Umweltchemikalien: Einfluss auf Gesundheit und Kinderwunsch - Gesundheitsbeirat der LH München Arbeitskreis Frau und Gesundheit - WECF
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Umweltchemikalien: Einfluss auf Gesundheit und Kinderwunsch Gesundheitsbeirat der LH München Arbeitskreis Frau und Gesundheit Johanna Hausmann Women Engage for a Common Future WECF e. V. München 20. September 2017
WECF – Women Engage for a Common Future • Internationales Netzwerk mit 150 Mitgliedsorganisationen in + 50 Ländern • Büros in NL, FR, CH, D – in München: WECF e.V. am Sankt- Jakobs-Platz • UNEP partner, Women Major Group Co-Lead
WECF - für eine gesunde Umwelt für alle Energie und Klimawandel Die Stimmen von Wasser & Frauen für eine sanitäre Landwirtschaft nachhaltige Versorgung & Biodiversität Entwicklung bündeln Chemikalien & Gesundheit
Chemikalien & Gesundheit Mission… …menschliche Gesundheit und Umwelt vor schädlichen Chemikalien schützen, inklusive Stoffe mit hormoneller Wirkung (EDCs) Politische Arbeit Bewusstseinsbildung Projektimplementierung
Umweltchemikalien – wo liegt das Problem? Weitreichende Exposition gegenüber Schadstoffen, inkl. EDCs (hormonell wirksame Chemikalien) in Alltagsprodukten und in der Umwelt Body burden
Umweltchemikalien werden mit der Zunahme von Erkrankungen assoziiert? z. B. Allergien, Asthma, neurologische Erkrankungen, Autismus, ADHS, Krebs, Fruchtbarkeitstörungen, Diabetes… WHO 2012, www.who.int/ipcs/publications/new_issues/endocrine_disruptors/en/ Endocrine Society 2015, https://academic.oup.com/edrv/article-lookup/doi/10.1210/er.2015- 1010 Deutsche Endokrinologische Gesellschaft 2017, http://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/schutz-vor-schaedlichen-umwelthormonen.php
Schadstoffe sind überall • in Produkten: Lebensmittel, Verpackungen, Textilien, Spielzeug, Möbel, Kosmetik, Reinigungsmittel, Elektronische Geräte, Renovierungs- und Baumaterialien, … • über Nahrung, Atmung, Haut im Menschen
Art und Wirkung von Schadstoffen • langlebig • anreichernd im Körper • neurotoxisch • krebserregend • allergieauslösend • reprotoxisch • genverändernd • hormonell wirksam (SVHC: REACH Kandidatenliste, SIN-Liste, TEDX Liste)
Problematische Chemikalien Chemikalie Vorkommen Bisphenol A (BPA): Polycarbonat, Konservendosen, Thermopapier, Epoxide Kunststoffgeschirr, PVC, reprotoxisch, ED Lebensmittelverpackungen, Medizinprodukte, CDs etc Phthalate: Weichmacher für Teppichböden, Kunststoffe (DEHP, DBP, BBP, Lebensmittelverpackungen, DINP, DIDP, DNOP) Duschvorhänge, reprotoxisch, C Körperpflegeprodukte, Textilien Organozinnverbindungen: PVC-Produkte, Textilien, Konservierungsstoffe, Biozide, Beschichtungen z.B. Backbleche, Stabilisatoren (auch krebserregend) Luftmatratzen, Holzschutzmittel
Problematische Chemikalien Chemikalie Vorkommen Nonylphenole: auch toxisch, Haushaltsreiniger, Kosmetika, ätzend, umweltgefährlich, ab Lebensmittelverpackungen, Konzentration von 0,1% in EU Desinfektionsmittel, Wandfarben, verboten Pestizide ED Parabene: Konservierungsstoffe, Körperpflegeprodukte, Kosmetika, schützt vor Schimmel und Lebensmitteln, Schuhputzmittel, Bakterien, z.B. Methylparaben, Arzneimittel Butylparaben, E214 – E219 ED Chemische UV Filter: z.B. Sonnenschutzmittel, Kosmetika Benzophenon, Ethylhexyl etc.
Body Burden Bis zu 300 körperfremde Stoffe in jedem von uns
Ergebnisse des Kinder-Umwelt-Survey (UBA 2003-2006 und 2009) • Bei 591 von 599 Kindern zwischen 3 und 14 Jahren wurde im Blut BPA gefunden (2003/2006 Kinder-Umwelt-Survey) • Mehr als 30% der Kinder sind zu hoch belastet mit Phthalaten (Überschreitung des HBM-I-Wertes) (Untersuchung des Institutes für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin der Uni Erlangen, 2007 Metabolite der Phthalate in Urinproben) Belastung von Kindern mit Phthalaten nicht tolerabel Vorsorgemaßnahmen zur gezielten Minderung der Exposition
Laut WHO sind •24% aller Erkrankungen weltweit durch vermeidbare Umweltexposition (z.B. durch Verunreinigung von Wasser, Luft, Böden, Nahrung) begründet sowie auch •33% aller Krankheiten von Kindern unter 5 Jahren
Größe des Problems Exposition steigt • Chemikalienproduktion global: 1970: US$ 171 Mrd 2010: US$ 4,12 Billionen • Bisphenol A: 2006: 3,8 Tonnen, 2015: 7 Tonnen • Gesamtausgaben für Pestizide stieg in Südafrika zwischen 1999 und 2009 um 59%; voraussichtlich werden die Ausgaben um weitere 59% steigen zwischen 2009 und 2019 Source: Global Chemical Outlook
Schützen uns Gesetze? • 97% aller Chemikalien sind nicht auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen getestet • EU: REACH Gesetzgebung, keine Regulierung von hormonell wirksamen Stoffe • Jeder Staubsauger ist besser getestet als gefährliche Chemikalien “Die wissenschaftliche Basis zur besseren Regulierung von Unweltchemikalien inklusive endokrinen Disruptoren ist vorhanden – nur die POLITIK hat bisher versagt” (Prof. Andreas Kortenkamp)
Frühe Exposition und sensible Phasen Quelle: https://toxicfreefuture.org/science/research/earliest-exposures/
Quelle: www.nytimes.com/2017/06/01/opinion/toxic-chemicals-pregnancy-fetus.html?_r=0
Beispiel: lebenslange Effekte durch frühe Exposition • Jeder sechste Mann in Europa leidet unter einer verminderten Spermienqualität • Schäden an den Fortpflanzungsorganen (z.B. Hypospedias) • Studien zeigen eine Verbindung von pränataler Exposition von endokrinen Disruptoren, wie Phthalaten. z.B. Carlsen E., et al (1992), British Medical Journal 305. See also van Waeleghem, K., et al (1996), Human Reproduction 112.
FIGO Statement 2015
Chemikalien und Frauen www.wecf.eu/english/publications/2016/women_chemicals.php
„Frauen und Kinder zuerst“ Umweltchemikalien und Gender • Frauen sind anders als Männer durch Schadstoffe betroffen • Frauen sind teilweise anderen Expositionsquellen ausgesetzt (z.B. Produkte, Arbeitsplatz, Umweltfaktoren)
Frauen, Kinder und Umweltgifte • Frauen geben Schadstoffe und deren Wirkung an ungeborene Kinder im Mutterleib und durch Stillen weiter • Kinder sind stärker von Umweltgiften betroffen, da sich ihre Organe noch entwickeln, ihre Abwehrsystem noch nicht ausreichend ist und sie z. B. eine höhere Stoffwechselrate haben Mehr Informationen durch Gender-sensitive Forschung notwendig
Problematische Stoffe Hormonell wirksame Chemikalien – EDCs, Endocrine Disrupting Chemicals
EDCs- Endocrine Disrupting Chemicals - Hormonell wirksame Stoffe • Mimen körpereigene Hormone • Wirken ähnlich wie Hormone oder blockieren die Wirkung von Hormonen • können Wachstums-, Entwicklungs- und Fortpflanzungsvorgänge beeinträchtigen • gesamte Hormonsystem • sind auch in sehr niedrigen Konzentrationen wirksam (Niedrig-Dosis-Wirkung)
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EDC-Beispiele • Östrogenartig wirkende Substanzen sind: Bisphenol A, DDT, PCBs, Nonylphenole, einige Phthalate • Bromierte Flammschutzmittel wie polybromierte Biphenyle (PBB) wirken östrogen und anti- androgen • Organozinnverbindungen sind antiöstrogen und androgen • Andere bekannte Stoffe: Glyphosat, Parabene, Fipronil
Einige hormonell wirksame Chemikalien wie DDT, PBB oder PCB sind schon seit 30 Jahren verboten, doch immer noch werden diese Schadstoffe in der Umwelt sowie im Menschen und in Tieren nachgewiesen
Kern des Problems… Mehr als 1.300 wissenschaftliche Studien zeigen den Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber EDCs und der Zunahme von o hormonbedingtem Krebsarten, o Diabetes, o Adiposidas, o Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern (ADHS), o Fruchtbarkeitsstörungen Sensibelste Gruppe: Schwangere Frauen und Kinder
Tendenz: steigend Quelle: US CDC / US National Center for Health Statistics
Brustkrebs in Deutschland 1980-2010 140 120 Fälle je 100.000 (Europabevölkerung) 100 Brustkrebs 80 erwartet 60 Mortalität 40 20 0 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 Quelle: Dachdokumentation Krebs, RKI 2008, 2014 (recalc) 26.01.2016 Umwelthormone Berlin 2016
Trend: Hodenkrebs in Deutschland 1980-2010 10 9 Fälle je 100.000 (Europabevölkerung) 8 7 6 Hodenkrebs Neuerkrankungen 5 erwartet 4 3 2 1 0 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 Quelle: Dachdokumentation Krebs, RKI 2008, 2014, recalc. 26.01.2016 Umwelthormone Berlin 2016
Hormonanhängige Krebsformen SCHLUSSFOLGERUNGEN DES WHO / UNEP STATE OF THE SCIENCE REPORT 2012 – ZITAT UBA Eine Rolle von Umwelthormonen bei der Zunahme hormonell •Die Zunahme der mit Hormonen verbundenen abhängiger Krebsformen ist biologisch plausibel Krebsformen kann nicht durch genetische Faktoren erklärt werden. •Umweltfaktoren einschließlich der Exposition gegenüber Chemikalien spielen eine Rolle, wenige davon konnten jedoch bisher charakterisiert werden. •Für Tumore der Brust, des Endometriums, der Eierstöcke und der Prostata ist die Rolle körpereigener und therapeutischer Hormone gut nachgewiesen. Dies macht es biologisch plausibel, dass Xenoöstrogene auch zum Risiko beitragen. Umwelthormone Berlin 2016
Wer zahlt…? Gesundheitskosten in Zusammenhang mit EDC bedingten Erkrankungen circa 158 Milliarden EURO pro Jahr (Source HEAL: www.env-health.org/news/latest-news/article/health-costs-in-the-eu-how-much-is ) Menschen, mit Gesundheitsbeeinträchtigungen
Hormonell wirksame Chemikalien und Kinderwunsch
Fortpflanzungsstörungen bei Frauen • Abweichende Anzahl von Chromosomen (Aneuploidie) • Fehlgeburten, Präeklampsie, intrauterine Wachstumsverzögerung, Frühgeburt • Uterine Fibroide (Gerbärmuttermyome) • Endomitriose • Polyzystisches Ovarialsyndrom • Menstruale Unregelmäßigkeiten Quelle (auch für die folgenden Folien): Gestörte Weiblichkeit, www.wecf.eu/german/publikationen/endokrine-disruptoren.php
Aneuploidie • Das befruchtete Ei hat zusätzliche oder fehlende Chromosomen • Studien mit Mäusen zeigen, dass Tiere die BPA ausgesetzt waren – auch sehr niedrigen Dosen – einen dramatischen Anstieg von Aneuploidie aufweisen.
Fehlgeburten • Bei 21% der bekannten Schwangerschaften treten Fehlgeburten auf • Ursachen können u.a. sein: Aneuploidie, mangelhafte Spermienqualität, Hormonstörungen • Erhöhung des Risikos durch kontrazeptive Hormone im ersten Trimester u.a. DDT, Glyphosat, Roundup, BPA, Östrogene, PFAS
Uterine Fibroide (Gerbärmuttermyome) • Etwa 20-30% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter haben Myome • Gutartige Tumore, die Beckenschmerzen, heftige Blutungen, Unfruchtbarkeit hervorrufen können • Studien zeigen, dass sich Zellen durch die Belastung mit EDCs schneller teilen, das Myom wächst schneller • Risiko erhöht sich bei Exposition gegenüber BPA während der fötalen Entwicklung
Endometriose • Gebärmutterschleimhaut wächst außerhalb der Gebärmutterhöhle, statt innen • Endometriose ist der Hauptgrund weiblicher Unfruchtbarkeit • 5 bis 7% der Frauen sind betroffen in D. 30.000 Neuerkrankungen jährlich • Chemikalien die E begünstigen: DDT, Dioxin, Phthalate, PCBs, Pestizide etc. • Effekte sowohl während der fötalen Entwicklung wie auch später
Fortpflanzungsstörungen bei Männern • Geburtsschäden wie Kryptochidismus (Verborgensein des Hodens in der Bauchhöhle, als Fehler der Bildung) oder Hypospadie (Entwicklungsstörung der Harnröhre) • Geringe Spermienanzahl und -qualität • Hodenkrebs
Hypospadie • Entwicklungsstörung der Harnröhre • Während der Entwicklung des Fötus kann eine Störung der Androgenproduktion zu Hypospadie führen Quelle: Sharpe und Irvine, 2004 • Pränatale Exposition gegenüber Phthalaten
Geringe Spermienzahl • Laut WHO kann eine Spermienanzahl von < 20 Millionen/ml zu Unfruchtbarkeit führen • Die Durchschnittliche Spermienzahl bei jungen Männern in Europa ist ca. 40-64 mio/ml • 20-25% liegen bei < 20 mio/ml • Entwicklung der Spermien kann durch EDCs beeinflusst werden Quelle: Sharpe und Irvine, 2004
Trend: Spermiendichte in Deutschland Trend Sperm Densities in Germany 120 Swan (1997) (Europa) 100 Spermiendichte in Mio/ml 80 Licht (1998) Thierfelder (1999) 60 40 . Paasch (2008) Glöckner (1998) 20 0 Jahr Quelle: Vortrag Umweltbundesamt, 26.01.2016 Andeas Gies, www.wecf.eu/german/news/2016/Parlament-Abend.php Umwelthormone Berlin 2016
Und nun…
Wir wissen • Umweltchemikalien sind überall und beinträchtigen die Gesundheit • schon kleine Mengen an EDCs können die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen • die Wirkung von Mischungen ist nicht untersucht • es gibt kaum schützende Gesetze • es gibt oft keine Deklarationspflicht • es gibt viele wissenschaftliche Studien zu EDCs • Es gibt keine Wissenschaft ohne Unsicherheit • Es gilt: das Vorsorgeprinzip
WHO (2012): EDCs als "globale Bedrohung“… die angegangen werden muss WHO /UNEP, State of the Science of Endocrine Disrupting Chemicals 2012 FIGO (2015): Aufklärung und Information und politische Forderungen Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (September 2017) Schärfere Bestimmungen zum Schutz vor schädlichen Umwelthormonen nötig
Was wir brauchen • Implementierung der Rio Prinzipien (Vorsorgeprinzip, Right to know, Beweislastumkehr, Verursacherprinzip (polluter pays), no data – no market) • Globales Verbot von besonders schädlichen Stoffen und gefährlichen Technologien – Gesetze, die schützen • Deklaration von gefährlichen Stoffen • Mehr Bewusstseinsbildung für VerbraucherInnen, Gesundheitsexperten, Multiplikatoren und politische Entscheidungsträger…
Abhilfe ist nötig WECF Arbeit zu Umweltchemikalien NGOs Informieren und Bewusstsein bilden Politische Lobbyarbeit Brücken bilden zwischen Wissenschaft, Politik, Medien und Behörden
Building coalitions for advocating: www.edc-free-europe.org/
Copyright/Foto: WECF
WECF Nestbau…
WECF aktiv in München Workshops in KITAS, Workshops für Hebammen, Start ins Leben, Projekt Umweltgerechtigkeit
Was können Sie, was kann eine Stadt wie München zum Schutz vor Umweltchemikalien tun?
• Bewusstsein zur Vermeidung von Umweltschadstoffen schaffen • Aufklärung: Mitarbeiter(innen), Politikverantwortliche, Bevölkerung, KITAS, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Geschäftsleute, etc. • Bewusste Beschaffung, Vermeidung von Produkten mit Schadstoffen - EDC freie Produkte • Gesundes Bauen • Reduzierung der Exposition durch bewusstes Verhalten • Umsetzung der SDGs und….
…einen Blick nach Madrid wagen Madrid goes EDC free! • News posted by lloyd.evans on July 25, 2017 • Europe • At the end of June the city of Madrid approved a motion with a set of measures to reduce citizen’s exposure to Endocrine Disrupting Chemicals (EDCs). The motion was proposed by Ecologistas en Acción and HCWH Europe member Fundación Alborada, around a year ago. After several meetings and months of discussion with politicians of Ahora Madrid and the Socialist Group, as well as with health and environment officers, an agreement was finally made.
WECF & 17 SDGs WECF scope and expertise
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ☺ Johanna Hausmann, WECF
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