Molekulare Lichtblicke - Max-Planck-Gesellschaft

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Molekulare Lichtblicke - Max-Planck-Gesellschaft
ERFOLGSGESCHICHTEN_Fluoreszentmikroskopie

Molekulare Lichtblicke
Den Transport einzelner Proteine oder winzige Membranbläschen in lebenden Zellen, die
Synapsen von Neuronen oder das Skelett von Tumorzellen in allen Details – das alles können
STED-Mikroskope sichtbar machen. Die Technik erfunden hat Stefan Hell, Direktor an den
Max-Planck-Instituten für biophysikalische Chemie in Göttingen und für medizinische
Forschung in Heidelberg. Inzwischen vertreibt das Spin-off Abberior Instruments die
Fluoreszenzmikroskope mit der besten Auflösung am Markt. Und immer wieder verschieben
Forschende des Instituts und auch des Unternehmens die Grenzen des Sichtbaren.

TEXT JANOSCH DEEG

D
            ie schwarze Box misst knapp       Erfunden hat die ultrascharfe Fluores-       Sprossendes Neuron: Mit einem
            anderthalb mal anderthalb         zenzmikroskopie einer der sieben Fir-        solchen Wachstumskegel sucht
                                                                                           das Axon einer Nervenzelle
            Meter, Höhe vielleicht 40         mengründer. Und er wurde dafür sogar
                                                                                           sein Ziel. In der Aufnahme mit
            Zentimeter. In der Regel er-      mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Mit        einem STED-Mikroskop sind die
            zählt eine Blackbox die Ge-       seinen Arbeiten widerlegte er alle Ex-       feinen Fortsätze (grün), mit
schichte einer Katastrophe – nicht so in      perten, die meinten, in der Lichtmikro-      denen das rundliche Ende des
diesem Fall: Hier steht sie für ein erfolg-   skopie sei schon im 20. Jahrhundert die      Axons seine Umgebung abtastet,
                                                                                           im Detail zu erkennen. Die roten
reiches Produkt der physikalischen For-       Grenze des physikalisch Machbaren er-        und blauen Färbungen zeigen
schung. In ihrem Innern befinden sich         reicht. Kein Wunder also, dass das Un-       Proteine des Zellskeletts, die
Laser, Linsen, Spiegel und etliche wei-       ternehmen beeindruckende Wachs-              dem Wachstumskegel Struktur
tere Komponenten. Zusammen bilden             tumsraten zu verzeichnen hat. Und nun        und Beweglichkeit verleihen.
sie das neueste Mikroskop der Firma           kommt MINFLUX, ein Lichtmikroskop,
Abberior Instruments. MINFLUX heißt           das in noch winzigere Dimensionen
                                                                                                                              Foto: Abberior Instruments GmbH

es, wird demnächst weltweit verfügbar         vordringen soll: in die der Moleküle.
sein – und die Lichtmikroskopie noch          Aber der Reihe nach. Die Geschichte
einmal auf eine neue Stufe heben. Da-         von Abberior Instruments beginnt –
bei haben schon die bisherigen Modelle        wenn man so will – mit einem Fehl-
der Firma neue Maßstäbe gesetzt: Sie          schlag in den 1980er-Jahren.
sind rund zehnmal schärfer, als es Ex-            Zu dieser Zeit sitzt in Heidelberg ein
perten noch vor zwanzig Jahren für            Physiker an seiner Doktorarbeit. Sein
möglich hielten.                              Name: Stefan Hell. Mit Laserrastermi­

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Die Auflösungsdurchbrüche in           kroskopen inspiziert er Halbleiterchips   kern oder andere Organellen, zu se-
der Fluoreszenzmikroskopie: Die        bei der Firma Heidelberg Instruments.     hen. Die molekulare Maschinerie der
von Stefan Hell und Mitarbeitern
entwickelte STED-Mikroskopie
                                       Das Unternehmen hat sein Doktorva-        Zelle lässt sich so jedoch nicht erken-
(Mitte) erreichte bereits vor über     ter mit Kollegen erst kurz zuvor ge-      nen. Heute kann die Elektronenmikro-
zehn Jahren eine etwa zehnmal          gründet. Es geht bergauf, man holt sich   skopie zwar auf diese Ebene vordrin-
höhere Auflösung als die weit-         zahlungskräftige Geldgeber ins Boot.      gen, doch nur dann, wenn man Zellen
verbreitete Konfokal-Mikrosko-
                                       Alles dreht sich um die neue Technik      abtötet und aufwendig präpariert. Mit
pie (oben). Mit MINFLUX (unten)
steigerten sie nun die Detail-         und zu wenig um den Kundenbedarf.         einem Gerät, wie es Hell im Sinn hat-
schärfe noch einmal um das             Letztlich wird die Firma zerschlagen,     te, wäre das nicht nötig. Es wäre daher
Zehnfache – also auf insgesamt         die fast 100 Mitarbeiter werden teils     vor allem in der biomedizinischen For-
100-fach und damit bis in den          entlassen oder von den Geldgebern auf     schung sehr hilfreich.
Bereich molekularer Größe.
                                       Nachfolgeunternehmen verteilt. Ste-           Als Hell im Jahr 1997 Nachwuchs-
                                       fan Hells Arbeit leidet darunter nicht    gruppenleiter am Max-Planck-Institut
                                       mehr. Er hat seinen Doktortitel in der    für biophysikalische Chemie in Göt-
                                       Tasche und ist bereit, in der Welt der    tingen wird, kann er ein Mikroskop
                                       Wissenschaft mitzumischen. Eine wich-     nach seinen Vorstellungen bauen. Um
                                       tige Erfahrung nimmt er allerdings        die Jahrtausendwende ist es fertig –
                                       mit: „Ich habe gesehen, was man bei       und löst am Ende sogar Details auf, die
                                       einer Firmenausgründung besser nicht      nur 20 bis 30 Nanometer klein sind. Die
                                       machen sollte“, erzählt der Forscher      Technik ist seither als STED-Mikrosko-
                    50 nm              mit zufriedenem Lächeln. „Man braucht     pie bekannt (siehe Kasten Seite 27).
                                       Produkte, für die es schon Kunden
                                       gibt. Und man setzt nicht auf Geldge-     STED GEWINNT DAS RENNEN
                                       ber, die von der Sache wenig verste-      UM DIE AUFLÖSUNG
                                       hen.“ Lässig lehnt er in seinem Stuhl
                                       in einem Besprechungszimmer von           Im Jahr 2004 sucht ein anderer Nach-
                                       Abberior Instruments. Er weiß, er hat     wuchsphysiker ein Thema für seine
                                       es besser gemacht.                        Doktorarbeit. Er ist beeindruckt von
                                           Anfang der 1990er-Jahre arbeitet      Hells Erfindung: „Ich war fasziniert, wie
                    50 nm              Hell als Nachwuchswissenschaftler in      man damit ein physikalisches Gesetz
                                       Finnland. Dort, im kalten Norden, ver-    umgehen kann“, sagt Gerald Donnert,
                                       folgt er eine heiße Spur: Was, wenn       heute Geschäftsführer von Abberior In-
                                       sich mittels eines quantenoptischen       struments. 2004 kann er Stefan Hell,
                                       Effekts die Auflösungsgrenze von          der mittlerweile Direktor am Max-
                                       Lichtmikroskopen durchbrechen lie-        Planck-Institut für biophysikalische
                                       ße? Ein kühner Gedanke. Denn die          Chemie ist und die Abteilung „Nano-
                                       Auflösungsgrenze von Lichtmikrosko-       Biophotonik“ leitet, überzeugen, ihn
                                       pen war damals in Stein gemeißelt –       als Doktoranden anzunehmen.
                    50 nm              und das seit 1873, als der Physiker           Seinen Chef lernt der junge Wissen-
                                       Ernst Abbe das entsprechende Gesetz       schaftler als sehr fokussiert und auch
                                       formulierte: Strukturen kleiner als die   fordernd kennen. Das passt gut. Don-
                                                                                                                             Foto: MPI für biophysikalische Chemie

                                       halbe Wellenlänge des sichtbaren          nert ist ehrgeizig und motiviert. Er soll
                                       Lichts kann ein Lichtmikroskop nicht      ein STED-Mikroskop mit der weltweit
                                       darstellen. Wegen dieser Beugungs-        besten Auflösung bauen. „Das war eine
                                       grenze lassen sich lichtmikroskopisch     extrem spannende Zeit“, erinnert er
                                       nur Strukturen bis zu einer Größe von     sich. Denn 2006 kam in den USA noch
                                       200 Nanometern (nm) trennscharf ab-       eine andere hochauflösende Form der
                                       bilden, darunter geht es nicht. Das       Fluoreszenzmikroskopie auf. Ein biss-
                                       reicht, um einzelne Zellen und deren      chen sei es wie ein Wettrennen auf
                                       größere Bestandteile, etwa den Zell-      höchstem Niveau gewesen: „Wer hat

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ERFOLGSGESCHICHTEN_Fluoreszentmikroskopie

                                                                            STED
                                                                            Die hochauflösende Fluoreszenzmikro-
                                                                            skopie STED steht für „Stimulated
                                                                            Emission Depletion“ und bezeichnet
                                                                            das gezielte, vorübergehende Aus-
                                                                            schalten von winzigen fluoreszenten
                                                                            Farbstoffmolekülen. Generell markiert
                                                                            man bei der Fluoreszenzmikroskopie
                                                                            im Vorfeld die interessanten Bereiche
                                                                            der Probe – etwa bestimmte Struktu-
                                                                            ren einer Zelle – mit Fluoreszenzfarb-
                                                                            stoffen. Diese beginnen zu leuchten,
                                                                            nachdem die Probe kurz mit Licht be-
                                                                            strahlt wurde. Allerdings lassen sich so
                                                                            zwei eng beieinanderliegende Farb-
                                                                            moleküle lediglich dann auseinander-
                                                                            halten, wenn sich die ausgesendeten
                                                                            Fluoreszenzlichtwellen nicht zu stark
                                                                            überlappen. Die Auflösung ist aus
                                                                            diesem Grund bestenfalls auf rund 200
                                                                            Nanometer (nm) beschränkt.
                                                                                Der entscheidende Trick bei STED:
                                                                            Man stellt sicher, dass eng beieinan-
                                                                            derliegende Fluoreszenzmoleküle nicht
                                                                            gleichzeitig leuchten. Dazu knipst ein
                                                                            donutförmiger Laserstrahl einen Teil
                                                                            der Moleküle aus. Es leuchten nur noch
                                                                            die Moleküle im Loch des Donut-
                                                                            strahls. Die ausgeknipsten Moleküle in
                                                                            der Nachbarschaft können die leuch­
                                                                            tenden Moleküle nicht mehr stören.
                                                                            Durch Abrastern der Probe erhält man
Foto: Irene Böttcher-Gajewski / MPI für biophysikalische Chemie

                                                                            eine Fluoreszenzaufnahme mit einer
                                                                            Auflösung von 20 bis 100 Nanometern,
                                                                            je nach Einstellung.

                                                                        Ein Ergebnis der Grundlagenfor-
                                                                        schung: Das erste STED-Mikroskop
                                                                        baute Stefan Hell am Max-Planck-
                                                                        Institut für biophysikalische Chemie.

                                                                                       Spezial | 20 MaxPlanckForschung   27
Molekulare Lichtblicke - Max-Planck-Gesellschaft
die höchste Auflösung? Wessen Verfah-      Denn in der Hoffnung, das Verfahren
                                       ren setzt sich durch?“ In weniger als      schnell zu verbreiten, hatte sich Hell zu-
                                       drei Jahren beendet Donnert seine Dok-     nächst mit einem namhaften Unterneh-
                                       torarbeit – in einem Fach wie Physik ist   men zusammengetan, das die Patentli-
                                       das ungewöhnlich schnell – und ent-        zenz für die STED-Mikroskopie erworben
                                       scheidet mit seinem Mikroskop das          hatte. Aber die Geräte werden nicht so
                                       Rennen für sich.                           nachgefragt, wie er hofft. Auch die Idee,
                                           Die amerikanische National Acade-      die STED-Mikroskopie über ein kleineres
                                       my of Sciences lädt ihn nach Washing-      und flexibleres Joint Venture zu ver-
                                       ton ein und zeichnet seine Arbeit aus.     markten – ein Vorschlag von Dieter Trei-
                                       Doch trotz dieses Erfolgs zieht es ihn     chel, Start-up- und Portfolio-Manager
                                       erst einmal fort aus der Wissenschaft:     bei Max-Planck-Innovation –, fruchtete
                                       „Ich wollte noch was anderes sehen.“       nicht. „Große Unternehmen sind eher
                                       Als er von McKinsey & Company, einer       daran interessiert, ihre gut etablierten
                                       Topadresse der Unternehmensbera-           Produkte möglichst lange zu verkaufen“,
                                       tung, ein Angebot erhält, kann Don-        sagt Treichel, „STED wurde als Sahne-
                                       nert nicht Nein sagen. Dort lernt er,      häubchen gesehen und nicht als der
                                       wie die Wirtschaft funktioniert, und er-   neue Maßstab in der konfokalen Fluo-
                                       kennt, dass man bereit sein muss, Ri-      reszenzmikroskopie. In dieser Situation
                                       siken einzugehen, um erfolgreich zu        war es sinnvoll, ein Start-up zu gründen,
                                       sein. Unterdessen bleibt der Kontakt zu    auch wenn man erst einmal keine eige-
                                       Hell bestehen. Das Gefühl, man könn-       nen Vertriebswege hatte.“
Spur eines in der Zellmembran          te für die superscharfen Mikroskope ei-        Gesagt, getan. Hell setzt sich also
diffundierenden Moleküls. Etwa
10 000-mal pro Sekunde wurde
                                       nen weitaus größeren Markt finden,         mit seinem ehemaligen Doktoranden
dessen Position mit 20 Nano­           als die etablierten Mikroskophersteller    Gerald Donnert zusammen, um die
metern (nm) Auflösung bestimmt.        glauben, teilen die beiden.                schärfsten Fluoreszenzmikroskope bes-
                                                                                  ser verfügbar zu machen. Dass Donnert
                                                                                  bei McKinsey viel über Management-
                                                                                  strategien gelernt hat, ist jetzt unbezahl-
                                                                                  bar. Neben einem wasserdichten Busi-
                                                                                  nessplan ist aber für die beiden zunächst
                                                                                  noch etwas anderes wichtig: „Der Erfolg
                                                                                  der Firma steht und fällt mit den Leu-
                                                                                  ten“, lautet ihre Devise. Insgesamt fünf
                                                                                  weitere Personen mit unterschiedlichen
                                                                                  Kompetenzen aus Physik, Chemie und
                                                                                  Biologie holen sie als Gründer der Ab-
                                                                                                                                Foto: Stefan Hell / MPI für biophysikalische Chemie

                                                                                  berior Instruments GmbH mit an Bord.
                                                                                  Alle haben bei Hell promoviert und wis-
                                                                                  sen, dass sie als Team funktionieren.
                                                                                  Alle kennen die STED-Technik von der
                                                                                  Pike auf, und sie glauben an deren Po-
                                                                                  tenzial. Hell, ihr ehemaliger Mentor,
                                                                                  wird ihnen als Berater auch weiterhin
                                                                                  zur Seite stehen.
                                                                                      Unterstützung bei der Gründung be-
                                                                                  kommt das Team von Max-Planck-In-
                                                            250 nm
                                                                                  novation. Besonders Dieter Treichel
                                                                                  hilft dabei – sowohl am Anfang als auch

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ERFOLGSGESCHICHTEN_Fluoreszentmikroskopie

                                      MINFLUX
                                      MINFLUX (von englisch „Minimal Fluorescence Flux“, minimaler Fluoreszenzfluss) ist ge-              Das MINFLUX-Mikroskop,
                                      wissermaßen eine Kombination aus den Prinzipien von STED und jeweils einer anderen                  das die STED-Technik mit
                                                                                                                                          einem anderen Mikroskopie-
                                      hochauflösenden Strategie, PALM oder STORM. Letztere schalten mit einem Lichtblitz in
                                                                                                                                          verfahren kombiniert, ist
                                      einem größeren Bereich der Probe zufällig einige wenige Moleküle an – gerade so viele,              die jüngste Entwicklung im
                                      dass für zwei eng beieinanderliegende Farbstoffmoleküle die Wahrscheinlichkeit klein ist,           Angebot von Abberior
                                      gleichzeitig zu fluoreszieren. Computeralgorithmen rekonstruieren dann aus vielen Einzel-           Instruments. Es ist das erste
                                                                                                                                          kommerzielle Mikroskop
                                      bildern die Positionen der Fluorophore, vorausgesetzt, diese leuchten sehr hell. Doch dies
                                                                                                                                          mit einer Auflösung von
                                      ist oft nicht der Fall, sodass PALM und STORM in der Praxis selten eine bessere Auflösung           einem Nanometer.
                                      als 20 bis 40 Nanometer liefern. MINFLUX schaltet die Moleküle ebenfalls vereinzelt an, zur
                                      endgültigen Positionsbestimmung tastet aber ein donutförmiger Laserstrahl die Farbstoffe
                                      ab. Im Gegensatz zu STED knipst der Donut-Laserstrahl die Moleküle jedoch nicht aus,
                                      sondern regt sie zum Leuchten an. Je näher seine Mitte dem Molekül kommt, desto weniger
                                      leuchtet dieses, denn im lichtschwachen Mittelpunkt des Donuts findet keine Anregung
                                      statt. Verschwindet das Fluoreszenzsignal des Moleküls, lässt sich dessen Lage am genau-
                                      esten ermitteln, denn sie muss mit der Position des Donut- Mittelpunkts fast übereinstim-
                                      men. So ergibt sich eine Ortsauflösung von etwa einem Nanometer.
                                      Darüber hinaus erlaubt MINFLUX sehr präzise Aufnahmen von
                                      Molekülbahnen, weshalb jetzt erstmals sowohl räumlich
                                      als auch zeitlich hochaufgelöste Filme etwa von
                                      schnell diffundierenden Proteinen aus dem
                                      Inneren einer Zelle möglich sind.

                                  ein paar Jahre später, als es um die       nennt: ausländische Forscherkollegen,      läuft nach Plan. Ein Risiko bleibt je-
                                  Gründung einer Tochter in den USA          die ihm persönlich bekannt sind und        doch: „Wenn ein Kunde ein bestelltes
                                  geht. Bewusst verzichten die Jungunter-    hochauflösende Mikroskope für ihre         Mikroskop nicht bezahlt hätte, wären
                                  nehmer auf finanzielle Unterstützung       Forschung brauchen. Anfangs trifft         wir in große Schwierigkeiten geraten.
                                  von außen. Das Startkapital, insgesamt     sich das Team in der „Garage“ – so         Das Kapital steckte zunächst vollstän-
                                  200 000 Euro, stammt aus ihren eigenen     nennen sie den rund 25 Quadratmeter        dig in den Geräten“, erinnert sich
                                  Ersparnissen. Also keine externen Geld-    großen Raum, den sie im Erdgeschoss        Donnert. Doch die Kunden sind zufrie-
                                  geber, denn Hell will verhindern, was er   eines eher unscheinbaren dreistöcki-       den – und sie begleichen ihre Rech-
                                  bei Heidelberg Instruments erlebt hatte.   gen Gebäudes auf dem Campus der            nungen. Die junge Firma kann also
                                                                             Universität Göttingen angemietet ha-       weitere Geräte bauen und wachsen.
Foto: Abberior Instruments GmbH

                                  AB 2014 VON JAHR ZU JAHR FAST              ben. Hier bauen die Forschenden die           Der Erfolg spricht sich rum: Im Ja-
                                  DOPPELT SO VIELE AUFTRÄGE                  ersten Mikro­skope. Die bieten den         nuar 2014 erhält Abberior Instruments
                                                                             Kunden aus der Wissenschaft zwar           den Innovationspreis der deutschen
                                  Im Jahr 2012 wird Abberior Instruments     mehr Möglichkeiten als etablierte Ge-      Wirtschaft in der Kategorie „Start-up“.
                                  ins Handelsregister eingetragen. Zwei      räte, es sind allerdings noch keine        Und im Frühjahr 2014 läuft die exklu-
                                  Aufträge sind mündlich bereits einge-      STED-Mikroskope, weil die Patentli-        sive Patentlizenz des großen Unter-
                                  gangen – von „family and friends“, wie     zenzen noch exklusiv bei dem großen        nehmens aus, sodass der Weg für Ab-
                                  Hell die ersten Kunden scherzhaft          Unternehmen liegen. Trotzdem, alles        berior Instruments frei ist, ebenfalls

                                                                                                                                Spezial | 20 MaxPlanckForschung   29
ERFOLGSGESCHICHTEN_Fluoreszentmikroskopie

                 »      Abberior Instruments hat weltweit die beste Entwicklungsmannschaft
                        in der Laserrastermikroskopie“, sagt Stefan Hell.

STED-Mikroskope anzubieten. Und             selben Räumen untergebracht, in denen     Mitarbeiter daher den Kontakt zu mög-
dann passiert, womit keiner zu diesem       Hell ungefähr 30 Jahre vorher seine       lichen Interessenten. Das machen sie
Zeitpunkt wirklich rechnet: Im Herbst       Doktorarbeit gemacht hat.                 nicht nur auf wissenschaftlichen Kon-
2014 erhält Stefan Hell den Nobelpreis          Einen ungewöhnlich großen Anteil      ferenzen, sie gehen vielmehr auch hier
für die Erfindung der STED-Mikrosko-        am Personal machen die Angestellten der   neue Wege: Im Jahr 2015 begaben sich
pie. Laut Donnert stieg dadurch das In-     Abteilung „Research and Development“,     einige Mitarbeiter für zwei Wochen auf
teresse an den Geräten deutlich: „Von       die neue Methoden und Geräte entwi-       Deutschlandtournee. In einem Contai-
nun an war das Wachstum beacht-             ckeln, aus. Und sie sind gut: „Abberior   ner hatten sie ein STED-Mikroskop in-
lich.“ Doch Hell widerspricht: „Der         Instruments hat weltweit die beste Ent-   stalliert und tingelten damit quer
Nobelpreis hat die Entwicklung weni-        wicklungsmannschaft in der Laserras-      durchs Land. Jeden Tag eine andere
ger beeinflusst, als man vermuten wür-      termikroskopie“, sagt Stefan Hell. Die    Universität: aufbauen, Showtime, ab-
de.“ Er glaubt, dass das eher an der        Kunden würden das schätzen. Eine Er-      bauen. „Die Leute waren ziemlich be-
Leistungsfähigkeit der Mikroskope, ih-      fahrung, die auch Donnert gemacht hat:    eindruckt“, erzählt Donnert.
rem fairen Preis und dem kompeten-          „Wir werden als innovativstes Mikro­          Um auch in den zwei großen Märk-
ten Service lag. „2014 hat sich der Preis   skopieunternehmen wahrgenommen.“          ten USA und Asien besser aufgestellt zu
für STED-Mikroskope dank Abberior                                                     sein, hat sich das Unternehmen mit
Instruments als zweitem Anbieter na-        ABBERIOR INSTRUMENTS                      zwei Branchenriesen zusammengetan:
hezu halbiert. Das ist nicht nur gut für    VERLÄSST DIE START-UP-PHASE               In den USA vertreibt seit 2019 die Fir-
die Forschung und ihre Förderer, son-                                                 ma Nikon das STED-Kompaktmodell
dern auch für die Nachfrage. Und hat        Im Angebot hat Abberior Instruments       von Abberior Instruments, und in Chi-
mit dem Nobelpreis nichts zu tun.“          für jeden Bedarf etwas: „Für diejeni-     na tut dies die Firma Zeiss. Die beiden
Wie dem auch sei: Seit 2014 verdop-         gen, die so schnell wie möglich gute      großen Unternehmen hätten die Gerä-
peln sich die Auftragszahlen nahezu         und hochaufgelöste Bilder machen          te auf „Herz und Nieren geprüft“ und
von Jahr zu Jahr.                           wollen, genauso wie für Experten, die     waren sehr beeindruckt, berichtet Don-
    Das rasante Wachstum bedeutete          das Maximale herausholen möchten“,        nert nicht ohne Stolz. Spätestens seit
auch, dass man räumlich erweitern           erklärt Hell. Daher reicht die Produkt-   der Zusammenarbeit mit solchen Platz-
musste: Aus dem einzelnen Raum wur-         palette von sehr einfach zu bedienen-     hirschen hat Abberior Instruments die
de eine komplette Etage im selben Ge-       den kompakten STED-Mikroskopen            Start-up-Phase verlassen. Erstaunlich,
bäude. Mehrere Büros, Labore, Werk-         über leistungsstärkere Modelle bis hin    wie schnell sich das Unternehmen in-
stätten, Showroom, Besprechungszim-         zu maßgeschneiderten Lösungen. Eine       nerhalb von sieben oder acht Jahren
mer, Pausenraum mit Kaffeemaschine          unabhängige Schwesterfirma namens         entwickelt habe, findet Hell. „Viele
und Kickertisch – was man eben so           Abberior vertreibt zudem die passen-      überschätzen, was sie in einem Jahr er-
braucht für 40 Mitarbeiter und eine ent-    den Fluoreszenzfarbstoffe für die Mi-     reichen können, aber unterschätzen,
spannte, kreative Arbeitsatmosphäre.        kroskope. Auch das ist Teil der Strate-   wo sie in zehn Jahren stehen können“,
Darüber hinaus gibt es mittlerweile drei    gie: alles aus einer Hand, um die         zitiert er in diesem Kontext Bill Gates.
zusätzliche kleinere Standorte: Heidel-     bestmöglichen Ergebnisse für die For-     „Auch dieser Firma ging es so.“
berg, Basel und Jupiter in Florida. Dort    schung zu erzielen.                           Dabei sind seit Gründung noch
arbeiten zusammen weitere 20 Perso-             Das einzige Problem: Viele poten-     nicht einmal zehn Jahre vergangen. Al-
nen. Eine Pointe am Rande: Die Heidel-      zielle Kunden kennen Abberior Instru-     les deutet darauf hin, dass die Reise wei-
berger Niederlassung ist zufällig in den-   ments noch nicht. Vermehrt suchen die     terhin steil nach oben geht. Der Markt

30   MaxPlanckForschung Spezial | 20
Ein Teil des Göttinger
                                                                                                                                                  Teams um Geschäfts­f ührer
                                                                                                                                                  Gerald Donnert (vordere
                                                                                                                                                  Reihe, Vierter von links).
                                                                                                                                                  Insgesamt beschäftigt
                                                                                                                                                  Abberior Instruments
                                                                                                                                                  rund 60 Mit­arbeiter, viele
                                                                                                                                                  von ihnen entwickeln die
                                                                                                                                                  Produkte ständig weiter.

                                  für STED-Mikroskope entwickelt sich          ten so weit fortgeschritten, dass daraus        dung“, so Gerald Donnert. „Und weil
                                  noch weiter, und da steht schon das          ein von Biologen bedienbares Mikro­             alle Entscheider handverlesen und von
                                  nächste High-End-Produkt in den Start-       skop geworden ist. „Das geht nur, weil          keinem Geldgeber abhängig sind“, fügt
                                  löchern: MINFLUX wird dicht gepack-          Abberior Instruments ein feines und             Stefan Hell hinzu. Damit hat sich die
                                  te einzelne Moleküle in drei Dimensio-       schlankes Unternehmen ist, bei dem              Entscheidung, ein Start-up zu gründen,
                                  nen auflösen können (siehe Kasten            alle, die über ein Produkt entscheiden,         in dem außer den Wissenschaftlern nie-
                                  Seite 29). Das schien vor nicht allzu lan-   es auch im Detail verstehen. Und zwar           mand etwas zu sagen hat, einmal mehr
                                  ger Zeit undenkbar, und es wird insbe-       von der Technik bis hin zur Anwen-              als richtig erwiesen.
                                  sondere die biomedizinische Mikrosko-
                                  pie auf ein völlig neues Level heben.
                                  Auch in diesem Fall war es Hell, der die
                                  Idee für die Methode hatte. Schon im
                                  Jahr 2011 sicherte sich die Max-Planck-          GLOSSAR
                                  Gesellschaft die Patentrechte dafür.             Fluoreszenzmikroskopie: Bei dieser speziellen Variante der Lichtmikroskopie werden
                                  Ende 2016 folgte dann die erste wissen-          fluoreszierende Stoffe in einer Probe mit Licht zum Leuchten angeregt. Da das ab-
Foto: Abberior Instruments GmbH

                                  schaftliche Publikation zu MINFLUX.              gestrahlte Licht eine größere Wellenlänge aufweist als das Anregungslicht, lässt sich
                                  Abberior Instruments hat von der Max-            Letzteres herausfiltern. Auf dem Bild erscheinen dann nur die fluoreszierenden
                                                                                   Strukturen. Einzelne Strukturen wie zum Beispiel der Zellkern lassen sich auch mit
                                  Planck-Gesellschaft die Lizenzen erwor-          fluoreszierenden Farbstoffen als Markern versehen.
                                  ben – mit dem Versprechen, aus dem
                                                                                   Konfokale Laserrastermikroskopie: Bei dieser Form der Mikroskopie wird die Probe
                                  physikalischen Konzept so schnell wie            nicht als Ganzes beleuchtet, sondern mit einem fokussierten Laserstrahl gescannt.
                                  möglich ein Produkt zu entwickeln.               Meistens regt der Laserstrahl geeignete Marker in der Probe zur Fluoreszenz an.
                                  Und tatsächlich: Nur gut drei Jahre spä-
                                  ter ist der Prototyp im schwarzen Kas-

                                                                                                                                         Spezial | 20 MaxPlanckForschung   31
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