MERKEL - SARKOZY : das "Musterkind" und der "Zappelphilipp" ?
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MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? Extrait du Euros du Village http://www.eurosduvillage.eu MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? - Sur le vif - Opinion - Date de mise en ligne : dimanche 5 aot 2007 Description : Die Kombination Merkel-Sarkozy besitzt das Potential zum deutsch-französischen Traumpaar" zumindest auf dem Papier. In der Realität stößt sich ihre Beziehung derweil an traditionellen deutsch-französischen Divergenzen. Über vorübergehende Konflikte hinaus gründen sich die deutsch-französischen Beziehungen jedoch auf eine geschichtlich gewachsene Schicksalsgemeinschaft, die zudem durch konkrete gemeinsame Interessen gefestigt wird. Euros du Village Copyright © Euros du Village Page 1/5
MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? Gezielt versucht die Pariser Regierung, Berlin zu provozieren" (Spiegel, 16. Juli 2007). Die aktuelle Rhetorik einiger deutscher Journalisten zum Thema deutsch-französische Freundschaft" lässt kaum an Schärfe zu wünschen übrig. Während der Zappelphilipp Nicolas Sarkozy den Streit [suche], wo er [könne]" (Spiegel), sei das Musterkind Angela Merkel durch die permanenten Attacken aus Paris ermattet so das redundante Klischee. Wäre es da nicht ehrlicher, man streiche den hochtrabenden" Begriff der deutsch-französischen Freundschaft" erstmal wieder aus dem diplomatischen Vokabular ? Grundverschieden stellte sich die Lage jedoch noch am 16. Mai dar. Nachdem Sarkozy das Amt des französischen Staatspräsidenten erobert hatte, reiste er noch am selben Tag für einen Kurzbesuch nach Berlin : Eine deutliches Bekenntnis zur deutsch-französischen Freundschaft. Wie kann erklärt werden, dass die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der französische Staatspräsident Sarkozy, die vor zwei Monaten noch ihre - so Sarkozy wörtlich - heilige Freundschaft" als ein Wunder" beschworen, sich jetzt scheinbar nicht mehr über den Weg trauen ? Die Kombination Merkel-Sarkozy besitzt das Potential zum deutsch-französischen Traumpaar" zumindest auf dem Papier. In der Realität stößt sich ihre Beziehung derweil an traditionellen deutsch-französischen Divergenzen. Über vorübergehende Konflikte hinaus gründen sich die deutsch-französischen Beziehungen jedoch auf eine geschichtlich gewachsene Schicksalsgemeinschaft, die zudem durch konkrete gemeinsame Interessen gefestigt wird. Merkel-Sarkozy : Ein Traumpaar auf dem Papier [JPG - 21,2 ko] Staatspräsident Sarkozy und Kanzlerin Merkel treffen sich am 16. Mai in Berlin In ihren politischen Überzeugungen stehen sich die neue Bundeskanzlerin und der frischgebackene Staatspräsident sehr nah. Beide befanden sich gleichzeitig an der Spitze der konservativen CDU bzw. ihres französischen Pendants, der Union pour un Mouvement Populaire" (UMP). Die Schnittmenge gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Positionen ist beträchtlich. Mithin war der Wahlkampf für beide Politiker die Zeit der Infragestellung des jeweiligen nationalen wirtschaftlichen Modells. Ferner warben sie beide für eine Vertiefung der Beziehungen zu den USA und lehnten einen Türkeibeitritt entschieden ab. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der stetigen Bezugnahme auf die Lichtfiguren" ihrer jeweiligen politischen Familien : Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die bekanntlich den Grundstein zur deutsch-französischen Freundschaft legten. Ferner lassen sich auch gewisse Parallelen im Politikstil erkennen, denn die konservativen Geschwister" verstehen sich beide als Pragmatiker. Bürgernähe ist ihnen ein besonderes Anliegen. Darin hebt sich insbesondere Staatspräsident Sarkozy deutlich von seinen Vorgängern im ehrwürdigen Elysee-Palast ab. Deutsche Kanzler zeigten sich in der Vergangenheit häufig von den französischen Präsidenten beeindruckt, was sowohl ihrer gesellschaftlichen Abstammung als auch ihrem beeindruckenden Wissensschatz und ihrem distinguierten Benehmen geschuldet war. Nicolas Sarkozy hingegen ist ein pragmatischer Jurist, der nicht davor zurückscheut, Angela Merkel nach Toulouse zu laden, um sie zu einem gemeinsamen Essen mit den EADS-Arbeitern zu bitten. Zwar hat Sarkozy einmal an der Eliteuniversität Sciences Po Paris" studiert, doch versperrten ihm mangelnde Englischkenntnisse den Weg zum begehrten Diplom. De facto erinnert der lockere Stil des neuen Staatspräsidenten eher an das Auftreten deutscher Kanzler als an den Auftritt französischer Volksmonarchen". Dass der Bundeskanzlerin ebenso wie dem Staatspräsidenten die deutsch-französischen Beziehungen besonders am Herzen liegen, versteht sich bei soviel Gemeinsamkeiten fast schon von selbst. Copyright © Euros du Village Page 2/5
MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? Kampf um die Pole-Position" in Europa [JPG - 37,6 ko] Möchte er der Kanzlerin die Rolle als Nummer eins in Europa entreißen" ? (Spiegel, 16. Juli 2007) Die Fülle an Gemeinsamkeiten, welche die neue Politikergeneration verbindet, hilft jedoch nicht über die traditionellen deutsch-französischen Divergenzen hinweg : Die Rede ist von der französischen Tradition des Wirtschaftsinterventionismus sowie vom französischen Selbstverständnis, an denen sich Deutschland seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Sarkozy vereinbart das scheinbar Unvereinbare : Er teilt liberale Überzeugungen und ist sich doch der französischen Tradition eines starken Staates bewusst. Folglich betrachtet Frankreichs neue Nummer eins die Globalisierung als eine Chance für Europa, so es der Politik gelingt, Maßnahmen zu treffen, um die Bevölkerung vor einem ungerechten internationalen Wettbewerb zu schützen. Diese wirtschaftspolitische Grundüberzeugung unterstrich er in seiner Rede von Epinal am 12. Juli, in der er seine Vorstellungen zur Reform der nationalen Institutionen skizzierte : Man kann Freiheit über alles stellen, aber Frankreich ohne einen starken Staat ist unvorstellbar [&]. Es gibt Staaten wie Frankreich, in denen der Staat die Nation hervorgebracht hat [&]. In Frankreich herrscht eine Beziehung zum Staat, die im Ausland häufig nicht nachvollzogen werden kann." In diesem Sinne bleibt es auch der deutschen Regierung ein Rätsel, weshalb Sarkozy im Rahmen der Diskussion um den europäischen Reformvertrag darauf beharrte, der freie und unverfälschte Wettbewerb" dürfe nicht zu einem Ziel der Union erhoben werden. Ebenso unverständlich dürfte es Berlin erscheinen, weshalb Sarkozy gegen die im April festgeschriebene Regel verstoßen will, welche die Mitgliedstaaten zu einem ausgeglichenen Haushalt bis 2010 verpflichtet oder weshalb er den starken Euro sowie die Politik der Europäischen Zentralbank kritisiert. Die Meinung der Bundesregierung zu den wirtschafts- und finanzpolitischen Streitthemen zu artikulieren, kam in den letzten Wochen zumeist Finanzminister Peer Steinbrück zu. Betreffend das sensible Thema starker Euro" die Wettbewerbsfähigkeit französischer Exportgüter ist durch den hohen Eurokurs besonders betroffen -, gab sich Steinbrück keine Mühe, seine abweichende Meinung zu kaschieren : Der starke Euro macht mir keine Sorgen, ich liebe den starken Euro". Während Nicolas Sarkozy und Jean-Claude Juncker nach dem Treffen der zwölf Finanzminister der Euro-Gruppe am 9. Juli den Journalisten den Eindruck vermittelten, man habe sich auf die Verschiebung der französischen Defizitreduzierung geeinigt, deckte der berüchtigte Korrespondent der französischen Tageszeitung Libération", Jean Quatremer, auf, dass die Schnittmenge gemeinsamer Position de facto sehr begrenzt war. Quatremer zufolge habe Steinbrück die neue französische Wirtschaftspolitik so scharf kritisiert, dass Sarkozy entgegnet haben soll : Ich verbitte es mir, dass Sie auf diese Weise mit mir sprechen !" Der französische Präsident neigt jedoch auch mal zu mächtigen Worten insbesondere, wenn es an die Neuvertonung" des französischen Selbstverständnisses geht. Im Laufe des Wahlkampfes vertrat er im Stile eines Charles de Gaulle - ohne Umschweife eine gewisse Idee Frankreichs" : Frankreich muss sich nicht seiner nationalen Geschichte schämen. Frankreich hat keinen Völkermord begangen. Frankreich hat nicht die Endlösung erfunden. Frankreich hat die Menschenrechte erfunden." (Wahlkampfveranstaltung vom 30. März 2007 in Nizza). Mit derartigen Erklärungen fügt sich Sarkozy nahtlos in die Reihe rhetorischer Höhenflüge" französischer Präsidenten ein, die wirklichkeitsfern sind und zudem in Frankreichs direkter Nachbarschaft nicht gerne vernommen werden dies gilt insbesondere für den Nachbarn jenseits des Rheins. Die Intention Sarkozys an jenem Frühlingstag im Palais Nikaia" bestand jedoch keinesfalls darin, die europäischen Partner zu verschrecken. Ziel war es, das alte Loblied auf den Universalismus der Grande Nation" anzustimmen dem französischen Selbstverständnis zu frönen. Im Grunde hat Frankreich nie auf seine Hauptrolle auf der internationalen Bühne verzichten wollen, was in Deutschland zuweilen auf begrenzte Sympathie trifft. Zudem ist der neue Herr im Elysee-Palast der Auffassung, Frankreich müsse verstärkt Präsenz auf internationaler Ebene zeigen : Sarkozy scheint das Prinzip try and error" internationaler Zurückhaltung vorzuziehen. So schreckt Paris Copyright © Euros du Village Page 3/5
MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? beispielsweise nicht davor zurück, nachdrücklich zu Friedensmissionen in Afrika aufzurufen oder das Projekt einer Mittelmeerunion aus dem Hut zu zaubern. Die Befreiung der seit acht Jahren in Libyen verhafteten bulgarischen Krankenschwestern und des bulgarisch-palästinensischen Arztes am 24. Juli wurde in der französischen Öffentlichkeit als Beispiel für einen Blitz-Erfolg" des französischen Präsidenten gefeiert. Leider gelingt diese Strategie der permanenten Glanzleistungen" - so François Hollande, Vorsitzender der französischen Sozialisten - des Zappelphilipps nicht immer : Diese Lektion musste Sarkozy bereits im Mai lernen, als er sich vergeblich darum bemühte, die seit fünf Jahren in Kolumbien verschleppte französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt zu befreien. In Anbetracht dieses neuen französischen Aktionismus auf internationalem Parkett fürchtet der ein oder andere Experte in Deutschland bereits, Sarkozy wolle Merkels Pole-Position" das heißt ihren Platz als mustergültige Diplomatin - in Europa erobern. Deutschland und Frankreich : eine Schicksalsgemeinschaft [JPG - 55,7 ko] Angela und Nicolas : Handelsvertreter gemeinsamer strategischer Interessen (16. Juli 2007, Toulouse) Über die zeitlich begrenzten Konflikte hinaus besteht jedoch eine deutsch-französische Schicksalsgemeinschaft, welche die beiden Staaten zusammenschweißt und aus dem Herzen Europas nicht mehr wegzudenken ist. Diese wird durch ein wachsendes Bewusstsein gemeinsamer Interessen gefestigt. Obwohl sich immer weniger junge Franzosen für die deutsche bzw. junge Deutsche für die französische Sprache entscheiden, besteht die deutsch-französische Gemeinschaft fort. Diese gründet sich auf den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963 und wird insbesondere in Schüleraustauschen sowie in binationalen Studiengängen zur gesellschaftlichen Realität. Ferner vertiefen wissenschaftliche Arbeiten die Kenntnis vom Nachbarn das CERFA (Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen) etwa beleuchtet die europäische Integration aus deutsch-französischer Perspektive - und deutsch-französische Initiativen haben Hochkonjunktur. So geht die Gründung des europäischen Wirtschafts-Think tank Bruegel" auf eine Erklärung der deutschen und französischen Regierung aus dem Jahr 2003 zurück. Ferner festigen gemeinsame politische und wirtschaftliche Interessen die deutsch-französische Freundschaft. Steckt beispielsweise der europäische Konzern EADS in der Krise, so stellt sich die Machtfrage zwischen den involvierten Staaten und die Gemüter erhitzen sich. Der Kompromiss, der am 16. Juli bei EADS in Toulouse gefunden wurde, beweist jedoch : Gemeinsame Interessen sind stärker als vorübergehende Unstimmigkeiten. Ungeachtet der Divergenzen ist geschlossenes Handeln auch weiterhin an der Tagesordnung. Der Dialog zwischen französischen und deutschen Ministern beispielsweise ist regelmäßig und mündet häufig in gemeinsamer Aktion. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Interessen zusammen effektiver vertreten werden können. So stemmen sich die Landwirtschaftsminister Horst Seehofer und Michel Barnier gegenwärtig mit vereinten Kräften gegen die durch die EU-Kommission geplante Weinmarktreform. Darüber hinaus hat Deutschland die Kandidatur des deutschsprachigen ehemaligen französischen Finanzministers Dominique Strauss-Kahn für die Leitung des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt, während Staatspräsident Sarkozy seinen Beitrag zum Gelingen der Verhandlungen um den Reformvertrag leistete. Und die Moral von der Geschicht' : Deutsch-französische Zusammenarbeit erweist sich insbesondere dann als fruchtbar, wenn ihr gemeinsame Interessen zugrunde liegen. Kommt Zeit, kommt Rat... Erobert ein neuer Politiker die zentrale Funktion im Staate, so sind die Beziehungen zu seinen Amtskollegen in der Anfangszeit häufig kompliziert. Selbstverständlich versucht er, neue Impulse zu setzen, bevor er feststellen muss, dass die Außenpolitik eines Landes ein langfristiges Projekt ist, das der Kontinuität bedarf. Europaweit zeigten sich Kommentatoren seit Sarkozys Wahlerfolg von seinem weitestgehend konstruktiven Engagement in Europafragen positiv überrascht. Erinnert sei an die Ernennung eines sozialistischen pro-europäischen Europa-Ministers, Jean-Pierre Jouyet, an Sarkozys wesentlicher Beitrag zum Reformvertrag, an die Europäisierung" des französischen Copyright © Euros du Village Page 4/5
MERKEL - SARKOZY : das „Musterkind" und der „Zappelphilipp" ? Nationalfeiertags sowie an die Aufforderung Sarkozys an seine Minister, die EU-Kommission als Partner und nicht länger als Gefahr zu betrachten. Das gegenwärtig aggressive Raunen aus dem deutschen Blätterwald erweist sich als zu kurz gedacht, blickt man über den Tellerrand der Tagespolitik hinaus. Gewähren wir Sarkozy doch noch ein Weilchen, sich im fest gesponnenen Netz der deutsch-französischen Beziehungen auszuzappeln. Die Stunde wird kommen, da auch Sarkozy feststellt, dass er dieses kostbare Netz eigens fortspinnen und bewahren muss. Musterkind Merkel hingegen erweckt nach zweijähriger Amtszeit den Eindruck, diese Lektion bereits verinnerlicht zu haben. Im Endeffekt geht es bei dem Paar Musterkind Merkel Zappelphilipp Sarkozy um eine Beziehung, die momentan noch in den Kinderschuhen steckt. Bildquellen : Logo : Handelsblatt, 17. Juli 2007 http://www.handelsblatt.com/ news/Politik/International/_pv/doc_page/2/_p/200051/_t/ft/_b/1295156/default.aspx/von-kuesschen-und-kompromiss en.html, Treffen in Berlin : Le Figaro, 17. Mai 2007 http://www.lefigaro.fr/ international/20070517.FIG000000248_sarkozy_joue_la_continuite_diplomatique_avec_berlin.html Fingerzeig : FAZ http://www.faz.net/ ss/RubD16E1F55D21144C4AE3F9DDF52B6E1D9/Doc E456045D8EC7B48A5AF13DE996872F9F4 ATpl Ecommon Scontent.html Airbus-Shirts : FAZ, 16. Juli 2007 http://www.faz.net/ s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc EFC40CA1CBC6F4331927CDCBAFEB1D56F ATpl Ecommon Scontent.html Copyright © Euros du Village Page 5/5
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