Medizinische Versorgung von Geflüchteten
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I. Rechtslage • Nach §§ 1a, 4, 6 AsylbLG erhalten Geflüchtete in den ersten 18 Monaten nur die Notversorgung, d.h. ärztliche Behandlung nur bei akuten Schmerzzuständen oder lebensgefährlichen Situationen • In BAYERN: Behandlungsscheine müssen bei Sozialämtern beantragt werden • Geflüchtete erhalten Behandlungsschein nur, wenn Sachbearbeiter des Sozialamts Arztbesuch für notwendig im Sinne des AsylbLG befindet
II. Alternative • Elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist wie eine normale Versichertenkarte • Betroffene können mit dieser Karte einen Arzt aufsuchen, wenn sie es für notwendig halten • Ärzte entscheiden, ob Behandlungsbedarf nach dem AsylbLG vorliegt und nicht Sachbearbeiter einer Behörde
III. Implementierung der eGK in Deutschland Legende: Implementiert Politisch abgelehnt In den Flächenstaaten: • Vollständige Implementierung in Thüringen und Schleswig- Holstein • In Brandenburg beteiligen sich 17 von 18 Landkreisen • Sonst nur Teilimplementierung
IV. Warum Handlungsbedarf? 1. Verstoß gegen höherrangiges Recht → Bestimmungen des AsylbLG sind völkerrechts-, europarechts- und verfassungswidrig
Völkerrecht: Verstoß gegen Diskriminierungsverbot in Art. 25 Abs. 1 der AEMR und Art. 12 Abs. 1 des WSK-Pakt : • Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit →Einschränkung des Zugangs zur medizinischen Versorgung bestimmter Personengruppen ist verboten
Europarecht: • Verstoß gegen Art. 35 der EuGRCh : Diskriminierungsverbot → gleicher Zugang zur medizinischen Versorgung wie Inländer notwendig • Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 der RL 2013/33/EU: Zugang von schutzbedürftigen Personen zur erforderlichen medizinischen Versorgung → bei sanktioniertem Verhalten Geflüchteter keine entsprechende medizinische Versorgung Schutzbedürftiger gemäß § 1a AsylbLG
Verfassungsrecht: Bundesverfassungsgericht: • medizinische Versorgung gehört zur Sicherung des Existenzminimums → Schutzbereich der Menschenwürde • Keine Kürzung des Existenzminimums aus migrationspolitischen Gründen zulässig • Verfassungsrechtlicher Anspruch auf medizinische Behandlung bei tödlicher Erkrankung, auch wenn diese erst in mehreren Jahren zum Tode führt → Verstoß gegen Grundsatz der Akutversorgung gemäß § 4 AsylbLG
2. Krasse Fehlentscheidungen von Behördensachbearbeitern und Gerichten • unbestimmte Rechtsbegriffe in den §§ 4 und 6 AsylbLG → Wann liegen akute Erkrankungen und akute Schmerzzustände vor? Wann sind medizinische Leistungen zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich? Wann sind medizinische Leistungen zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten? • Beispiele für Fehlentscheidungen: • Dialyse anstatt Nierentransplantation • Keine Diabetikertherapie • Keine Behandlung bei psychischen Erkrankungen • Keine Finanzierung von Hüft-OP, stattdessen Einsatz von Opiaten
3. Besserer Zugang zur ärztlichen Versorgung durch eGK • Leichtere Abrechnung für Ärzte, da eGK landkreisübergreifend eingesetzt werden kann und keine Prüfung durch Behörde sondern Krankenkassen stattfindet • Durch die eGK wird die freie Arztwahl nicht eingeschränkt • niedrigere Sprachbarriere bei Verfahren durch eGK → Korrespondenz mit Behördensachbearbeiter entfällt → eGK-Verfahren leichter zu verstehen • Mehr Gleichberechtigung durch eGK, da Stigmatisierung durch Behandlungsschein entfällt → Deutliche Zugangserleichterung in Bezug auf die ärztliche Versorgung bei Inhabern einer eGK gegenüber Inhabern eines Behandlungsscheins
4. Mögliche Einspareffekte durch Verwendung einer eGK Year Restricted access (exposed) Regular access (unexposed) Health expenditure (in Bn. €) Health expenditure (in Bn. €) 1994 - 1997 0,98 0,923 1998 - 2001 1,705 0,058 (keine Zahlen für 1998/1999) 2002 - 2005 1,225 0,174 2006 - 2009 0,777 0,23 2010 - 2013 0,884 0,238 • Ausgaben für Personen mit limitiertem Zugang sind nach diesen Berechnungen um 40% höher als für Personen mit regulärem Zugang Quelle: Access to Health Care and Health Expenditures among Asylum-Seekers, Page 11/22, PLOS ONE | DOI:10.1371/journal.pone.0131483 July 22, 201 • Gesundheitskosten von Personen, die unter das AsylbLG fallen, sind 10 % höher als die Gesundheitskosten der regulären Bevölkerung (Untersuchungsjahr 2016). Quelle: Studien Asylum-seekers in Germany differ from regularly insured in their morbity, utilizations and costs of care Sebastian Bauhoff, Dirk Göpffarth Published: May 24, 2018 https://doi.org/10.1371/journal.pone.0197881
V. Gründe für Einsparungen 1. Geringere Gesundheitskosten • Beschränkter Arztzugang fördert chronische Erkrankungen, die dann wieder akut behandelt werden müssen → höhere Anzahl an Krankenhauseinweisungen → Kostensteigerungen (teilweise wird dies auch von Kommunen gemeldet, die nach wie vor am Behandlungsschein festhalten) • Besserer Gesundheitszustand führt auch zu besserer Integration → schnellere Eingliederung in den Arbeitsmarkt → Kostenreduktion
2. Vorteile der Erbringung durch die Krankenkassen • Krankenkassen prüfen Arztabrechnungen effektiver, da es zu ihrer Kernkompetenz gehört • Im Zweifel übernehmen Krankenkassen auch Rechtsschutzverfahren, wenn sie über die Angelegenheit selbst entschieden haben • Krankenkassen haben oftmals Rabattverträge für Medikamente und Hilfsmittel ausgehandelt, die dann für die eGK-Nutzer ebenfalls zum Einsatz kommen können
VI. Ziel • Beseitigung der Rechtswidrigkeit von §§ 1a, 4 und 6 AsylbLG durch Änderung des AsylbLG und Überführung Geflüchteter in eine reguläre Krankenversicherung • Landesrechtliche Alternative: Einführung der eGK, um verfassungsrechtliche Probleme mit höherrangigem Recht abzumildern, hierzu Abschluss eines Rahmenvertrages nach § 264 Abs. 1 SGB V zwischen Bayern und mindestens einer Krankenkasse, dem Kommunen dann beitreten können • Eventuell kann auch Beitrittspflicht der Kommunen geregelt werden (z.B. wie in Thüringen oder Schleswig-Holstein) • Wesentliche Inhalte eines Rahmenvertrags: • Krankenkassen stellen Gesundheitsversorgung i.S.d. AsylbLG sicher • Kosten werden den Krankenkassen von den Kommunen rückerstattet (Kommunen erhalten diese Kosten i.d.R. vom Land ersetzt)
Vorschlag: → Bundesweite Evaluation der eGK → Grüne haben bereits 2015 Dringlichkeitsantrag zur Einführung der eGK in Bayern gestellt → Antrag könnte wiederholt werden, würde aber wieder abgelehnt werden → deshalb entsprechende Landtagsanfrage und/ oder Petition zu dem Thema → gemeinsamer Brief möglichst vieler Ortsverbände an zuständige Landtagsabgeordnete mit Bitte um Termin, um weitere Vorgehensweise abzuklären
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit!
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