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"Mindfulness-Based Childbirth and Parenting" Ein Literaturreview zur Auswirkung einer achtsamen Geburtsvorbereitung auf das perinatale Angst- und Stressempfinden der Frau Bachelor-Thesis Gabriela Ricklin Berner Fachhochschule Fachbereich Gesundheit Bachelor of Science Hebamme Brugg, 2017
Achtsame Geburtsvorbereitung Widmung Diese Arbeit widme ich meiner Kommilitonin Nadine von Däniken. Leider war es ihr nicht vergönnt, ihren Traumberuf auszuüben, denn sie ist während der Ausbildung schwer erkrankt und verstorben. Liebe Nadine, ich werde dich immer in meinem Hebammen-Herzen tragen. Danke für deine Freundschaft. 2
Achtsame Geburtsvorbereitung INHALTSVERZEICHNIS 1 Abstrakt 5 2 Einleitung 6 2.1 Problembeschreibung und Relevanz 6 2.2 Ziele 8 2.3 Fragestellungen 8 2.4 Eingrenzung des Themas 9 3 Theoretische Grundlagen 10 3.1 Definitionen 10 3.1.1 Angst und Furcht 10 3.1.2 Stress 11 3.1.3 Achtsamkeit 11 3.1.4 Zentrale Begriffe 11 3.1.5 Zusammenfassung 12 3.2 Neuroendokrinologie von Angst und Stress 12 3.2.1 "Dreieiniges Gehirn" 12 3.2.2 Das autonome Nervensystem 13 3.2.3 Oxytocin 14 3.2.4 Physiologische Vorgänge beim Angst- und Stressempfinden 14 3.2.5 Perinatales Angst- und Stressempfinden 16 3.2.6 Zusammenfassung 16 3.3 Stresstheoretische Modelle 17 3.3.1 Transaktionales Stressmodell von Lazarus und Folkman 17 3.3.2 Selbstwirksamkeit 18 3.3.3 Zusammenfassung 19 3.4 Mindfulness-Based Childbirth and Parenting 19 3.4.1 Das MBCP-Programm 20 3.4.2 Zusammenfassung 22 4 Methode 23 4.1 Literaturrecherche 23 4.2 Ein- und Ausschlusskriterien 23 4.3 Auswahl der Studien 24 4.4 Analyse der Studien 25 5 Ergebnisse 26 5.1 Vorstellung der Studien 26 5.1.1 Taylor et al. (2016) 26 3
Achtsame Geburtsvorbereitung 5.1.2 Ahmadi und Bagheri (2017) 28 5.1.3 Beattie et al. (2017) 30 5.1.4 Duncan et al. (2017) 32 5.1.5 Muthukrishnan et al. (2016) 34 5.1.6 Narimani und Musavi (2014) 36 5.1.7 Yazdanimehr et al. (2016a) 37 5.1.8 Yazdanimehr et al. (2016b) 39 5.2 Kritische Würdigung der Studien 45 5.3 Synthese der relevanten Ergebnisse 55 6 Diskussion 58 6.1 Angst und Stress 58 6.2 Geburtserleben 59 6.3 MBCP-Programme 60 6.4 Übertragbarkeit auf die Schweiz 61 6.5 Auswirkung für den Beruf der Hebamme 61 6.6 Weiterer Forschungsbedarf 62 6.7 Stärken und Limitationen der Bachelor Thesis 63 7 Schlussfolgerung 64 8 Literaturverzeichnis 66 9 Abbildungsverzeichnis 74 10 Tabellenverzeichnis 74 11 Abkürzungsverzeichnis 75 12 Glossar 76 13 Anhang 78 13.1 Informationen zu MBCP als Kurs und Ausbildung 78 13.1.1 MBCP Kurs in der Schweiz 78 13.1.2 Ausbildungen in Deutschland und der Schweiz 78 13.1.3 Berufsverband MBSR in der Schweiz 78 4
Achtsame Geburtsvorbereitung 1 ABSTRAKT Einleitung und Ziele: Perinatales Angst- und Stressempfinden kann weitreichende Auswirkungen haben. Mindfulness-Based Childbirth and Parenting (MBCP) soll dem entgegenwirken und zu einem positiven Geburtserleben führen. Die Publikationen über Mindfulness bzw. Achtsamkeit haben sich seit 2002 vervielfacht. Die Bachelor-Thesis soll die Auswirkungen von MBCP auf das perinatale Angst- und Stressempfinden so- wie das Geburtserleben der Frau aufzeigen und eine evidenzbasierte Empfehlung für die Durchführung vorgeburtlicher MBCP-Programme in der Schweiz geben. Theoretischer Hintergrund: Achtsamkeit hat seinen Ursprung im Buddhismus. MBCP ist eine praxisorientierte und systematische Methode der Geburtsvorbereitung. Es soll das allgemeine Anspannungsniveau, aufgezeigt im Angst-/Stressmodell, senken, die Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeitsmodell) erhöhen und eine effektive Bewälti- gungsfähigkeit (transaktionales Stressmodell) von Angst und Stress geben. Methode: Die Beantwortung der Fragestellungen erfolgte mittels eines Literaturreviews und der systematischen Analyse und Gegenüberstellung eines Reviews und sieben randomisiert-kontrollierter Studien aus bedeutenden medizinischen Datenbanken. Ergebnisse: MBCP senkt das Angst- und Stressempfinden innerhalb der Interventi- onsgruppe signifikant. Das Geburtserleben wird positiv beeinflusst. Die Programme un- terscheiden sich markant. Diskussion: Die Ergebnisse müssen differenziert betrachtet werden. Die Studien mit aktiver Kontrollgruppe sind stärker zu gewichten. Die Aussagekraft wird durch die un- terschiedlichen Programme begrenzt. Eine Übertragbarkeit der Studien auf die Schweiz ist gegeben. MBCP könnte verschiedene Vorteile für die Hebammenarbeit mit sich bringen. In der Ausbildung ist MBCP bzw. Achtsamkeit kein proaktives Thema. Teilaspekte davon werden jedoch aufgegriffen. Schlussfolgerung: MBCP ist eine weitere effektive Möglichkeit zur Geburtsvorberei- tung ohne evidenzbasierte Empfehlung für ein bestimmtes Programm. Die Partner soll- ten immer mit einbezogen werden. Die Forschung mit einer aktiven Kontrollgruppe, qualitative und quantitative Studien zum Geburtserleben und solche, die sechs Monate nach der Geburt durchgeführt werden, könnten weitere Aufschlüsse über den Vorteil gegenüber anderen Geburtsvorbereitungskursen geben. Interessierte Hebammen fin- den Ausbildungskurse in der Schweiz und in Deutschland. Die Schulung von Achtsam- keit bedeutet die Schulung in Lebenskompetenz. Schlüsselwörter: Achtsamkeit, Geburtsvorbereitung, MBCP, Angst, Stress 5
Achtsame Geburtsvorbereitung 2 EINLEITUNG Let go into full acceptance of the present moment, including how you are feeling and what you perceive to be happening. For these moments, don't try to change anything at all, just breathe and let go. Breathe and let be (Kabat-Zinn, 1984, S. 12). Auf den Moment achten, spüren, wie man sich fühlt, was man wahrnimmt, ohne es än- dern zu wollen. Atmen und loslassen. So die Definition von Mindfulness nach Kabat- Zinn (1984), Molekularbiologe und Gründer der Stressklinik am Medical Center in Mas- sachusetts, USA. Mindfulness, in Deutsch Achtsamkeit, findet in der westlichen Welt immer mehr Beachtung. Die Publikationen haben sich von 2002 bis 2012 verzehnfacht (Abb. 1), steigen weiter an (Kabat-Zinn, 2013) und werden immer überzeugender (Ka- bat-Zinn, 2016). Die Psychologie entdeckte die Achtsamkeit in den letzten 30 Jahren. Den Ursprung hat sie im Buddhismus und besagt, dass alle Wahrnehmungen wertfrei betrachtet werden sollen. Achtsamkeit sollte in allem Körperlichen, bei Gefühlsreaktio- nen, in Gemütszuständen und in Berührungspunkten mit der Natur geschult werden. Dies bildet bis heute die Basis aller Meditationspraktiken (Kuschel, 2016). Abb. 1: Publikationen zu Achtsamkeit 1980–2012 (Kabat-Zinn, 2013) 2.1 Problembeschreibung und Relevanz Eine Schwangerschaft bedeutet eine grosse Veränderung im Leben einer Frau und kann, abgesehen von einer Schwangerschaftsunterbrechung, nicht rückgängig ge- macht werden. Das wirkt zuweilen angstauslösend, sagt Lukesch (1981), da die Frau direkt körperlich betroffen ist und sie bei allfälligen Komplikationen unmittelbar gefähr- det sein kann. Die zwei häufigsten Ängste von Schwangeren in der Schweiz beschrei- ben Geissbühler, Zimmermann und Eberhard (2005) für Nulli- und Mehrpara, ob das Kind gesund ist und Schmerzen. Die befragten Frauen gaben noch weitere Ängste an, wie die Ungewissheit, was auf sie zukommt, keine Kraft zu haben, alleine zu sein, die 6
Achtsame Geburtsvorbereitung Kontrolle über sich selber zu verlieren, zu versagen oder sich blöd anzustellen. Diese Ängste nehmen mit steigender Parität ab. Anders bei der Angst vor einem Kaiser- schnitt, welche bei Secundipara am höchsten ist und die Angst vor Blutungen, deren Ausprägung keinen Zusammenhang mit der Parität aufweist. Angst kann bewusst oder unbewusst wahrgenommen werden und wirksam sein. Sie führt aber immer zu einer Anspannung im Körper und Geist, welche schlussendlich als Stress resultiert (Haimerl, 2015; Ruthe, 2013). Negativer Stress, wie Überanstrengung, und Überforderung, kann auch Auslöser von Angst sein, so Ruthe (2013) weiter. Vermehrte Angst und Stress kann für die Frau folgende Auswirkungen haben: Frühgeburt (Klabbers, Wijma, Paarlberg, Emons & Vingerhoets, 2014) erhöhte Geburtsdauer (Adams, Eberhard-Gran & Eskild, 2012) mehr geburtshilfliche Interventionen (Fenwick et al., 2015) erhöhte Raten elektiver Sectiones (Fenwick et al., 2015; Nieminen, Stephans- son & Ryding, 2009; Ryding et al., 2015) mehr postpartale Depression (Gosselin, Chabot, Béland, Goulet-Gervais & Mo- rin, 2016) Schlaflosigkeit, Kreuz- und Kopfschmerzen, Harndrang oder Darmstörungen, erhöhter Blutdruck, Schwächung des Immunsystems oder Erhöhung des Blut- zuckerspiegels (Ruthe, 2013) erhöhtes Risiko für ein negatives Geburtserlebnis (Elvander, Cnattingius & Kje- rulff, 2013) Als mögliche Konsequenz für das Kind beschreibt Glover (2014) emotionale Probleme, Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung oder beeinträchtigte ko- gnitive Entwicklung bei pränataler Angst und Stress der Mutter. Die Prävalenz von Frauen mit Angst und Stress in der Schwangerschaft wird in der Li- teratur unterschiedlich angegeben. Erklärungen dafür sind kulturelle Faktoren oder ver- schiedene Methoden bei der Erhebung (Hall et al. 2009). Geissbühler et al. (2005) be- ziffern bei Erstgebärenden etwas Angst bei 67.8% und hohe Angst bei 5.7% der Frau- en. Die Erhebung in sechs europäischen Ländern ergab eine durchschnittliche Angst in der Schwangerschaft von 11% (Lukasse, Schei & Ryding, 2014). Beim Stressempfin- den gibt es weniger Angaben über die Prävalenz. Loomans et al. (2013) berichten von 25% der Schwangeren, welche in irgendeiner Form Stress erleben. 7
Achtsame Geburtsvorbereitung Aus Sicht der Hebammen ist es wichtig, dass die Frauen ihre Ängste loslassen können (Salomonsson, Wijma & Alehagen, 2008). Das kann mit einer Vorbereitung auf die Ge- burt geschehen und hat einen positiven Einfluss auf die Angst (Geissbühler et al. 2005; Karabulut, Potur, Merih, Mutlu & Demirci, 2016), den Stress (Koushede et al. 2013) und die Reduktion elektiver Sectiones (Fenwick et al., 2015; Rouhe et al., 2013; Stoll & Hall, 2012). Das Angebot an Geburtsvorbereitungskursen ist vielfältig und kann unter anderem Elemente aus der Autosuggestion, Meditation, Tai-Chi, Yoga, Feldenkrais- oder Zilgrei-Übungen beinhalten (Schäfers, 2013). Meditation und Yoga bilden den Kern des Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR). Ein Programm zur Stressbewältigung durch Achtsamkeit, welches 1979 von Jon Kabat-Zinn in den USA entwickelt wurde. Der positive Effekt von MBSR auf die Reduktion von Angst, Stress und Depression sowie den Umgang mit Schmerzen und Krankheiten wurde in zahlreichen Studien belegt (Khoury, Sharma, Rush & Fournier, 2015; Meissner, 2015). Das Mindfulness Based Childbirth and Parenting-Programm (MBCP) ist eine von Nancy Bardacke 1998 weiterentwickelte Form des MBSR zur Vorbereitung auf die Ge- burt. Es ist eine praxisorientierte und systematische Methode und erhöht die Selbst- wirksamkeit, was zu einer Reduktion von Angst und Stress führt (Byrne, Hauck, Fisher, Bayes & Schultze, 2013). Eine hohe Selbstwirksamkeit ist ein wichtiger Faktor für das positive Erleben der Geburt (Schwartz et al. 2015). 2.2 Ziele Mittels Studien soll die Auswirkung von MBCP-Programmen auf das perinatale Angst- und Stressempfinden sowie das Geburtserleben der Frau aufgezeigt werden. Infolge- dessen soll eine evidenzbasierte Empfehlung für die Durchführung vorgeburtlicher MBCP-Programme für die Schweiz gegeben werden können. 2.3 Fragestellungen Welche Auswirkungen hat die Teilnahme an einem MBCP-Programm auf das perinatale Angst- und Stressempfinden der Frau? Welche Auswirkungen hat die Teilnahme an einem MBCP-Programm auf das Geburtserleben der Frau? Welches MBCP-Programm kann gemäss Evidenzlage für die Schweiz empfoh- len werden? 8
Achtsame Geburtsvorbereitung 2.4 Eingrenzung des Themas Der Fokus der Bachelor-Thesis liegt auf den Auswirkungen des perinatalen Angst- und Stressempfindens und dem Geburtserleben von Frauen. Es werden gesunde Nulli- und Mehrpara mit einer physiologisch verlaufenden Einlingsschwangerschaft berücksich- tigt, welche an einem MBCP-Programm teilgenommen haben. Es werden nur Pro- gramme einbezogen, die von Jon Kabat-Zinn oder Nancy Bardacke entwickelt wurden, um eine Vergleichbarkeit herstellen zu können. Da die Angebote der meisten Pro- gramme nur für die Frauen gelten, werden Partner der Schwangeren ausgeklammert, obwohl auch sie unter Ängsten und Stress leiden können und diese einen Einfluss auf die Schwangerschaft und die Geburt haben können (Hanson, Hunter, Bormann & Sobo, 2009; Kannenberg, Weichert, Rody & Banz-Jansen, 2016). Trotz der Vorzüge des MBSR auf die Vorbeugung von Depression (Khoury et al., 2015) und einer Gide- line des National Institute for Health and Care Excellence [NICE] (Meissner, 2015) für Patientinnen und Patienten nach drei oder mehr depressiven Episoden wird die Bear- beitung der Krankheit ausgeschlossen, da sie den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Ebenfalls wird auf eine Auseinandersetzung von Ängstlichkeit und Phobie verzichtet, weil die Differenzierung nicht relevant für die Arbeit ist. 9
Achtsame Geburtsvorbereitung 3 THEORETISCHE GRUNDLAGEN Dieses Kapitel definiert Angst, Furcht, Stress und Achtsamkeit sowie zentrale Begriffe der Bachelor-Thesis. Es bietet Hintergrundwissen über die Funktionsweise des Ge- hirns beim Empfinden von Angst und Stress. Stresstheoretische Modelle und das MBCP-Programm sind ebenfalls Gegenstand des Abschnittes. 3.1 Definitionen 3.1.1 Angst und Furcht Mit Anxiety und Fear gibt es im englischen Sprachgebrauch zwei Kernbegriffe, die Angst bezeichnen (Dehne, 2017). Angst, abgeleitet von lat. angustus (Heller, 1998), bedeutet eng, bedenklich oder schwierig (Pons Online-Wörterbuch, 2017a). Furcht wird in der Psychologie als Primäremotion genannt, die sich aus der Evolution entwickelt und den Menschen genetisch beeinflusst hat (Wenninger, 2000). Die Disparität zwi- schen Angst und Furcht wird auch in der Soziologie von Dehne (2017) beschrieben. Die Tabelle 1 zeigt verschiedene Definitionen in der Literatur auf. Bei der Angst wird auf Situationen verwiesen, in denen die Dinge ihre Vertrautheit verlieren. Demnach be- zieht sich die Furcht auf etwas Bestimmtes mit einem extrinsischen Auslöser, die Angst hingegen auf etwas Unbestimmtes mit einem intrinsischen Auslöser. So kann davon ausgegangen werden, dass Schwangere durchaus von Angst und/oder Furcht betrof- fen sein können. Angst und Furcht werden oft synonym verwendet. Tab. 1: Definitionen von Angst und Furcht Quelle Angst Furcht Pschyrembel, klinisches (engl. anxiety, fear: unangenehm empfun- (engl.) fear: sog. Realangst; ob- Wörterbuch (2011) dener, eine Bedrohung oder Gefahr signa- jektbezogene Angst, die sich lisierender Gefühlszustand; enthält unter z.B. als Reaktion auf eine kon- Umständen Krankheitswert, wenn Angst krete Bedrohung bzw. Gefahr ohne erkennbaren Grund bzw. infolge in- einstellt adäquater Reize ausgelöst und empfunden wird. Angst kann in unterschiedlichen Schweregraden und mit verschiedenen psychischen und physischen Symptomen auftreten. North American Nursing Unbestimmtes Gefühl des Unbehagens Reaktion auf eine wahrgenom- Diagnosis Association oder der Bedrohung, das von einer auto- mene Bedrohung, die bewusst [NANDA]-Klassifikation nomen Reaktion begleitet wird (häufig un- als Gefahr erkannt wird. (2010) bestimmte oder dem Individuum unbekann- te Quelle); eine Besorgnis, die durch die vorweggenommene Gefahr hervorgerufen wird. Es ist ein Warnsignal für drohende Gefahr und ermöglicht dem Individuum, Massnahmen zum Umgang mit der Gefahr einzuleiten. 10
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.1.2 Stress Stress, aus dem Englischen stammend, bedeutet Druck, Belastung, Spannung (Pons Online-Wörterbuch, 2017c). Der Begriff wurde ursprünglich in der Physik als Kraft, die auf einen Körper einwirkt und eine Beanspruchung und Deformation hervorruft, defi- niert (Krohne, 2010). 1914 wurde Stress beim Menschen erstmals wissenschaftlich er- wähnt. Cannon (zitiert nach Hüther, 2013, S. 28), führte den Begriff Stress als "Fight- or-Flight-Verhalten" ein, da er die Bedeutung der Katecholamine auf den Organismus erkannte. Verschiedene Definitionen von Stress sind in untenstehender Tabelle 2 auf- geführt. Die Unterscheidung von Eu- und Distress, von positiv und negativ behaftetem Stress, wurde von Selye (1974) geprägt und kann auch in der Schwangerschaft vorge- nommen werden. Tab. 2: Definitionen von Stress Quelle Stress Pschyrembel, klinisches Wörterbuch (engl. stress: Druck, Belastung, Spannung) Reaktionen des Or- (2011) ganismus (erhöhte Sympathikusaktivität, vermehrte Ausschüt- tung von Stresshormonen u.a.). Eustress: kurz dauernde physio- logische Anpassung an alltägliche Anforderungen, die (geistig und körperlich) anregend und leistungssteigernd wirkt, Energie- bereitstellung durch Gluconeogenese; Distress: Entstehung durch ungenügende Adaptation des Körpers an Belastungen o- der infolge Diskrepanz zwischen Anforderungen und subjektivem Bewältigungsverhalten NANDA-Klassifikation (2010) übermässige Anzahl und Arten der Herausforderungen, die Handlung erfordern 3.1.3 Achtsamkeit Laut Duden (online, 2017) bedeutet achtsam: aufmerksam, wachsam, vorsichtig oder sorgfältig. Gemäss Kabat-Zinn (1990, zitiert nach Heidenreich & Michalak, 2006, S. 11) ist "achtsam sein" eine Form von Aufmerksamkeitslenkung, die "absichtsvoll", "nicht wertend" und "auf das bewusste Erleben des gegenwärtigen Augenblicks" fokussiert ist. Obwohl Achtsamkeit aus dem Buddhismus stammt, kann es in Unabhängigkeit von religiösen, spirituellen und kulturellen Werten erlernt und praktiziert werden (Bardacke, 2016a). 3.1.4 Zentrale Begriffe Die zentralen Begriffe für diese Bachelor-Thesis werden nachstehend, alphabetisch geordnet, festgelegt. Andere Begriffe und Definitionen für die Verständlichkeit sind im Glossar (Punkt 12) zu finden. Angst: Angst beinhaltet die Definitionen aus der Tabelle 1. Falls in den Studien die Angst näher erklärt wird (z.B. Angst vor dem Geburtsschmerz), wird diese benannt. 11
Achtsame Geburtsvorbereitung Geburtserleben: Das Geburtserleben ist ein subjektives Empfinden. Die Schlüssel- wörter der Aussagen werden folglich inhaltlich unverändert wiedergegeben. Mindfulness Based Childbirth and Parenting-Programm: Als Mindfulness Based Childbirth and Parenting-Programm, nachfolgend MBCP genannt, werden verschiede- ne Programme bezeichnet, welche auf der Achtsamkeitslehre von Jon Kabat-Zinn zum besseren Umgang mit Stress, Angst und Krankheit und/oder der Weiterentwicklung für die Geburtshilfe von Nancy Bardacke basieren. Stress: Die erhöhte physische oder psychische Beanspruchung oder Belastung wird als Stress bezeichnet und bezieht sich auf die Definitionen in der Tabelle 2. 3.1.5 Zusammenfassung Angst in der Schwangerschaft bezieht sich auf etwas Unbestimmtes, wie die Unge- wissheit, was auf die Frau zukommt. Die Sectio ist ein Beispiel für Furcht, etwas Be- stimmtes. Stress kann durch Angstempfinden entstehen. Umgekehrt kann Stress am Arbeitsplatz oder im Privatleben auch Angstauslöser sein. Achtsamkeit ist eine speziel- le Form von Aufmerksamkeitslenkung und wird im MBCP gelehrt, mit dem Ziel, die Angst und den Stress zu reduzieren. 3.2 Neuroendokrinologie von Angst und Stress Nachfolgend werden die Strukturen im Gehirn und die Vorgänge bei Angst und Stress sowie der Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt aufgezeigt. 3.2.1 "Dreieiniges Gehirn" MacLean (zitiert aus Bardacke, 2016a; Lexikon der Neurowissenschaft, 2000) stellt das menschliche Gehirn aus drei hierarchisch organisierten Komponenten dar (Abb. 2). Sie sind unterschiedlich entstanden, aber neuronal miteinander verbunden. Die jüngeren Hirnteile werden von den älteren beeinflusst. Im Hirnstamm und den benachbarten Strukturen liegt das "Reptilienhirn" oder Hirnstamm, das älteste Areal. Es erzeugt vor- programmiertes Verhalten, wie z.B. Herzschlag, Blutdruck, Atmung, Muskelbewegun- gen und Gleichgewicht. Das "Altsäugerhirn" liegt darüber und ist jünger. Es korrespon- diert mit dem limbischen System und koordiniert die Signale von und zur Grosshirnrin- de. Ausserdem reguliert es die Gefühle und Bereitschaft, wie Sexualtrieb oder Aggres- sion, emotional gefärbte Erinnerungen und die Aufmerksamkeit. Auch sind dort emoti- onale Bedürfnisse von Nähe, Ruhe und Geborgenheit verankert. Mit der Entwicklung des "Neusäugerhirns", insbesondere dem Neocortex, wurde kognitives Verhalten mög- lich (Sprache, abstraktes logisches Denken, Gedächtnis, Selbstwahrnehmung). Dieser 12
Achtsame Geburtsvorbereitung Teil des Gehirns lässt Zukunftsdenken und Sorgen entstehen. Es hat Analysefähigkei- ten, um Vergangenes aufzuarbeiten und Probleme zu lösen. In der Schwangerschaft und der Geburt sollte demnach die Aktivierung des "Reptilien- hirns" gefördert bzw. die des "Neusäugerhirns" gehemmt werden. Hier setzt MBCP an, indem es durch das Praktizieren von Achtsamkeit Ruhe und Wohlgefühl das limbi- schen Systems unterstützt und die Aktivität des Neocortex' hemmt. Abb. 2: "Dreieiniges Gehirn" (Lexikon der Neurowissenschaft, 2000) 3.2.2 Das autonome Nervensystem Das Nervensystem setzt sich aus dem zentralen Nervensystem (Gehirn und Rücken- mark), dem peripheren Nervensystem (Spinal- und Hirnnerven) und dem autonomen Nervensystem zusammen. Das autonome Nervensystem (ANS), auch vegetatives Ner- vensystem genannt, ist das Steuerzentrum für die unwillkürlichen Vorgänge im Körper. Es setzt sich aus dem parasympathischen Nervensystem (PNS), kurz Parasympathi- kus, und dem sympathischen Nervensystem (SNS), kurz Sympathikus, zusammen. Das PNS ist ein System der Ruhe und Bindung, welches auf dem Hormon Oxytocin (vgl. 3.2.3) basiert und mit positiven Gefühlen und Interaktionen, wie Vertrauen, Zufrie- denheit, Neugier, Heilung und Wachstum, assoziiert wird. Das SNS steuert die Kampf- oder Flucht-Reaktion. Bei Angst werden die Stresshormone Adrenalin und Noradrena- lin (als Adrenalin zusammengefasst) aktiviert und ermöglichen so die Verteidigung oder Flucht. PNS und SNS ergänzen einander im stetigen Wechselspiel. Als Vermittler der beiden Systeme wirkt der Hypothalamus, welcher die Signale der Amygdala empfängt. Dabei hat die Wahrnehmung und Bewertung der inneren und äusseren Situationen ei- nen grossen Einfluss (Bardacke, 2016a). Alle oben erwähnten Bereiche gehören unter anderem zum limbischen System, der Funktionseinheit zur Verarbeitung emotionaler Impulse. 13
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.2.3 Oxytocin Das Oxytocin ist, wie vorgängig erwähnt, mit dem PNS verbunden und spielt in der Er- öffnungsphase der Geburt eine wichtige Rolle. Oxytocin wird in kleinen Mengen vom Hypophysenhinterlappen abgegeben und gelangt über die Blutbahn zur Gebärmutter und den Rezeptoren auf der Oberfläche. Dort regt es die Muskelzellen dazu an, sich zu verkürzen. Eine Kontraktion entsteht. Ist während der Geburt eine optimale Umgebung für die Frau geschaffen worden und fühlt sich die Frau der Aufgabe gewachsen, wird genügend Oxytocin produziert, sodass sich alle Muskelfasern in der Gebärmutter stark, koordiniert und regelmässig zusammenziehen können. Um das zu erreichen, spielt das Potenzial der Achtsamkeit eine zentrale Rolle (Bardacke, 2016a). Die Abbildung 3 ver- deutlicht das Zusammenspiel von Oxytocin und Gebärmuttermuskulatur. Abb. 3: Die Gebärmutter in der Schwangerschaft und während der Eröffnungsphase (Bardacke, 2016a) 3.2.4 Physiologische Vorgänge beim Angst- und Stressempfinden Angst beeinflusst den ganzen Organismus, wie die Tabelle 3 aufzeigt. Betroffen sind das Zentralnervensystem, das vegetative Nervensystem, das endokrine und muskuläre System sowie das Immunsystem (Krohne, 2010). So können verschiedene, von der Norm abweichende, Parameter in einer Schwangerschaftskontrolle zu einem Gespräch über Angst und Stress führen und die Frau kann für eine achtsame Lebensweise sen- sibilisiert werden. Das fördert die Aktivierung des SNS und begünstigt somit Ruhe und Bindung. 14
Achtsame Geburtsvorbereitung Tab. 3: Beispiele körperlicher Beeinflussung bei Angst und Stress (Krohne, 2010) Körpersystem Beeinflussung zentralnervös elektrische Aktivität im Gehirn peripherphysiologisch kardiovaskuläre Reaktionen Herzrate Blutvolumen Blutdruck muskulär elektrische Muskelaktivität Atemfrequenz okuläre Prozesse Augenbewegung Pupillenweite Lidschlag endokrinologisch Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse adrenokortikotropes Hormon (ACTH) Kortisol Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenmark-Achse Adrenalin Noradrenalin immunologisch Aktivität der natürlichen Killerzellen Anzahl der T-Lymphozyten zelluläre Immunreaktionen auf latentes Herpesvirus Die Abbildung 4 gibt eine Orientierung über die Hirnstrukturen. Sobald der Hippo- campus einen Reiz wahrnimmt, reagiert die Amygdala. Dabei sendet der Hypotha- lamus Signale an die Hypophyse und via Blut an die Nebennieren, die Adrenalin aus- stossen (Bardacke, 2016a). Abb. 4: Hirnstrukturen (Herschkowitz & Chapman Herschkowitz, 2009) Das Adrenalin wiederum erhöht den Gefässwiderstand der Arteriae uterinea und die Blutzufuhr zur Gebärmutter wird dadurch gedrosselt (Glover, 1999). So lassen sich ei- nige Auswirkungen von Angst und Stress, wie unter 2.1 beschrieben, erklären. 15
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.2.5 Perinatales Angst- und Stressempfinden Angst kann bei einer erhöhten seelischen und körperlichen Anspannung leichter auftre- ten (Margraf & Schneider, 2009), was die Abbildung 5 verdeutlicht. Wenn das Anspan- nungsniveau einer Frau niedrig ist, bedarf es eines sehr starken Stressors, damit die Angstschwelle überschritten wird. Andererseits reicht bei einem hohen Anspannungs- niveau ein schwacher Stressor, um die Angstschwelle zu überschreiten. Abb. 5: Angst-Stress-Modell (in Anlehnung an Margraf & Schneider, 2009) Lukesch (1981, S. 40) bemerkt, dass die Erreichung der Angstschwelle durch die Dau- er der Schwangerschaft und einen sich langsam aufstauenden Erregungszustand ge- geben ist. Er beschreibt dies vor allem für das letzte Schwangerschaftsdrittel, wo die Geburt unausweichlich näher rückt. Der soziale Rollendruck hat dabei einen grossen Einfluss, sich auf die Mutterschaft freuen zu müssen und die Geburt als "freudiges Er- eignis" zu bejahen. 3.2.6 Zusammenfassung Für die Schwangerschaft und die Eröffnungsphase der Geburt spielt das "Altsäu- gerhirn" bzw. das limbische System eine grosse Rolle. Beim Angst- und Stressempfin- den wird von den Nebennieren, auf Anregung des limbischen Systems, Adrenalin aus- geschüttet, was weitreichende Folgen haben kann (siehe 2.1). Angst wird leichter aus- gelöst, wenn das allgemeine Anspannungsniveau erhöht ist. Demnach ist es wichtig, dass eine Frau entspannt und gelassen in die Schwangerschaft und Geburt einsteigt bzw. bei einem erhöhten Anspannungsniveau Wege findet, dieses zu reduzieren. Hier setzt MBCP an, das unter 3.4 näher erläutert wird. 16
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.3 Stresstheoretische Modelle Es gibt zahlreiche Stressmodelle. Sie werden unterschieden in reizorientierte, reaktion- sorientierte und kognitive Stressmodelle. Letztere betrachten die kognitiven und emoti- onalen Bewertungsprozesse der Person auf eine belastende Situation und ihre verfüg- baren Möglichkeiten für eine erfolgreiche Bewältigung (Richter & Hacker, 1998). 3.3.1 Transaktionales Stressmodell von Lazarus und Folkman Lazarus und Folkman (zitiert in Kauffeld, 2011; Lukesch, 1981) beschreiben in ihrem kognitiven Stressmodell drei Bewertungsprozesse (Abb. 6) zur Beurteilung einer Situa- tion, die auch parallel zueinander ablaufen können. Bei der primären Bewertung stellt sich die Frage, ob die Situation für die Person irrelevant oder günstig-positiv ist und keiner Anpassung bedarf oder ob die Situation stressend ist, was eine Anpassung not- wendig macht. Wird ein möglicher Verlust oder Schaden aus der Situation erwartet, kann daraus Trauer, Wut, Hilflosigkeit oder auch Verzweiflung resultieren. Wenn die Si- tuation als Bedrohung gesehen wird, kann es bei der Person Angst auslösen. Falls die Situation jedoch als Herausforderung angesehen wird, kann sie, zumindest zeitweise, als positive Aktivierung angesehen werden. Meist ist einer dieser drei Kognitionen do- minant. Falls die erste Einschätzung eine Bedrohlichkeit signalisiert, folgt die sekundä- re Bewertung. Hier schätzt die Person die persönliche und situative Bewältigungsfähig- keit ein, welche sich auf die eigenen Ressourcen bezieht. Diese Ressourcen können intellektueller, materieller, körperlicher oder sozialer Art sein. Nach dem Bewältigungs- versuch, z.B. von neuen Überlegungen oder Hinweisen von aussen oder von Rück- meldungen über die eigene Reaktion und deren Konsequenzen, erfolgt eine Neuein- schätzung durch die Person. Dabei wird überprüft, ob die Situation entschärft werden konnte, die Bedrohung weiter besteht oder ob es zu einer Schädigung kam. Das Durchlaufen des Zyklus von Primär-, Sekundär- und Neubewertung wird laufend fortge- führt. Vorwiegend handelt es sich dabei um automatische und intuitive Prozesse. 17
Achtsame Geburtsvorbereitung Abb. 6: Transaktionales Stressmodell nach Lazarus und Folkman Wenn eine Schwangere als Beispiel eine mögliche Dammverletzung als stressend empfindet, kann daraus Trauer, Wut, Hilflosigkeit oder Verzweiflung entstehen. Wenn sie der Gedanke stresst, von der Ärztin, welche sie nicht mag, entbunden zu werden, kann sie das als Bedrohung wahrnehmen und dabei Angst empfinden (vgl. Abb. 6). Falls sich die Frau nun nicht imstande fühlt, mit diesen Situationen umzugehen, kann sie das sehr belasten und die in 2.1 beschriebenen Auswirkungen von Angst und Stress hervorrufen. Das MBCP bietet hier einen Weg, wie Angst und Stress reduziert werden können und die Frau an Bewältigungsfähigkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwar- tung gewinnt. Dass die Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle spielt, wurde bereits in der Einleitung erwähnt und wird im nächsten Kapitel aufgenommen. 3.3.2 Selbstwirksamkeit Selbstwirksamkeit wird von Bandura (1977) als subjektive Überzeugung erklärt, mit der eine Situation zum gewünschten Ziel führt und dies aufgrund einer angebrachten Handlung mithilfe eigener Fähigkeiten. Dazu sind zwei Bestandteile notwendig. Zum einen die Ergebniserwartung (outcome expectations) und zum anderen die Selbstwirk- samkeitserwartung (efficacy expectations). Die Ergebniserwartung ist die Einschätzung einer Person, ob ein bestimmtes Verhalten (behavior) zu einem bestimmten Ergebnis (outcome) führt. Die Selbstwirksamkeitserwartung beschreibt, ob die Person überzeugt ist, diese Handlung ausführen zu können (Abb. 7). Ist die Selbstwirksamkeitserwartung tief, kann rascher Stress entstehen. 18
Achtsame Geburtsvorbereitung Abb. 7: Konzept der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977) Ist beispielsweise eine Schwangere überzeugt, dass sie mit ihrer Atemtechnik (Ergeb- niserwartung) mit dem Geburtsschmerz nicht klarkommen wird, weil sie die Umsetzung als schwierig ansieht (Selbstwirksamkeitserwartung), hat sie eine tiefe Selbstwirksam- keit. Daraus kann Stress entstehen und die Auswirkungen von 2.1 begünstigen. 3.3.3 Zusammenfassung Das transaktionale Stressmodell beinhaltet drei Stufen: primäre Bewertung der Situati- on, sekundäre Bewertung über die persönliche Bewältigungsfähigkeit und Neubewer- tung nach der Bewältigung oder Handlung. Dieser Zyklus erfolgt fortlaufend und meist automatisch. Das Selbstwirksamkeits-Modell umfasst die Ergebniserwartung mit der Frage, ob die Handlung zum Ziel führt, und die Selbstwirksamkeitserwartung mit der Frage, ob sich die Person die Handlung zutraut. Beide Modelle beschreiben in ähnli- cher Weise, dass die persönliche Bewältigungsfähigkeit bzw. eine hohe Selbstwirk- samkeit eine wichtige Voraussetzung darstellt, um eine Situation erfolgreich meistern zu können. MBCP bildet die Grundlage hierfür und wird nachfolgend vorgestellt. 3.4 Mindfulness-Based Childbirth and Parenting Wie in der Einleitung erwähnt, entstand MBCP durch Bardacke (2013, 2016b) als Wei- terentwicklung des MBSR, welches sie bei Kabat-Zinn erfahren konnte. Die Motivation dafür entstand aufgrund des Wunsches, Achtsamkeit in die Geburtshilfe einfliessen zu lassen. Sie wollte helfen, den körperlichen und emotionalen Stress einer Schwanger- schaft, welcher weiter an die nächste Generation weitergegeben werden kann, die Angst vor der Geburt und die damit verbundenen Schmerzen sowie die lebenslange Reise, die das Elternsein bedeutet, meistern zu können. Kabat-Zinn unterstützte sie bei diesem Vorhaben. Zu Beginn vermittelte Bardacke das Programm bei sich zu Hause und wechselte 2007 an das Osher Center for Integrative Medicine in San Francisco [UCSF]. Innerhalb von 15 Jahren hielt Bardacke über 70 Gruppenkurse ab und gab die Vorzüge der Achtsamkeit an mehr als 1500 Teilnehmende weiter (2016b). 19
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.4.1 Das MBCP-Programm Bardacke (2016a, S. 17) betont, dass es in ihrem neunwöchigen Programm hauptsäch- lich um die "Vermittlung von Lebenskompetenz" geht. Dabei soll das Tempo verlang- samt, das Stillsitzen eingeübt und der Blick nach innen gerichtet werden. Sie spricht vor jedem Kurs mit den werdenden Eltern und erklärt, dass die Bereitschaft, an sechs Tagen der Woche täglich eine halbe Stunde zu meditieren, unabdingbar für eine Teil- nahme am Kurs ist. Bardacke (2013, 2016b) erklärt zu ihren Vorträgen, dass die Lekti- onen drei Stunden dauern und verschiedene Übungen beinhalten. Eine wichtige Übung ist der Body Scan, bei dem der Fokus auf jeden Körperteil gerichtet wird. Die Meditati- on hat ebenfalls einen grossen Stellenwert im Programm und wird unter anderem im Sitzen und beim Gehen eingeübt. Achtsame Bewegungen werden aus dem Yoga her- angezogen. Achtsamkeit soll aber auch etappenweise in den Alltag integriert werden, beim Essen, Duschen usw. Bei der Rosinenübung z.B. (Bardacke, 2016a) wird eine Rosine achtsam mit allen Sinnen erforscht: vom Anschauen (Form, Farbe, Beschaf- fenheit, Lichteinfall auf der Oberfläche), Fühlen (Festigkeit, Beschaffenheit), Hören (während des Rollens zwischen den Fingern), Riechen (Unterschied der Nasenlöcher), der Erwartungshaltung, während die Rosine zum Mund geführt wird und dort auf der Zunge liegt, bis zum Schmecken im Mund und dem Wahrnehmen, was beim Schlu- cken geschieht. Bei jeder Übung oder achtsamen Handlung, so Bardacke (2016b) wei- ter, wird auch der Atem mit einbezogen. Das Ziel soll sein, Moment für Moment und Atem für Atem zu nehmen. Der Geist soll im Augenblick konzentriert sein und nicht in die Vergangenheit oder die Zukunft abdriften. Falls dies geschieht, soll das bewusst wahrgenommen und dann wieder bewusst losgelassen werden. Neben den achtsamen Elementen werden auch geburtshilfliche Informationen zu den Vorgängen im Körper vermittelt. Ein weiterer Aspekt des Programmes ist die Kommunikation, welche durch die Frage-Antwort-Meditation geschult wird. Dabei wird in genau festgelegter Form die Achtsamkeit des Sprechens und Zuhörens trainiert. Eine für die Geburt wichtige Übung stellt die Schmerzübung dar. Dabei wird während einer Minute, der Länge einer Wehe, eine Hand in Eiswasser getaucht und die Achtsamkeit geübt. Achtsamkeit wird ausser- dem an einem Intensivtag praktiziert, an dem an der Ausdauer gearbeitet wird. Nach der Geburt gibt es ein Treffen mit den Kursteilnehmenden, um rückblickend den Kurs zu evaluieren und die aktuelle Auseinandersetzung mit Achtsamkeit zu besprechen. Eine Übersicht über einen Teil der Übungen und Inhalte des MBCP-Programmes, wel- che im Buch Der achtsame Weg durch Schwangerschaft und Geburt beschrieben wer- den, gibt die Tabelle 4 (Bardacke, 2016a). 20
Achtsame Geburtsvorbereitung Tab. 4: Inhalte des MBCP-Programmes Woche formale Praxis informelle Praxis/Übungen 1 Atemmeditation im Sitzen "Mit dem Baby sein" Rosinenübung 2 Atemmeditation im Sitzen eine Mahlzeit achtsam essen Body-Scan Atemmeditation "Mit dem Baby sein" 3 Atemmeditation im Sitzen Achtsamkeit im Alltag Body-Scan Atemmeditation "Mit dem Baby sein" Tagebuch mit einem angenehmen Ruhe-und-Bin- dung-Erlebnis führen (ein Eintrag/d) mit Reflexion am Ende der Woche Thema Schmerz und Angst 4 Atemmeditation, alternativ o- Bewusstsein auf Stressreaktionen der zusätzlich mit "Drei- Schmerzübung im Alltag Minuten-Atemraum" "Mit dem Baby sein" Yogaübung und Body-Scan im Achtsamkeit im Alltag Wechsel Tagebuch mit einem unangenehmen, stressigen Schmerzübung oder einengenden Ereignis führen (ein Eintrag/d) 5 Atemmeditation, alternativ o- reaktive Momente im Alltag der zusätzlich mit "Drei- "Mit dem Baby sein" Minuten-Atemraum" Achtsamkeit im Alltag - achtsamer Stuhlgang Yogaübung und Body-Scan im "Drei-Minuten-Atemraum" im Alltag Wechsel Schmerzübung im Alltag Schmerzübung Berührungsübung mit Partner Tönen 6 Atemmeditation im Wechsel reaktive Momente im Alltag mit Body-Scan oder Yoga- "Mit dem Baby sein" übung Achtsamkeit im Alltag - achtsamer Stuhlgang Schmerzübung "Drei-Minuten-Atemraum" im Alltag Schmerzübung im Alltag Tag der Achtsamkeit, 7 Stunden 7 Atemmeditation im Wechsel reaktive Momente im Alltag mit Body-Scan oder Yoga- "Mit dem Baby sein" übung Achtsamkeit im Alltag - achtsamer Stuhlgang Liebende-Güte-Meditation "Drei-Minuten-Atemraum" im Alltag Schmerzübung Schmerzübung im Alltag 8 Praktizierung einer Übung der reaktive Momente im Alltag Wahl "Mit dem Baby sein" Schmerzübung Achtsamkeit im Alltag - achtsamer Stuhlgang "Drei-Minuten-Atemraum" im Alltag evtl. mit Lie- bende-Güte-Meditation Schmerzübung im Alltag 9 Praktizierung einer oder meh- reaktive Momente im Alltag rerer Übungen der Wahl "Mit dem Baby sein" Schmerzübung Achtsamkeit im Alltag - achtsamer Stuhlgang "Drei-Minuten-Atemraum" im Alltag evtl. mit Lie- bende-Güte-Meditation Schmerzübung im Alltag 21
Achtsame Geburtsvorbereitung 3.4.2 Zusammenfassung MBCP ist ein Programm zur Schulung der Achtsamkeit. Dabei geht es darum, Schritt für Schritt die Achtsamkeit zu lernen und in den Alltag zu integrieren. Das Ziel ist es, körperlichen und emotionalen Stress während der Schwangerschaft und die Angst vor der Geburt zu reduzieren und die Eltern auf die Zeit mit dem Baby vorzubereiten. Das Programm soll auch für das ganze Leben Kompetenzen mitgeben. Die Abbildung 8 zeigt die Auswirkungen von Achtsamkeit bzw. Unachtsamkeit auf den Organismus und schliesst den Bogen zu den vorherigen Abschnitten. Abb. 8: Die Macht der Achtsamkeit 22
Achtsame Geburtsvorbereitung 4 METHODE Die Fragestellungen wurden anhand eines Literaturreviews beantwortet. Nachfolgend werden die Recherche sowie die Ein- und Ausschlusskriterien für die Literatur darge- stellt. Danach werden die Auswahl und die Analyse der Studien beschrieben. 4.1 Literaturrecherche Studien für die Beantwortung der Fragestellungen wurden in verschiedenen medizini- schen Datenbanken gesucht (vgl. 4.3). Die Recherche erfolgte anhand von Schlüssel- wörtern und MeSH-Begriffen (Tab. 5). Mithilfe des Trunkierungszeichens* wurde ein grösserer Suchraum abgedeckt. Zu verknüpfende Schlüsselwörter wurden mit dem Operator AND verbunden. Weiter wurde die Suche in Journals, auf Google Scholar oder über Referenzen in Literaturverzeichnissen ausgedehnt. Tab. 5: Schlüsselwörter und MeSH-Begriffe Deutsch Englisch Population Schwangerschaft perinatal* Geburt prenatal* pregnan* childbirth birth* Setting Hebamme midwife* Achtsamkeit mindfulness mbct mbcp Phänomen Angst fear* Stress anxiety* stress* experience 4.2 Ein- und Ausschlusskriterien Einschlusskriterien: Frauen mit physiologischer Einlingsschwangerschaft qualitative und quantitative Studien Erscheinungsjahr 2007 bis 2017 Studien in englischer und deutscher Sprache Achtsamkeitsprogramme auf der Grundlage von Kabat-Zinn oder Bardacke Ausschlusskriterien: Frauen mit einer psychischen oder physischen Grunderkrankung oder in der Schwangerschaft erworbenen Erkrankung postpartale Depression Abänderungen des Programmes aufgrund religiöser Motive 23
Achtsame Geburtsvorbereitung 4.3 Auswahl der Studien Die Suche nach Literatur für die Beantwortung der Fragestellung erstreckte sich vom 15.5.17 bis 12.6.17. Es wurden insgesamt 132 Treffer in den Datenbanken Medline via PubMed, Livivo, PsychInfo, Cinahl, Medline via Ovid, Midirs via Ovid und PubMed so- wie per Handsuche auf Google Scholar oder durch persönliche Mailanfrage bei For- scherinnen erzielt. Dabei erfolgten in den Datenbanken mehrere Suchdurchgänge mit verschiedenen Kombinationen von Suchbegriffen. Die Handsuche in den Journals Die Hebamme und Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft brachte keine neu- en Ergebnisse. Nach Ausschluss der Doppelfunde (n=20), unpassender Titel (n=55) und Abstracts (n=41) blieben 16 Treffer für die Volltextanalyse. Hieraus konnte ein Re- view und sieben Studien aufgrund der unter 4.2 erwähnten Kriterien eingeschlossen werden. Eine Studie ist von 2014, da sie nicht im Review von 2016 enthalten ist. Die anderen Studien sind alle von 2016 und 2017. Bei den Studien Yazdanimehr, Omidi, Akbari und Sadat, (2016a) sowie Yazdanimehr, Omidi, Sadat, und Akbari (2016b) han- delt es sich um die gleiche Stichprobe mit zwei unterschiedlichen Fragestellungen. Die Abbildung 9 zeigt die zusammengefasste Abfolge der Auswahl der Studien. Die detail- lierte Literaturrecherche ist im Anhang unter 13.2. ausgewiesen. Total Ergebnisse n=132 (Datenbanken n=129, Handsuche n=3) nach 1. Reduktion n=112 (Ausschluss Doppelfunde n=20) nach 2. Reduktion n=57 (Ausschluss Titel n=55) nach 3. Reduktion n=16 (Ausschluss Abstract n=41) nach 4. Reduktion n=8 (Ausschluss Volltextanalyse n=8) Einschluss Total Review n=1 Studien n=7 Abb. 9: Literaturrecherche Im Folgenden werden jeweils der Review an erster Stelle und die Studien in alphabeti- scher Reihenfolge der Autorinnen und Autoren genannt. Die Tabelle 6 zeigt eine Über- sicht der Auswahl mit Nennung der Autorenschaft, des Titels, des Landes und des Jah- res der Veröffentlichung. 24
Achtsame Geburtsvorbereitung Tab. 6: Übersicht der ausgewählten Studien Autoren, Autorinnen Titel Land/Jahr Taylor, B.L., Cavanagh, K. & The Effectiveness of Mindfulness-Based Intervetions USA Strauss, C. in the Perinatal Period: A Systematic Review and 2016 Meta-Analysis Ahmadi, L. & Bagheri, F. The effectiveness of educating mindfulness on anxie- Iran ty, fear of delivery, pain catastrophizing and selecting 2017 caesarian section as the delivery method among nul- liparous pregnant women Beattie, J., Hall, H., Biro, M.A., Effects of mindfulness on maternal stress, depres- Australien East, Ch. & Lau, R. sive symptoms and awareness of present moment 2017 experience: A pilot randomised trial Duncan, L., Cohn, M.A., Chao, Benefits of preparing for childbirth with mindfulness USA M.T. Cook, J.G., Riccobono, J. & training: a randomized controlled trial with active 2017 Bardacke, N. comparison Muthukrishnan, S., Jain, R., Kohli, Effect of Mindfulness Meditation on Perceived Stress Indien S. & Batra, S. Scores and Autonomic Function Tests of Pregnant 2016 Indian Women Narimani, M. & Musavi, S.K.S. Effectiveness of mindfulness based cognitive therapy Iran on anxiety, stress and depression of pregnant you- 2014 ths: A randomized clinical trial Yazdanimehr, R, Omidi, A., Akbari, Mindfulness Training and Quality of Life Among Pre- Iran H. & Sadat, Z. gnant Females: A Randomized Clinical Trial 2016a Yazdanimehr, R, Omidi, A., Sadat, The Effect of Mindfulness-integrated Cognitive Be- Iran Z. & Akbari, H. havior Therapy on Depression and Anxiety among 2016b Pregnant Women: a Randomized Clinical Trial 4.4 Analyse der Studien Die Qualität des Reviews und der Studien wurde mit validen Arbeitsinstrumenten sys- tematisch beurteilt. Für den Review handelt es sich um die Kriterien des Public Health Resource Unit [PHRU] (2006). Für quantitative Studien um diejenigen von Law, Ste- wart, Pollok, Letts, Bosch und Westmorland (1998). Dabei werden unter anderem Risi- ken für systematische Fehler, Aspekte der Ethik (Achtung der Würde des Menschen, Gutes tun und nicht schaden und Gerechtigkeit), Glaubwürdigkeit der Ergebnisse und die Nützlichkeit für die Fragestellung geprüft. Die Levelzuteilung erfolgte über die „5 Evidence-Levels“ von Madjar und Walton (2001). Die Tabelle der differenzierten Beur- teilung ist im Anhang 13.3 abgelegt. Dort können auch die Beschreibungen der ver- wendeten Erhebungsinstrumente nachgelesen werden. 25
Achtsame Geburtsvorbereitung 5 ERGEBNISSE Die Studien werden einzeln vorgestellt und nachfolgend kritisch gewürdigt. Danach werden die Ergebnisse in den Untergruppen Angst, Stress, Geburtserleben und Pro- gramme zusammengefasst. 5.1 Vorstellung der Studien Folgende Punkte werden im Review zusammengefasst: Ziel, Studiendesign, Zeitraum, Begründung der Auswahl, Länder der Studien, Fragebögen, Messinstrumente, Pro- gramme, Datenerhebung und -analyse, Ergebnisse und der Wert für die Fragestellung. Bei den Studien sind folgende Punkte berücksichtigt: Ziel, Stichprobenbeschrieb, Me- thode, Studiendesign, Messverfahren und -instrumente, Programm, Datenanalyse, Er- gebnisse und der Wert für die Fragestellung. Die Tabelle 7, im Anschluss der Studien- beschreibungen, vermittelt eine Zusammenfassung hinsichtlich des Ziels der Studien, der Stichprobenwahl, der verwendeten Instrumente, des Forschungsdesigns und der Analyse, der Art und Dauer der Intervention, relevanter Ergebnisse und des Evidenzle- vels. 5.1.1 Taylor et al. (2016) The Effectiveness of Mindfulness-Based Interventions in the Perinatal Period: A Sys- tematic Review and Meta-Analysis. Das Ziel des Reviews aus den USA war es, die Wirksamkeit von Achtsamkeitspro- grammen in der Schwangerschaft auf Depression, Angst, Stress und Achtsamkeitsfä- higkeit systematisch zu überprüfen. Die Recherche erfolgte von 2005 bis Ende Februar 2016. Eingeschlossen wurden quantitative und qualitative Studien mit Definitionen der Acht- samkeitsprogramme auf der Basis von Jon Kabat-Zinn und Nancy Bardacke. Ausge- schlossen wurden andere Programme oder Studien, welche nur einen Teilaspekt der Achtsamkeit beinhalteten, sowie Studien nach Kindsverlust. Es wurden 11 Studien aus den USA, drei aus Australien und je eine aus Spanien, Neuseeland und Hong Kong mit insgesamt 563 Teilnehmerinnen ausgewertet. Alle 17 Studien hatten ein quantitatives Design. Acht Studien ergänzten die Daten mit qualita- tiven Interviews. Acht Studien wurden mit einer Kontrollgruppe durchgeführt. Zur An- wendung kamen verschiedene Fragebögen zur Erhebung von Depression, Angst, Stress und Achtsamkeit. Das Programm wurde in 16 Fällen als Gruppenkurs angebo- ten. Ein Kurs fand als Onlinevariante statt. Die Dauer der Lektionen variierte von 45 26
Achtsame Geburtsvorbereitung Minuten bis 3 Stunden plus ein Schweigetag von 7 Stunden in einem Programm. Ein Programm wurde als Wochenendkurs angeboten. Die Mittelwerte, Standardabweichungen und Anzahl der Teilnehmerinnen wurden ex- trahiert in vor der Intervention und nach der Intervention. Falls es Lücken im Datensatz gab, wurden die Autoren der jeweiligen Studie um eine Begründung angefragt. Um die methodische Qualität der Studien beurteilen zu können, bildeten die Autorinnen Indexe und beurteilten sie mit der Jadad-Skala (klar beschriebenes Protokoll, ausgebildet in Achtsamkeitslehre und verblindete Therapeuten, Randomisierung und Verblindung der Teilnehmerinnen, Kontrollgruppe und Stichprobengrösse). Zum Einsatz kamen ver- schiedene Analysemethoden (inverse Varianzmethode, SPSS-Makros, Review Mana- ger Version 5.2, Q-Statistik, ANOVA). Die Studien wurden als heterogen beurteilt und deswegen kam der Hedge's g für die Vergleichbarkeit der Variablen als Effektstärken- mass zum Einsatz (Hedge's g 0.2=klein, Hedge's g 0.5=mittel, Hedge's g 0.8=gross). Um den Einfluss einer weiteren Variable zu beurteilen, kam die Moderationsanalyse zum Einsatz. Die qualitativen Aussagen wurden mit thematischer Analyse, Inhaltsana- lyse und thematischer Kodierung oder interpretativer phänomenologischer Analyse ausgewertet. Ergebnisse: Bei den quantitativen Ergebnissen zeigten sich innerhalb der Interventi- onsgruppe signifikante kleine bis mittlere Verbesserungen in den Variablen Depression in 15 Studien (n=354): g=0.47, p
Achtsame Geburtsvorbereitung Studien), aufmerksame Präsenz (in zwei Studien), positive Interaktion mit Part- ner/Partnerin/Baby (in zwei Studien), entspannend (in einer Studie), hilft im Alltag mit schon vorhandenen Kindern (in einer Studie), hilft eigenes Potential zu erkennen (in einer Studie), hilft eigene Wünsche zu äussern und zu vertreten (in einer Studie), hilft Symptome von Depression zu erkennen und darauf zu reagieren (in einer Studie), hilft Verständnis für die Frau und SS zu entwickeln (in einer Studie), Auseinandersetzung mit der Vaterrolle (in einer Studie), allgemein gute Stimmung (in einer Studie), guter Schlaf (in einer Studie). Als einzig negativer Aspekt wurde von zwei Frauen der Kurs als "Mumbo Jumbo" gewertet, was so viel wie Hokuspokus oder Quatsch bedeutet (Pons Online-Wörterbuch, 2017b). Neutrale Aspekte waren: bereits genügend Unter- stützung vorhanden (in einer Studie) und herausfordernde Hausaufgaben (in einer Studie). Der Review konnte signifikante Verbesserung in der Reduktion von Angst und Stress innerhalb der Interventionsgruppe nachweisen, aber keine signifikanten Vorzüge zwi- schen den Interventionsgruppen und Kontrollgruppen ableiten. Eine signifikante Re- duktion von Depression und Angst konnte jedoch bei Frauen mit einer Vorgeschichte von Depression und Angst im Vergleich zur Kontrollgruppe aufgezeigt werden. Allge- mein wird die Teilnahme an einem Programm als positiv gewertet. 5.1.2 Ahmadi und Bagheri (2017) The effectiveness of educating mindfulness on anxiety, fear of delivery, pain catastro- phizing and selecting caesarian section as the delivery method among nulliparous pregnant women. Diese aus Teheran (Iran) stammende quantitative Studie befasste sich mit der Frage, welche Auswirkungen die Achtsamkeitsmethode auf die Empfindung von Angst, Angst vor dem Geburtsschmerz, das Katastrophieren des Schmerzes und den Wunsch zur Sectio hat. Für die Studie einschliessende Kriterien waren iranische Nullipara mit Einlingsschwan- gerschaft, die Äusserung von Angst (über dem Median des Spielberg State-Trait Anxiety Inventory) und der Wunsch nach einer Sectio. Ausgeschlossen wurden Frauen mit Konsum von Psychopharmaka, Risikoschwangere und lückenhafter Teilnahme am Interventionsprogramm. Die Frauen wurden über die Studie und die Ausstiegskriterien informiert und gaben ihre schriftliche Zustimmung für die Mitarbeit. Ebenfalls wurde die Erlaubnis des betreuenden Arztes eingeholt. Eine Ethikkommission genehmigte die Studie. 28
Achtsame Geburtsvorbereitung Die Studienteilnehmerinnen wurden randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt. Die Inter- ventionsgruppe nahm an einem achtwöchigen Programm teil. Die wöchentlichen Lekti- onen à 90 Minuten basierten auf dem Achtsamkeitsmodell von Nancy Bardacke. In je- der Lektion wurde die Achtsamkeitsmeditation eingeübt. Zudem wurde Wissen über die psychobiologischen Prozesse der Schwangerschaft, den Geburtsverlauf, das Wochen- bett und das Stillen vermittelt und es wurden verschiedene Strategien für die physische und psychische Schmerzbewältigung und die Sensibilisierungsfähigkeit für den All- tagsstress gelehrt. Die Teilnehmerinnen verpflichteten sich zudem, die Meditations- übungen in Hausaufgaben sechs Mal pro Woche für 30 Minuten zu wiederholen. Die Kontrollgruppe nahm an einem Geburtsvorbereitungskurs ohne Achtsamkeitstraining teil. Die Dauer der Studie erstreckte sich von Juni bis November 2016. Vor dem Start der Studie gab es keine Unterschiede der Gruppen bezüglich der empfundenen Angst, der Angst vor dem Geburtsschmerz, dem Katastrophisieren des Schmerzes und dem Wunsch nach einer Sectio. Es wurden drei Fragebögen eingesetzt: Spielberg State-Trait Anxiety Inventory (STAI) zur eigenen Einschätzung und Ausprägung von Angst. Cronbach's α State 0.84, Trait 0.76 Childbirth Attitude Questionnaire (CAQ) zur Einstellung auf die Geburt. Cron- bach's α 0.85 Pain Catastrophizing Scale (PCS) mit Fragen über vergangene Schmerzerleb- nisse. Cronbach's α 0.67-0.92 Die Daten wurden mit der SPSS-Software und dem unabhängigen t-Test, X2-Test und Fisher-Test analysiert. Mittels der Kovarianzanalyse (ohne Angabe des Testes) wurden die Ergebnisse der Gruppen verglichen. Das Signifikanzniveau wurde auf 0.05 festge- legt. Vor dem Start des Interventionsprogramms gab es keine Unterschiede der Grup- pen bezüglich der empfundenen Angst, der Angst vor dem Geburtsschmerz, dem Ka- tastrophisieren des Schmerzes und dem Wunsch nach einer Sectio (p>0.05). Ergebnisse: Nach der Intervention fielen sämtliche untersuchten Variablen signifikant zugunsten der Interventionsgruppe aus (p
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