen, dass den Jahr ist das Plus bei der Lohnsteuer erheblich – auch, weil die Unsicherheit sinkt und die Zuversicht zurückkehrt. Neben coronoabedingte Entlastungen entfallen. Netto verbleiben in den Hoffnungen auf eine weitere Erholung der wirtschaftli- beiden Jahren Zuwächse von rund vier Prozent. chen Lage im Inland durch die fortschreitenden Impfungen und sukzessiven Öffnungen gibt die stabile Auslandsnach- Die monetären Sozialleistungen steigen sowohl dieses als frage aus China und den USA Grund zum Optimismus. Die auch kommendes Jahr; das Plus reicht aber bei weitem nicht Investitionstätigkeit wird damit steigen. Die öffentlichen Aus- an das vom vergangenen Jahr heran, als die Lohnausfälle rüstungsinvestitionen dürften außerdem zu einer stärkeren aufgrund der Kurzarbeit durch Lohnersatzleistungen auf- Dynamik beitragen, wenn voraussichtlich ab dem Sommer gefangen wurden. Alles in allem steigen die verfügbaren die geplanten Investitionsinitiativen aus dem Konjunkturpa- Einkommen wohl um jeweils gut zwei Prozent. Angesichts ket und dem Koalitionsvertrag in die Tat umgesetzt werden. zunehmender Konsummöglichkeiten wird sich auch das Spar- verhalten im Prognoseverlauf normalisieren. Bei nur vorü- Bauinvestitionen: Strenger Winter legt bergehend anziehender Teuerung tritt der private Konsum Baustellen lahm im Durchschnitt dieses Jahres wohl noch auf der Stelle, für das kommende Jahr ist dann ein kräftiges Plus zu erwarten. Die Bauinvestitionen trugen im vierten Quartal des Jahres 2020 bedeutend zur Stabilisierung der Konjunktur bei: Nach Ausrüstungsinvestitionen: Trotz weiterer einem schwächeren Sommerhalbjahr verzeichnete die Bau- Infektionswellen stabil wirtschaft zum Jahresende wieder ein deutliches Plus. Vor allem der Wohnungsbau und der öffentliche Bau legten kräf- Trotz der zweiten Infektionswelle und des erneuten Lock- tig zu und sorgten so für ein Quartalswachstum von insge- downs blieben die Anschaffungen von Maschinen, Geräten samt 1,8 Prozent. Dabei dürften nicht zuletzt Vorzieheffekte und Fahrzeugen im vierten Quartal 2020 stabil. Zwar gingen aufgrund der zum Jahreswechsel anstehenden Wiedererhö- die Ausrüstungsinvestitionen um 0,1 Prozent zurück, dies ist hung der Mehrwertsteuer als Treiber gewirkt und veranlasst jedoch hauptsächlich auf die im Vergleich zum Sommerhalb- haben, dass Bauprojekte verstärkt vorangetrieben und fertig- jahr zurückhaltende Investitionstätigkeit der öffentlichen gestellt wurden. So verzeichneten nahezu alle Sparten zum Hand zurückzuführen (minus 10,4 Prozent zum Vorquar- Jahresende ein deutliches Umsatzplus; sogar der Wirtschafts- tal). Bei den privaten Investoren flaute die starke Aufholdy- bau, von der Corona-Pandemie stark in Mitleidenschaft gezo- namik des dritten Quartals, als die privaten Ausrüstungs- gen, konnte das Jahr mit einem leichten Anstieg beenden. investitionen nach historischem Einbruch im Frühjahr um 22,7 Prozent gestiegen waren, zwar ab, dennoch weiteten Der Wintereinbruch im Januar und Februar dürfte die positive diese ihre Ausgaben zum Jahresende noch um 0,9 Prozent Entwicklung im laufenden Quartal unterbrochen haben. Laut aus. Nahezu alle Branchen des verarbeitenden Gewerbes ifo-Konjunkturtest beklagte in allen Sparten ein großer Anteil verzeichneten dabei bis zuletzt und trotz des seit Novem- der Bauunternehmen witterungsbedingte Einschränkungen. ber verhängten Lockdowns stetige Umsatzzuwächse. Diese Dies spiegelt sich auch in den Produktionszahlen des Bauge- wurden erst von den stärkeren Einschränkungsmaßnahmen werbes wider, die im Januar einen Einbruch von über zwölf im Dezember gebremst. Auch die Auftragslage blieb zum Prozent gegenüber Dezember verzeichneten. 198 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
Deutsche Wirtschaft Im Wohnungsbau ist im laufenden Quartal ein besonders Die Baupreise hatten sich zuletzt, bedingt durch die Mehr- deutliches Minus zu erwarten. Gründe dafür sind nicht nur wertsteuersenkung sowie niedrige Öl- und Energiepreise, die Witterung, sondern auch die Anhebung der Mehrwert- schwach entwickelt. In diesem Jahr ist derweil mit einem steuer zum Jahreswechsel und die damit verbundenen Vor- etwas stärkeren Preisauftrieb zu rechnen, was neben der zieheffekte, die nun vor allem im Ausbaugewerbe eine nega- Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auch an steigenden tive Gegenbewegung nach sich ziehen. Entsprechend war Materialkosten liegen dürfte, die zumindest teilweise von hier der Produktionsrückgang im Januar besonders deutlich den Bauunternehmen an die AuftraggeberInnen weiterge- (minus 16,6 Prozent). Dennoch dürfte der Wohnungsbau geben werden können. bald wieder Fahrt aufnehmen: Neue Höchstwerte bei den Auftragseingängen im vierten Quartal, ebenso wie der gene- Außenhandel: Wann wird’s mal wieder richtig relle Aufwärtstrend bei den Baugenehmigungen stimmen die Sommer? Bauunternehmen für die kommenden Monate zuversichtlich. Eine zentrale Rolle dürften dabei weiterhin die sehr günsti- Die Corona-Pandemie hat auch im Außenhandel deutliche gen Finanzierungsbedingungen spielen; der Effektivzins für Spuren hinterlassen. Der Einbruch von gut zehn Prozent im Wohnungsbaukredite markierte zum Jahresende einen neuen Jahr 2020 hat die Exporte auf das Niveau von 2015 zurückge- Tiefpunkt, während die Nachfrage nach solchen Krediten wei- worfen. Der Rückgang von 20 Prozent im zweiten Quartal ist terhin dynamisch steigt.1 Laut Bundesbank nahm der Bestand der mit Abstand stärkste seit der im Jahr 1991 beginnenden an Wohnimmobilienkrediten bei deutschen Banken im vier- Statistik und übertrifft die Folgen der Finanzkrise bei Weitem. ten Quartal um eine Rekordrate von knapp 6,5 Prozent zu. Im dritten und vierten Vierteljahr 2020 legten die deutschen Exporte um 18 beziehungsweise 4,5 Prozent zu. Sie konnten Auch der Wirtschaftsbau dürfte durch das Winterwetter stark den vorherigen Einbruch damit teilweise wieder wettmachen. gebremst worden sein. Hier kehrte zuletzt dank steigender Auftragszahlen im Tiefbau vorsichtiger Optimismus ein. Die- Im Schlussquartal des vergangenen Jahres haben die Ein- ser ist jedoch besonders wetteranfällig, sodass die positiven schränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland und Impulse wohl erst mit dem Frühlingsanfang ihre Wirkung Europa abermals zu einer Verlangsamung der Wirtschaft- werden entfalten können. Der Wirtschaftshochbau hingegen stätigkeit geführt, unter der vor allem die Einnahmen aus zeigt sich weiterhin stark von der pandemiebedingten Unsi- grenzüberschreitenden Dienstleistungsgeschäften gelitten cherheit und Investitionszurückhaltung in den Industrie- haben. Mit dem erneuten Lockdown ist vor allem die Reise- und Dienstleistungssektoren gezeichnet. Auch in den kom- tätigkeit eingebrochen; die übrigen Dienstleistungen sind menden Monaten ist hier nur mit einer schwachen Dyna- indes kräftig in das Jahr gestartet. Die Warenexporte hielten mik zu rechnen, da Unternehmen sich voraussichtlich auf sich besser als im Frühjahr 2020, vor allem da die Indus- Bestandsmaßnahmen konzentrieren und bei der Planung trie weitestgehend störungsfrei produzieren konnte und größerer Bauprojekte noch zögerlich agieren werden. Zwar gleichzeitig die Volkswirtschaften in China und den USA dürften die zunehmende Eingrenzung der Pandemie und ihre Expansion fortsetzten. Eine Folge dieser asymmetri- die Stabilisierung der Wirtschaft den gewerblichen Bau ab schen Entwicklung ist, dass China und die USA 2020 mit dem kommenden Jahr etwas beleben, das Vorkrisenniveau einem Anteil von 16,4 Prozent an den gesamten deutschen wird jedoch wohl erst zum Ende des Prognosezeitraums Ausfuhren zu den wichtigsten Exportmärkten für Deutsch- wieder erreicht werden. land aufgestiegen sind und Frankreich auf den dritten Platz verwiesen haben. Allein die Exporte nach China stiegen im Eine wichtige Stütze des Baugewerbes werden in diesem Dezember um 11,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Lage Jahr die öffentlichen Auftraggeber sein (Tabelle 4). Der Aus- ist damit gänzlich anders als im Frühjahr 2020, als die deut- gleich der kommunalen Gewerbesteuerausfälle durch Bund schen Exporte um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbra- und Länder hat hier bereits im vergangenen Jahr die Inves- chen. Daher dürften die Folgen der aktuellen Einschränkun- titionspläne gestützt und dürfte weiterhin für eine Stabili- gen im Außenhandel moderater ausfallen. Mit einsetzenden sierung der öffentlichen Nachfrage sorgen. Auch die sons- Lockerungen im Sommer dürfte es allerdings zu Nachholef- tigen Maßnahmen des Konjunkturpakets, unter anderem fekten kommen. Dank der aufgestauten Konsum- und Inves- die Beschlüsse zum Breitband- sowie Kita-Ausbau, lassen titionsgüternachfrage ist dann ein recht kräftiger Schub für vor allem ab dem Sommer kräftige Impulse erwarten. Der den deutschen Außenhandel zu erwarten. Betriebsstart der Autobahn GmbH des Bundes, die die Pla- nung, Verwaltung und Finanzierung des Autobahnnetzes Auch die Dienstleistungsimporte leiden unter dem neuerli- bündelt, dürfte darüber hinaus die Projektplanung und chen Aufflammen der Infektionszahlen. Das Ausbleiben vie- -umsetzung im Straßenbau beschleunigen. Insgesamt ler Dienst- und Urlaubsreisen macht sich deutlich bemerk- wird die öffentliche Hand, abgesehen von der Winterunter- bar. Erst mit einem nachhaltigen Abbebben der Pandemie brechung, im Jahr 2021 wohl eine treibende Kraft bei den dürfte die Reisetätigkeit wieder anziehen – dann werden die Bauinvestitionen sein. Zuwächse aber auch kräftig ausfallen. Auch die Güterim- porte werden von zusätzlicher Konsumnachfrage und dem hohen Importanteil deutscher Exporte profitieren, ehe sich 1 Vgl. Europäische Zentralbank (2021): The euro area bank lending survey – Fourth Quarter of 2020 (on- line verfügbar; abgerufen am 12. März 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, im weiteren Verlauf des Prognosehorizonts vergleichsweise sofern nicht anders vermerkt). schwächere, aber positive Zuwachsraten einstellen. DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 199
Deutsche Wirtschaft Kasten 3 Prognosemodelle Um die Fülle der für das jeweils laufende Quartal vorliegenden Indi- noch stärker eingebrochen. Zum Vergleich: Im ersten Lockdown katoren umfassend zu berücksichtigen, stützt das DIW Berlin seine lagen die Einnahmen 38 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Prognose in der kurzen Frist auf Faktormodelle und Model-Avera- ging-Ansätze. Diese wiederum stützen ihre Vorhersage auf Muster, Die Exporte profitieren von einer regen Auslandsnachfrage nach die sich in der Vergangenheit zwischen den Variablen herausgebil- deutschen Waren; deren Ausfuhr lag zuletzt knapp zwei Prozent det haben. Allerdings sind gängige statistische Verfahren derzeit über dem Durchschnitt des Schlussquartals. Die Dienstleistungs- nur bedingt in der Lage, die mit der Corona-Krise einhergehenden exporte werden durch die eingeschränkten Geschäfts- und Ur- Verwerfungen vollständig zu erfassen. Üblicherweise entwickeln sich laubsreisen belastet; diese konnten zwar im Januar leicht zulegen, die Dienstleistungsbereiche nämlich relativ gleichmäßig; Schwan- bleiben aber noch 22 Prozent unter dem Durchschnitt des vierten kungen gehen ansonsten eher von der Industrie aus. Verfahren, Quartals. die auf derartigen historischen Mustern beruhen, zeichnen daher derzeit ein tendenziell zu positives Bild: Die Industrie entwickelt sich Bei den Importen zeichnet sich für das erste Quartal ein Rück- nämlich robust, während die Lockdowns die Dienstleistungsbereiche gang ab – die Wareneinfuhren sind zuletzt deutlich gesunken. Die einschränken. Die dargestellten Modellergebnisse sind vor diesem Dienstleistungsausgaben lagen im Januar 1,1 Prozent höher als im Hintergrund eher als grobe Orientierungshilfe zu interpretieren. Schlussquartal; die Reiseausgaben dagegen sind auch zum Jah- resbeginn gesunken. So dürfte die Modellrate von 0,7 Prozent für das Bruttoinland- sprodukt im ersten Quartal die voraussichtlich deutlich sinkende Für die Ausrüstungsinvestitionen ergibt sich ein gemischtes Wirtschaftsleistung überschätzen. Darin kommt wohl vor allem Bild: Die Unsicherheit ist deutlich zurückgegangen und mit der der Aufwärtstrend in der Industrie zum Ausdruck: Obwohl sich die Aussicht auf – wenn auch schleppende – Impffortschritte haben Automobilindustrie nach den steuerbedingten Vorziehkäufen im sich auch die Umfragewerte unter Investitionsgüterherstellern vergangenen Jahr auf eine schwächere Nachfrage einstellen muss aufgehellt. Die Produktion der Maschinenbauer verzeichnete zum und es zudem zum Jahresauftakt zu Produktionsstopps wegen Jahresauftakt gar ein fast zweistelliges Plus. So weisen die Model- fehlender Bauteile kam, dürfte die Industrie insgesamt die Wert- lergebnisse auch auf einen geringen Anstieg hin. Die inländischen schöpfung im ersten Vierteljahr deutlich ausweiten. Darauf deuten Umsätze der Investitionsgüterhersteller insgesamt sprechen auch die jüngst veröffentlichen Produktionszahlen des Verbands allerdings für einen deutlichen Rücksetzer; und auch die zuletzt der Automobilindustrie hin – diese haben im Februar angezogen. deutlich gesunkenen Importe deuten eher auf rückläufige Investi- tionen hin. Beim privaten Konsum zeigen die Modellergebnisse einen Rück- gang an. Tatsächlich dürfte dieser sogar noch deutlicher ausfallen. Die Bauinvestitionen sind schwach in das Jahr gestartet. Zu der So lagen etwa die Umsatzsteuereinnahmen zuletzt 18 Prozent Flaute nach möglichen Vorzieheffekten aufgrund der zeitweiligen unter ihrem Vorjahresniveau – damit geben sie aber wohl immer Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr kam auch eine noch ein zu positives Signal. Das Modell berücksichtigt nicht die ungünstige Wetterlage: Die Umfrageergebnisse zu den Behinde- Wiederanhebung der Steuersätze, die für sich genommen die Ein- rungen der Bautätigkeit ergeben für Januar und Februar witte- nahmen anschiebt. Ohne diesen Effekt wäre dieser Indikator wohl rungsbedingte Einschränkungen. Die Terms of Trade sind im Wesentlichen durch den zuletzt konjunkturelle Einbruch, der zu geringeren Rückgängen der recht kräftigen Ölpreis- und den damit verbundenen Import- Einnahmen geführt hat. Zum anderen sind einige der im preisanstieg geprägt. Bei nur leicht steigenden Exportprei- Jahr 2020 beschlossenen und geplanten Maßnahmen auch sen verschlechtern sie sich im Jahresverlauf, insbesondere wegen bürokratischer Anlaufschwierigkeiten noch nicht im ersten Quartal. Im kommenden Jahr dürften die Terms genutzt worden. Zudem könnte die bessere konjunkturelle of Trade nahezu unverändert bleiben. Entwicklung auch dazu geführt haben, dass die Mittel nicht in dem Maße benötigt wurden. Öffentliche Finanzen: Finanzierungsdefizit 2021 höher als 2020 Ein Teil der für das Jahr 2020 eingeplanten Mittel dürfte aller- dings in diesem Jahr fließen. Hinzu kommen bereits län- Das gesamtstaatliche Defizit war im Jahr 2020 mit knapp ger-, aber auch kurzfristig geplante expansive Maßnahmen 140 Milliarden Euro deutlich geringer als erwartet. So betrug in Höhe von insgesamt 29 Milliarden Euro (Tabelle 2 in Kas- beispielsweise die geplante Neuverschuldung im Nachtrags- ten 2), zu denen unter anderem Ausgaben des im Juni 2020 haushalt des Bundes, der im Juni 2020 beschlossen wurde, beschlossenen Konjunkturprogramms, aber auch zusätzli- allein mehr als 210 Milliarden Euro. Wesentliche Ursachen che Gesundheitsausgaben zählen (Tabelle 5). Der verlängerte für das geringere Defizit sind zum einen der im Vergleich Lockdown und die für den weiteren Verlauf unterstellten zu den ursprünglichen Erwartungen weniger umfangreiche partiellen Einschränkungen dürften zudem die öffentlichen 200 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
Prozentualer Anteil an allen Modellen Prozentualer Anteil an allen Modellen Prozentualer Anteil an allen Modellen 0 4 8 12 16 0 5 10 15 20 0 6 12 18 24 Abbildung −11,10 −16,10 −13,20 −10,10 −14,80 −12,00 Exporte −9,10 −13,50 −10,80 −8,10 −12,20 −9,60 −7,10 −10,90 −8,40 Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2021. −6,10 −9,60 −7,20 Bruttoinlandsprodukt −5,10 −8,30 −6,00 Ausrüstungsinvestitionen −4,10 −7,00 −4,80 −3,10 −5,70 −3,60 −2,10 −4,40 −2,40 −1,10 −3,10 −1,20 −0,10 −1,80 0,00 −1,6 0,90 −0,0 0,4 −0,50 1,20 0,7 0,7 1,90 Veränderung in Prozent Veränderung in Prozent Veränderung in Prozent 0,80 2,40 2,90 2,10 3,60 3,90 3,40 4,80 4,90 4,70 6,00 5,90 7,20 6,0 6,90 6,00 7,90 7,30 8,40 8,90 8,60 9,60 aller Modelle) des Model-Averaging-Ansatzes 9,90 9,90 10,80 Histogramme der Model-Averaging-Ansätze und Punktschätzer Prozentualer Anteil an allen Modellen Prozentualer Anteil an allen Modellen Prozentualer Anteil an allen Modellen 0 2 4 6 8 0 10 20 30 40 0 6 12 18 24 Punktschätzer (mit Prognosegüte gewichteter Durchschnitt −3,90 −30,60 −8,50 −3,60 −28,80 −7,90 Deutsche Wirtschaft Importe −3,30 −27,00 −7,30 −3,00 −25,20 −6,70 −2,70 Bauinvestitionen −23,40 −6,10 −2,40 −2,10 −21,60 −5,50 −1,80 −19,80 −4,90 −1,50 −18,00 −4,30 −1,20 −16,20 −3,70 −1,0 −0,90 −14,40 −3,10 −0,60 −12,60 −2,50 Punktschätzer des Faktormodells −0,30 −10,80 −1,90 Konsumausgaben der privaten Haushalte 0,00 0,30 −9,00 −1,30 Veränderung in Prozent Veränderung in Prozent Veränderung in Prozent 0,60 −7,20 −0,70 −0,3 0,90 −5,40 −0,10 1,20 −3,60 0,50 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021 1,50 1,10 −1,80 1,80 0,00 1,70 1,8 2,10 2,0 −0,8 1,3 1,80 2,30 2,40 2,70 3,60 2,90 201 3,00 5,40 3,50 © DIW Berlin 2021
Deutsche Wirtschaft Abbildung 5 Konjunkturindikatoren für Deutschland 1. Auftragseingang 2. Arbeitsmarkt Kalender- und saisonbereinigte Werte In Prozent, in Tausend 130 160 10 150 Bauhauptgewerbe (rechte Achse) 110 120 8 0 Erwerbstätigkeit (Änderung; rechte Achse) Konsumgüter 90 (Inlandsaufträge) 80 6 −150 Investitionsgüter Arbeitslosenquote (Inlandsaufträge) (linke Achse) Industrie 70 40 4 −300 50 0 2 −450 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 3. Produktionsindex 4. Löhne Kalender- und saisonbereinigte Werte Veränderung in Prozent 130 6 je Stunde Baugewerbe 115 3 100 0 85 −3 Produzierendendes Gewerbe je ArbeitnehmerIn Industrie 70 −6 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 5. Kapazitätsauslastung 6. Preisentwicklung Kalender- und saisonbereinigte Werte In Prozent, saisonbereinigte Werte 100 12 3 Kernrate ohne Energie und Nahrungsmittel 90 6 2 Verarbeitendes Gewerbe 80 0 1 Bauwirtschaft Kernrate ohne Energie 70 −6 0 Inflationsrate Order-Capacity-Index (rechte Achse) 60 −12 −1 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Quellen: (1, 3, 4, 6) Statistisches Bundesamt; (2) Deutsche Bundesbank; (5) ifo Institut; Deutsche Bundesbank; (7) ifo Institut; ZEW; (8, 10, 12) Deutsche Bundesbank; (9) Eurostat; Baker/Bloom/Davis; (11) Statistisches Bundesamt. 202 DIW Wochenbericht Nr. 11/2021
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