Motivorientierte Beziehungsgestaltung-Psychiatrische ...
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Motivorientierte Beziehungsgestaltung – Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsch‘ mir meinen Therapeuten herbei…! Psychiatrisches Kolloquium ZGPP und PUK Frühlingssemester 2011 / 27.05.2011 Kontakt: Dr. phil. Christoph Stucki Leitender Psychologe Klinik am Zürichberg Dolderstrasse 107, CH-8032 Zürich 0041 44 252 03 44 stucki@klinikzuerichberg.ch www.klinikzuerichberg.ch
Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsch‘ mir den Christian herbei….. - als Tier… - fröhlich, lustig, traurig… ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsch‘ mir meinen Therapeuten herbei….., der mich bewundert der sieht, wie ich leide der mir meine Freiheit lässt der mir nicht zu nahe kommt der mich nie im Stich lässt der mir nicht weh tut … ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsch‘ mir meinen Therapeuten herbei….., der mich bewundert der sieht, wie ich leide der mir meine Freiheit lässt Erwartungen der mir nicht zu nahe kommt der mich nie im Stich lässt der mir nicht weh tut … ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Mein rechter rechter Platz ist frei, ich wünsch‘ mir meinen Therapeuten herbei….., der mich bewundert der sieht, wie ich leide der mir meine Freiheit lässt Motive der mir nicht zu nahe kommt der mich nie im Stich lässt der mir nicht weh tut … ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Grundideen: Professor Klaus Grawe 1943-2005 Psychologische Therapie (1998) Neuropsychotherapie (2004) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Grundannahmen (Grawe 1998, 2004) Der Mensch strebt nach Befriedigung und Schutz seiner Grundbedürfnisse Unter dem Einfluss seiner konkreten Lebensbedingungen entwickelt er der Befriedigung dienende Annäherungs- und dem Schutz dienende Vermeidungsziele und Mittel zur Realisierung dieser Ziele Bei aktueller Inkongruenz (Ziel-Realität-Diskrepanz) ist die psychische Aktivität darauf ausgerichtet, die Inkongruenz zu beheben bzw. zu verringern. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Vier Grundbedürfnisse Selbstwerterhöhung Bindung Das Bedürfnis, sich selber als gut, Das Angewiesen-Sein des Menschen auf Mit- kompetent, wertvoll und von anderen menschen; das Bedürfnis nach Nähe zu einer geliebt zu fühlen. Zur Bildung eines Bezugsperson. Je nach Erfahrungen mit sog. guten Selbstwertgefühls braucht es Primären Bezugspersonen (Verfügbarkeit, Ein- eine entsprechende Umgebung, die fühlungsvermögen) entwickelt ein Mensch ein wertschätzend ist und dem anderen bestimmtes Bindungsmuster. In einer ‚guten‘ etwas zutraut, ihn unterstützt. Bindung sind die Bezugspersonen ein immer erreichbarer Zufluchtsort, bieten Schutz, Sicher- heit, Trost, es entwickelt sich ein ‚Urvertrauen‘. Lustbedürfnis/Unlustvermeidung Orientierung und Kontrolle Das Bestreben, erfreuliche, lustvolle Erfah- Je nach individueller Erfahrung (v.a.in der frühen rungen herbeizuführen und schmerzhafte, Kindheit) entwickelt der Mensch Grundüber- unangenehme Erfahrungen zu vermeiden zeugungen darüber, inwieweit das Leben Sinn (positive Lust-/Unlustbilanz). Je nach macht, ob Voraussehbarkeit und Kontroll- Erfahrungen in der Kindheit wird ein Mensch möglichkeiten bestehen, ob es sich lohnt, sich die Umgebung eher als Quelle von positiven einzusetzen und zu engagieren u.ä. Das oder von negativen Erfahrungen sehen, es Kontrollbedürfnis wird befriedigt durch möglichst entwickelt sich eher eine optimistische oder viele Handlungsalternativen (grosser Handlungs- eher eine pessimistische Lebenseinstellung. spielraum). ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Systemebene Rückmeldung über Inkonsistenz Streben nach Konsistenz Grundbedürfnisse Basic Needs Bedürfnis nach Lustgewinn/ Kontroll- Orientierung Bindungs- Selbstwert- bedürfnis Unlust- bedürfnis und Kontrolle vermeidung erhöhung Streben nach Rückmeldung über Bedürfnisbefriedigung Bedürfnisbefriedigung Motivationale Schemata Annäherungs- Vermeidungs- Schemata t t Schemata Inkongruenz- Bottom Rückmeldung ü BottomupupAktivie- Aktivierung signale Realisierung rung motivationaler motivationaler Schemata Attraktoren Erleben und ZGPP Verhalten Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung (Grawe 1992, 1998, 2004) Ausrichtung der therapeutischen Beziehung an den motivationalen Zielen des Patienten: Der Therapeut verhält sich komplementär zu den wichtigsten Zielen des Patienten. Dabei versucht der Therapeut: - Ziele und Erfahrungen, die dem Patienten wichtig sind, aktiv herzustellen und zu verstärken - Zustände und Erfahrungen, die der Patient als schlimm empfindet oder vermeidet, nur so weit zu aktivieren, wie dies notwendig ist ⇒Bedürfnisbefriedigende Erfahrungen ⇒Bessere therapeutische Beziehung ⇒Besseres Therapieergebnis ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Motivorientierte Inkonsistenzreduktion Verbessertes Beziehungs- Bedürfnisbefriedigung Wohlbefinden Gestaltung Gute Aufnahme- Therapie- bereitschaft/ beziehung Kooperation Störungsspezifische Interventionen Problemreduktion
Motivorientierte Beziehungsgestaltung (Grawe 1992, 1998, 2004) Motivorientierte Beziehungsgestaltung: = „Meta-Technik“ der Individualisierung therapeutischer Interventionen - ermöglicht unmittelbar bedürfnisbefriedigende Erfahrungen und damit mehr Wohlbefinden - dient dem Aufbau und der Verbesserung der therapeutischen Beziehung - dient einem besseren Umgang mit problematischen therapeutischen Situationen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Vergleich GT, VT und IVT (n = 63 Psychotherapien) IVT = (interaktionelle) Verhaltenstherapie, d.h. mit Motivorientierter Beziehungsgestaltung: - Plananalyse mit Identifizierung der wichtigsten individuellen Motive eines Patienten - Instruktion und Training der Therapeuten sich komplementär zu den Motiven zu verhalten (Motivorientierte Beziehungsgestaltung) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Multimodale Analyse des Therapiegeschehens: -Fremdeinschätzung durch geschulte Rater (Heuristik-Ratings-Skalen, Interaktionsskalen, Structural Analysis of Social Behavior) -Therapeuteneinschätzung (Therapeutenstundenbogen) -Patienteneinschätzung (Patientenstundenbogen) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Wichtigste Ergebnisse: Patienten mit MOB: -beurteilten die therapeutische Beziehung besser als in den Vergleichsgruppen -waren zufriedener mit der Problemsicht und dem Vorgehen des Therapeuten -fanden den Therapeuten sympathischer und fühlten sich aufgehobener bei ihm -beurteilten den Umgang des Therapeuten mit ihren Gefühlen als angemessener ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Wichtigste Ergebnisse: Therapeuten mit MOB: -beurteilten die therapeutische Beziehung besser als in den Vergleichsgruppen -empfanden ihr therapeutisches Vorgehen als angemessener -beurteilten den Patienten als motivierter, engagierter und kooperativer -beurteilten den Patienten als interaktionell weniger schwierig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Wichtigste Ergebnisse: Externe Beobachter/Rater: -beurteilten die Therapeuten als kompetenter als in den Vergleichsgruppen -beurteilten die Therapeuten als engagierter und aktiver -beurteilten die Therapeuten als flexibler in ihrem Beziehungsverhalten ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Berner Therapievergleichstudie (Grawe, 1990) Wichtigste Ergebnisse: Therapieoutcome - bezüglich Gesamttherapieerfolg zeigten sich alle 3 Vergleichsgruppen als wirksam mit nur geringfügigen Unterschieden - IVT-Therapien zeigten die besten Katamnesen - GT besser bei autonomen Patienten, VT besser bei submissiven Patienten ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie von Stucki (2004) N = 30 ambulante Patienten bessere Beziehung schlechtere Beziehung (n=15) (n=15) Alter (Jahre) 39.2 35.0 Geschlecht 40% männlich, 60% weiblich 40% männlich, 60% weiblich Diagnosis 27% Affektive Störungen 46% Affektive Störungen 33% Panik- /Angsstörungen 40% Panik- / Angststörungen 33% übrige (Achse I) 7% übrige (Achse I) 7% keine Diagnose 7% keine Diagnose 46% Komorbidität (Achse I) 46% Komorbidität (Achse I) 7% Hinweis auf Achse II 20% Hinweis auf Achse II Mittel GAF 63 58 ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Operationalisierung komplementäre Beziehungsgestaltung Erster Schritt: Erhebung der motivationalen Ziele FAMOS des Patienten Fragebogen zur Erfassung (3 Annäherungs- und 3 motivationaler Schemata Vermeidungsziele) (Grosse Holtforth, 2001) Zweiter Schritt: Einschätzung des interpersonalen Bedürfnisorientierte Verhaltens der Therapeuten und Interaktionsskalen Auswertung bezüglich (Stucki, 2004) Komplementarität ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie von Stucki (2004) Wichtigste Ergebnisse - Signifikanter Zusammenhang zwischen Motivorientierter Beziehungsgestaltung und Zufriedenheit in der therapeutischen Beziehung (Patientenstundenbogen) - in vielen Therapien gelingt eine komplementäre Beziehungsgestaltung nicht optimal – Warum? ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Inventar Interpersonaler Probleme (Horowitz, 2000) Interaktionell schwierige Patienten (Regli, 2000) zu autokratisch-dominant 1 0.8 zu streitsüchtig-konkurrierend zu expressiv-aufdringlich 0.6 0.4 0.2 zu abweisend-kalt 0 zu fürsorglich-freundlich zu introvertiert-sozial vermeidend zu ausnutzbar-nachgiebig zu selbstunsicher-unterwürfig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Inventar Interpersonaler Probleme (Horowitz, 2000) Interaktionell schwierige Patienten (Regli, 2000) autokratisch-dominant 3 2 streitsüchtig-konkurrierend expressiv-aufdringlich 1 0 -1 -2 abweisend-kalt -3 fürsorglich-freundlich introvertiert-sozial vermeidend ausnutzbar-nachgiebig selbstunsicher-unterwürfig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 1 von Stucki (2004) Patientenschwierigkeit und Motivorientierte Beziehungsgestaltung Motiveinschätzung durch Patient (FAMOS-Pat) Patientenschwierigkeit komplementäre nicht-komplementäre Beziehungsgestaltung Beziehungsgestaltung Interaktionell einfache Patienten 7 8 Interaktionell schwierige Patienten 1 14 Chi-Square-Test:pp== 0.007 0.007 ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie von Stucki (2004) Wichtigste Ergebnisse - Signifikanter Zusammenhang zwischen Motivorientierter Beziehungsgestaltung des Therapeuten und Zufriedenheit in der therapeutischen Beziehung (Patientenstundenbogen) -Motivorientierte Beziehungsgestaltung gelingt besser, wenn Patienten interaktionell einfacher sind ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studien von Franz Caspar & Ueli Kramer Caspar et al. 2005: N = 22 depressiv stationäre Pat. Kramer et al. in press: N = 20 depressiv und co-morbid PP amb. Kramer et al. in press: N = 25 Borderline-Pat. ambulant - Plananalyse mit Identifizierung der wichtigsten individuellen Motive eines Patienten - Externe Beobachter schätzen die verbale und nonverbale Komplementarität des Therapeutenverhaltens bezüglich der wichtigsten Motive des Patienten ein (7-Punkte-Likert-Skala) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studien von Franz Caspar & Ueli Kramer Wichtigste Ergebnisse - Signifikante Verbesserung der therapeutischen Beziehung (Berner Patientenstundenbögen, Working Alliance Inventory) - Signifikante Verbesserung des Therapieoutcomes (SCL-90, BDI, OQ45 – Interpersonal Problems) - Der Zusammenhang ist stärker bei nonverbaler im Vergleich zu verbaler Komplementarität - MOB gelingt i.d.R. besser, wenn Patienten weniger belastet und interaktionell einfacher sind ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Studien zu Motivorientierter Beziehungsgestaltung - Gewinn - Grawe (1992) - Stucki (2004) - Caspar (2005) - Kramer (in press) Hinweise, dass Motivorientierte Beziehungsgestaltung zu besserer Therapiebeziehung und besserem Therapieergebnis führt. Gerade wenn es wichtig wäre, fällt eine Motivorientierte Beziehungsgestaltung häufig schwer ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Voraussetzungen für Motivorientierte Beziehungsgestaltung Motivationale Diagnostik Therapeuten sind in der Lage, die motivationalen Ziele des Patienten adäquat zu identifizieren. Flexibles Beziehungsverhalten des Therapeuten Therapeuten gelingt es, ihr Beziehungsverhalten je nach motivationalen Zielen des Patienten flexibel zu gestalten. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivationale Diagnostik als Grundlage der Beziehungsgestaltung Weg 1: Patientenbefragung Nicht Standardisiert standardisiert mit Fragebogen FAMOS ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
FAMOS / INK Grosse-Holtforth (2001, 2002) Annäherungsziele Vermeidungsziele Intimität/Bindung Alleinsein/Trennung Geselligkeit Geringschätzung Anderen helfen Erniedrigung/Blamage Hilfe bekommen Vorwürfe/Kritik Anerkennung/Wertschätzung Abhängigkeit/Autonomieverlust Überlegensein/Imponieren Spannungen mit anderen Autonomie Sich verletzbar machen Leistung Hilflosigkeit/Ohnmacht Kontrolle haben Versagen Bildung/Verstehen Glauben/Sinn Zusammenfassende Skalen Das Leben auskosten Selbstvertrauen/Selbstwert Intensität Annäherung Selbstbelohnung Intensität Vermeidung Vermeidungsdominanz ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Intimität/Bindung Geselligkeit Status Abwechslung Vorwürfe/Kritik Verletzungen/ Spannungen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivationale Diagnostik als Grundlage der Beziehungsgestaltung Weg 2: Weg 1: Patientenbefragung Erschliessung durch Therapeuten Nicht Standardisiert mit Heuristik: standardisiert Fragebogen eigene intuitive FAMOS Reaktionen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Intuitive Erschliessung durch den Therapeuten Wie wirkt der Patient auf mich? Welche Gefühle, Gedanken und Handlungstendenzen löst er bei mir aus? Was würde ihm gut tun, was wäre schlimm für ihn? Welche Wünsche und Befürchtungen des Patienten kann ich daraus ableiten? (Motive) Welche komplementären Handlungsanweisungen kann ich daraus ableiten? (Motivorientierte Bez.G.) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Intuitive Erschliessung durch den Therapeuten selbstunsicher, konfliktscheu, angepasst, Möchte ihn ständig bestärken, ihm Entscheidungen abnehmen, nervt so aber auch Angst vor Kritik, Konflikten, möglicherweise Ablehnung, Zurückweisung (Motive) Stabile Beziehung anbieten: ihm zeigen, dass ich hinter ihm stehe, auch wenn er sich nicht immer anpasst, wenn er eigene Meinung äussert ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivationale Diagnostik als Grundlage der Beziehungsgestaltung Weg 2: Weg 1: Patientenbefragung Erschliessung durch Therapeuten Nicht Standardisiert mit Heuristik: Plananalyse standardisiert Fragebogen (Caspar 1996) eigene intuitive FAMOS Reaktionen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Leitfrage: Wozu macht Plananalyse (Caspar, 1996) er das? Bedürfnisse verschaffe dir pos. Selbstwert erwirb Anerkennung mach Geld sei beruflich erfolgreich spekuliert setzt alles an einen an Börse Vertragsabschluss Verhalten ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Plananalyse (Caspar, 1996) • Ziele und Mittel (Wozu? Wie?) • Instrumentelle Funktion Mittel-Zweck-Relation, Finale Relation • Nicht notwendigerweise bewusst • Keine „Rationalität“ unterstellt • Subjektiver oder objektiver Nutzen • Konstruktivistische Sicht ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Therapiebeispiel nach Caspar (1996) vermeide, über- bring Th. dazu sich zeig Pat. dass du überzeuge Pat., dass fordert zu werden voll zu engagieren dich voll engagierst du ihn nicht überfordern P.-Pläne wirst bring Th. dazu Th.-Pläne dich zu schonen komplementäres stell sicher, Verhalten unter dass Th. Problem Berücks. der Situation ernst nimmt zeige dem Th. v. Verantwortung kontrolliere „besser kleine wie schlecht für Veränderung Situation Schritte“ es dir geht in Therapie nutzt Zeit Th.-Verh. P.-Verh. nur zum ZGPP Jammern Dr. C. Stucki Mai 2011
Fallvignete Behalte die Kontrolle Schütze deinen Vermeide unangenehme Verschaffe dir Selbstwert Erfahrungen / Lust Beziehungen / Bindung Motivorientierte Beziehungs- Biete eine stabile Beziehung, Interessiere dich für gerade auch wenn Pat sich gestaltung Pat., frage nach, Vermeide, dass es noch schlimmer kommt, nicht aussergewöhnlich zeigt, ermuntere Pat. dir vermeide eine erneute Unconditioned Positive mitzuteilen, wenn sie Enttäuschung Regard sich unverstanden fühlt Stelle Problemverhalten Achte darauf Pat nicht Vermeide nicht als Schwäche dar. als defizitär hinzustellen Zurückweisung/ Normalisiere. Suche Hebe hervor, was Beziehungsabbruch gemeinsames Patientin kann, nutze Erklärungsmodell das, was die Pat kann Zeige, dass du eine ganz Pläne/Schema Wertschätze Bemühungen der Pat im besondere ausser- gewöhnliche Person bist Umgang mit Problem. Stelle Leden nicht in Frage. Zeige dich von Vermeide dich zu deinen positiven blamieren, Seiten Lasse der Pat viel schwach zu sein Freiraum, lasse sie entscheiden, folge Sorge dafür, dass Auftrags-definition der du richtig Patientin verstanden wirst Zeige wie selbst- Zeige, wie bestimmt und schwer du es Verhindere als dumm, autonom du bist Zeige deine hast, wie krank angesehen zu werden; Attraktivitä du bist versuche möglichst gut t dazustehen Verhalten betont, wie betont, dass Gibt allen Kritisiert den Geht auf Themen Gibt Buchtipps, Hat Mühe, sich Sagt, dass sie Ist Th gegenüber unaushalt- niemand sie anderen die Th., stellt nicht ein, sagt, was der an Regeln zu nicht geschont überfreundlich, bar Zustand versteht Schuld an ihrem seine beantwortet Therapeut zu halten werden möchte, zeigt sich ist Zustand Kompetenz Fragen nicht tun hat fordert Direktheit charmant, macht in Frage sich zurecht ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Voraussetzungen für Motivorientierte Beziehungsgestaltung Motivationale Diagnostik Therapeuten sind in der Lage, die motivationalen Ziele des Patienten adäquat zu identifizieren. Flexibles Beziehungsverhalten des Therapeuten Therapeuten gelingt es, ihr Beziehungsverhalten je nach motivationalen Zielen des Patienten flexibel zu gestalten. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Strukturmodell der therapeutischen Beziehung (Bordin, 1976) Therapeutic Alliance BOND GOALS TASKS Affektive Beziehung: Übereinstimmung Übereinstimmung Empathie, Patient Therapeut Patient Therapeut Wertschätzung bezüglich Zielen bezüglich Vorgehen, Interventionen, Rollen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Interventionsebenen I Motivorientierte Beziehungsgestaltung Affekt Ziele Interventionen Passung der Passung mit Passung mit emotionalen Bindung Therapiezielen Interventionen, Techniken ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Passung der emotionalen Bindung: Bsp. Empathie Interventionsebene I Motivorientierte Beziehungsgestaltung Affekt Ziele Interventionen Motiv: Autonomie Empathie spezifisch ausdrücken: „Vom Chef zurückgestuft worden zu sein, muss für Sie besonders schwierig sein, gerade weil Ihnen ja Selbstbestimmung so wichtig ist“ Motiv: Anderen helfen Empathie spezifisch ausdrücken: „Jetzt keinen Antrieb mehr zu haben für die Altenbesuche muss für Sie besonders schwierig sein, gerade weil Ihnen ja „Anderen helfen“ so wichtig ist“ ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Passung mit Therapiezielen Interventionsebene I Motivorientierte Beziehungsgestaltung Affekt Ziele Interventionen Therapieziel: Motiv: Autonomie: Angstbehandlung „Wenn wir die Angstbehandlung durchführen, werden Sie wieder selber entscheiden können, wie Sie sich fortbewegen“ Motiv: Anderen helfen: „Wenn wir die Angstbehandlung durchführen, können Sie die Altenbesuche wieder aufnehmen“ ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Passung mit Interventionen / Techniken Interventionsebene I Motivorientierte Beziehungsgestaltung Affekt Ziele Interventionen Vorschläge therapeutischer Interventionen / Techniken Motiv: günstig Vorgehen transparent gestalten und offen absprechen. Kontrolle Vorgehen und Wirkungsweise von Therapie genau erklären. Patienten nie im Unklaren darüber lassen, was jetzt gerade passiert. Sich eindeutig und unmissverständlich ausdrücken. Patienten das Tempo bestimmen lassen. Stoppsignale vereinbaren. Problemaktivierung dosieren und an Sicherheits- und Öffnungs- bereitschaft des Patienten anpassen. Un- Patienten zu etwas drängen günstig Zu schnell, zu viel Problemaktivierung Sich uneindeutig, unmissverständlich ausdrücken Vereinbarungen nicht einhalten ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Passung mit Interventionen / Techniken Interventionsebene I Motivorientierte Beziehungsgestaltung Affekt Ziele Interventionen Vorschläge therapeutischer Interventionen / Techniken Motiv: günstig Intensiv erlebte Momente wiedererleben lassen. Abwechs- Ideen und Inititativen des Patienten für neue Erfahrungen Raum geben: lung/ Pläne für die kommende Zeit schmieden lassen. Z.B. eine weite Reise Geniessen planen, ein neues Hobby in Angriff nehmen. Genusstraining. Achtsamkeitstraining. Therapiestunden abwechslungsreich gestalten: z.B. unterschiedlichen Techniken, Übungen und Settings verwenden. Un- Immer alles gleich machen. günstig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Interventionsebenen II Motivorientierte Beziehungsgestaltung Inhaltliche Prozessuale Thematisierung Aktivierung Therapeut nimmt inhaltlich Therapeut „aktiviert“ Motiv Bezug zu Motiv ohne inhaltlich darauf einzugehen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Interventionsebenen II Motivorientierte Beziehungsgestaltung Inhaltliche Prozessuale Thematisierung Aktivierung Motiv InhaltlicheThematisierung Prozessuale Aktivierung Anerkennung „Ich kann gut verstehen, Patienten viel Anerkennung dass Anerkennung gerade geben: z.B. für Sie besonders wichtig ist, Patienten über Dinge berichten da Sie immer wieder viel lassen, in denen er sich gut Kritik erfahren haben“. auskennt oder die er gut kann. Autonomie „Da Ihnen Autonomie sehr Dem Patienten freien Ausgang wichtig ist, möchte ich dass gewähren ohne dies Sie selber mitentscheiden, ausführlich zu thematisieren wie wir die Ausgangsregelung handhaben“. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Persönlichkeitsstörungen Motivorientierte Beziehungsgestaltung dient zunächst dem Aufbau von Beziehungskredit. In der Anfangsphase der Therapie, resp. wenn wenig Beziehungskredit vorhanden ist, kann dies bedeuten, u.U. kurzfristig Verhalten oder Ziele zu unterstützen, die Teil des Problems sind Zwei Phasen: 1) Beziehungsaufbau 2) Korrektive Erfahrung ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Narzistische Persönlichkeitsstörung Beziehungsaufbau: Motiv nach Bewunderung, Stärke -„Füttern“ (Rainer Sachse): Bewundern, worin Patient wirklich gut ist - Raum geben für Selbstdarstellung - Pat niemals als defizitär bezeichnen, d.h. nicht von „Problemen“ sprechen - Ressourcen hervorheben - Schwierigkeiten normalisieren - Auftragsdefinition des Pat folgen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Narzistische Persönlichkeitsstörung Korrektive Erfahrung: Übergeordnete Motive nach Anerkennung, Wichtigkeit, Selbstwert Patient soll „lernen“, dass er gerade nicht aussergewöhnlich und grandios sein muss, um als Person anerkannt und wichtig genommen zu werden Verstärkung (komplementär verhalten), wenn Patient sich nicht „narzistisch“ verhält: - wenn Patient sich öffnet - wenn er Fehler oder Schwächen eingesteht - wenn er auf Leistung und Konkurrenz verzichtet - wenn er auf andere mit Verständnis und Empathie eingeht - wenn er Kritik annehmen und sich konstruktiv damit auseinandersetzt ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Histrionische Persönlichkeitsstörung Beziehungsaufbau: Motiv nach Aufmerksamkeit, Beachtung -Verständnis zeigen -Leiden anerkennen -aufmerksam sein -nichts vergessen (d.h. sich an Namen, Geschehnisse, Beziehungen etc. erinnern) -keine Bemerkungen ignorieren -da sein für Patientin (innerhalb therapeutischer Regeln) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Histrionische Persönlichkeitsstörung Korrektive Erfahrung: Übergeordnete Motive nach Verlässlichkeit, Solidarität, Bindung Patient soll „lernen“, dass er gerade nicht dramatisch überhöhen muss, um wahrgenommen zu werden und Beziehungen einzugehen Verstärkung (komplementär verhalten), wenn Patient sich nicht „histrionisch“ verhält: - wenn Patientin sich nicht in den Mittelpunkt stellt - wenn sie anderen zuhört - wenn sie Eigenverantwortung übernimmt - wenn sie sich zurückhaltend zeigt - wenn sie reflektiert und hinterfragt ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung Beziehungsaufbau: Motiv nach Absicherung, Fehler/Versagen vermeiden -Verhaltenstipps geben -Coaching -Strukturierung -loben -Komplimente machen -Respekt und Wertschätzung entgegenbringen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Motivorientierte Beziehungsgestaltung Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung Korrektive Erfahrung: Übergeordnete Motive nach Anerkennung, Wichtigkeit, Geltung, Selbstwert Patient soll „lernen“, dass er in der Lage ist, Eigenverantwortung zu übernehmen und dabei wichtig genommen und respektiert wird, so wie er ist Verstärkung (komplementär verhalten), wenn Patient sich nicht „selbstunsicher“ verhält: - wenn Patient Eigeninitiative und -verantwortung übernimmt - wenn er Entscheidungen trifft - wenn er etwas wagt/Risiko eingeht - wenn er Kritik äussert - wenn er Raum einnimmt ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Hinweise auf Probleme mit MOB Schemata und Beziehungsstil Schemata und Beziehungsstil des Patienten des Therapeuten Einfluss von Einfluss von ungünstigem „Patienenschwierigkeit“ auf die Therapeutenverhalten auf die Motivorientierte Motivorientierte Beziehungsgestaltung Beziehungsgestaltung ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Stichprobe Erfahrene Therapeuten n = 19 Studierende der Unerfahrene klinischen Psychologie Therapeuten n = 51 n = 25 Geschlecht Alter Therapieerfahrung weiblich männlich Jahre Therapie- Erfahrung in Stunden Jahren Studierende der klinischen 42 (82%) 9 (18%) 25 0 0 Psychologie Unerfahrene Therapeuten 19 (76%) 6 (24%) 36 1-500 1-4 Erfahrene Therapeuten 9 (48%) 8 (42%) 42 500- 5- ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Vorgehen Therapeut Patient Präsentation: 8 Patientenvideos (15 Minuten) Erfassung -Allg. Th-Reaktionen: Inventar Intuitiver Reaktionen -Pat-Probleme IIP-Skalen (interaktionelle Probleme) -Pat-Motive FAMOS-Skalen (Motive und Bedürfnisse) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Inventar Interpersonaler Probleme (Horowitz, 2000) Interaktionell schwierige Patienten (Regli, 2000) zu autokratisch-dominant 1 0.8 zu streitsüchtig-konkurrierend zu expressiv-aufdringlich 0.6 0.4 0.2 zu abweisend-kalt 0 zu fürsorglich-freundlich zu introvertiert-sozial vermeidend zu ausnutzbar-nachgiebig zu selbstunsicher-unterwürfig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Inventar Interpersonaler Probleme (Horowitz, 2000) Interaktionell schwierige Patienten (Regli, 2000) autokratisch-dominant 3 2 streitsüchtig-konkurrierend expressiv-aufdringlich 1 0 -1 -2 abweisend-kalt -3 fürsorglich-freundlich introvertiert-sozial vermeidend ausnutzbar-nachgiebig selbstunsicher-unterwürfig ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Intuitive Reaktionen der Therapeuten auf Patienten Ungünstigerer Beziehungsstil Therapeut Fürsorge Unsicherheit Aerger Sympathie Kritisieren Verstehen positive Reaktionen negative Reaktionen Intensität der Reaktionen -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 ES Inventar Intuitiver Reaktionen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Intuitive Reaktionen der Therapeuten auf Patienten Intuitive Reaktionen Beziehungsstil Therapeut Therapeuten-Reaktionen: Ungünstigerer Beziehungsstil Abweichungen vom „wahren“ Wert (IIP 1,2,3,4) (Mittelwert Experten) Fürsorge 0.10 Unsicherheit 0.53** Ungeduld/Aerger 0.32** Sympathie 0.04 Kritisieren 0.28** Verstehen 0.17 positive Reaktionen 0.12 negative Reaktionen 0.45** Intensität der Reaktionen 0.37** ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Wahrnehmung der Probleme des Patienten durch Therapeuten günstigerer Beziehungsstil ungünstigerer Therapeut Beziehungs-stil autokratisch-dominant Therapeut streitsüchtig-konkurrierend abweisend-kalt introvertiert-sozial vermeidend selbstunsicher-unterwürfig ausnutzbar-nachtgiebig fürsorglich-freundlich expressiv-aufdringlich interpersonale Probleme insgesamt -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Effektstärken ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Wahrnehmung der Probleme des Patienten durch Therapeuten Patientenwahrnehmung Beziehungsstil Therapeut A bw eichung en vom „w ah ren“ W e rt ung üns tige rer B ez.-S til (M ittelw ert Expe rten) (IIP 1 ,2 ,3,4) interp ers ona le Problem e insg esa m t 0.25* autok ra tisch -d om inant 0.31* * stre itsü chtig-k onk urrierend 0.27* * abw e is end -k alt 0 .1 9 introv ertiert-soz ia l v erm e ide nd 0 .0 9 se lbs tunsich er-un te rw ürfig -0.02 aus nutzb ar-nac hgieb ig -0.06 fü rs org lic h-fre und lich -0.07 expres siv-aufdringlich 0.29* * ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 2 von Stucki (2004) Wahrnehmung der Bedürfnisse des Patienten durch Therapeuten Therapeuten mit niedriger eigener Therapeuten mit hoher eigener Bedürfnisausprägung Bedürfnisausprägung Intimität/Bindung Geselligkeit „Hilfe erhalten“ ist mir wichtig als Therapeut → Altruismus Hilfe Annahme: „Hilfe erhalten“ ist auch wichtig für Patient Anerkennung Status Unabhängigkeit Leistung Kontrolle Bildung Glauben/Sinn Abwechslung Selbstvertrauen Selbstbelohnung Alleinsein Geringschätzung Blamage Vorwürfe/Kritik Abhängigkeit Spannungen „Hilflosigkeit“ ist schlimm für mich als Therapeut Schwächen → Hilflosigkeit Annahme: „Hilflosigkeit“ ist auch schlimm für Patient Versagen -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 effect size (FAMOS, Grosse Holtforth & Grawe, 2002) ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
„Therapeutenbrille“ Habituelle Wahrnehmungs- und Reaktionstendenzen Therapeuten mit höheren Werten in Dominanz, Streitsüchtigkeit und Abweisung reagieren mit mehr negativen Emotionen auf Patienten und nehmen bei ihnen mehr interpersonale Probleme wahr Therapeuten scheinen folgende Heuristik zu verwenden: „Was mir wichtig ist, ist auch für den Patienten wichtig“; „Was für mich schlimm ist, ist auch für den Patienten schlimm“ ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie von Stucki (2004) N = 30 ambulante Patienten bessere Beziehung schlechtere Beziehung (n=15) (n=15) Alter (Jahre) 39.2 35.0 Geschlecht 40% männlich, 60% weiblich 40% männlich, 60% weiblich Diagnosis 27% Affektive Störungen 46% Affektive Störungen 33% Panik- /Angsstörungen 40% Panik- / Angststörungen 33% übrige (Achse I) 7% übrige (Achse I) 7% keine Diagnose 7% keine Diagnose 46% Komorbidität (Achse I) 46% Komorbidität (Achse I) 7% Hinweis auf Achse II 20% Hinweis auf Achse II Mittel GAF 63 58 ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Empirische Grundlagen Studie 1 von Stucki (2004) Beziehungsgestaltung des Therapeuten in der Therapie Vorhersage von in der Therapie beobachtetem günstigerem Beziehungsverhalten ( empathisch, zugewandt) 2 2 R R korr. R df F p 0.65 0.42 0.33 15 4.73 0.029 Prädiktoren B β p Ungünstigerer Beziehungsstil Therapeut -0.044 -0.39 0.087 InteraktionelleSchwierigkeit Patient -0.278 -0.48* 0.041 Vorhersage von in der Therapie beobachtetem ungünstigerem Beziehungsverhalten (kritisierend, distanziert) 2 2 R R korr. R df F P 0.77 0.60 0.54 15 9.63 0.003 Prädiktoren B β p Ungünstigerer Beziehungsstil Therapeut 0.04 0.49* 0.016 InteraktionelleSchwierigkeit Patient 0.08 0.55** 0.008 ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
„Therapeuten-Beziehungsstil“ Habituelle Beziehungsmuster Therapeuten mit höheren Werten in Dominanz, Streitsüchtigkeit und Abweisung werden als weniger empathisch und weniger geschickt in der Beziehungsgestaltung wahrgenommen Wer sich als dominant beschreibt, tritt auch in der Therapie dominant auf. Wer sich als zurückhaltend beschreibt, wird auch in der Therapie als zurückhaltend wahrgenommen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Schlussfolgerungen Motivorientierte Beziehungsgestaltung bringt Gewinn, hat aber auch seine Tücken: Therapeut sollte: Motivationale Diagnostik auf mehreren Ebenen machen: Standardisierte Verfahren und intuitives Erschliessen Kenntnis eigener Reaktions-, Wahrnehmungsmuster eigener Bedürfnisse und des eigenen Beziehungsstils, resp. deren Auswirkungen auf die Arbeit mit Patienten haben Motive des Patienten auch auf der Interventionsebene berücksichtigen ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Ein guter Therapeut kennt seine Bedürfnisse Damit es nicht …………… undsoweiss, endet... wie damit umgehen. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
LITERATUR Psychologische Therapie / Allgemeine Psychotherapie / Neuropsychotherapie Grawe, K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe Motivorientierte Beziehungsgestaltung / Komplementäre Beziehungsgestaltung Caspar, F., Grossmann, C., Unmüssig, C., & Schramm, E. (2005). Complementary Therapeutic Relationship: Therapist Behavior, Interpersonal Patterns, and Therapeutic Effects. Psychotherapy Research, 15: 91-102. Caspar, F. (2007). Beziehungen und Probleme verstehen. Eine Einführung in die psychotherapeutische Plananalyse. 3.Auflage. Bern: Huber. Flückiger, C. & Grosse-Holtforth, M. (2007). Ressourcenaktivierung und motivorientierte Beziehungsgestaltung – Bedürfnisbefriedigung in der Psychotherapie. In R. Frank. Therapieziel Wohlbefinden. Heidelberg: Springer. Grawe, K. (1992). Komplementäre Beziehungsgestaltung als Mittel zur Herstellung einer guten Therapiebeziehung. In: Margraf, J. & Brengelmann, J.C. (Hrsg.) Die Therapeut-Patient-Beziehung in der Verhaltenstherapie. München: Röttger Grosse Holtforth, M. & Castonguay, L. G. (2007). Beziehungen und Techniken in der Kognitiven Verhaltenstherapie – ein motivorientierter Ansatz. Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis, 39(2), 335-350. Grosse Holtfort, M., Stucki, C. & Caspar F. (in Vorbereitung). Therapeutische Beziehungsgestaltung. Fortschritte der Psychotherapie: Göttingen: Hogrefe. Kramer U., Rosciano A., Pavlovic, M., Berthoud L., Despland J.-N., de Roten Y. & Caspar F. (in press). Motiv-oriented Therapeutic Relationship in Brief Psychodynamic Intervention for Patients with Depression and Personality Disorders. Journal of Clinical Psychology. Kramer U., Berger T., Kolly S., Marquet P., Preisig M., de Roten Y. Despland N. & Caspar F. (in press). Effects of Motive- oriented Therapeutic Relationship in Early-Phase Treatment of Borderline Personality Disorder. Journal of Nervous and Mental Disease. Stucki, C. & Grawe, K. (2007). Bedürfnis- und Motivorientierte Beziehungsgestaltung, Hinweise und Handlungsanweisungen für Therapeuten, Psychotherapeut, 52, 16-23. Stucki, C. (2004). Die Therapiebeziehung differentiell gestalten. Intuitive Reaktionen, Patientenwahrnehmung und Beziehungsverhalten von Therapeuten in der Psychotherapie. Unveröffentlichte Dissertation. Universität Bern. Stucki, C. (2008). Motivorientierte Beziehungsgestaltung – Konsistenztheoretischer und neuropsychotherapeutischer Hintergrund, Anforderungen und Handlungsanweisungen für Therapeuten. In: Hermer, M. & Röhrle, B. (Hrsg.) Handbuch der therapeutischen Beziehung. DGVT-Verlag. Znoj, H.-J. (2004). Die therapeutische Beziehung aus verhaltenstherapeutischer Sicht. In Rössler (Hrsg.), Die therapeutische Beziehung. Berlin: Springer. ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Dr. phil. Christoph Stucki Leitender Psychologe Klinik am Zürichberg Dolderstrasse 107, CH-8032 Zürich 0041 44 252 03 44 stucki@klinikzuerichberg.ch www.klinikzuerichberg.ch ZGPP Dr. C. Stucki Mai 2011
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