Napoleon reloaded - WARUM DER KANTON ZUG ES SO VERGEIGT HAT Seite 8 - Menstrual Matters
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17/2021 WARUM DER KANTON ZUG ES SO VERGEIGT HAT Seite 8 Napoleon reloaded Zwei Computer-Nerds und das französischste Schloss im Thurgau. Seite 12
17/2021 Chefredaktion: Luzi Bernet (lzb.) | Leitung Magazine: niCoLe ALtHAuS (na.) | Leitung NZZaS Magazin: CHriStopH zürCHer (cz.) | Redaktionsleitung Lifestyle: KerStin netSCH (ker.) | Chef vom Dienst: oLiver SCHmuKi (ols.) | Redaktion: SACHA BAttHYAnY (bat.), AndreA BornHAuSer (ban.), KAtHArinA BrACHer (brk.), mArtin HeLg (mah.), | Kolumnisten: CHriStinA HuBBeLingBeispiel (chu.),für letzte peter KeLLer Zeile (kep.), Henriette KuHrt, Heinz StAFFeLBACH | Gestaltung: ALexiS zurFLüH | Art Direction: Jürg Sturzenegger (Leitung), CLAudio gmür | Bildredaktion: pAtriziA treBBi (Leitung), uLriKe Hug (Leitung Lifestyle) | Verlag: «nzz Am SonntAg mAgAzin», FALKenStrASSe 11, poStFACH, CH-8021 züriCH | © Neue Zürcher Zeitung AG, alle Rechte vorbehalten. Chefredaktion: Luzi Bernet (lzb.) | Leitung Magazine: niCoLe ALtHAuS (na.) | Leitung NZZaS Magazin: CHriStopH zürCHer (cz.) | Redaktionsleitung Lifestyle: KerStin netSCH (ker.) | Chef vom Dienst: oLiver SCHmuKi (ols.) | Redaktion: SACHA BAttHYAnY (bat.), AndreA BornHAuSer (ban.), KAtHArinA BrACHer (brk.), mArtin HeLg (mah.), AnnA KAminSKY Beispiel (aky.), zuzAfür letzte SpeCKert (zs.). Zeile, wenn | Kolumnisten: «© Neue...» CHriStinA keinen HuBBeLing (chu.), Platz(kep.), peter KeLLer mehr hat KuHrt, Heinz Henriette StAFFeLBACH | Gestaltung: ALexiS zurFLüH | Art Direction: Jürg Sturzenegger (Leitung), CLAudio gmür | Bildredaktion: pAtriziA treBBi (Leitung), uLriKe Hug (Leitung Lifestyle) | Verlag: «nzz Am SonntAg mAgAzin», FALKenStrASSe 11, poStFACH, CH-8021 züriCH © Neue Zürcher Zeitung AG, alle Rechte vorbehalten. Ist das Zelebrieren des weiblichen Zyklus ein feministisches Anliegen oder ein Rückschritt? Seite 22 S. 1: Schwarze Version Auch weisse Version auf S. 2 anpassen! 8 12 22 RUBRIKEN 4 Der Kanon Zug ist Schlossherren Ich blute, 5 Selbstbetrachtung gescheitert 2.0 na und? 6 Konsumkultur Man muss Das grandioseste Eine neue 24 Sehenswürdigkeit Foto Cover: Simon HABegger. Foto inHALt: gettY imAgeS politisch nicht links Schloss im Thurgau Frauengeneration 26 Zu Hause stehen, um sehr gehört jetzt einem will die Mens 27 Weinkeller enttäuscht darüber Paar, das sein Geld im enttabuisieren. 27 Zu Gast 28 Naherholungsgebiet zu sein, was Zug aus Internet machte. Aber hilft das den 29 Hat das Stil? sich gemacht hat. Was will es damit? Frauen wirklich? 30 Kreuzworträtsel Von tHomAS SevCiK Von mArK vAn HuiSSeLing Von AnnA KAminSKY 31 Karpipedia Impressum Chefredaktion (ad interim) und Leitung Magazine: NIcole AlthAus (na.) | Leitung NZZaS Magazin: chrIstoph Zürcher (cz.) | Redaktionsleitung Lifestyle: KerstIN Netsch (ker.) | Redaktion: sAchA BAtthyANy (bat.), ANdreA BorNhAuser (ban.), KAthArINA BrAcher (brk.), mArtIN helg (mah.), ANNA KAmINsKy (aky.), ZuZA specKert (zs.). | Kolumnisten: chrIstINA huBBelINg (chu.), peter Keller (kep.), heNrIette Kuhrt, heINZ stAffelBAch | Gestaltung: AlexIs Zurflüh | Art Direction: Jürg sturZeNegger (Leitung), clAudIo gmür | Bildredaktion: pAtrIZIA treBBI (Leitung), ulrIKe hug (Leitung Lifestyle) | Verlag: «NZZ Am soNNtAg mAgAZIN», fAlKeNstrAsse 11, postfAch, ch-8021 ZürIch © Neue Zürcher Zeitung AG, alle Rechte vorbehalten.
Text: AnnA KAminsKy Ja, ich blute Eine neue Frauengeneration zelebriert den weiblichen Zyklus. Falsche Scham fällt weg. Aber hilft das Frauen wirklich? E iNmal iN träNeN auSbrecheN, wenn der Kollege einen unfair kritisiert. Wütend werden, weil der Drucker einen Papierstau pro- damit zugebracht, den allmonatlichen Blutfluss zu verachten. Er zwang mich dazu, die Zähne zusammenzubeissen und zu lächeln, wenn mir duziert, weil der Monatszyklus die Stimmung zum Heulen zumute war. Der Menstruation durcheinanderbringt. Das sollte am Arbeitsplatz eine Bühne zu geben, erst recht bei der Arbeit: möglich sein, wenn es nach den Goal-Girls ginge. undenkbar. Sie nennen es radikale Verletzlichkeit. In meiner Jugend hat die Antibabypille für Die Frauen der Berliner Agentur, die ein Netz- ein paar Jahre (meine Mutter plädierte dafür werk von 500 kreativ schaffenden Frauen auf- nicht zu Verhütungszwecken, sondern um dem baut, pflegt einen emotional offenen Umgang «monatlichen Theater» ein Ende zu setzen) miteinander. Tina Ateljevic, die Community zahlreiche Symptome ausgemerzt. Als ich die Managerin der Agentur, sagt: «Der Monatszy- Pille absetzte, ging ich dazu über, schon vorbeu- klus ist Bestandteil des Lebens menstruierender gend Schmerzmittel einzunehmen, sobald sich Menschen. Mit radikaler Verletzlichkeit meinen die Menstruation ankündigte. Trotz Regelpro- wir, dass wir auf der Arbeit offen sagen können, blemen funktionieren – so bin ich sozialisiert wie wir uns fühlen. Das ist nicht immer einfach. worden. Ich war zufrieden, wie ich das Thema Aber das gehört dazu.» im Griff hatte. Wie sehr ich mich durch mein Klingt wie Musik in meinen Ohren. Seit Verhalten von meiner weiblichen Natur entfernt fünfundzwanzig Jahren menstruiere ich. Und hatte, das wurde mir erst mit knapp dreissig die meiste Zeit dieses Abschnitts habe ich klar, als eine Kollegin mir erzählte, dass sie immer genau wisse, wann sie ihren Eisprung habe und sich dann immer besonders attrak- tiv und vital fühle. Mein Blick war fragend. So etwas sollte man spüren können? Ist mehr Zyklus-Bewusstsein ein Fortschritt? Dass man der Menstruation etwas Positives abgewinnen könnte, war mir erst recht unbe- greiflich. Eine andere Freundin erweiterte meinen Horizont. Eigentlich müssten wir die Menstrua- tion doch als Symbol der weiblichen Urkraft zelebrieren, meinte sie. Stimmt, doch eine Stim- me in meinem Kopf wies mich gleich zurecht: Und wie willst du das denn bitte ausserhalb eines eingeschworenen Frauenkreises genau umsetzen? Die Feministin Gloria Steinem stellte sich einst vor, wie es wäre, wenn Männer statt Frauen menstruieren würden. Monatshygiene- Foto: emma Farrer / getty imageS produkte wären längst gratis, und man hätte etwas zum Angeben. In einer weitherum noch immer von patriarchalischen Ideen gepräg- ten Gesellschaft gilt Gleiches für Frauen leider nicht. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass die Dinge sich besseren, was in erster Linie daran liegen dürfte, dass die Frauen ihren Monatszy- klus weniger schamhaft, wenn nicht sogar ganz bewusst angehen. Immer öfter höre ich von Freundinnen, die ihre Ernährung, ihr Sportprogramm und sogar 22 NZZ am SoNNtag magaZiN 17/2021
Verabredungen nach ihrem Zyklus ausrichten. Selbstwertgefühl weniger vorhanden seien und Ihr Wissen beziehen sie aus Workshops über man wichtige Entscheide oder Gespräche dann die Unterstützung des Hormonkreislaufs durch Politischer besser vertage, äussert auch sie Bedenken an die richtige Ernährung. Zur Zyklusbeobachtung handschuh der ihr bisher unbekannten Idee vom zyklischen nutzen sie Apps, die täglich genau Auskunft Arbeiten: «In einer Berufswelt, in der Frauen geben über den Stand im eigenen Zyklus. immer noch um Gleichberechtigung beim Lohn Für wie grosse Mehr Aufmerksamkeit für das Thema Zyklus Kontroversen die und um Aufstiegschancen kämpfen, glaube ich beobachtet auch Verleger Thomas Stadelmann, Menstruation weiter- nicht, dass die Betonung der Weiblichkeit in der «Roter Mond», eine Art Kultbuch über hin gut ist, zeigte dieser Form im Moment salonfähig ist.» Menstruation von Miranda Gray, seit 2015 im letzte Woche der Die Goal-Girls aus der Berliner Agentur setzen «Pinky Glove». Die Programm hat. Um den eigenen Zyklus besser die Priorität derweil vorerst auf das Female Em- Geschäftsidee für zu verstehen, gibt es mittlerweile auch Coa- einen pinkfarbenen powerment ihrer weiblichen kreativen Fünfhun- ching-Angebote. Josianne Hosner freut sich Einweghandschuh dertschaft untereinander, um der männlich ver- über das wachsende Interesse am zyklischen zur geruchsneutralen schworenen Kreativbranche mit vereinter Kraft Leben. Sogar Unternehmen berät sie hin und und sauberen Entsor- zu beweisen, dass Frauen erstens mindestens so gung von Tampons wieder dabei, wie sie den Arbeitsalltag zyklisch gute Arbeit machen, wenn zweitens das Credo und Binden hatte in gestalten könnten. Hosner vertritt die Idee, dass der TV-Show «Die «Radical Vulnerability» lautet und man nicht jede zyklische Phase einer Jahreszeit entspricht. Höhle des Löwen» immer vorgaukeln muss, dass es einem gut geht. Für Selina Gerkens vom Winterthurer La- einen Finanzierungs- Kleinere Betriebe wie das zyklisch arbei- den Herz an Herz war das neu erlangte Zyklus- zuspruch erhalten. tende Team von Herz an Herz leisten auf dem Sowohl die Erfinder wissen durch Hosner augenöffnend. Das acht- Gebiet die Pionierarbeit im Stillen. Wie auch der Idee, zwei junge köpfige Frauenteam wendet Hosners Strategien Männer, als auch der Unternehmer Flavio Pfaffhauser, Co-Gründer im Arbeitsalltag an, was dann wie folgt aussehen potenzielle Investor von Beekeeper, festgestellt hat, kann man den kann: «Die Kollegin im inneren Frühling auch gerieten damit in den Begriff zyklisches Arbeiten bisher nicht einmal einmal bremsen und um fünf vor sechs nicht sozialen Netzwerken richtig googeln. heftig in die Kritik. noch einen ganzen Tisch umdekorieren lassen. Bei Beekeeper wie auch in anderen grösseren Sogar Ikea sprang auf Der Kollegin im inneren Winter eine warme den Zug auf und Unternehmen wie Swiss Re und der Alterna- Suppe vom Bio-Laden holen über Mittag. Die bewarb auf Facebook tiven Bank wird dafür derweil zumindest ge- komplizierte Kundin mit den Spezialwünschen einen grünen Müll- schlechtsunabhängig agiles Arbeiten beworben. wird von der Kollegin im inneren Sommer eimer mit den Wor- «Own the way you work», heisst das Prinzip ten: «Für Erfindun- zurückgerufen, da sie vermutlich am meisten bei Swiss Re. Da muss man gar nicht erst gross gen, die niemand Geduld aufbringt.» Dieses zyklische System braucht». Dem Druck über den Zyklus reden, um sich im Arbeitsalltag soll gut funktionieren, was daran liegen dürfte, der Öffentlichkeit gegebenenfalls in Eigenregie individuell daran dass viele Aufgaben zeitlich flexibel erledigt konnten die Unter- zu orientieren. werden können. nehmer nicht stand- Was es wohl braucht, insbesondere dort, wo halten und haben das Skeptisch steht Sally King, Gründerin und menstruierende Menschen nicht von flexiblen Produkt mit einer Research-Direktorin der Plattform Mens- Entschuldigung vom Arbeitsformen profitieren können, sind vor trual-matters.com, die Aufklärungsarbeit zum Markt genommen. allem auch Frauen höherer Semester, die mit Thema Menstruation leistet, der Idee vom alten Mustern brechen und statt das Leid der zyklischen Arbeiten gegenüber. «Wir müssen eigenen Unterdrückung weiterzugeben, jün- darauf achten, dass wir nicht unbeabsichtigt geren Mitarbeiterinnen ein anderes Selbstver- wirklich schädliche Überzeugungen über die ständnis ihrer Weiblichkeit ermöglichen. Und natürliche Unterlegenheit menstruierender schliesslich sollten auch Bildungsinstitutionen Arbeitnehmerinnen verstärken.» In dieser Hin- beginnen, den Zyklus ernsthaft im Unterricht sicht als problematisch wurde zum Beispiel zu besprechen, so dass bereits Mädchen und über das Thema «Menstrual Leave» in den Knaben einen positiven, schamfreien Umgang Medien diskutiert. Während sich der Chef damit erfahren. eines indischen Unternehmens mit der Einfüh- Er sollte weder als Zeichen von Schwäche rung von Menstruationsferien letztes Jahr im oder Stärke geltend gemacht werden, sondern Dienste der Enttabuisierung der Menstruation als eines von zwei biologischen Reproduktions- überhaupt sieht, sehen Feministinnen darin systemen, denen die gleiche Wichtigkeit zuge- eher eine Bevormundung im Umgang mit sprochen wird. Vielleicht müsste man dann, ihrer Menstruation und befürchten durch wie die Yogalehrerin Petra Nussbaum, die auch solche Massnahmen eher die Entwertung weib- Zyklusbehandlungen anbietet, mir schrieb, nicht licher Arbeitskraft. mehr daran erinnern, dass jeder Mann aus einem Obwohl die Gynäkologin Eva Haller ein weiblichen Schoss geboren wurde und so mit aNNa KamiNSKy Interesse am Zyklus grundsätzlich befürwor- hält Gloria Steinems dem Zyklus verbunden ist. Und Frauen würden tet und der Meinung ist, es mache das Leben Essay «If men could sich hoffentlich früher als wie ich erst im Er- menstruate» auch leichter, wenn man akzeptieren könne, dass für Männer für wachsenenalter ihres eigenen Zyklus und dessen in gewissen Zeiten Energie, Gelassenheit oder eine Pflichtlektüre. Stärken bewusst. ■ 17/2021 NZZ am SoNNtag magaZiN 23
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