STUDIEN-TELEGRAMM 2018 - Innere Medizin - Jahresrückblick internistischer Studien - agaplesion ...
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Patrick S. aus Freiburg über das Studientelegramm: Im Jungle der Publikationen ist es gerade als junger Arzt manchmal schwierig, sich auf dem Laufenden zu halten. Durch euren Einsatz gelingt dies kinderleicht.
Studientelegramm ‘Innere Medizin’ I Best of 2018 Best of 2018 Studientelegramm ‘Innere Medizin’ • Procalcitoningesteuerte Therapie bei Atemwegsinfektion? • SGLT2-Inhibitoren zur Kardioprotektion bei Diabetikern? • Statine in der Akuttherapie bei STEMI? Das sind nur drei Fragen, die im klinischen Alltag aufgrund neuer Studienergebnisse überdacht werden müssen. Die Anzahl wis- senschaftlicher Publikationen wächst jeden Tag. Hier den Über- blick zu behalten, ohne den Spaß an der Forschung zu verlieren, wird daher zur echten Herausforderung. Dieser Herausforderung stellen wir uns gerne. Wir, das sind die kardiovaskuläre Studien- gruppe HOMe der Universität des Saarlandes, das Ärzteteam des AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS Frankfurt sowie die ärztliche Redaktion von AMBOSS. Einmal pro Woche geben wir daher das Studientelegramm ‘In- nere Medizin’ als Newsletter per E-Mail heraus: Eine prägnante Zusammenfassung von drei bis fünf aktuellen internistischen Studien und Publikationen. Neben Links zu Originalpublika- tionen verknüpfen wir zusätzlich dem Kontext entsprechende AMBOSS-Kapitel. So können wichtige wissenschaftliche Ent- wicklungen auch neben der alltäglichen Praxis im Blick behalten werden. Die spannendsten internistischen Forschungsergeb- nisse aus dem Jahr 2018 haben wir nun erstmals in gedruckter Form herausgebracht. Wer in Zukunft wöchentlich auf dem Laufenden bleiben möchte, kann den Newsletter kostenfrei bestellen unter: go.amboss.com/studientelegramm. Viel Spaß beim Lesen wünscht
Studientelegramm ‘Innere Medizin’ I Best of 2018 INHALT Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation 10| B ack to ASS: Rivaroxaban als Sekundärprophylaxe kryptogener Schlaganfälle gescheitert (SELECT-D) 11| Nutzen und Risiko einer doppelten Plättchen- Notaufnahme & Intensivmedizin aggregationshemmung nach TIA und leichtem 04| Wie erwischt man die Aortendissektion? ischämischen Schlaganfall (POINT) Eine differentialdiagnostische Herausforderung 12| „Viel hilft viel“? Über- und Unterversorgung bei der in der Notaufnahme (ADvlSED) Thromboseprophylaxe 05| Lungenarterienembolie: Können die 13| Low Dose ASS – das dicke Ende PERC-Kriterien Niedrigrisikopatienten vor Überdiagnostik schützen? 14| US-Amerikanische Zulassung von Andexanet alfa – teuer erkaufte Sicherheit? 06| Ceftazidim/Avibactam (Zavicefta®) in der Behandlung von Blutstrominfektionen durch 15| Antikoagulation um jeden Preis? Retrospektive carbapenemresistente K.-pneumoniae-Stämme Erhebungen bei Patienten mit subsegmentaler Lungenembolie 07| Nutzen und Risiko der Bicarbonattherapie bei metabolischer Azidose (BICAR-ICU) 16| ESC II: Prognoseverbesserung durch Rivaroxaban bei Herzinsuffizienz? (COMMANDER-HF) 08| Procalcitoningesteuerte Antibiotikatherapie bei unteren Atemwegsinfekten 17| “Unhappy Triad”: Aus für ASS in der Primärprophylaxe? (ASPREE) 09| Under Pressure – Adrenalin bei Reanimationen? (PARAMEDIC2) 18| DOAK nach TAVI: Abbruch der GALILEO-Studie
Studientelegramm ‘Innere Medizin’ I Best of 2018 Kardiologie & Diabetologie 19| Mehr Herzinfarkte durch Influenzainfektion 20| Figaros HochDRUCKzeit 21| S tatin loading dose vor Koronarintervention bei akutem Koronarsyndrom? (SECURE-PCI) 22| Health Tech: Früherkennung von Vorhofflimmern durch Smartwatches? 23| Kardioprotektion durch Gliflozine: Canagliflozin in der CANVAS-Studie 24| E SC I: Mitralklappeninsuffizienz: Mageres Outcome für minimal-invasive Verfahren (MITRA-FR) 25| Bluthochdrucktherapie in der Schwangerschaft 26| A usblick auf den AHA-Kongress 2018: Die Studie DECLARE-TIMI 58 27| C ontra OMEGA-3-Fettsäuren zur kardiovaskulären Risikoreduktion (ASCEND) 28| Pro OMEGA-3-Fettsäuren zur kardiovaskulären Risikoreduktion (REDUCE-IT) 29| Neue Subgruppenanalysen aus EMPA-REG- Outcome suggerieren einen blutzucker- unabhängigen Effekt von Empagliflozin 30| R eduktion kardiovaskulärer Endpunkte bei Diabetikern nach bariatrischer Chirurgie 31| Nochmals ein AHA-Effekt ‒ Sacubitril bei akuter kardialer Dekompensation (PIONEER-HF) Exkurs & Diskurs 32| Wickelt weiter – Direkter Start einer Kompressions- therapie bei TVT verhindert postthrombotisches 39| Are you guys drinkers? Wo endet der „gesunde“ Syndrom Alkoholkonsum? 33| PCSK9-Inhibitoren und kardiovaskuläre Ereignisse 40| β -Thalassämie – Gentherapie auf dem Weg in bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom die Klinik (ODYSSEY-OUTCOMES) 41| Molekulare Therapieansätze: Pembrolizumab 34| Überversorgung gezielt abbauen – BZ-Kontrollen in der Therapie des NSCLC bei nicht-insulinpflichtigen Diabetikern 42| „ Back up“ oder „Back down“? – Wie viel Supervision brauchen Assistenzärzte? Endokrinologie & Nephrologie 43| Theorie und Praxis bei der Verordnung von Benzodiazepinen für geriatrische Patienten 35| Prävention von osteoporotischen Frakturen (SCOOP) 44| Dänen lügen nicht – Rote-Hand-Brief zur Assoziation von HCT mit Hauttumoren 36| Kontinuierliche Glucosemessung reduziert die Hypoglykämiegefahr bei Typ-1-Diabetikern 45| Drug-Free Holidays: Neue Ideen in der Reisemedizin (HypoDE) 46| Verbessert Fallschirmnutzung das klinische 37| SGLT-Inhibitoren zur Nephroprotektion Outcome nach Sprung aus einem Flugzeug? (DECLARE-TIMI 58) 47| Gewichtsreduktion an Weihnachten: Gans oder 38| Das Ende des Vitamin-D-Hypes? (VITAL) gar nicht?
Notaufnahme & Intensivmedizin Wie erwischt man die Aortendissektion? Eine differentialdiagnostische Herausforderung in der Notaufnahme (ADvlSED) Das akute Aortensyndrom (AAS) – welches mit sehr niedrigem Risikoprofil für eine Aorten- Aortendissektion, intramurales Aortenhämatom, dissektion vor einer Überdiagnostik zu schützen. penetrierende Aortenulzera und Aortenrupturen umfasst – ist ein seltener, aber lebensbedrohlicher Die Studie wurde unterstützt durch GR-2013- kardiovaskulärer Notfall, der sich häufig mit un- 02355449 (Ministero della Salute) und 200 (Uni- spezifischen Symptomen präsentiert. Oft ist es versità degli Studi di Firenze). im Alltag in der Notaufnahme sehr schwierig, dabei die Balance von Unter- und Überdiagnostik zu finden. Die internationale multizentrische ADvlSED-Stu- die testete nun bei 1.850 Notfallpatienten mit klinischem Verdacht auf ein AAS den Ansatz, den Aortic Dissection Detection Risk Score (ADD-RS) mit der Bestimmung von D-Dimeren zu kombi- nieren. Der von internationalen Leitlinien zur Di- agnostik des AAS empfohlene Aortic Dissection Detection Risk Score (ADD-RS) beinhaltet drei Kategorien. Pro zutreffender Kategorie kann ein Punkt vergeben werden. Es ergibt sich somit ein Score von 0–3 Punkten (Rogers et al, Circulation, 2011). D-Dimere galten in der vorliegenden Stu- die bei 1 und negativen D-Dimeren ein AAS. In der zuletzt genannten Pa- Titel der Studie tientengruppe sollte daher eine weiterführende Diagnostic Accuracy of the Aortic Dissec- tion Detection Risk Score plus D-Dimere Diagnostik (Angio-CT, MR-Angio und / oder TEE) for acute aortic syndrom eingeleitet werden. Waren die D-Dimere positiv, so hatten selbst bei einem ADD-RS ≤1 105 von Autoren 585 Patienten ein AAS. Nazerian et al. Journal Zusammenfassend könnte die Verbindung von Circulation einem ADD-RS von ≤1 und negativen D-Dime- ren als diagnostisches Tool im Alltag in der Not- AMBOSS-Inhalte Aortendissektion | Arterielle Hypertonie | aufnahme herangezogen werden, um Patienten Aneurysma - Grundlagen 4
Notaufnahme & Intensivmedizin Lungenarterienembolie: Können die PERC-Kriterien Niedrigrisikopatienten vor Überdiagnostik schützen? Die Lungenarterienembolie ist v. a. in über- dem herkömmlichen Prozedere nicht als unterle- füllten Notaufnahmen eine differentialdiag- gen dar. nostische Herausforderung. Gibt es klinisch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Lungen- Zu betonen ist, dass nur Patienten mit initia- arterienembolie, so sollten in einem nächsten ler Einstufung als Niedrigrisiko-Patienten ein- Schritt die D-Dimere bestimmt werden. Bei kli- geschlossen wurden. Wird diese Vorbedingung nisch sehr hoher Wahrscheinlichkeit für eine übersehen, droht eine Unterdiagnostik. Lungenarterienembolie empfiehlt sich die direk- te Durchführung eines Pulmonali-CTs. In diesem Zusammenhang ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Überdiagnostik gekommen, da die CT-Untersuchung häufig auch bei weniger drin- gendem Verdacht zum Ausschluss einer Lungen- arterienembolie herangezogen wurde. Freund et al. überprüften nun in einer Kohorte von 1.916 Patienten, die sich aufgrund einer möglichen Lungenarterienembolie in einer von 14 teilnehmenden französischen Notaufnahmen vorstellten, nach (unstrukturierter) Einschätzung des behandelnden Arztes jedoch eine geringe Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie haben, die sog. PERC-Kriterien (Pulmonary Embolism Rule-out Criteria). Diese sollen Patienten mit sehr niedrigem Risiko für das Vorliegen einer Lun- genarterienembolie vor einer möglichen Überdia- gnostik schützen. In einem Nachbeobachtungszeitraum von drei Titel der Studie Monaten wurde bei einem von 962 Patienten Effect of the pulmonary embolism rule-out criteria on der PERC-Gruppe gegenüber keinem der 954 subsequent thromboembolic events among low-risk emergency department patients Patienten in der Kontrollgruppe (herkömmliches Prozedere) nachträglich eine Lungenarterienem- Autoren bolie diagnostiziert. Dieser Unterschied war nicht Freund et al. signifikant, wobei Patienten der PERC-Gruppe si- Journal gnifikant kürzer in der Notaufnahme verweilten JAMA sowie signifikant seltener stationär aufgenom- men werden mussten. Insg. stellen sich daher AMBOSS-Inhalte die PERC-Kriterien bei Patienten mit niedrigem Algorithmus bei möglicher Lungenembolie | Wells-Klassifikation der Lungenembolie | Risiko für eine Lungenarterienembolie gegenüber Diagnostik der Lungenembolie 5
Notaufnahme & Intensivmedizin Ceftazidim/Avibactam (Zavicefta®) in der Behandlung von Blutstrom- infektionen durch carbapenemresistente K.-pneumoniae-Stämme Auch in Europa nehmen schwere Infektionen unter laufender Behandlung mit Ceftazidim/ durch carbapenemresistente Bakterien (4- Avibactam jedoch nicht selten eine schnelle Re- MRGN) deutlich zu. Besonders problematisch sistenzbildung gezeigt hat, sollte dieses Antibio- sind Infektionen durch Klebsiella pneumoniae, tikum keinesfalls zur empirischen Therapie von bei denen durch carbapenemspaltende Enzyme carbapenemempfindlichen Bakterien eingesetzt (sog. Carbapenemasen) eine Carbapenem-Re- werden. sistenz besteht. Diese Erkrankungen gehen mit einer hohen Letalität einher und es gibt kaum Evidenz für wirksame Behandlungsoptionen. Seit etwas über einem Jahr ist in Deutschland das Antibiotikum Ceftazidim/Avibactam (Zavicefta®) zugelassen. Es wird zur Behandlung von nosoko- mialen Pneumonien, Harnwegsinfekten, intraab- dominellen Infektionen sowie Infektionen durch gramnegative Keime, für die es keine geeigneten alternativen Behandlungsmöglichkeiten gibt, ein- gesetzt. In vitro weist es eine hohe Wirksamkeit gegen K.-pneumoniae-Carbapenemasen (KPC) auf. In Italien wurden nun retrospektiv 208 Blut- strominfektionen mit KPC-bildenden K.-pneu- moniae-Stämmen ausgewertet, von denen die Hälfte der Patienten mit Ceftazidim/Avibactam therapiert wurde, nachdem sie initial eine an- dere antibiotische Therapie erhalten hatten. Die Gesamtsterblichkeit in der Ceftazidim/Avibac- tam-Gruppe war mit 36,5% signifikant niedriger als bei Patienten mit KPC-Blutstrominfektionen, Titel der Studie die mit anderen Antibiotika behandelt wurden Efficacy of ceftazidime-avibactam salvage therapy in patients with infections caused (55,7%; p = 0,005). Auch nach multivariater Ana- by KPC-producing Klebsiella pneumoniae lyse blieb die Therapie mit Ceftazidim/Avibactam der einzige unabhängige Prädiktor für ein Über- Autoren leben dieser Patienten. Tumbarello et al. Journal Die Autoren schlussfolgern, dass Ceftazidim/ Clinical Infectious Diseases Avibactam eine wirksame und vielversprechen- de Substanz für die Behandlung von KPC-Blut- AMBOSS-Inhalte Multiresistente gramnegative Stäbchen | strominfektionen ist. Da sich in anderen Studien Therapie bei einer MRGN-Infektion | Sepsis 6
Notaufnahme & Intensivmedizin Nutzen und Risiko der Bicarbonattherapie bei metabolischer Azidose (BICAR-ICU) Eine schwere metabolische Azidose, wie sie z.B. Zusammenfassend konnte die BICAR-ICU- beim Coma diabeticum häufig ist, kann durch die Studie zwar keinen Vorteil einer Bicarbonatthe- Gabe von Bicarbonat behandelt werden. Dieses rapie bei Patienten mit metabolischer Azidose Vorgehen wird jedoch kontrovers diskutiert, da hinsichtlich des kombinierten Endpunktes nach- der klinische Benefit der Bicarbonattherapie in weisen. Allerdings zeigte sie, dass zumindest Studien bisher nicht nachgewiesen werden konn- Subgruppen von einer Bicarbonatgabe profitie- te. Es wird zudem vermutet, dass die Gabe von ren können (z.B. Patienten mit akutem Nieren- Bicarbonat über eine intrazelluläre Akkumulation versagen). von Kohlendioxid oder wegen des Risikos einer Hypokalzämie sogar eine schädliche Wirkung ha- ben könnte. In der französischen BICAR-Studie wurde nun der Effekt einer Bicarbonatgabe bei metabolischer Azidose untersucht. Hierzu wurden 389 intensivstationäre Patien- ten mit schwerer Azidose (pH ≤7,20, PaCO2 ≤45 mmHg, Bicarbonat ≤20 mmol/L) und einem Sequential Organ Failure Assessment (SOFA‑)Score von ≥4 oder einer Hyperlaktatä- mie von ≥2 mmol/L betrachtet. Die Patienten wurden in eine mit 4,2% Natriumbicarbo- nat behandelte Verumgrupppe (Ziel pH-Wert >7,30) und in eine Kontrollgruppe randomi- siert. Primärer kombinierter Endpunkt der Studie waren Todesfälle jedweder Genese innerhalb von 28 Tagen oder das Auftreten von Organversagen bis zum siebten Tag. In der Bi- carbonatgruppe trat der primäre Endpunkt Titel der Studie bei 128 von 195 Patienten (66%) und damit Sodium bicarbonate therapy for patients with se- nicht signifikant seltener als in der Kontroll- vere metabolic acidaemia in the intensive care unit gruppe (138 von 194 Patienten, 71 %) auf. In (BICAR-ICU): a multicentre, open-label, randomised controlled, phase 3 trial der Subgruppenanalyse konnte für Patienten mit akutem Nierenversagen (AKIN-Stadium 2 Autoren oder 3) jedoch ein signifikanter Überlebens- Jaber et al. vorteil nach 28 Tagen in der Bicarbonatgruppe Journal nachgewiesen werden. Zudem war bei Bicar- The Lancet bonattherapie erwartungsgemäß seltener eine Nierenersatztherapie erforderlich, da die meta- AMBOSS-Inhalte bolische Azidose eine wichtige Dialyseindikation SOFA-Score | Bicarbonatsubstitution bei Coma diabeticum | darstellt. Verschiebungen des Säure-Basen-Haushaltes 7
Notaufnahme & Intensivmedizin Procalcitoningesteuerte Antibiotikatherapie bei unteren Atemwegsinfekten Der übermäßige Antibiotikagebrauch entwickel- Nach 30 Tagen zeigte sich jedoch kein signifi- te sich in den letzten Jahren aufgrund steigen- kanter Unterschied zwischen beiden Gruppen, der Kosten und der Zunahme von Resistenzen weder im Hinblick auf die Anzahl der Antibio- zu einem allgemeinen Problem des öffentlichen tika-Behandlungstage noch auf das Auftreten Gesundheitswesens. Vor allem bei der Behand- schwerwiegender Verläufe. Diese Ergebnisse lung von unteren Atemwegsinfektionen, welche lassen darauf schließen, dass es keinen Vorteil viral oder bakteriell bedingt sein können, werden bietet, die Antibiotikatherapie bei unteren Atem- Antibiotika häufig nicht leitliniengerecht einge- wegsinfekten anhand des Procalcitoninwertes zu setzt. In diesem Zusammenhang stellte sich die steuern. Frage, ob man durch eine procalcitoningesteuer- te Therapieentscheidung Antibiotika einsparen kann, ohne das Outcome der Patienten zu ver- schlechtern. Procalcitonin ist ein Peptid, welches insb. bei bakteriellen Infektionen ansteigt, eng mit dem Schweregrad einer Infektion korreliert und bei fallenden Werten auf ein Abklingen der Entzündung hinweist. Im Studientelegramm 37-2018-1/3 wurde be- reits eine Studie thematisiert, die zeigte, dass eine restriktive Antibiotikagabe im Rahmen einer akut exazerbierten COPD bei Patienten mit nied- rigen Procalcitoninwerten empfohlen werden kann. In einer aktuellen randomisierten Studie an 14 US-amerikanischen Krankenhäusern wurden nun 1.656 Patienten mit der Einweisungsdiag- nose „untere Atemwegsinfektion“ in eine Inten- Titel der Studie tion-to-treat-Analyse eingeschlossen. Bei 826 Procalcitonin guided use of antibiotics for Patienten wurde Procalcitonin im Rahmen des lower respiratory tract infection Aufnahmelabors mitbestimmt. Den behandeln- Autoren den Ärzten wurden Richtlinien zum Einsatz von Huang et al. Antibiotika in Abhängigkeit von der Höhe des Procalcitoninwertes ausgehändigt. Dahingegen Journal The New England Journal of Medicine (NEJM) erfolgte bei den restlichen 830 Patienten ein konventionelles Prozedere. Insg. wurden 782 AMBOSS-Inhalte (47.2%) Patienten stationär aufgenommen und Procalcitonin | 984 (59.4%) innerhalb von 30 Tagen mit einem Pneumonie - Kriterien und Kontrolle des Therapieversagens | Antibiotikum behandelt. DGIM - Klug entscheiden in der Pneumonologie 8
Notaufnahme & Intensivmedizin Under Pressure – Adrenalin bei Reanimationen? (PARAMEDIC2) Für den Einsatz von Katecholaminen im Rah- (4–5 auf der modifizierten Rankin-Skala; 39 men von Reanimationen bzw. des Advanced von 126 Überlebenden [31,0 %] in der Adrena- Life Support liegen überraschenderweise lingruppe vs. 16 von 90 Überlebenden [17,8 %] in kaum randomisierte Studien vor. In der kürz- der Placebogruppe). lich veröffentlichten randomisierten Doppel- blindstudie PARAMEDIC2 aus dem Vereinigten Somit muss der langjährige akzeptierte Ein- Königreich erhielten 8.014 Patienten mit Herz- satz von Katecholaminen in Reanimationssituati- stillstand außerhalb eines Krankenhauses neben onen kritisch hinterfragt werden. Die negativen Standardmaßnahmen (gemäß European Resusci- neurologischen Effekte der Katecholamine tation Council Guidelines) entweder Adrenalin könnten durch Stimulierung thrombozytärer (4.015 Patienten) oder ein Placebo (3.999 Pa- α-Rezeptoren mit Störungen der zerebralen Mi- tienten). krozirkulation erklärt werden. Primärer Endpunkt war die Überlebensrate nach 30 Tagen. Sekundäre Endpunkte umfassten u.a. das Überleben bis zur stationären Entlassung ohne höhergradige neurologische Residuen (0–3 Punkte auf der modifizierten Rankin-Skala). Nach Gabe von Adrenalin konnten im Vergleich zur Placebogruppe häufiger ein Wiedereinset- zen der Spontanzirkulation erzielt sowie mehr Patienten in ein Krankenhaus verlegt werden. Auch bezüglich des primären Endpunktes zeigte sich ein Vorteil der Adrenalingabe: 130 Patienten der Adrenalingruppe (3,2 %) – gegenüber 94 Pa- tienten (2,4 %) der Placebogruppe – überlebten mindestens 30 Tage (Odds Ratio 1,39; 95 % Kon- fidenzintervall 1,06–1,82; p = 0,02). Titel der Studie Die Zahl der Patienten ohne höhergradige neu- A Randomized Trial of Epinephrine in Out-of-Hospital Cardiac Arrest rologische Schädigung unterschied sich jedoch nicht signifikant (87 [2,2 %] Patienten in der Autoren Adrenalingruppe vs. 74 [1,9 %] in der Placebo- Perkins et al. gruppe; Odds Ratio 1,18; 95 % Konfidenzintervall Journal 0,86–1,61). The New England Journal of Medicine (NEJM) Erstaunlicherweise wiesen mehr Überlebende AMBOSS-Inhalte in der Adrenalingruppe eine schwere neurologi- Reanimation | Adrenalin | Rettungsablauf am Unfallort und klinische sche Schädigung auf als in der Placebogruppe Primärversorgung 9
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation Back to ASS: Rivaroxaban als Sekundärprophylaxe kryptogener Schlaganfälle gescheitert (SELECT-D) Die Ätiologie von 20% aller ischämischen Schlag- Die Studie wurde durch Bayer und Janssen anfälle bleibt ungeklärt, weshalb diese ihrem em- gesponsert. bolischen Muster nach als „embolische Schlag- anfälle unklarer Genese“ (embolic stroke of undetermined source = ESUS) bezeichnet wer- den. Diese „kryptogenen“ Schlaganfälle stellen insb. in der interdisziplinären neurologisch-kar- diologischen Patientenbetreuung eine große diagnostische Herausforderung dar, da hier eine kardiale Emboliequelle vermutet, aber nicht ge- funden werden kann. Die aktuell publizierte und zum European Stroke Organisation Congress in Göteborg präsentierte NAVIGATE-ESUS-Studie testete die Hypothese, dass eine Antikoagulation mit einer reduzierten Tagesdosis von 15 mg Rivaroxaban bei ESUS-Pa- tienten im Vergleich zur Standard-Sekundärpro- phylaxe mit dem Thrombozytenaggregations- hemmer ASS die Inzidenz erneuter Schlaganfälle reduzieren könne. Die randomisierte kontrollier- te Therapiestudie mit 7.213 Patienten musste in- folge einer Zwischenauswertung nach 11 Mona- ten abgebrochen werden, da sich bis zu diesem Zeitpunkt kein signifikanter Unterschied im Auf- treten von ischämischen Schlaganfällen oder sys- temischen Embolien zwischen der Rivaroxaban- und der ASS-Gruppe gezeigt hatte. Hingegen hatten Patienten der Rivaroxabangruppe eine 2,7-fache Risikoerhöhung für schwerwiegende Titel der Studie Blutungen und ein 4-fach erhöhtes Risiko für int- Titel der Studie: Rivaroxaban for Stroke Prevention after Embolic Stroke of Undetermined Source rakranielle Blutungen (Hazard ratio 2,72; 95 % KI, 1,68 – 4,39; p < 0,001). Autoren Hart et al. Aufgrund der ernüchternden Resultate kann wei- Journal ter wie gewohnt nur ASS in der Sekundärprophy- The New England Journal of Medicine (NEJM) laxe dieses Schlaganfalltyps empfohlen werden. Eine andere Studie mit Dabigatran in einer ähn- AMBOSS-Inhalte lichen Patientenpopulation (RE-SPECT-ESUS) ist Prävention des Schlaganfalls | Rivaroxaban | zur Zeit noch in der Durchführung. Intrazerebrale Blutung 10
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation Nutzen und Risiko einer doppelten Plättchenaggregationshemmung nach TIA und leichtem ischämischen Schlaganfall (POINT) Das Risiko für ischämische Schlaganfälle inner- schwere Blutungsereignisse mehr zu erwarten. halb von 90 Tagen nach transitorisch-ischämi- Diese Ergebnisse entsprechen in ihrer Tendenz scher Attacke (TIA) oder leichtem ischämischen den Ergebnissen der chinesischen CHANCE-Stu- Schlaganfall beträgt 3–15%. Hier hat sich ASS als die, die auch einen Vorteil für eine Kombination Monotherapie bereits in der Sekundärprävention von ASS + Clopidogrel sah. Dort wurde die duale bewährt, unklar ist jedoch der Nutzen einer dua- Thrombozytenaggregationshemmung jedoch nur len Plättchenaggregationshemmung mittels ASS 21 Tage durchgeführt. und Clopidogrel. Ausgeschlossen waren in POINT Patienten mit In der kürzlich auf der European Stroke Orga- Schlaganfällen kardioembolischer Genese, mit nisation Conference in Göteborg vorgestellten mittelschwerem bis schwerem ischämischen POINT-Studie (Platelet-Oriented Inhibition in Schlaganfall sowie Patienten, die für Thromboly- New TIA and Minor Ischemic Stroke) wurden se- oder Thrombektomie infrage kamen. 4.881 Patienten mit TIA oder leichtem Schlag- anfall doppelblind im Verhältnis 1:1 in zwei The- Die Studie wurde durch das National Institute of rapiegruppen randomisiert. Eine Gruppe erhielt Neurological Disorders and Stroke gesponsert. ASS + Clopidogrel (Verumgruppe), die Kontroll- Sanofi stellte 75% des Clopidogrels und Placebos gruppe erhielt ASS + Placebo. Es erfolgte eine zur Verfügung 90-tägige Nachbeobachtung bezüglich des kom- binierten primären Endpunktes (ischämischer Schlaganfall, Myokardinfarkt, Tod vaskulärer is- chämischer Genese). In der Verumgruppe (ASS + Clopidogrel) zeigte sich ein signifikant reduziertes Auftreten des pri- mären Endpunktes (5% vs. 6,5%). Diese Differenz lässt sich am ehesten auf das verminderte Auftre- ten ischämischer Schlaganfälle in der Verumgrup- pe (4,6% vs. 6,3%) zurückführen. Bezüglich Myo- kardinfarkten und Todesfällen vaskulärer Genese Titel der Studie bestand kein signifikanter Unterschied. In der Clopidogrel and Aspirin in Acute Ischemic Stroke and High-Risk TIA Verumgruppe traten unter doppelter Thrombo- zytenaggregationshemmung jedoch häufiger Autoren schwere Blutungsereignisse auf (0,9% vs. 0,4%). Johnston et al. Journal Hochgerechnet würde dies bedeuten: Bei Be- The New England Journal of Medicine (NEJM) handlung von 1.000 Patienten mit ASS und Clopidogrel über 90 Tage könnten potentiell 15 AMBOSS-Inhalte Schlaganfälle mehr verhindert werden als unter TIA | Schlaganfall-Prävention | Monotherapie mit ASS, es wären jedoch auch 5 Thrombozytenaggregationshemmer 11
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation „Viel hilft viel“? Über- und Unterversorgung bei der Thromboseprophylaxe In den letzten Jahren wurde intensiv versucht, bei internistischen Patienten mit erhöhtem Risi- ko für eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) oder Lungenarterienembolie (LAE) eine medikamentö- se (z.B. mit niedermolekularen Heparinen) oder mechanische Thromboseprophylaxe (z.B. mit Anti-Thrombose-Strümpfen) zu etablieren. Ziel muss es sein, bei allen internistischen Hochrisiko- patienten ohne Kontraindikationen eine solche Thromboseprophylaxe zu gewährleisten. Ebenso wichtig ist jedoch, dass Niedrigrisikopatienten keine unnötige Prophylaxe erhalten – ansonsten droht eine Überbehandlung mit der Gefahr von Blutungskomplikationen. Leitliniengemäß wird zur Risikostratifizierung v. a. der Padua Prediction Score (PPS) herangezo- gen. Im Michigan Hospital Medicine Safety Con- sortium (HMS) wurde nun an 44.775 Studienteil- nehmern internistischer Stationen untersucht, wie häufig Patienten trotz hohen Risikos für eine TVT/LAE (hoher PPS) bei Fehlen von Kontraindi- kationen keine Thromboseprophylaxe erhielten (d.h. unterbehandelt waren) und wie häufig ande- rerseits solche mit niedrigem PPS eine nicht-in- dizierte Prophylaxe bekamen (also überbehandelt wurden). Interessanterweise erhielten 77,9% aller Niedrig- risikopatienten eine nicht-indizierte Thrombose- Titel der Studie prophylaxe, während bei „nur“ 22,0% aller Hoch- Use of Venous Thromboembolism Prophylaxis in Hospitalized Patients risikopatienten (vermutlich fälschlicherweise) auf eine adäquate Thromboseprophylaxe verzichtet Autoren wurde. Grant et al. Journal Zusammenfassend suggerieren diese Daten, dass JAMA Internal Medicine aktuell weniger der unangemessene Verzicht auf eine Thromboseprophylaxe bei Hochrisikopatien- AMBOSS-Inhalte ten als die übermäßige Anwendung bei wenig ge- Risikofaktoren der tiefen Beinvenenthrombose | Risikogruppen bei der Thromboseprophylaxe | fährdeten Patienten von Bedeutung sein könnte. Medikamentöse Thromboseprophylaxe 12
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation Low Dose ASS – das dicke Ende Acetylsalicylsäure (ASS) in der sog. thrombo- daher plausibel. Abzuwarten bleibt, ob und wie zytenaggregationshemmenden Dosierung ist die Fachgesellschaften ihre Empfehlungen dies- weltweit eine der am häufigsten eingesetzten bezüglich anpassen werden. Auch ist zu befürch- medikamentösen Strategien zur Primärpräven- ten, dass unter der höheren ASS-Dosierung mehr tion kardiovaskulärer Ereignisse. Untersuchungs- Blutungsereignisse auftreten. ergebnisse in den letzten Jahrzehnten offenbar- ten jedoch u.a., dass ASS bei Männern weniger effektiv Schlaganfälle verhindert als bei Frauen. Als Ursache wurde insb. die fehlende Therapie- adhärenz männlicher Patienten vermutet. In einer aktuell publizierten Studie wurden Da- ten aus zehn randomisierten Studien mit insg. 117.279 eingeschlossenen Patienten ausgewer- tet. Der Einfluss von ASS auf das Risiko für kar- diovaskuläre Ereignisse, Blutungsereignisse und das Auftreten von Krebserkrankungen wurde un- ter Fokussierung auf Gewicht, Körpergröße und Geschlecht untersucht. Bezüglich der ASS-Do- sierung wurden zwei Vergleichsgruppen gebil- det: In der ersten Gruppe betrug die Dosis max. 100 mg, in der zweiten Gruppe hingegen mind. 300 mg täglich. Die Ergebnisse könnten die gängige Praxis des “One Size Fits All” nachhaltig verändern. Niedri- ge ASS-Dosen (75 — 100 mg) waren zur Verhinde- rung vaskulärer Ereignisse nur bei Patienten mit einem Körpergewicht von maximal 70 kg effek- tiv. Passend hierzu zeigte sich, dass höhere Do- Titel der Studie sierungen (300 mg) nur bei Patienten mit einem Effects of aspirin on risks of vascular events and cancer according to bodyweight and dose: analysis of individual Körpergewicht von über 70 kg effektiv sind. 80% patient data from randomised trials der Männer und 50% der Frauen in den einge- schlossenen Studien wiesen ein Körpergewicht Autoren von über 70 kg auf und profitierten demnach Rothwell et al. nicht von einer niedrigdosierten ASS-Therapie. Journal The Lancet Eine gewichtsadaptierte ASS-Dosierung mit Ver- ordnung einer höheren ASS-Dosierung von 300 AMBOSS-Inhalte Acetylsalicylsäure | Akutes Koronarsyndrom | mg täglich für “schwere” Patienten erscheint Prävention 13
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation US-Amerikanische Zulassung von Andexanet alfa – Teuer erkaufte Sicherheit? Während für den Thrombininhibitor Dabigatran bereits ein spezifischer Antagonist zur Verfügung steht (Idarucizumab), fehlt in Deutschland noch ein spezifischer Antagonist für Faktor-Xa-An- tagonisten (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban). Leitliniengerecht können bei Patienten mit kriti- schen Blutungen unter Faktor-Xa-Antagonisten Konzentrate von Blutgerinnungsfaktoren (4-Fak- toren-Prothrombinkonzentrate bzw. PPSB) ein- gesetzt werden. In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) nun mit Andexanet alfa erstmals ein spezi- fisches Antidot für die Faktor-Xa-Antagonisten Apixaban und Rivaroxaban (nicht jedoch Edoxa- ban!) vorzeitig zugelassen. Das europäische Zu- lassungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Im Vergleich weist Andexanet alfa (als Anti- dot für Apixaban und Rivaroxaban) gegen- über Idarucizumab (als Antidot für Dabigatran) einige Nachteile auf: Die Zulassungsstudien sind unvollständig ausgewertet, es liegen nur Interimsanalysen vor, das Dosierungsschema ist komplexer, die Kosten sind immens (24.250– 49.500$ pro Anwendung) und es werden Liefer- schwierigkeiten befürchtet. Zudem ist unklar, ob Andexanet alfa bei kriti- schen Blutungen dem deutlich günstigeren PPSB Titel der Studie tatsächlich überlegen ist. Weitere Daten bleiben Andexxa—An Antidote for Apixaban and Rivaroxaban vor einer abschließenden Beurteilung der klini- Autoren schen Relevanz abzuwarten. Abramowicz et al. Journal JAMA / Medical Letter on Drugs and Therapeutics AMBOSS-Inhalte Therapeutische Antikoagulation – Klinische Anwendung | Perioperativer Umgang mit DOAK | HAS-BLED-Score 14
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation Antikoagulation um jeden Preis? Retrospektive Erhebungen bei Patienten mit subsegmentaler Lungenembolie Während es bei Embolien in den pulmonalen Patienten führt. Daher sollte der Einsatz bei sub- Stamm-, Lobär- oder Segmentarterien klare Emp- segmentalen Lungenembolien stets kritisch hin- fehlungen zu einer therapeutischen Antikoagu- terfragt und geprüft werden, ob alternativ auch lation gibt, ist das Vorgehen bei subsegmentalen eine Antikoagulation in prophylaktischer Dosie- Lungenembolien umstritten. Leitlinien – insb. die rung oder eine reine Überwachung des Patienten CHEST-Leitlinien – sehen bei diesen Lungenem- erfolgen kann. bolien bspw. keine generelle Indikation zur Anti- koagulation. Dr. Raslan und Kollegen berichten nun aus einem kanadischen Referenzzentrum über eine retros- pektive Analyse von insg. 222 Patienten mit Lun- genembolie. 79 (36%) dieser Patienten hatten subsegmentale Lungenembolien, bei 8 Patienten wurde zudem eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) diagnostiziert. Im Gegensatz zu den Emp- fehlungen der CHEST-Leitlinien wurden die 71 Patienten mit subsegmentalen Lungenembolien und ohne TVT fast ebenso häufig antikoaguliert (87%) wie Patienten mit proximalen Lungenem- bolien (94%). Sowohl bei den antikoagulierten Patienten mit subsegmentaler Lungenembolie als auch bei den 13%, die nicht antikoaguliert wur- den, traten häufig Komplikationen auf. Innerhalb von 3 Monaten wiesen in der Grup- pe der antikoagulierten Patienten 21 Patienten (34%) einen relevanten Abfall des Hämoglobins von 2 g/dL auf und/oder wurden transfusions- pflichtig. 26 Patienten (42%) wurden erneut in Titel der Studie der Notaufnahme vorstellig oder wegen anderer Rates of Overtreatment and Treatment-Related Adverse Effects Among Patients With Subsegmental Pulmonary Erkrankungen stationär wiederaufgenommen. Embolism Zehn Patienten (16%) verstarben, jedoch auf- grund von Todesursachen, die in keinem Zusam- Autoren menhang mit der Lungenembolie standen. Diese Raslan et al. Ergebnisse — obgleich retrospektiv und mono- Journal zentrisch — zeigen auf, dass eine therapeutische JAMA Internal Medicine Antikoagulation bei klinisch möglicherweise ir- relevanten subsegmentalen Embolien häufiger AMBOSS-Inhalte Algorithmus bei möglicher Lungenembolie | PESI | zu Komplikationen statt zu einem Benefit für den Therapeutische Antikoagulation - klinische Anwendung 15
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation ESC II: Prognoseverbesserung durch Rivaroxaban bei Herzinsuffizienz? (COMMANDER-HF) Nach ihrem Siegeszug in der Therapie des signifikant zwischen beiden Gruppen. Wird je- nicht-valvulären Vorhofflimmerns und thrombo- doch das Auftreten von schweren Blutungen ge- embolischer Erkrankungen werden nun weitere mäß der ISTH-Kriterien (International Society on Einsatzmöglichkeiten von direkten oralen An- Thrombosis and Haemostasis) betrachtet, zeigte tikoagulanzien (DOAK) gesucht. So konnte in sich aufgrund eines häufigeren Hämoglobinab- Studien gezeigt werden, dass niedrig dosiertes falls von mind. 2 g/dL in der Rivaroxabangruppe Rivaroxaban in Kombination mit Thrombozyten- ein höheres Risiko. aggregationshemmern bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ATLAS ACS 2 – TIMI 51) oder Insg. konnte durch die Rivaroxabangabe bei Pa- stabiler koronarer Herzerkrankung (COMPASS) tienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter das Risiko atherosklerotischer kardiovaskulärer Ejektionsfraktion also keine statistisch signifi- Ereignisse reduziert. Die COMMANDER-HF-Stu- kante Risikoreduktion in Bezug auf Todesfälle, die untersuchte nun, ob Rivaroxaban in niedriger Herzinfarkte oder Schlaganfälle erreicht werden. Dosierung auch bei Patienten mit Herzinsuffi- Somit sind auch DOAK keine Panacea, sondern zienz und reduzierter Ejektionsfraktion, jedoch bedürfen einer klaren Indikation wie nicht-valvu- ohne Vorhofflimmern, von prognostischem lärem Vorhofflimmern oder thromboembolischen Vorteil ist. In der Vergangenheit hatten sich Vi- Erkrankungen. Zuvor waren auch schon Studien tamin-K-Antagonisten hier nicht als vorteilhaft zur Indikationserweiterung von DOAK bezüglich erwiesen. einer Anwendung nach mechanischem Klappen- ersatz oder bei embolischen Schlaganfällen un- In der aktuellen, randomisierten Doppelblind- klarer Ursache gescheitert. studie erhielten nun 5.022 Patienten (zumeist zusätzlich zu Thrombozytenaggregationshem- Die Studie wurde von Janssen Research & De- mern und zur etablierten Herzinsuffizienzthe- velopment gesponsert. rapie) zweimal täglich 2,5 mg Rivaroxaban bzw. Placebo. Das Auftreten von Todesfällen, Myo- kardinfarkten oder Schlaganfällen wurde als kombinierter primärer Endpunkt definiert. Nach einem mittleren Follow-Up von 21 Monaten trat der kombinierte primäre Endpunkt bei 626 von 2.507 (25%) Patienten der Rivaroxabangruppe Titel der Studie Rivaroxaban in Patients with Heart Failure, sowie bei 658 von 2.515 Patienten der Sinus Rhythm, and Coronary Disease Placebogruppe (26,2 %) auf (Hazard Ratio, 0,94; 95% Konfidenzintervall 0,84—1,05; p = 0,27). Autoren Zanned et al. Schlaganfälle kamen unter Rivaroxaban- Journal therapie seltener vor. Außerdem unterschied The New England Journal of Medicine (NEJM) sich der primäre Sicherheitsendpunkt, der Blu- tungen mit Todesfolge oder der Folge perma- AMBOSS-Inhalte Rivaroxaban | ICB | nenter neurologischer Schäden umfasste, nicht Herzinsuffizienz – medikamentöse Therapie 16
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation “Unhappy Triad”: Aus für ASS in der Primärprophylaxe? (ASPREE) Auf dem kürzlich abgehaltenen ESC-Kongress in im New England Journal of Medicine veröffent- München wurden die ernüchternden Ergebnisse licht wurde, führte dies v.a. auf eine erstaunli- der ARRIVE- und ASCEND-Studien zum Einsatz cherweise höhere Rate onkologischer Todesfälle von ASS in der Primärprophylaxe kardiovaskulä- in der ASS-Gruppe zurück. rer Erkrankungen vorgestellt (siehe hierzu auch: Studientelegramm 42-2018-3/3). Keinen Monat Somit widerlegten ARRIVE, ASCEND und später folgte nun die Vorveröffentlichung einer ASPREE gemeinsam die Hypothese des Benefits weiteren Studie zur Primärprophylaxe mit ASS: einer primärprophylaktischen ASS-Einnahme. Die in australischer und U.S.-amerikanischer Zu- Vielmehr sollte die Primärprophylaxe kardiovas- sammenarbeit durchgeführte ASPREE-Studie. kulärer Ereignisse die Behandlung einer etwaigen Hypercholesterinämie, eine suffiziente Blut- Als für Primärpräventionsstudien untypischer druckkontrolle, Nikotinkarenz und regelmäßige kombinierter Endpunkt wurde das “Disability-Free körperliche Aktivität in den Fokus stellen. Survival” gewählt, definiert als Überleben ohne Demenz oder persistierende körperliche Behin- Die ASPREE-Studie wurde durch öffentliche För- derung. Eingeschlossen wurden körperlich und derprogramme finanziert; Bayer stellte ASS zur geistig fitte Menschen, die bei Studieneinschluss Verfügung. mind. 70 Jahre alt waren (bzw. im U.S.-amerika- nischen Kollektiv mind. 65 Jahre bei Studienpa- tienten mit hispanischer oder afroamerikanischer Ethnizität). Es erfolgte eine Randomisierung in Placebo- und Therapiegruppe (letztere mit tägli- cher Einnahme von 100 mg ASS). Die Studie wur- de nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 4,7 Jahren vorzeitig beendet, da Zwischen- analysen zeigten, dass auch bei Fortsetzung kein signifikanter Benefit von ASS erreicht werden würde. Insg. zeigte ASS keinen Vorteil für den primären Titel der Studie Endpunkt des “Disability-Free Survival” (21,5 Effect of Aspirin on Disability-free Survival in the Healthy Elderly Ereignisse pro 1.000 Personenjahre bei ASS vs. 21,2 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre bei Pla- Autoren cebo). Während die Anzahl schwerer Blutungen McNeil et al. in der ASS-Gruppe erwartungsgemäß höher war, Journal überraschte die ebenfalls höhere Gesamtsterb- The New England Journal of Medicine (NEJM) lichkeit, die als sekundärer Endpunkt analysiert wurde (12,7 Todesfälle pro 1.000 Personenjahre AMBOSS-Inhalte bei ASS vs. 11,1 Todesfälle pro 1.000 Personen- Acetylsalicylsäure | Rezidiv- bzw. Sekundärprophylaxe bei Myokardinfarkt | jahre bei Placebo). Eine Subanalyse, die separat Therapie atherosklerotisch bedingter Erkrankungen 17
Antithrombozytäre Therapie & Antikoagulation DOAK nach TAVI: Abbruch der GALILEO-Studie Bei Patienten mit Transcatheter Aortic Valve Im- plantation (TAVI) ist das Auftreten von (insb. sub- klinischen) Thrombosen auf Klappensegeln der TAVI-Prothese eine potentielle Gefährdung. Ko- hortenstudien wiesen darauf hin, dass eine Anti- koagulation dieses Risiko und die Gefahr nach- folgender klinischer Ereignisse mindern könnte. Daraufhin wurden mehrere klinische Studien initiiert, u.a. um den Einsatz von direkten oralen Antikoagulantien (DOAK) zu untersuchen. Kürzlich vermeldete das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM), dass die von der Firma Bayer gesponsorte GALILEO-Stu- die aufgrund von Sicherheitsbedenken vorzeitig gestoppt wurde. In der Studie mit mehr als 1.520 Teilnehmern ohne bekanntes Vorhofflimmern war der Einsatz von Rivaroxaban (Xarelto®) nach TAVI untersucht worden. Die Patienten der Ex- perimentalgruppe erhielten einmal täglich 10 mg Rivaroxaban (in den ersten drei Monaten zusätz- lich einmal täglich 75‒100 mg ASS), während die Kontrollgruppe mit einmal täglich 75‒100 mg ASS (in den ersten drei Monaten zusätzlich mit einmal täglich 75 mg Clopidogrel) behandelt wurde. In der Rivaroxabangruppe hatten sich sowohl eine erhöhte Blutungs- und Thromboemboliegefahr als auch eine höhere Gesamtmortalität gezeigt. Noch nicht beendet wurde die parallel laufende ATLANTIS-Studie, die in einem ähnlichen Design Apixaban untersucht. Aktuelle Zwischenanalysen Titel der Studie Rote-Hand-Brief zu Rivaroxaban (Xarelto®): Anstieg weisen nach Aussage des Sponsors nicht auf eine von Gesamtmortalität sowie Thromboembolie- und erhöhte Ereignisrate im Apixabanarm hin. Somit Blutungsereignissen bei Patienten nach TAVI führt muss das abschließende Urteil zum Einsatz von zum vorzeitigen Abbruch der GALILEO-Studie DOAK nach TAVI noch abgewartet werden. Mo- Autoren mentan ist das optimale Therapieregime unklar, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Rivaroxaban sollte jedoch nicht eingesetzt werden. AMBOSS-Inhalte Rivaroxaban | TAVI | Patienteninformationen – Antikoagulanzien 18
Kardiologie & Diabetologie Mehr Herzinfarkte durch Influenzainfektion Atherosklerose ist ein entzündlicher Prozess. Experimentelle und klinische Arbeiten wei- sen auf ein erhöhtes Risiko von Plaqueruptu- ren durch akute Infektionen hin. Dass Grip- peinfektionen mit akuten Myokardinfarkten assoziiert sind, wird seit vielen Jahren postuliert. Erstmals haben die Autoren einer Fall-Kon- troll-Studie an 364 Myokardinfarkt-Patienten nun untersucht, ob die laborchemisch bewiesene Influenzainfektion mit einem erhöhten Risiko für einen Myokardinfarkt assoziiert ist. Die Infarkte traten in einem Zeitraum von einem Jahr vor bis einem Jahr nach nachgewiesener Influenzainfek- tion auf. Im “Risikointervall”, also innerhalb von 7 Tagen nach Erhebung der Atemwegsprobe zur Testung viraler Atemwegsinfekte, traten 6× mehr Myokardinfarkte auf als im Kontrollintervall (üb- rige Periode). Dies galt insb. für Influenza A (5,2×) und Influenza B (10,1×). Die Erkenntnisse sind bedeutsam, da sich durch Influenzaimpfungen möglicherweise Myokard- infarkte verhindern lassen. Außerdem tragen sie zur Schärfung differentialdiagnostischer inter- nistischer Überlegungen bei, da sie zeigen, dass ein wegen Atemwegsinfektion hospitalisierter Patient nicht selten zeitgleich einen Myokardin- farkt erleiden kann. Titel der Studie Acute Myocardial Infarction after Laboratory-Confirmed Influenza Infection Autoren Kwong et al. Journal The New England Journal of Medicine (NEJM) AMBOSS-Inhalte Influenza | Akutes Koronarsyndrom 19
Kardiologie & Diabetologie Figaros HochDRUCKzeit Afroamerikaner in den USA haben überdurch- schnittlich häufig eine unkontrollierte Hypertonie und ebenfalls häufig einen schlechten Zugang zu Gesundheitsleistungen. Im NEJM wurden nun Ergebnisse einer randomisierten, aber unortho- doxen Studie vorveröffentlicht, die 319 afro- amerikanische Stammkunden afroamerikanisch geführter „Barber Shops“ mit systolischem Blut- druck von ≥140 mmHg einschloss. Die „Barber Shops“ wurden in einem Cluster-De- sign zwei verschiedenen Gruppen zugeordnet: Entweder einer pharmakologisch geleiteten Inter- ventionsgruppe, in welcher Friseure ihre Kunden und Pharmazeuten mit dem Ziel einer antihyper- tensiven Therapiesteuerung zusammenführten, oder einer aktiven Kontrollgruppe, in welcher Fri- seure ihren Kunden Lebensstilmodifikation und konventionelle Vorstellungstermine bei Ärzten empfahlen. Primärer Endpunkt war die Verminderung des systolischen Blutdrucks nach sechs Monaten. Der Ausgangsblutdruck mit durchschnittlich 152,8 mmHg bzw. 154,6 mmHg war in beiden Studien- gruppen vergleichbar. Nach sechs Monaten fiel der Blutdruck in der Interventionsgruppe um 27,0 mmHg (auf 125,8 mmHg), in der aktiven Kont- rollgruppe jedoch nur um 9,3 mmHg (auf 145,4 mmHg). In der Interventionsgruppe sank der Blut- Titel der Studie druck also um 22 mmHg stärker, ohne dass über- A Cluster-Randomized Trial of Blood-Pressure Reduction in Black Barbershops proportional viele Nebenwirkungen auftraten. Autoren Obgleich sich diese Studie und ihr soziologischer Victor et al. Hintergrund sicherlich nicht direkt auf Deutsch- Journal land übertragen lassen, weist sie allgemein auf The New England Journal of Medicine (NEJM) die Möglichkeiten hin, mittels unkonventioneller Interventionsansätze auch „arztfernere“ Patien- AMBOSS-Inhalte ten mit chronischen Erkrankungen zu einer kar- Therapierefraktäre arterielle Hypertonie | Zielblutdruckwerte | diovaskulären Prävention zu motivieren. Hypertensive Krise - Therapiegrundsätze 20
Kardiologie & Diabetologie Statin loading dose vor Koronarintervention bei akutem Koronarsyndrom? (SECURE-PCI) Statine sind in der Nachbehandlung des akuten Koronarsyndroms (ACS) seit Jahren fest etab- liert, nachdem mehrere Studien ihren Nutzen in der Sekundärprävention klar belegt haben. Es ist jedoch bisher nicht belegt worden, für wann der ideale Zeitpunkt des Therapiebeginns festzuset- zen ist. In der SECURE-PCI Studie wurden 4.191 Patien- ten mit ACS in eine Statingruppe (Atorvastatin) und eine Placebogruppe randomisiert, Einnahme- zeitpunkte waren unmittelbar vor und 24h nach der Prozedur. Der kombinierte primäre Endpunkt (Gesamtsterblichkeit, Myokardinfarkt, Schlag- anfall, ungeplante Koronarrevaskularisation) unterschied sich nicht signifikant in den beiden Behandlungsgruppen bei Betrachtung aller einge- schlossenen Patienten. In der Gruppe der Patien- ten, die einer Koronarintervention (PCI) zugeführt wurden (ca. 65%), war hingegen der primäre End- punkt nach 30 Tagen signifikant (6,0 vs. 8,2%, p = 0,02) reduziert. Dies galt insb. für Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI), bei denen der primä- re Endpunkt um 34% reduziert wurde. Da dieser frühe Effekt nicht auf eine Atheroskle- rose-Reduktion durch LDL-Cholesterinsenkung zurückgeführt werden kann, werden pleiotrope Effekte der Statine, wie eine Reduktion von In- flammation, oxidativem Stress, mikrovaskulärer Titel der Studie Obstruktion oder endothelialer Dysfunktion, als Effect of Loading Dose of Atorvastatin Prior to Planned Percutaneous Coronary Intervention on Major Adverse mögliche Mechanismen diskutiert. Cardiovascular Events in Acute Coronary Syndrome Das positive Ergebnis der Subgruppenanalyse Autoren von SECURE-PCI eröffnet zumindest die Per- Berwanger et al. spektive, dass eine direkte Statintherapie bei Journal ausgewählten ACS-Patienten, ähnlich wie die Be- JAMA handlung mit einem P2Y12-Inhibitor wie Prasug- rel oder Ticagrelor, Einzug in die Akutbehandlung AMBOSS-Inhalte Akutes Koronarsyndrom | des Myokardinfarkts finden könnte. Statine | Lipidsenker 2. Wahl 21
Kardiologie & Diabetologie Health Tech: Früherkennung von Vorhofflimmern durch Smartwatches? Die Früherkennung des Vorhofflimmerns ist auf- sowie hoher positiver und negativer prädiktiver grund der üblicherweise fehlenden Warnsymp- Wert von 90,9 bzw. 97,8), zeigte sich in der am- tome schwierig, aber im Hinblick auf das damit bulanten Kohorte nur eine moderate Eignung des verbundene stark erhöhte Schlaganfallrisiko Algorithmus zum Screening des Vorhofflimmerns von großem Interesse. Während eine Detektion (Sensitivität und Spezifität 67,7% bzw. 67,6%, durch implantierbare Event-Recorder wegen positiver und negativer prädiktiver Wert 7,9 bzw. ihrer Invasivität nicht zur breiten Anwendung im 98,1). So hatte der Algorithmus in dieser Kohorte Sinne eines Screenings sinnvoll ist, könnten die die Daten von Teilnehmern ohne Vorhofflimmern von vielen Menschen genutzten Smartwatches teils fälschlicherweise als Vorhofflimmern einge- durch die Verarbeitung ihrer Sensordaten mittels stuft. Ein solcher “falscher Alarm” wäre für eine selbstlernender Algorithmen hierfür gut geeignet Umsetzung als Massenscreening ungünstig. Der sein. niedrige positive prädiktive Wert des Screenings war dabei allerdings die Folge der niedrigen Prä- Eine multinationale Kohortenstudie untersuchte valenz für Vorhofflimmern in der Studienpopula- jetzt, inwieweit mit großen Datenmengen und tion (4%). sog. tiefen neuronalen Netzwerken die Detek- tion von Probanden mit Vorhofflimmern aus den Obwohl der Algorithmus hier also verbesserungs- Daten der von ihnen getragenen Smartwatch fähig scheint, zeigt die Studie auf, in welche Rich- möglich ist. tung sich Krankheitsfrüherkennung im Zuge der Ausweitung neuer Technologien in Zukunft ent- Entwickelt und trainiert wurde der verwendete wickeln könnte. Algorithmus zuvor an 6.682 Probanden der Health-eHeart-Studie, die über eine App an ei- Die Softwarefirma, die den Studienalgorithmus ner Befragung teilnahmen und ihre Sensordaten entwickelte, wurde von zwei ehemaligen Google- (insg. 57.675 Personenwochen) teilten. Im An- Mitarbeitern gegründet. Ein Teil der Studienau- schluss wurde der Algorithmus zur Validierung an toren sind Mitarbeiter der Softwarefirma oder einer Kohorte von 51 Patienten mit gesichertem finanziell mit dieser verbunden. Vorhofflimmern getestet, welche sich zur Vor- bereitung einer Kardioversion in stationärer Be- handlung befanden. Darüber hinaus führte man Titel der Studie eine erneute Testung an 1.617 ambulanten Pro- Passive Detection of Atrial Fibrillation Using a Commercially Available Smartwatch banden durch, von denen 4% angegeben hatten, dass bei ihnen ein ärztlich beschriebenes persis- Autoren tierendes Vorhofflimmern vorläge (dies entsprach Tison et al. dem Referenzstandard zur Erfolgskontrolle). Journal JAMA: Cardiology Während der Algorithmus in der stationären Kar- dioversions-Kohorte starke Gütekriterien bei der AMBOSS-Inhalte Vorhersage von Vorhofflimmern aufwies (hohe Diagnostik des Vorhofflimmerns | Ätiologie des Schlaganfalls | Sensitivität und Spezifität von 98% bzw. 90,2% Testgütekriterien 22
Kardiologie & Diabetologie Kardioprotektion durch Gliflozine: Canagliflozin in der CANVAS-Studie Canagliflozin zählt zu den blutzuckersenken- für Amputationen, Frakturen und Volumende- den SGLT2-Inhibitoren, deren potentielle kar- pletion (letzteres infolge des Wirkmechanismus dioprotektiven Effekte in den letzten Jahren einer erhöhten renalen Glucoseausscheidung mit in großen randomisierten Studien erkannt osmotischer Diurese). wurden: Im prospektiven CANVAS-Programm (Akronym für Canagliflozin Cardiovascular Zusammenfassend konnte bei CANVAS ein Assessment Study) wurden 10.142 Typ-2-Diabe- Benefit von Canagliflozin bzgl. des Auftretens tiker mit hohem kardiovaskulären Risiko in eine von Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Er- Canagliflozin- und eine Placebogruppe randomi- eignissen bei Typ-2-Diabetikern beobach- siert und über 188 Wochen bezüglich des Auftre- tet werden. Dies stimmt überein mit den Er- tens kardiovaskulärer Ereignisse untersucht. Wie gebnissen der EMPA-REG Outcome-Studie, das New England Journal of Medicine (NEJM) im die bereits ähnliche kardioprotektive Wirkungen Vorjahr berichtet hatte, war die Canagliflozin- von Empagliflozinen zeigen konnte. Canagliflozin gruppe signifikant überlegen. wird in Deutschland derzeit nicht vertrieben. Das Journal Circulation berichtet nun über eine Die Studie wurde durch Janssen Research & De- interessante Subgruppenanalyse der CAN- velopment unterstützt. VAS-Studie. Hierbei wurden die Patienten be- züglich kardiovaskulärer Todesfälle oder Hospita- lisation aufgrund von kardialer Dekompensation nachverfolgt. Durch die Canagliflozineinnahme wurde das Risiko für beide primären Endpunkte unabhängig von der eingenommenen Dosierung (Patienten erhielten 100 oder 300 mg Canaglif- lozin) signifikant verringert. Neu ist dabei auch, dass insb. Patienten mit vorbekannter Herzinsuf- fizienz (1.461 Teilnehmer, entsprechend 14,4% der gesamten Studienkohorte) von Canagliflozin zusätzlich zur bereits etablierten Herzinsuffizi- enzmedikation profitieren. Titel der Studie Canagliflozin and Heart Failure in Type 2 Diabetes Mellitus, Results From the CANVAS Program Für Patienten ohne vorbekannte Herzinsuffizienz konnte jedoch kein kardiovaskulärer Benefit ge- Autoren zeigt werden. Diese unterschieden sich allerdings Rådholm et al. auch strukturell hinsichtlich ihrer Vorerkrankun- Journal gen und Vormedikation vom Kollektiv der Herz- Circulation insuffizienz-Patienten. AMBOSS-Inhalte Bezüglich der Sicherheit zeigte sich unter der SGLT2-Inhibitoren | Stufenschema für Typ-2-Diabetiker | Einnahme von Canagliflozin ein erhöhtes Risiko Übersicht der Antidiabetika-Gruppen 23
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