Mixed reality adventures - Bernd Robben, Ralf Streibl, Alfred Tews (Hg.)
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Laboratory for Art, Work and Techhnology Enrique-Schmidt-Straße 7 (SFG) artec Lab paper 7 28359 Bremen adventures mixed reality Bernd Robben, Ralf Streibl, Alfred Tews (Hg.) 1
Impressum artecLab paper 7 Bernd Robben, Ralf Streibl, Alfred Tews (Hg.), mixed reality adventures Laboratory for Art, Work and Technology Universität Bremen Enrique-Schmidt-Straße 7 (SFG) D-28359 Bremen www.arteclab.uni-bremen.de/publications/paper Redaktion: Bernd Robben ISSN 1860-9953 Copyright © artecLab-paper, Bremen Satz und Herstellung im Eigenverlag 2 Bremen 2005
mira das ist der Befehl zum Schauen, die Auf- forderung das Sehen zu sehen, von einem festen oder von verschiedenen Standpunkten aus. Oder Unter dem Motto „mira“ und der Überschrift „Mixed Rea- lity Adventures“ fand in Bremen im Oktorber ein Sympo- sium statt, das eine Film- und Vortragsreihe im Kino 46 von nirgendwo? und eine aufwändige Cave-Installation im Lichthaus am mira das ist das Wunder des Bildes, in einem Pier 2 umfasste. Cave steht dabei für Höhle, aber auch medialen Raum etwas zu sehen, was dort für „Computer Animated Virtual Environment“. nicht ist, an dem man sich nie satt sehen kann. Wir dokumentieren die Vorträge des Symposiums, die sich mit dem Thema von Schein und Wirklichkeit in den mira das ist die Schaulust. Wer sie befriedigen will, geht in die Höhle der Felsmalereien, der Theaterhäuser, der Kinos oder der imaginären 3D- unterschiedlichen Medien des Theaters, des Kinos und in Mixed Reality Installationen auseinander setzten. Welten. Alle Vortragsmanuskripte wurden nur hier und da um Literaturangaben ergänzt, aber nur wenig verändert. Sie mira das ist das einmalige Erlebnis des gemeinsa- men Sehens gehörter Bilder in einer Umge- bung der Finsternis, eine Zumutung für die Sinne im haben also eher den Stil einer mündlichen Rede als den eines schriftlichen Textes. Zum Teil haben wir auch die anschließenden Diskussionen dokumentiert, wenn sie Hörspiel. inhaltlich neue Aspekte beigetragen haben. mira das ist Theorie, also Einsicht, aber auch Show, also ein Symposion, mit anderen Worten ein sinnliches Gelage mit Sinn. Bremen, August 2005 Bernd Robben, Ralf Streibl, Alfred Tews 5
INHALTSVERZEICHNIS Alfred Tews & Bernd Robben Legenden vom Ende der KinoZeit – Ein fingiertes Gespräch 9 Bernd Robben Höhlen – Ein assoziativer Bildessay 13 Willi Bruns Schein und Wirklichkeit in Mixed Reality – Technische Möglichkeiten Grenzen und Risiken 27 Peter Lüchinger Schein und Wirklichkeit im Theater 35 Hans-Jürgen Wulff WeltenWandererWelten – Mögliche Realitäten im Kino 55 Ralf Streibl Ich bin meine eigene Welt – Schöpfungen zwischen Konstruktion und Illusion 67 Melanie Johänning & Simon Meyborg Virtuelle Höhlen: CAVE – eine Grenzerfahrung der Sinne 83 Programm des Symposiums 86 Pressespiegel 91 7
LEGENDEN VOM ENDE DER KINOZEIT Ein fingiertes Gespräch Alfred Tews & Bernd Robben Ich hörte einen Kuckuck rufen Und blickte in seine Richtung, Aus der sein Ruf kam. Was sah ich da? Bloß den bleichen Mond am Morgenhimmel. Das Orakel vom Berge; Philip K. Dick BR: Hat das Kino noch eine Zukunft? der letzte hohle Hype für Medienphilosophen, die heute AT: Zukunft ist immer jetzt. Es ist durchaus angebracht, schon wieder überholt sind? sich über mediale Perspektiven fürs 3. Jahrtausend AT: Wenn Bilder, Klänge und Texte erst einmal digitali- Gedanken zu machen. Ausgehend von der Devise „Der siert sind, scheint mir alles möglich zu sein. Der Kampf Film (das bewegte Bild) ist das wichtigste künstlerische mit den Widersprüchen zwischen dem, was wir von Medium“ beschäftigen wir uns mit Utopien im Film und unseren Medien verlangen, und dem, was sie zu leisten neue Medien. Die gute alte Film-Welt hat Konkurrenz imstande sind, ist zuende. Oder er ist gegenstandslos bekommen. Virtuelle Welten, virtual actors - heißt das geworden. In der analogen Welt gab es scharfe Gren- Zauberwort, das die Tore zu einer neuen Dimension auf- zen: Man konnte ein Stück Holz oder eine Gitarre nur zu sprengt. dem veranlassen, was ihnen zu tun möglich war. In der BR: Ist das das Ende von Film, Kunst Künstler und Rea- digitalen Welt gibt es keine dinglichen Grenzen: Alles lität? Was hat es deiner Meinung nach auf sich mit ist nur eine Frage der Speicherkapazität, der Prozessor- diesen künstlichen, teilweise interaktiven drei - und geschwindigkeit und der Kommunikations-Bandbreite. mehrdimensionalen Welten? Verschwinden die Grenzen Die digitale Revolution vollendet die geistige Revolu- zwischen Realität und Fiktion? Oder war „Virtual“ nur tion, die vor Jahrtausenden begonnen hat, als jemand der ultimative Trend am Übergang der Jahrtausende, erstmals mit Farbe auf Stein malte. Der Beginn, die 9
LEGENDEN VOM ENDE DER KINOZEIT natürliche Welt zu abstrahieren, um eine Idee daraus Weitere Beispiele für in Romanen oder Erzählungen zu machen. angedachte und dann filmisch-technologisch gewordene BR: Welche Phantasie entwickelst du da? Muss ich die Film-Realitäten sind: der Schachautomat in Ambrose ins Spiel gebrachte Endzeit-Legende des Kinos für wahr Bierce Erzählung „Moxon`s Master“, die Roboter in Karel nehmen. Oder konkret nachgefragt: Capeks Drama „R.U.R.“, Isaacs Asimovs SF-Geschichten Wird das Celluloid verschwinden und damit die Kinos? „I,Robot“ mit den Robotergesetzen, Retortenkinder in Wird es keine Film-Regisseure im klassischen Sinne mehr Aldous Huxleys „Brave New World“, der mechanische geben? Sind alle Experimente des Films schon gemacht? Hausgehilfe in Gilbert Chestertons „the Invisible Man“, Verschwindet das Narrative aus dem bewegten Bild? Wird der Homunculus, von dem schon Goethe berichtet oder jeder ein „actor“ mit eigener Kamera? Wird eine digi- Laurence Sterne in „Tristam Shandy“, H.G.Wells erfun- tale Internet-Individual-Audience die Cinema-Audience dene Halbwesen in „The Island of Dr. Moreau“, der Golem ablösen? Werden die Schauspieler überflüssig? des Rabbi Loew, Androiden in Philip K. Dick‘s „Do Andro- AT: Banal geantwortet: Nein! ids Dream of electric sheep?“ Dies sind nur einige Bei- BR: Jetzt wirst du plötzlich sehr wortkarg. Das muss du spiele und sie stehen für eine Kino-Zeit von 1910-1980. für mich etwas plastischer ausdrücken. Wie kann ich mir BR: Geht 1980 eine Film-Epoche zuende? die Geschichte vorstellen? AT: Mit Der Kino-Zeit des „Blade Runners“ beginnt prak- AT: Retro-aktiviert: Von der Steinzeitmalerei - oder Pla- tisch, sich die Idee des „virtuellen Reality“/Actors“ tons Interpretation des Höhlenschattens als erste Erken- durchzusetzen“ – zunächst nur als filmisches Ab-Bild nung/Erkenntnis einer Virtuellen Welt bis hin zu UBIK = wie in dem zu früh auf dem Markt geschmissenen „TRON“ ubique (lat. überall) oder ubiquity (Allgegenwart). „ It‘s von Steven Lisberger (1982), „Videodrome“(David Cro- moving - its alive - its alive! Now I know what it feels to nenberg, 1982, als Sonderfall des Übertritts zwischen be god!” Die Sehnsucht – „the brain of a dead man wai- materieller und Virtueller Welt, dann in Produktionen wie ting to live again in a body I made with my own hands” „The Lawnmower Man“ (Brett Leonard, 1992, nach einer – und die Warnung liegen beieinander. Der Lehrling Kurzgeschichte von Stephen King), „Virtuosity“ (eben- träumt vom Schaffen neuen, künstlichen Lebens und hat falls Brett Leonard, 1995), „Johnny Mnemonic“(Robert seinen mehr moralisch denkenden Lehrer wissenschaft- Longo, 1995, nach einer Kurzgeschichte von William lich längst überrundet. Die Geschichte von Frankenstein Gibson, dem Erfinder des Cyberpunk). nach dem Roman von Mary Shelley Wollstonecraft ist Max Headroom ist der erste virtuelle Star in der der bedeutende Schritt in der Filmgeschichte, das Motiv bewegten Bilderwelt. Ein Computermensch, der eine TV- vom Künstlichen Menschen als definitives Muster vor- Show moderiert und dabei ein undenkbares Eigenleben 10 zulegen. entwickelt.
Nach einer Kurzgeschichte des Cyberspace-Autors Wil- älter ist als jenes „Stendhal Syndrom“, von dem in Dario LEGENDEN VOM ENDE DER KINOZEIT liam Gibson aus dem Jahre 1980 entstand der Film Argentos gleichnamigen Film (1994) die Rede ist: Georg „Johnny Mnemonic“(1995). Der Fim spielt im 21.Jahr- Seeßlen spricht vom Eintauchen des Blicks in das Bild, hundert, wo Wirtschaftkonzerne die Weltherrrschaft das keine Rückkehr, keine Distanz mehr kennt. übernommen haben und die Datennetze kontrollieren. BR: Das heißt, wir sind in der virtuellen Welt gefangen? Datenschmuggel ist ein subversives Vergehen, gegen das AT: Damit sind wir im Jahr 1998 angelangt, bei „MATRIX“. die „LoTeks“ verschwörerisch angehen. Johnny ist einer Mit MATRIX sind alle bisher in Filmen noch erkennbaren dieser Schmuggler, der Daten von Beijing nach Newark realen Grenzen endgültig aufgehoben. MATRIX hat die bringt und in seinem Gehirn einen Chip implantiert hat, seit langem unwahrscheinlichste Geschichte, die zum mit dessen Hilfe er die Daten und Bilder an den Wäch- Plot eines Science Fiction-Films wurde: Die Menschheit tern vorbeischmuggelt. Schließlich erleidet der Compu- ist versklavt von intelligenten Maschinen, die ihre Ener- ter in seinem Kopf einen Overflow und droht ihn selbst gie aus menschlichen Embryonen ziehen, die in gigan- zu vernichten. Wie in den meisten dieser Filme sieht die tischen Zuchtstationen gehalten werden. Man begegnet künstliche Wirklichkeit um so faszinierender aus, wie die im Film einer der bislang radikalsten Ausformulierungen „wirkliche“ Wirklichkeit unbewohnbar geworden ist! eines Phänomens, das seit einiger Zeit durchs Holly- BR: Künstliche Welten faszinieren, weil die reale Welt wood-Kino (und nicht nur dort) geistert: einer Art kol- nicht mehr zu ertragen ist? lektiver Verschwörungsparanoia, in der sich ein tiefes AT: „In dieser Phase der Filmgeschichte trat neben die Misstrauen gegenüber der Welt, wie wir sie kennen, arti- Angst erzeugende Phantasie eines künstlichen Menschen kuliert. Die Umsetzung folgt gnadenlos den Gesetzen in einer wirklichen Welt das genaue Gegenbild: der wirk- des Unterhaltungskinos – und hat funktioniert, wie man liche Mensch, der sich in einer künstlichen Realität ver- an Filmen wie Lara Croft, Final Fantasy, A.I., Resident läuft. Erst als Eindringling, dann als Gefangener eines Evil und so weiter sieht. Labyrinths. Wieder führt uns indes die Angstvision in die BR: Worin liegt das umwälzend Neue dieser Generation alten Albträume zurück: Hänsel und Gretel verlaufen sich von Science Fiction-Filmen? im Cyberwald. Und wir sind nicht mehr eins, begegnen AT: In der grenzüberschreitenden Art der Verknüpfung unseren eigenen Doppelgängern, spalten uns endlos, von virtuellen und wirklichen Welten: Der auslösende sind hier und woanders gleichzeitig. Das Eintauchen in Skandal des Phantasmas vom künstlichen Parallel- und die Cyberworld, das uns in so simplen Erzählungen wie Nachmenschen beginnt etwa bei Cronenberg damit, dass TRON als schiere „Verwechslungen“ von Wirklichkeit und ein Inneres nach außen tritt. So wird der Roboter mit Simulation begegnete, ist nichts anderes als die elek- seiner stählernen Haut, die Vollendung jenes Panzers, tronische Wiederkehr eines Syndroms, das wesentlich mit dem sich der Krieger seit Urzeiten vor allem semio- 11
LEGENDEN VOM ENDE DER KINOZEIT logisch zu wappnen versucht, zu dem Wesen, das end- nie ausgesprochen, mein NAme, den niemand kennt. Ich gültig die Trennung von Innen und Außen zu seinem werde Ubik genannt, aber das ist nicht mein NAme. Ich Bild gemacht hat: Einen Roboter/Computer/Avatar bin. Ich werde immer sein.“ zu „öffnen“, heißt in der Regel in unserer Mythologie Das ist doch die geniale Vorwegnahme der Philosophie bereits, ihn zu töten. Georg Seeßlen hat diesen Wirkme- des MATRIX-Universums anhand einer Phraseologie, chanismus ausführlich beschrieben. welche die Eröffnung des Neuen Testaments von Johan- In den Filmen von David Cronenberg geschieht der nes nachahmt und den Computer metaphorisch mit (dem Übertritt zwischen materieller und virtueller Wirklichkeit christlichen) Gott gleichsetzt. häufig und auf sehr heftiger Art und Weise. Die zweite Sic MATRIX! Die Dimension ist Gott! Avatar bezeichnet Wirklichkeit tritt nicht nur in die Vorstellung, sondern im Sanskrit eine göttliche Wesenheit, die menschliche ganz direkt ins Fleisch des Menschen wie in Filmen wie Gestalt annimmt. In diesem Sinne sind Virtual Actors VIDEODROM (1982) oder „eXistenZ“ (1999), wo es um die von heute die guten Geister von morgen, Schnittstellen Geburt des neuen Menschen als „MetaFlesh Game-Pod“ zu einer autonomen Parallelwelt in einem selbstregeln- geht. Hier kann die virtuelle WELT nur eine furchtbare den System. Abbildung des Bekannten sein. So wie die Gespenster BR: Siehst du in derartigen virtuellen Welten von Caves der Irrealität in der Wirklichkeit wüten, so wüten nun und Avataren die künftige Kinowelt heraufziehen? die Gespenster der Realität in den Traumreichen. Und AT: Wer weiß das schon genau. Alle Filme werden heute Cronenberg geht in seinen Filmen an den Ursprung des auch digital produziert. Für die Zukunft gilt auf jeden Mythos zurück, zum „Grauen“ der Geburt, die sich aus Fall: „Phantasy kills reality!“ der natürlichen Abfolge löst. So schafft sich der ‚artifi- zierende’ Mann in VIDEODROM so etwas wie eine Vagina, und in „eXistenZ“ erschafft die Heldin ein Computer- spiel, das die perfekte Simulation einer Gebärmutter ist, und vernabelt ihren „Sohn“ mit einem „Bioport“. In der Literatur gibt es dafür Vorläufer. Da ließe sich der Ubik von Philipp K. Dick zitieren: „Ich bin Ubik. Mich gabs schon, bevor es das Universum gab. Ich habe die Gestirne gemacht, ich habe die Welt erschaffen und den Raum, in dem es existiert. Ich lenke es hierhin, ich lenke es dorthin. Es bewegt sich nach meinem Willen, es tut, 12 was ich sage. Ich bin das Kennwort, mein NAme wird
HÖHLEN Ein assziativer Bildessay Bernd Robben „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen. Manchmal fielen mir die Augen, wenn kaum die Kerze ausgelöscht war, so schnell zu, daß ich keine Zeit mehr hatte zu denken: „jetzt schlafe ich ein.“ Und eine halbe Stunde später wachte ich über dem Gedanken auf, daß es nun Zeit sei, den Schlaf zu suchen; ich wollte das Buch fort- legen, das ich noch in den Händen zu haben glaubte, und mein Licht ausblasen; im Schlafe hatte ich unaufhör- lich über das Gelesene weiter nachgedacht, aber meine Überlegungen waren seltsame Wege gegangen; es kam mir so vor, als sei ich selbst, wovon das Buch handelte: eine Kirche, ein Quartett, die Rivalität zwischen Franz dem Ersten und Karl dem Fünften. Diese Vorstellung hielt zuweilen noch ein paar Sekunden nach meinem Erwachen an; meine Vernunft nahm kaum Anstoß an ihr, aber sie lag wie Schuppen auf meinen Augen und hin- derte mich daran, Klarheit darüber zu gewinnen, daß das Licht nicht brannte. Dann wurde sie immer weni- ger greifbar, wie nach der Seelenwanderung die Gedan- ken einer früheren Existenz; … wenn ich mitten in der Nacht erwachte, wußte ich nicht, wo ich mich befand, ja im ersten Augenblick nicht einmal, wer ich war: ich hatte nur in primitivster Form das bloße Seinsgefühl, 13
HOEHLEN das ein Tier im Innern verspüren mag: ich war hilfloser In seiner großen Studie über die Höhlenmetapher in der ausgesetzt als ein Höhlenmensch; dann aber kam mir abendländischen Philosophie kommentiert Hans Blu- die Erinnerung - noch nicht an den Ort, an dem ich mich menberg: befand, aber an einige andere Stätten, die ich bewohnt „Einen Anfang der Zeit können wir nicht denken. Er hatte und an denen ich hätte sein können - gleichsam läge schon in der Zeit. … In Hautnähe kommt das alles von oben zur Hilfe, um mich aus dem Nichts zu ziehen, erst durch den fundamentalen Rang der Zeit für das aus dem ich mir selbst nicht hätte heraushelfen können; Bewusstsein als ‚Erlebnisorgan‘: Kein Bewusstsein kann in einer Sekunde durchlief ich Jahrhunderte der Zivi- sich anfangend erleben. Nicht einmal beim alltäglichen lisation, und aus vagen Bildern von Petroleumlampen Erwachen aus dem Schlaf ist jemals ein Augenblick der und Hemden mit offenen Kragen setzte sich allmählich erste; erst recht sind Anfang des Lebens und Weltein- mein Ich in seinen originalen Zügen wieder von neuem tritt der Geburt jeder Erlebbarkeit wesensmäßig entzo- zusammen.“ (Marcel Proust, Auf der Suche nach der ver- gen, was auch immer davon Spur oder Trauma geblieben lorenen Zeit 1, Frankfurt/M. 1981, S. 9ff) sein mag.“ (Hans Blumenberg, Höhlenausgänge, Frank- Am Beginn auf der „Suche nach der verlorenen Zeit“ furt/M. 1989, S. 11) finden wir keinen Anfang, haben jedoch längst begon- Und es bleibt im Unbewussten die tiefe Sehnsucht nen. Das Immer-schon-da-gewesene markiert eine der Rückkehr in die Höhle des Mutterleibes. Diese Höhle unsichere Grenze. Mein Thema ist das erwachende hat mir Geborgenheit gespendet, bevor ich irgendet- Wirklichkeits-Bewusstsein. Und da bin ich - so Marcel was - oder gar mich selbst - wahrnehme. Das erste Wort Proust - meinen Erinnerungen hilflos wie ein Höhlen- bewussten Denkens liegt noch in weiter Ferne: Und doch mensch ausgeliefert. Vom Traum soll ein Übergang zum ist schon etwas von mir da - in der Höhle. Wirklichen bewusst werden. Das Wissen dieser Differenz Am Anfang des Lebens steht nicht das Wort, sondern von Traum und Wirklichkeit kann aber nicht erlebt, son- ich werde geboren aus dem Mutterleib. Aber - ist das, dern nur erschlossen werden. Der Schlüssel kommt aus was da geboren wird ein „ich“? Wird aus ‚mir‘ nicht doch der Erinnerung. Und woher kommt die Erinnerung? Und erst durch die Sprache ein ‚ich‘? Lauter nicht zu ent- worin besteht sie? scheidende Fragen! Bertrand Russell befürchtet, dass die Erinnerung uns Auch menschheitsgeschichtlich kommt die Höhle vormache, die Welt wäre erst vor fünf Minuten aus dem vor der Sprache. Der Übergang vom Leben zum Erleben Nichts geschaffen. Ludwig Wittgenstein verspottet das beginnt in der Höhle. Allerdings „ist der Mensch nicht, Argument. Man könne die fünf Minuten auf eine redu- wie die Griechen glaubten, aus der Tiefe der Erde, aus zieren. Man lasse die Welt samt aller Erinnerung eben ihren Höhlen ans Licht getreten. Vielmehr waren die 14 genau in dem Augenblick erstehen, da sie stattfinde. Höhlen seine Zuflucht, die er suchte und bewohnte.“
(Hans Blumenberg, ebenda, S. 25) Wie lange es gedau- HOEHLEN ert hat, bis er die Höhlen als seine bildlich erkennbar machte, wissen wir nicht wirklich. Genauso wenig kennen wir heute die Funktionen der Höhlenzeichnungen: Waren es praktische, magische, kultische? Klar ist nur: In der Höhle gelang es, Abwesendes anwe- send zu machen. Beim Durchgang durch die Höhle wurde der Mensch das träumende Tier. „Im Schutz der Höhle, unter dem Gebot der Mütter … entstand die Phanta- sie.“ (Hans Blumenberg, ebenda, S. 30) Statt die ewig langweiligen Erfolgsgeschichten der heimkehrenden Jäger immer wieder aufzuwärmen, war es das Privileg der Schwachen in der Höhle Zurückgebliebenen, in der Phantasie etwas auszumalen, ohne es zu erleiden. In der Höhle lässt sich die Kunst ausbilden, die Vorstellungs- kraft zu bannen und die Phantasie zu beflügeln. Aber der Schutz der Höhle ist ambivalent: Ihre Dun- kelheit nährt auch „das Gefühl des Unheimlichen“, die „Vorstellung, der Augen beraubt zu werden“ (Sigmund Freud, Das Unheimliche, Studienausgabe Bd. IV, S. 253). Dunkle Schatten wirken bedrohlich. Deshalb müssen die Schatten gebannt und fixiert werden. Liegt im Bannen der menschlichen Schatten - im Nachzeichnen ihres Umrisses - der Ursprung der Male- rei? Für Plinius den Älteren ist das bei aller Unsicherheit über ihren Anfang unbezweifelbar der Fall (Vgl. Victor I. Stoichita, Eine kurze Geschichte des Schattens, Mün- chen 1999, S. 7). Dagegen gibt es einen gewichtigen Einwand: Älter als gestalthafte Bilder sind die abstrakten Zeichen. Am Anfang aller Aufzeichnungen steht nicht die naive 15
HOEHLEN Darstellung der Wirklichkeit. Erinnerungen bilden sich im Abstrakten, graben sich als Spuren ins Gedächtnis ein. Ihre ältesten, in Höhlen gefundenen Zeugnisse sind Kritzeleien und Graphismen. Schon bevor es Zahlwör- ter in der Sprache gibt, werden einfache Zahlzeichen in Knochen geritzt. Derartige makabre Zeugnisse des auf die Zukunft gerichteten theoretisch planenden Den- kens - eingraviert in Gebeine - legen die Lebenden den Gestorbenen in die Höhle des Grabes. Wo auch immer der Anfang genau liegt. Sicher ist: Höhlen schaffen eine Erinnerungskultur und damit die Voraussetzung für ein reflektierendes Wirklichkeits-Bewusstsein. Wie Sie alle sicher schon erwarten, muss zum Thema Wirklichkeits-Bewusstsein das berühmteste Höhlen- gleichnis der westlichen Philosophiegeschichte kommen. Lauschen wir Platos Aufzeichnungen. Sokrates erzählt: „Stelle dir vor: Da befinden sich Menschen in einem unterirdischen höhlenartigen Gehäuse. Nach oben zum Licht hin verläuft ein langer Gang an der Höhle entlang. In dieser Höhle sind sie von Kindheit an, gefesselt an Schenkeln und Nacken. Sie können sich nicht von der Stelle bewegen und nur vor sich hin blicken. Die Köpfe zu wenden, verwehrt ihnen die Fesselung. Licht fällt auf sie von einem Feuer, das oberhalb und rückwärtig ent- fernt von ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefesselten liegt etwas höher ein Weg, an dem entlang du dir ein Mäuerchen vorstellen mußt, wie die Gaukler Schranken zwischen sich und den Zuschauern aufrich- ten, um über diesen ihre Kunststücke vorzuführen. Ich sehe es vor mir, sagte (Glaukon). 16 Dann stelle dir weiter vor, wie an diesem Mäuerchen
entlang Leute allerlei Gebilde tragen, die über das Mau- Sphäre der Ideen, welche der Philosoph ans Licht bringt. HOEHLEN erwerk hinausragen. Es sind steinerne wie hölzerne Dar- Wer die Welt erleuchtet im Licht der Ideen sieht, wird stellungen von Menschen und Tieren sowie mancherlei zunächst geblendet sein. Geht der so Aufgeklärte gar andere Kunstformen. Die Vorführer dieser Gebilde mögen in das Dunkle der Höhle zurück, so wird man ihm nicht sich wohl unterhalten, einige werden still sein. glauben und ihn wegen seiner frevelhaften Äußerungen Von einem wunderlichen Bild erzählst du und von über den Charakter der Wirklichkeit - genau wie Sokrates wunderlichen Gefangenen, sagte (Glaukon). - mit dem Tode bedrohen. Aber doch ganz ähnlich uns, sagte ich. Menschen in Der kritische Einwand gegen Sokrates und Plato lautet: dieser Lage haben, das wirst du zugeben, von sich selbst Das Licht der Idee ist nur eine andere blendende Meta- und voneinander seit jeher keine andere Kenntnis als pher. Aus der Höhle der Zeichen von Dichtern und Künst- durch die Schatten, die das Feuer auf die Höhlenwand lern gibt es kein Entkommen. Wirklichkeits-Bewusstsein vor ihnen, wirft. hat die Welt nie direkt, sondern nur vermittelt. Und wie Wie sonst, sagte er, wenn sie durch Zwang auf Lebens- unterscheiden wir die Wirklichkeit dann vom Traum? zeit die Köpfe unbewegt halten müssen? Ungefähr 2000 Jahre nach Plato, hält der Beginn des Was aber sehen sie von den Gebilden, die hinter ihnen Winters einen anderen Philosophen in einer anderen vorgeführt werden? Etwas anderes (als deren Schat- Höhle, in einer Ofenstube eingeschlossen, in der er alle ten)? Muße hatte, sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen. Was sonst? Am Martinsabend 1619 gerät René Descartes beim Könnten sie nun miteinander erörtern, was sie da Grübeln in höchste Erregung. Natürlich ist es Nacht, als sehen, würden sie es nicht auch deiner Meinung nach ihn die Phantome von Träumen bedrängen: für das Seiende selbst halten? Immer wenn er aufwacht, die Studierstube wieder Es bleibt ihnen nichts anderes übrig.“ erkennt und über seinen Traum nachdenken will, schläft Mit dieser ziemlich brutalen Schilderung des Zwang- er wieder ein. Schließlich beschert ihm der Traum ein scharakters der Höhle ist das Höhlengleichnis noch Wörterbuch und die Frage, welchen Lebensweg er ein- nicht zuende. Plato öffnet die Höhle, um die Differenz schlagen soll. Immer wenn er im Wörterbuch nachschla- zwischen Denken und Wahrnehmung bewusst zu machen. gen will, fehlen die entsprechenden Stellen. Die Träume Traue dem Schein nicht, so lautet seine Botschaft: in der Studierstube deutet Descartes als Botschaft. Sein Dichter und Maler täuschen uns mit ihren Kunstwer- Leben lang wird er nachdenken über das Wahre und Fal- ken. Die sophistischen Philosophen fallen auf sie rein. sche. Wahre Erkenntnis lässt sich mit den getäuschten Sinnen Auf der Suche nach der evidenten Wahrheit kommen nicht erfahren. Das Wahre und Gute findet sich in der die Zweifel an den Sinnen. Fast alles fällt der Fiktion 17
HOEHLEN zum Opfer: die innere und äußere Sinneserfahrung. Auch die Mathematik bietet keine letzte Gewissheit. Und Des- cartes beschließt: „Jetzt schließe ich meine Augen, stopfe meine Ohren zu, rufe alle Sinne zurück und tilge ebenfalls alle Abbil- der körperlicher Dinge aus meinem Denken oder erachte sie wenigstens wegen ihres eitlen Truges für nichts, weil das andere schwerlich möglich ist; indem ich aber mit mir alleine spreche und mich genauer anschaue, versu- che ich allmählich mir selber bekannter und vertrauter zu werden.“ (zitiert nach Rainer Specht, Descartes, Reinbeck bei Hamburg 2001, S. 86) „Täusche mich, wer immer kann, er wird doch nie bewirken, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich ich etwas bin. … Das Denken ist, nur dies kann man mir nicht entwinden; ich bin, ich existiere, ist gewiß. Wie- lange aber? Nun, solange ich denke.“ (ebenda, S. 88f) Für das Wirklichkeits-Bewusstsein zählt letztendlich nur das Denken. Der zentrale Punkt bei Descartes ist der Dualismus zwischen der Welt des Bewusstseins und der materiellen Welt, zwischen der Seele und dem Körper. Aus der Vor- stellung der Dualität von Körper und Geist ergibt sich das Problem, wie sich die beiden zueinander verhalten. Descartes zeichnet ein Funktionsbild und erklärt: Im mittleren Gehirnventrikel schwebt die Zirbeldrüse (H), welche die umgebenden Animalgeister zu steuern vermag. Die kleinen Kreise sind die Endungen der Ner- venschläuche, durch welche die Drüse Animalgeister in 18 die Muskeln transportiert, um sie aufzublähen.
„Durch Empfindungen … belehrt mich die Natur, daß HOEHLEN ich in meinem Körper nicht wie ein Kapitän in seinem Schiffe weile, sondern so überaus enge mit ihm verbun- den und gleichsam vermischt bin, daß ich mit ihm eine Einheit bilde; andernfalls würde ich nämlich, da ich nicht anderes bin als ein denkendes Ding, bei einer Verletzung des Körpers keinen Schmerz empfinden, sondern diese Verletzung mit meinem bloßen Verstande wahrnehmen, so wie ein Kapitän es mit dem Auge wahrnimmt, wenn etwas an seinem Schiffe bricht.“ schreibt Descartes (ebenda, S. 125). Der moderne Philosoph positioniert den Menschen in der Höhle seines Denkens, in den Spalten des Geistes. Offensichtlich folgen daraus philosophische Schwierig- keiten mit der Positionierung des Körpers. Statt diesen vergeistigten philosophischen Schwierig- keiten weiter nachzugehen, befrage ich zum Thema des Wirklichkeits-Bewusstsein die Techniker, also Künstler, Designer, Ingenieure. Der moderne Künstler Filipo Brunelleschi hat dem meditierenden Menschen schon über ein Jahrhundert vor Descartes eine Höhle voller Harmonie gebaut. Mit einem revolutionär neuen Konstruktionsverfahren - der Errichtung eines riesigen Gewölbes ohne Lehrgerüste und Hilfskonstruktionen - schafft er in Florenz eine Kir- chenkuppel mit einer mystischen Athmosphäre. Diese ist genau geplant, die Wirkung von diffusem und gedämpf- ten Licht päzise vorherbestimmt. Hier steht der Mensch im Mittelpunkt der Höhle. Seine Sicht auf die Welt ist berechnet, nach den Erfordernissen der perspektivischen Darstellung. Die von Brunelleschi 19
HOEHLEN gefundenen Regeln perspektivischer Projektion prägen von nun an den Blick. Um in den Bildnissen der Kuppel - von Vasari und Zuc- cari - Szenen von realistischer Wirklichkeit zu sehen, muss der Betrachter sich selbst in die richtige Position begeben. Wenn er sich an den adäquaten Platz stellt, dann taucht er meditierend ein in eine mystische Ath- mosphäre des Geheimnisses von Innen und Außen. Er empfindet den Bildraum als real gegenwärtig. Dieser etwa 1475 entstandene Holzschnitt ist die erste bekannte Darstellung einer ganzen Stadt als autonomes Kunstwerk, die kein Phantasiegebilde ist. Er basiert auf einer Konstruktion, die sich die Möglich- keiten der Perspektive zu Kontrolle und Korrektur der direkten Beobachtung nach der Natur zunutze macht und die Topografie zur Überprüfung des planimetrischen und volumetrischen Aufbaus. Um die Stadt Florenz her- vorzuheben, hat der Zeichner einen erhöhten Aussichts- punkt gewählt. Die mathematisch konstruierte Ansicht rückt die Kuppel von Brunelleschi in den Mittelpunkt der Stadt. Auf das perspektivisch konstruierten Tafelbild ist unser Auge inzwischen so trainiert, dass es sich auf den richtigen Standpunkt positioniert, ohne dass wir den Körper zum richtigen Standpunkt bewegen.. Das Bild hat sich in „ein Fenster verwandelt, durch das wir in den Raum hindurchzublicken glauben“ (Erwin Panofsky, Die Perspektive als symbolische Form, in: ders., Auf- sätze zur Grundfragen der Kunstwissenschaft, Berlin 1992, S. 99). Die korrekte geometrische Konstruktion 20 stellt das Bild als einen planen Durchschnitt durch die
sogenannte Sehpyramide vor. Angeblich geben die Seh- HOEHLEN strahlen objektiv die Lage der Bildpunkte vor, welche korrespondierende Punkte in der Wirklichkeit repräsen- tieren.. Um die Gestaltung eines völlig rationalen, d.h. unendlich stetigen und homognen Raumes zu gewährlei- sten, werden stillschweigend zwei wesentliche Voraus- setzungen gemacht: Erstens, dass wir nur mit einem völlig fixierten unbe- weglichem Auge sehen, zweitens dass der ebene Durch- schnitt durch die Sehstrahlen als adäquate Wiedergabe des Sehbildes gelten darf (vgl. ebenda S. 101). Seit Jahrhunderten leben wir in der Höhle der per- spektivischen Repräsentation. Unser Blick ist fixiert. Fotorealistische Darstellungen repräsentieren für uns die Wirklichkeit. Wir schauen sie auf kunstvollen Tafel- bildern bzw. heute eher auf den chemisch fixierten Hochglanzabbildungen der Illustrierten, dem gemeinen Fenster zur Welt-Anschauung. Dieses einfache Verhältnis der Repräsentation der Wirklichkeit, das den Betrachter immer außerhalb posi- tioniert, verkompliziert sich in den neuen technischen Höhlenbildern. Als die auf der rechten Seite abgebildete Installation 1974 in Köln aufgestellt werden soll, schreibt der Künst- ler Num June Paik an an den Ausstellungsleiter Wulf Herzogenrath: „I got a very good idea, which is simple, inexpensive, yet very beautiful. For the opening night and one more day, I will become a „LIVING BUDDHA“ myself, watching also TV. Therefore there will be two Buddhas watching TV, one is the old wooden Buddha, the other is myself.“ 21
HOEHLEN Das Bild wird selbst-reflexiv. Denken Sie also einen Augenblick darüber selbst. Wer nicht selbst denken kann Nachdruck verboten oder mag, möge einige Gedenksekunden für John Cage einlegen. Das Bild beerdigen, das heißt, ein Bild zu schaf- fen. Das Bild ist gerade das, was visuell in der Leere übrig bleibt. Es legt den Grund offen, zieht sich zurück und uns hinein. Im Akt des Blicks treffen Trauer und Begehren zusammen. Und dann haben wir es mit einer Phantasmatik der Zeit zu tun. In der Höhle erstrahlen Bewegungs- und Zeitbilder. Ab jetzt befinden wir uns in der Höhle des kinematischen technischen Bildes. Die normalen Ordnungen perspektivischer Reprä- sentation werden gerade durch die Instrumente zum Verschwinden gebracht, deren Zweck eine technische Verbesserung der Wiedergabe der Wirklichkeit ist. Sie formen künstliche Höhlen, in denen wir wie die Fliege im Glas gefangen sind. Optik kreiert die Sichtweisen, die sie zu beschreiben vorgibt. Künstliche Perspektive und Belichtung und künstliche Beleuchtung schaffen neue Ordnungen der Sichtbarkeit. Durch die Vermischung von Wissenschaft und Kunst werden komplexe Vorgänge nicht nur dargestellt, sondern auch erst produziert. Mit der Camera Obscura beginnt das Zeitalter der Sehma- schinen und Medienkultur. Nicht der homogene Blick durch ein Fenster ist hier möglich, sondern das Starren auf den Bildschirm. Zunehmend wird nicht ein Abbild, wie es in der Welt aussieht, sondern ein Vorbild, wie die Welt zu sehen ist, in die Wohnzimmer gestrahlt. Und die 22 Bilder der Sehmaschinen behaupten immer ein objekti-
ves, nach wissenschaftlichen Regeln produziertes Welt- HOEHLEN bild zu liefern. Seitdem es möglich ist, Bilder im Zehntel-Sekunden- Takt zu schießen, sehen wir den Körper, wie wir ihn vorher nie gesehen haben. Solche Bewegungsstudien im Geiste der Naturfreunde-Bewegung bilden das Material für Frederick Winslow Taylors wissenschaftliche Begrün- dung der Arbeitsteilung. Technische Vorbilder ermög- lichen die effektive kapitalistische Ausbeutung und Organisation der Arbeit. Aber die neckischen Körper-Bilder sind auch der erste Schritt für die Erbauung der Höhlen, in denen man den tristen Arbeitsalltag vergessen kann, für die modernen Höhlen der Illusion. Gemeint ist natürlich das Kino. Nur noch Dogmatiker glauben, dass es die Aufgabe des Kinos sei, die Wirklichkeit abzubilden. Aber über die Montage von Zeit- und Bewegungsbildern werden hier - im Kino - Berufenere als ich sicher noch Fundierteres sagen. Ich werfe stattdessen einen Blick in verschiedene andere Höhlen des technisch produzierten und program- mierten Bildes. „Der Schoß ist zu einem Operationsgebiet geworden: So wie über ihn gesprochen wird, so wie seine Überwa- chung, Verteidigung und Versorgung geplant wird, … ist das Werden „unter dem Herzen der Frau“ zu einem öffentlichen Prozeß gemacht worden. Die secreta mulie- rum sind zu einem Gelände geworden, auf dem gesehen, eingegriffen, entschieden werden kann.“ diagnostiziert die Historikerin Barbara Duden. Der Blick ist schamlos geworden. Vor Leornardo da Vinci galt es noch als ein Verbrechen, Leichen zu sezie- 23
HOEHLEN ren. Heute ist es ein anstößiges Schauspiel, sie als Körper-Welten zur Schau zu stellen. Inzwischen geht der Blick weit unter die Haut, tiefer als jedes Seziermesser, tiefer auch als Röntgenstrahlen. Programmierte Bilder machen Gene sichtbar und manipulierbar. Die technischen Bilder sind keine Abbilder, sondern visuell realisierte Modelle oder Datenverdichtungengen. Bilder, die wir von atomaren Vorgängen haben, beruhen nicht auf einer optischen, sondern im Falle der Raster- sondenmikroskopie auf einer „taktilen“ Erfassung der Oberfläche von Atomen oder im Falle der Magnetreso- nanzspektroskopie auf einer Aufzeichnung der Frequenz der Präzessionsbewegung des Kernspins. Erst am Schluss werden die Daten in Bilder übersetzt und in Relation gebracht zu anderen wissenschaftlichen Darstellungen, zum Beispiel zu chemischen Formeln. Ob die Sache so ausssieht, wie die Bilder sie uns zeigen, ist eine unsin- nige Frage. Denn außer den technischen Bildern gibt es hier nichts zu sehen. Atome sind unsichtbar. Erst tech- nische Verfahren in den Höhlen der wissenschaftlichen Laboratorien produzieren die Schatten für den auf diese Weise fixierten Blick. Zwischen dem Auge des Astronomen und der Galaxie, die er beobachten will, liegt ein ganzes Areal verketteter Apparaturen, die die ursprüngliche Information Schritt für Schritt auswählen, transformieren und übersetzen, bis sie schließlich als eine visuelle Konfiguration das Auge des Betrachters erreicht: Satelliten, Spiegelanlagen, Teleskoplinsen, Fotovor- richtungen, Abtastgeräte, Übertragunsgeräte und vor 24 allem Computerprogramme. Am Ende stehen bildförmig
präsentierte Daten, als Kitsch für Kalender oder als Roh- ten Höhle, dem CAVE, dem Computer Animated Virtual HOEHLEN material für die Interpretation der Experten der Astro- Environment, taucht der Betrachter dagegen ein in die nomie. Höhlenbilder. Mit seinen Aktionen werden - Compu- Programmierte Bilder liefern aber weit mehr als sta- ter gesteuert - die Ansichten generiert, die er gerade tische Visualisierungen. Sie stellen Simulationen der durchfahren und erleben will. In einer Mixed Reality theoretischen Modelle zur Verfügung, mit denen eine Umgebung wird die erlebte virtuelle Welt in dem Augen- virtuelles Probehandeln möglich wird. blick erschaffen, in dem sie erlebt wird - worüber Witt- Wer heute etwas wissen und verstehen will, kann den genstein sich so lustig machte. Wie das wirkt, kann man Höhlen also nicht entfliehen. Kritikfähigkeit heißt, die nicht erzählen. Das muss man erleben. Höhlen wahrzunehmen. Man darf sich nicht blenden lassen durch die Bilder. Auf der Suche nach der Wirk- lichkeit, die sie abbilden, wird man nur Leere finden. Man muss begreifen, wie die Bilder das Wirklichkeits- Bewusstsein konstrieren, lernen ihre Beziehungen zueinander zu sehen. Seit den steinzeitlichen Höhlen hat sich schein- bar nicht so viel oder doch alles verändert. Zahlen und Bilder und Wörter werden zusammengebracht. Sie schaffen Erinnerungen und Wirklichkeitsbewusstsein. Aber in den heutigen Höhlen der Virtualität werden sie neu komponiert, programmiert und prozessiert. In der Komplexität der prozessierenden technischen Überset- zungen lässt sich das, was wir wissen können, präziser als jemals zuvor aufschreiben. Es wird programmiert. Programmiertes Wissen, dessen Darstellung die prozes- sierende Logik des Computers generiert, wird paradoxer- weise auch anschaulicher oder verführerischer: Filmbilder mögen uns erschrecken oder faszinieren. Aber sie laufen doch außerhalb von uns auf der Lein- wand. Wir schauen ihnen auf dem Sessel sitzend zu. In einer avancierten Form der heutigen programmier- 25
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SCHEIN UND WIRKLICHKEIT IN MIXED REALITY Technische Möglichkeiten, Grenzen und Risiken Willi Bruns Die höchste Stupidität und der höchste Verstand haben darin eine gewisse Affinität miteinander, dass beide nur das Reelle suchen, und für den bloßen Schein gänzlich unempfindlich sind. Nur durch die unmittelbare Gegenwart eines Objektes in den Sinnen wird jene aus ihrer Ruhe gerissen, und nur durch Zurückführung seiner Begriffe auf Tatsachen der Erfahrung wird der letztere zur Ruhe gebracht; mit einem Wort, die Dummheit kann sich nicht über die Wirklichkeit erhe- ben und der Verstand nicht unter der Wahrheit stehen bleiben. Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, 26. Brief InformatikerInnen sind Gestaltende und Erlebende von eliminieren, überlässt ihm aber die Aufgaben, die er Schein, von Zeichenwelten, prozessierenden Zeichen. Sie selbst nicht verstanden hat oder automatisieren kann, erleben die Leichtigkeit der Zeichen (F. Nake), aber sie 2. die von Böhle und Milkau (1988) in industrieso- gehen auch mit der Nachdrücklichkeit von Materie um. ziologischen Studien erkundete einseitige Orientierung von Maschinenbauern an objektivierenden Perspektiven Ausgangspunkte unserer Forschungen und Entwick- von Maschinennutzung unter Vernachlässigung ebenso lungen in artec waren wichtiger subjektivierender Perspektiven, 1. die als Ironie der Automation bezeichnete Feststel- 3. die Bedeutung physikalisch gegenständlicher Model- lung von Lisanne Bainbridge (1983): lierung als Ergänzung zu virtuellen Modellen und digita- der Designer versucht den Bediener von Maschinen zu ler Simulation, die wir in Industrieprojekten erfuhren. 27
MIXED REALITY Unsere Konsequenz daraus ist der Versuch, eine ausge- wechselung von Simulation und Realität begünstigt. Die wogene Arbeit (mit objektivierenden und emphatischen unendliche Vielfalt von Zeichen, die ein realer Prozess Anteilen) in automatisierten Systemen dadurch zu unter- vermitteln kann, lässt sich nicht auf einen Rechner über- stützen, dass wir Konzepte für eine Systementwicklung tragen. Abb. 1-4 zeigen jeweils eine Kugel hinter und verfolgen, die eben diese Ausgewogenheit auch schon vor einer Wand. Ein aufmerksamer Betrachter könnte aus in der Entwicklungsphase von Maschinen und Systemen den statischen Bildern folgern, dass im ersten Bild keine unterstützt. Dies könnte gelingen, wenn Ingenieure und Kugel hinter der Wand sein kann, weil man ja keinen Künstler zusammen gebracht werden. Ingenieurwissen- Schatten sieht. Würde er die dynamische Simulation vor- schaft stärkt die rationale, Kunst die komplementäre gespielt bekommen, so würde er sehen, wie ein Kugelbild Abb. 1 Perspektive. Uns interessiert die Frage, wie wir durch von rechts auf die Wand zu fliegt, hinter ihr verschwindet Kugel hinter einer Wand experimentelles Spielen in gemischten Welten, denen und nach einem bestimmten Zeitintervall auf der linken der Realität und denen des Scheins, Mixed Reality, einen Seite mit gleicher Geschwindigkeit weiterfliegt. Seine neuen Zugang zur Sicht auf Mensch-Maschine Interak- Beobachtungen wären in einem Widerspruch, aber letzt- tionen und zum Systemdesign bekommen können. endlich würde er sich wohl entscheiden, den fehlenden Schatten als Abstraktion oder fehlende Beleuchtung zu TECHNISCHE MÖGLICHKEITEN VON MIXED REALITY interpretieren und eine kontinuierliche Bewegung einer Hinter dem vom Computer über seine Ein-Ausgabegeräte Kugel anzunehmen. Dasselbe Erscheinungsbild wäre vermittelten Schein stehen programmierte Verhaltens- aber auch durch einen elastischen Stoss einer bewegten Abb. 2 Abb. 4 modelle, die mehr oder weniger genau die uns bekann- Kugel auf eine ruhende Kugel gleicher Masse hinter der Kugel vor einer Wand Eine magische Wand ten physikalischen Gesetze repräsentieren. Sie reichen Wand zu erzeugen (Abb.3). Es stellt sich die Frage, ob von Animationen, in denen trickfilmartig Einzelbilder so diese Fortsetzung eines physikalischen Phänomens (der erzeugt werden, dass sie den Eindruck einer Bewegung ankommenden Kugelmasse) nicht auch in einer durch vermitteln, ohne dass hinter der Bilderzeugung ein im den Computer vermittelten Weise über eine trennende Rechner formalisiertes physikalisches Gesetz steht, bis Wand hinaus, wie in Abb. 5 dargestellt, erfolgen kann. zu Simulationen, die auf der Basis möglichst genauer Dieses ist in der Tat möglich, indem der Impuls der ein- physikalischer Repräsentanz bestimmter ausgewählter gehenden Kugel gemessen und dann gespeichert wird Phänomene beruht. Sind diese bei der Simulation immer und auf der anderen Seite ein entsprechender Impuls Abb. 3 Abb. 5 erfolgenden Abstraktionen (Konzentration auf ausge- mit einer neuen Kugel erzeugt wird. Diese technische Elastischer Stoß zweier Kugeln Reale Kugel (rot) wählte Phänomene, Vernachlässigung anderer) für die Möglichkeit lässt sich nun in vielfältiger Weise für eine und virtuelle Kugel (grün) Nutzer der Simulationssysteme nicht mehr einsichtig, so Durchdringung von Realität und Virtualität nutzen. Eine 28 kann ein Verlust an Urteilskraft eintreten, der eine Ver- virtuelle Kugel (grün) trifft auf eine virtuelle Trennwand
und der computergesteuerte versteckte Mechanismus MIXED REALITY generiert eine reale Kugel (rot), die mit gleichem Impuls aus einer realen Wand fliegt. Diese Lösung kommt einer Idee sehr nahe, die schon von dem Computergraphik Pionier Sutherland (1965) geäußert wurde: „The ulti- mate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter …. a bullet displayed in such a room would be fatal.” Unsere Forschung und Lehre beschäftigt sich mit tech- nischen Möglichkeiten und Grenzen dieser Verdoppelung und Fortsetzung von physikalischen Phänomenen in Schein und umgekehrt. BREMER STUDENTEN SPIELEN MIT SCHEIN UND WIRKLICHKEIT Es sollen vier Projekte vorgestellt werden, die von Stu- dentinnen und Studenten der Bremer Studiengänge Informatik, Digitale Medien und Kulturwissenschaft durchgeführt wurden: Theater der Maschinen, Sensoric Garden, Mixed Reality Stages, Wedding Rehearsal in Cybertown und Mixed Reality Caves. Theater der Maschinen Diese Theaterinszenierung thematisierte die Auseinan- dersetzung zwischen einem Avatar, einer Holzmarionette zwei Robotern, einem Robot-Schauspieler und einem Cellisten um die Frage: Wer kontrolliert wen in einem Mensch-Machine System oder welchen Spielraum haben Menschen und Maschinen in einem hochtechnisierten System? 29
MIXED REALITY Der Cellist spielte mit großer Hingabe ein klassisches Stück nach der Partitur des Komponisten. Der auf eine Leinwand projizierte Avatar bewegte sich, interaktiv von seinem Designer gesteuert, nach dieser Musik und steu- erte gleichzeitig über ein Programm die Bewegungen einer Holzmarionette, die an einem Servo-Motor-Gerüst hing (Abb. 8-12). Als die künstlichen Figuren begannen ein gewisses unabhängiges Eigenleben zu zeigen, wurde der Cellist über Handy aufgefordert, die Steuerung des Avatars und der Marionette über einen Sensorgalgen zu übernehmen. Daraus entwickelte sich eine Szene mit Auftritten weiterer Maschinen , die dem Zuschauer die Interpretationsmöglichkeiten eröffnete, der Cellist kon- trolliere die Maschinerie oder er sei selbst kontrolliert von ihr. Sensoric Garden Dieses Projekt METHEA (Medien und Theater) setzte sich mit dem Erleben in realen und virtuellen Welten auseinander. Höhepunkt des Projekts waren nächtliche Installationen Sensoric Garden in der gleichzeitig statt- findenden Rosenausstellung „A rose is a rose is a ...“ auf dem ehemaligen Theaterberg anlässlich der 200- Jahrfeier der Bremer Wallanlagen. Diese Installationen kreisten um eine Skulptur von Gerhard Marks, die als virtuelle Figur erwachte und mit der die Besucherinnen interagieren konnten. Aegina, Erwachen einer Skulptur Tempel der Philosophen unter Feuer und Wasser Flirt-Bank, Treffen mit Aegina 30 Klaviatur, Tanz oder Komposition
Wedding Rehearsal in Cybertown MIXED REALITY Gegenstand dieser kleinen Theateraufführung waren unterschiedliche Handlungs- und Kommunikationsbezie- hungen bei der Vermischung von realer Bühne, virtueller Bühne im Cyberspace, realen und virtuellen Schauspie- lern und Zuschauern, die örtlich anwesend im Auffüh- rungsraum oder verteilt im Internet waren. Es wurde das verrückte Stück einer durcheinander geratenen Hoch- Flirt-Bank zeitsprobe gespielt. 18 studentische Akteure steuerten jeweils über PCs ihre selbst entworfenen Avatare in einem Cyberraum im Internet und agierten gleichzeitig miteinander in physischer Präsenz untereinander und mit den real anwesenden Zuschauern im realen Auffüh- rungsraum. Klaviatur Philosophen-Tempel Mixed Reality Caves Drei parallele Projekte beschäftigten sich mit unter- Mixed Reality Stages schiedlichen Konzepten der räumlich geschlossenen In diesem Projekt wurden zukünftige Formen von Thea- Bildprojektion von 3D-Phantasiewelten, die über Senso- terbühnen und Aufführungstechniken erkundet. rik und Aktorik steuerbar waren. 31
MIXED REALITY FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN - die zeitliche Dynamik von Sensor-Aktor-Prozessor Neben den vorgestellten spielerisch performativen Kopplungen und Übertragungen im Netz, Erkundungen der Möglichkeiten von Mixed Reality - Manipulationstechniken und gesellschaftliche beschäftigt uns deren Anwendung in neuen Formen Normen - von Kooperation, - von Systementwicklung, - von Lernumgebungen, Gefahren und Chancen der Durchdringung sind: - und von darstellender und bildender Kunst. - Verlust/Gewinn von Realitätssinn - Aufspaltung/Verbindung von Wirklichkeit und Welche Möglichkeiten bietet diese Technik für die Inge- Schein nieursausbildung? Bezogen auf die von Böhle & Milkau - Zerstreuung/Integration von Persönlichkeit geforderten Dimensionen der Ingenieursbildung können - Verlust/Gewinn an Urteilskraft wir folgendes Potenzial erkennen: - Manipulierbarkeit/Standfestigkeit • objektive, wissenschaftlich-technische Dimension - Verständnis von augmented reality (angereicherter Realität) - Grundlagen und Perspektiven von mixed reality - Grenzen und Widersprüche der Automation - Stärken und Schwächen formaler Methoden • subjektive Dimension - Auseinandersetzung mit Freiheit und Zwang- men- schen-zentrierte Entwicklungsperspektiven - Expressivität und Performanz - Erkundung von Spiel versus Zweckrationalität Grenzen der Durchdringung von Realität und Virtualität sind: - Begrenzte Kenntnisse und Fähigkeiten in der Erken- 32 nung und Erzeugung physikalischer Phänomene,
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SCHEIN UND WIRKLICHKEIT IM THEATER Peter Lüchinger Schönen guten Abend, Prolog aus Heinrich V. ach es ist ja noch Tag. Was ist eigentlich für eine Zeit Oh wären wir erleuchtet wie mit Feuer draußen, was ist für eine Zeit drinnen? Draussen ist den hellsten Himmel voller Phantasie es hell, hier drin ist es dunkel. Ein spannender Unter- zu wölben über diesem Bühnenkönigreich, schied. Ich bin Schauspieler bei der bremer shakespeare mit Prinzen als Figuren und Monarchen, company und wurde vor zwei Monaten gefragt, ob ich das brodelnde Spektakel anzuschaun! einen Vortrag bei dieser Veranstaltung halten könnte, Dann käm der kreigerische Heinz, ganz wie er war, „na klar mache ich“ und ich habe zugesagt. Aber ein im Helm des Mars zurück, und ihm bei Fuß, Schauspieler, wie ich, kann keine Vorträge schreiben, er wie Doggen angeleint, jauln Hunger, Schwert und kann eigentlich nur Texte vortragen, sein Wissen weiter- Feuer, geben, weiter erzählen. Dieses Wissen hat sehr viel mit auf Beute lauernd. Doch verzeiht, Ihr Edlen, dem Autor Shakespeare zu tun. Die bremer shakespeare dem seichten, unentfachten Geist, der´s wagt, company, der Name sagt es, beschäftigt sich, segnet auf dieses klägliche Gerüst zu bringen sich mit diesem Autor. Ich werde gleich eine Textstelle solch grossen Gegenstand. Kann dieser Hühnerstall vortragen, und danach könnten wir feststellen: Das war die Weite Englands fassen? Dürfen wir der Vortrag, in diesem Text wird eigentlich schon alles in dieses O aus Holz die Truppen zwängen, zum Thema Schein und Wirklichkeit gesagt, alles gesagt, die eine Welt erschüttern bei Azincourt? was das Theater zur Scheinwirklichkeit macht. Aber ich Verzeiht: kann nicht die schiefe, kleine Zahl soll einen Vortrag halten so werde ich anschliessend, auf einem Zettel für Millionen stehn? zwei, drei Thesen aufstellen. Ob das gesagte wahr ist, So laßt uns, Ziffern dieser grossen Summe, das zu bewerten, überlasse ich Ihnen. heut abend Eure Phantasie entfachen! 35
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