Neue Arbeitswelten? - Urban Forum
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01/2021 Die Zeitschrift für den Lebensraum Stadt. Neue Arbeitswelten? Buchtipp: Working Class S2 Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können COVID-19 und der österreichische Arbeitsmarkt S4 Gastkommentar von Gerald Fröhlich Digital und smart und kommunal und los S6 Gastkommentar von Markus Schröcksnadel
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser! Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung. Dieses Heraklit zugesproche- ne Zitat hat bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt. Vor allem die Arbeitswelt scheint mehr als je zuvor im Umbruch zu sein. An- haltende Trends wie die Digitalisierung haben in Zeiten von Homeoffice und Distance Lear- ning weiter an Fahrt aufgenommen. Mit die- ser Ausgabe unserer Zeitschrift mit dem Titel Mag.a (FH) Anita Oberhofer „Neue Arbeitswelten?“ wollen wir einen ist Chefredakteurin Einblick in die aktuellen Entwicklungen am von Urban Forum Arbeitsmarkt geben und diese von verschie- denen Standpunkten beleuchten. Mit unserem Verlag, der Urban Future Edition, len Forum Wien und dem Institut für Umwelt, wurden wir für den renommierten AUSTRIAN Friede und Entwicklung für das Buch „Pers- SDG-AWARD nominiert. Diese Initiative des pektiven 2030 – 17 Ziele für den Weg in eine Ethik-Beirates des Senats der Wirtschaft hat lebenswertere Zukunft“ entgegennehmen. zum Ziel, Pioniere bei der Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) einem breiten Urban Forum – eine starke Stimme Publikum bekannt zu machen. Wir durften die für die Städte! Nominierung gemeinsam mit dem Ökosozia- Impressum: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Urban Forum Egon Matzner-Institut für Stadtforschung Zeitschrift auf eine geschlechtsneutrale Formulie- rung, wie z. B. BürgerInnen, EinwohnerInnen, Chefredaktion: Mag.a (FH) Anita Oberhofer WissenschaftlerInnen etc. verzichtet. Selbstver- Tel.: +43/2622 21132 | Fax.: +43/2622 21388 | E-Mail: office@urbanforum.at | www.urbanforum.at ständlich richten sich alle Formulierungen gleicher- Neunkirchner Straße 15/7, 2700 Wiener Neustadt | ZVR-Zahl: 169347700 | Foto Titelseite: © Adobe Stock maßen an beide Geschlechter. BUCHTIPP Working Class Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können von Julia Friedrichs „Ihr werdet es einmal schlechter haben!“ die Ursachen für diesen großen gesellschaft- Die Generation nach den Babyboomern ist lichen Umbruch, wann fing es an? die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, die Julia Friedrichs spricht mit Wissenschaftlern, ihre Eltern mehrheitlich nicht wirtschaftlich Experten und Politikern. Vor allem aber be- übertreffen wird. Obwohl die Wirtschaft ein gleitet sie Menschen, die dachten, dass Ar- Jahrzehnt lang wuchs, besitzt die Mehrheit in beit sie durchs Leben trägt, die reinigen, diesem Land kaum Kapital, kein Vermögen. unterrichten, Tag für Tag ins Büro gehen und Sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbei- merken, dass es doch nicht reicht. Sie sind die ten ist schwieriger geworden, insbesondere ungehörte Hälfte des Landes. Dieses Buch er- für die, die heute unter 45 sind. Die Hälfte von zählt ihre Geschichte. ihnen fürchtet, im Alter arm zu sein. Was sind ISBN: 978-3-8270-1426-9, 320 Seiten Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH 2
WISSENSWERTES Wenn die Ausnahme zur Regel wird Der Energiesektor im Umbruch Die Arbeitswelt ist im Wandel, jeder dritte bis vierte Job ändert sich stark in Richtung IT und Datenwissen. Blockchain- und Drohnenspezi- alisten, Datenanalysten sowie Chatbot-Pro- grammierer werden plötzlich für den Energie- sektor relevant. Dass die Energiebranche im Umbruch ist, hat Wien Energie mit Deloitte in der Studie „Die Zukunft der Arbeit im Energiesektor“ bereits im Vorjahr aufgezeigt. Durch Digitalisierung und Generationenwechsel ist man mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Hierfür sucht Wien Energie die besten Köpfe und tritt damit auch in einen immer härteren Kampf unter- schiedlicher Branchen im selben Talente-Topf. Wien Energie hat hier die Weichen bereits Richtung Zukunft gestellt. Alleine in den ver- © Wien Energie/Ehm gangenen Jahren wurden bei Wien Energie rund 50 neue Jobs geschaffen, die es in dieser Form bislang noch nicht gab. In den nächsten Corona hat nicht nur unseren privaten Alltag Kinder aus dem Kindergarten holt und am fünf Jahren entstehen insgesamt rund 250 stark beeinflusst, auch im Berufsleben hat Abend zuhause die Präsentation fertigmacht. neuartige Stellen. sich viel verändert. Binnen weniger Tage Oder ob die Controllerin das Wochenende am Es geht darum, die Vorteile, die sich aus der wurden ganze Abteilungen, ganze Betrie- Zweitwohnsitz im Burgenland verbringt, den Digitalisierung ergeben zu nutzen, um hö- be auf Homeoffice umgestellt – so auch bei Montag einfach noch dranhängt und Mails aus here Stufen der Effizienz und Produktivität Wien Energie. Das Unternehmen nimmt den dem Garten bearbeitet. zu erreichen. Wien Energie gibt ihren Mitar- Digitalisierungsschub durch Corona zum An- „Es ist für den Erfolg der Arbeit irrelevant wo beiterinnen und Mitarbeitern dafür den best- lass, ein neues Arbeitsmodell zu etablieren. und wann, es geht um das Ergebnis“, erklärt möglichen Rahmen, mit dem neuen flexiblen Katharina Polomini, Leiterin des Personalma- Arbeitsmodell wird der nächste große Meilen- Kundenanfragen vom Wohnzimmertisch be- nagements von Wien Energie. „Damit steigt stein erreicht. antworten, Besprechungen digital durchfüh- die Bedeutung der einzelnen Tätigkeiten, ren, E-Mails im Park beantworten. Mit New durch die individuelle Zielsetzung die Verant- Work – also einer neuen Arbeitsweise im di- wortung jedes Mitarbeiters, jeder Mitarbeite- Weitere Details unter gitalen und globalen Zeitalter – ist das künftig rin und damit auch die Bindung zum Unter- wienenergie.at/karriere die Realität. Spätestens mit Beginn der Corona nehmen.“ krise und dem Lockdown hat sich gezeigt: Es ist möglich und es funktioniert. Mit diesen Erfah- Weit mehr als Homeoffice rungen startet Wien Energie eine Trendwende in der Energiebranche. Das Unternehmen hat Wer bei Wien Energie arbeitet, arbeitet künf- im Oktober 2020 ein neues, flexibles Arbeits- tig zeitlich flexibel und ortsunabhängig. Damit modell eingeführt und ist damit Vorreiter unter will Wien Energie am hart umkämpften Fach- den österreichischen Industrieunternehmen. kräftemarkt, im War of Talents punkten. Für Den Schritt zum flexiblen Arbeiten hat Wien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet Energie schon länger vorbereitet, die Erfah- das flexible Arbeiten eine bessere Vereinbar- ©Wien Energie rungen durch die Corona-Pandemie haben die keit von Beruf und Privatleben, die Möglichkeit Umsetzung deutlich beschleunigt. Im Fokus private Termine in den Berufsalltag zu integrie- steht das gemeinsame Erreichen der Unter- ren, den Wegfall von Anfahrtszeiten oder auch nehmensziele, die Anwesenheit am Arbeits- die Rush-Hour umgehen zu können. platz rückt in den Hintergrund. „Das wesentlichste Argument für ein mo- Mag. Katharina Polomini dernes Arbeiten ist aber der harte Kampf am Wien Energie Eine neue Ära in der Unternehmenskultur Fachkräftemarkt. Wien Energie muss sich von anderen Industrieunternehmen unterschei- Es ist dann unerheblich, ob der Projektma- den, um im War of Talents erfolgreich zu nager vormittags im Büro arbeitet, dann die sein“, so Polomini. 3
GASTKOMMENTAR COVID-19 und der österreichische Arbeitsmarkt Die Corona-Krise dauert mittlerweile schon Ein weiterer alarmierender Befund: Der An- über ein Jahr. Politische Maßnahmen werden stieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Nicht nur im Wochenrhythmus gesetzt und auch wie- persönliches Leid entsteht, sondern auch die KONKRET: der abgeändert. Dem Arbeitsmarkt in Öster- hohen volkswirtschaftlichen Kosten sind be- • Im Bereich der Langzeitarbeitslosen reich kommt hier besondere Bedeutung zu. sorgniserregend. können mit einer Jobgarantie regional Seit März 2020 befinden wir uns auch in die- sinnvolle Jobs geschaffen werden. sem Bereich im Krisenmodus. Ganz beson- Die Corona-Kurzarbeit – wirksames Tool um ders stark betroffen: Frauen, junge Erwach- Arbeitslosigkeit und große Einkommens- • Eine echte Qualifizierungsoffensive sene und Langzeitarbeitslose. verluste am Arbeitsmarkt zu verhindern die in Richtung Zukunftsberufe ori- entiert ist: Pflege, Betreuung, techni- Steigende Arbeitslosigkeit – die Uhr tickt. Das Corona-Kurzarbeits-Modell hat einen sche Berufe und im Bereich der klima maßgeblichen Beitrag dazu geleistet, dass freundlichen Technologien. Im Februar 2020, vor dem Ausbruch der Coro- die negativen Wirkungen der Rezession – zur • Die Corona-Kurzarbeit hat es gezeigt, na-Pandemie in Österreich, lag die Arbeitslo- Spitzenzeit waren bis zu 1,3 Mio. Arbeitneh- und die daraus gewonnenen Erfah- sigkeit bei knapp 400.000 Personen. Mit dem merInnen in Kurzarbeit – auf die Beschäftig- rungen können herangezogen wer- ersten Lockdown im März 2020 schlug die Kri- ten in Grenzen gehalten wurden. Das von den den, um über staatlich geförderte se auf dem Arbeitsmarkt ein. Explodierende Sozialpartnern in kürzester Zeit ausverhan- Arbeitszeitverkürzungsmodelle nach- Arbeitslosenzahlen waren die Folge. Regio- delte Instrument zeigt überdies auch, dass zudenken – die Kosten im Vergleich zur nal zeigen sich Unterschiede. In Tirol ist der die Sozialpartnerschaft funktioniert und auch Alternative Arbeitslosigkeit zeigen, stärkste Anstieg an Arbeitslosigkeit zu ver- als ein wesentliches Element des österreichi- dass es leistbar sein kann. zeichnen. Besonders ArbeitnehmerInnen aus schen Sozialstaates zukunftsträchtig ist. der Gastronomie, dem Tourismus sind daher • Bessere Existenzsicherung der ar- mit einer höheren Arbeitslosigkeit und Be- Was gilt es politisch zu tun, um die wich- beitslosen Menschen. Die Erhöhung schäftigungsrückgängen konfrontiert. Neben tigsten unmittelbaren Herausforderungen der Nettoersatzrate hilft Menschen diesen Branchen hatten auch der Handel und am österreichischen Arbeitsmarkt zu unmittelbar – ein weiterer positiver die Verkehrsbranche (Flugverkehr) mit massi- stemmen Effekt: Das Mehr an Geld, geht unmit- ven Auswirkungen zu kämpfen. telbar in die regionale Wirtschaft. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gilt es • Die Arbeitslosigkeit ist massiv gestie- Besonders betroffen: Frauen, junge nun rasch zu handeln. Die Eckpunkte: Quali- gen, die Personalausstattung des AMS Erwachsene und Langzeitarbeitslose fizierung, öffentliche Beschäftigung, bessere nicht – hier gilt es rasch Entscheidun- Einkommenssicherung während der Arbeits- gen zu treffen und in eine bessere Frauen sind durch die Corona-Krise enorm losigkeit und ein personell gut ausgestattetes Personalausstattung zu investieren. gefordert, nicht nur durch stärker steigende Arbeitsmarktservice für eine gute und effek- Hier spart man an der falschen Stelle! Arbeitslosigkeit sondern auch noch durch tive Betreuung und Vermittlung arbeitsloser steigende Arbeits- und Mehrfachbelastun- Menschen. gen durch die Krise, denn die Hauptlast der zusätzlichen Betreuung von Kindern oder zu pflegenden Angehörigen tragen in unserem Land noch immer mehrheitlich die Frauen. Jugendliche und junge Erwachsene, insbeson- dere am Übergang von Ausbildung zur Arbeits- welt, trifft die schwierige, von starker Unsi- cherheit geprägte Situation, am Arbeitsmarkt. Steigende Jugendarbeitslosigkeit und Pers- pektivlosigkeit für die Nachfolgegenerationen werden uns noch längere Zeit beschäftigen. © AKNOE © Bigstock Mag. Gerald Fröhlich Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich 4
INTERNATIONAL Zusammenarbeit im Bereich Berufsausbildung auf Basis von Partnerstädte-Beziehungen Bisherige Entwickelung der chinesischen mit modernen Anlagen verfügen. Die Dozen- Folglich lässt sich nachstehende Vorgehens- Berufsausbildung ten (extern eingeladenen Fachspezialisten) weise der Zusammenarbeit zwischen Europa bringen den Schülern die Praxis bei. Die meis- und China vorschlagen: Die Mehrheit der heutigen chinesischen Be- ten chinesischen Berufshochschulen fordern, 1. Festlegung eines Pilotprojekts durch die rufshochschulen wurde in den 1940/50er-Jah- dass die Schüler mindestens sechs Monate europäischen und chinesischen Partner- ren gegründet. Seit 2004 beginnt der Fu- bei einem Betrieb/einer Fabrik ein Praktikum städte. sions- und Modernisierungsprozess dieser machen müssen. 2. Bildung eines Projektteams aus einer Berufshochschulen nach deutschem Vorbild. europäischen Ausbildungseinrichtung, Bis 2015 hat Chinas Regierung über 50 Mrd. Zeitliche und finanzielle Optimierung einer chinesischen Berufshochschule, Euro in mehr als 200 Berufsausbildungshoch- einer chinesischen Produktionsfirma und schulen investiert. Diese Hochschulen können Die Haltung der meisten chinesischen Unter- beiden Partnerstädten. sich zu modernen Ausbildungseinrichtungen nehmen zur unternehmerischen Teilnahme an 3. Erarbeitung eines dualen Lehrplans und entwickeln, die jeweils über 10.000-30.000 der Berufsausbildung ist häufig zwiespältig. Durchführung dieses Plans in einer Ver- Schüler verfügen. Jener Prozess führt zu deut- Einerseits sind viele Unternehmen mit man- suchsklasse. Die Anzahl der Schüler in lich verbesserter Ausbildungsqualität. Dies gelnden Arbeitserfahrungen der Absolventen der Klasse ist von der Forderung der Pro- zeigt sich daran, dass die chinesischen Ausge- aus den Berufshochschulen unzufrieden, an- duktionsfirma abhängig. bildeten häufig bei internationalen Berufsaus- derseits aber sind viele Betriebe nicht bereit, 4. Die Leistung des Wissenstransports bildungsturnieren, wie z. B. WorldSkills, Preise die Lehrlinge zu bezahlen. Finanziell ist das durch europäischen Partner wird durch gewonnen haben. duale System für die Unternehmen günstiger: die staatlichen Fördermittel finanziert – Nehmen wir eine chinesische Firma aus Har- daher ist die Unterstützung der Partner- Unterschied zum deutschen System bin, die Automobil-Bauteile produziert, als städte-Verwaltungen besonders wichtig. Beispiel: Dieses Unternehmen bezahlt jedem 5. Wenn der Versuch erfolgreich ist, kann Es gilt nicht für alle Berufe, aber das deutsche Praktikanten den Monatslohn in Höhe von ca. das Projekt erweitert werden. und österreichische duale System ist meistens 1.800,-- RMB, dem neu eingestellten Arbeiter wie folgt aufgebaut: Die Ausgebildeten be- über 4.000,-- RMB. Aber erst nach einem Jahr Die Zusammenarbeit im Bereich Ausbildung werben sich zunächst bei den Unternehmen kann dieser neue Arbeiter – nach dem Lernen ist eine der wichtigsten Eckpfeiler an regio- um die Lehrlingsplätze. Die aufgenommenen – im Betrieb voll eingesetzt werden. Im Fall naler Zusammenarbeit zwischen China und Lehrlinge verbringen 2/3 ihrer Ausbildungs- eines dualen Systems verdient jeder Lehr- Europa. Mit vielen durch duale Systeme aus- zeit in den Unternehmen. Während der rest- ling während der Ausbildungszeit schon den gebildeten Fachkräften wird es möglich, wirt- lichen Zeit werden die Lehrlinge zur dualen Praktikantenlohn. Dieser ist deutlich niedri- schaftliche und technische Zusammenarbeit Hochschule geschickt, wo sie passend zu ger als der Arbeiterlohn, der Lehrling kann fließender und reibungsloser zu realisieren. praktischer Ausbildung die Theorie lernen. aber ab dem zweiten Ausbildungsjahr (noch Diese Theorieausbildung wird durch den Staat nicht überall, aber zur Erfüllung mancher Auf- finanziert. Die Unternehmen bezahlen den gaben) eingesetzt werden. Damit verdienen Lehrlingen den Lohn. Die Absolventen kön- die Arbeiter nicht weniger, die Unternehmen nen sofort als qualifizierte Arbeiter eingesetzt sparen mehr. werden. In China findet die Berufsausbildung einschließlich des praktischen Teils in den Schulen statt, die über fabrikähnliche Labors © zVg Huixin Luan Germanistik-Gastdozentin an der Heilongjiang International University, China und © Bigstock Doktorandin des Germanistik Institus an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland 5
GASTKOMMENTAR Digital und smart und kommunal und los Die Zukunft ist schon entschieden. Gesell- Kultur bedeutet Offenheit und Mut für neue weise mit dem digitalen Gästemeldewesen schaft, Politik und Wirtschaft wollen digital Wege in Politik und Verwaltung, vor allem inklusive sicherer und datenschutzkonfor- und smart werden, sind es auch schon. Die auch im Zusammenwirken mit digitalen Inno- mer Verarbeitung von staatlichen Dokumen- Pandemie hat Stärken und Schwächen im vationstreibern aus Universitäten und Unter- ten. Digital sein verbindet, wie unsere neue Projekt aufgezeigt. Die Erkenntnisse der letz- nehmen. Diese Kultur hat in den Rathäusern SmartTownApp von intermaps als Kommu- ten Monate treiben Politik und Wirtschaft durchaus schon eine Heimat gefunden. Die nikations- und Infozentrale für BürgerInnen zum Handeln. Eine wichtige Frage wird nicht Konsequenz, alle Maßnahmen im enormen und Gäste – nicht nur für Freizeitaktivitäten, nur im aktuellen Kontext aufgeworfen: Wie Aufgabenfeld von Kommunen immer digi- sondern auch für die aktive Zusammenarbeit geht diese Zukunft für alle Menschen los? tal und smart mitzudenken sowie auch mit der Menschen in der Gemeinde – zeigen wird. Ohne kommunal kein digital! Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft Kommunen und Unternehmen sollen und umzusetzen, hat aber noch Potenzial. Vor al- müssen auch in der vierten industriellen Re- Städte waren immer und sind die Träger neuer lem sind die Städte und Gemeinden in vielen volution gemeinsam für das Zusammenleben, gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. Die- Lebensbereichen aber auch unmittelbare Kul- moderne Infrastrukturen und nachhaltige In- se DNA verbindet mit dem Unternehmertum turvermittler und „Mutmacher zum Können“ novationen sorgen. Dieses Duo braucht die und beide bedingen einander und brauchen für ihre BürgerInnen. Kommunen sind so auch Gesellschaft auch, um sozial und sicher leben sich. Die Geschichte kennt dafür unzählige hier der unverzichtbare Link der Menschen in zu können und für Arbeit und Wohlstand zu Beispiele. Die aktuelle industrielle Revolution die digitale Zukunft. Vor allem aufgrund ihrer sorgen. Auf diesem Weg müssen wir aus der wird als die vierte bezeichnet und soll sogar vielen Aufgaben und Kompetenzen, Authen- Logik der Sache und im Sinne der Gemein- die ganze Welt zum Dorf machen. Digital und tizität und Glaubwürdigkeit geht digital ohne schaft natürlich alle mitnehmen, denn digital smart sind auch deshalb alternativlos, weil kommunal ganz einfach nicht. Und es geht und smart kann man nur werden, wenn alle die Menschen dafür heute schon Mehrheiten nicht ohne Können und Ausbildung und Bil- mitmachen (können). Ohne kommunal kein bilden, vor allem in den Cities. dung und Wissenschaft – aber hier sind vor digital und dann geht´s erst so richtig los! Den Kommunen kommen logisch und prak- allem andere Körperschaften gefragt und ge- tisch dabei entscheidende Aufgaben zu. Breit- fordert. band und 5G stellen bereits heute eine neue Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben die www.feratel.at Art von „Daseinsvorsorge“ für BürgerInnen große Aufgabe, und Chance viele Lebensbe- und Unternehmen vor Ort dar. Dabei fällt po- reiche für die Menschen durch Digitalisierung sitiv in einem Bild formuliert auf: Der digita- zu vereinfachen und verbessern. Beispiele le Zug ist auf Schiene und steht unter Strom. aus der Praxis darf ich doch aus unserem Haus Während bei größeren Infrastrukturprojekten nennen: Wir kommen aus dem Tourismus und in der Mobilität oder im Energieerzeugungs- sind vom Start 1978 und ab 1999 weg mit bereich der Protest den Bedarf oft über- den ersten „digitalen Lösungen“ engstens stimmt, sind „Datenautobahnen“ und sogar mit den Kommunen verknüpft. Beispiels- deren Herstellung positiver konnotiert und breiter akzeptiert. Und vor allem die Städte machen Tempo. Die Hardware stimmt auch individuell, das Smartphone ist längst per- sönlicher Begleiter aller Gruppen der Gesell- schaft. Wo fehlt´s dann? Die Antwort aus mei- ner Sicht: Kultur, Konsequenz und Können. Wo fehlt´s dann? Die Antwort aus meiner Sicht: © feratel media technologies ag Kultur, Konsequenz und Können. Dr. Markus Schröcksnadel Vorstand feratel media technologies ag 6
GASTKOMMENTAR Urbane Besonderheiten im Kostenersatz für Impfstellen nur unzureichend berücksichtigt Gemeinden werden in der COVID-19-Impf- Kostenersatz für die Anmietung von Räumlich- strategie (Ministerratsvortrag 39/10) als keiten ausgeschlossen wurde und Freiwillige „Partner in der regionalen Ausrollung“ be- als integraler Bestandteil der Aktion gesehen zeichnet. Wie sich diese in der Impfstrategie werden. Die Besonderheiten urbaner Räume, definierte Rolle im Detail gestaltet, ist vom in denen Tests (sowie künftig Impfungen) jeweiligen Bundesland abhängig, denn die notwendigerweise auch unter der Woche in Steuerung der Organisation und Durchfüh- größeren Räumlichkeiten durchgeführt wer- rung in den regionalen Impfstellen obliegt den müssen und in denen das Vereins- und den Bundesländern. Diese entscheiden Freiwilligenwesen einen geringeren Stellen- etwa, inwiefern auf den Sektor der nie- wert einnimmt, wurden von Anfang an nur in dergelassenen ÄrztInnen, auf betriebliche unzureichender Weise berücksichtigt (worauf Impfstellen oder eben auf kommunale Impf- der Österreichische Städtebund mehrfach hin- straßen gesetzt wird. Das Zusammenspiel gewiesen hat). Diese, ursprünglich für Massen- © zVg der einzelnen AkteuerInnen im jeweiligen tests konzipierte, Regelung zum Kostenersatz Bundesland ist aus einer gesamtösterrei- wurde nun annähernd unverändert auch für chischen Perspektive oft nur sehr schwer den Ersatz kommunaler Aufwendungen beim Kevin Muik, LL.M. (WU) überschaubar. Klar ist, dass in Phase III des Betrieb von Impfstraßen fortgeschrieben. Referent beim Österreichischen Städtebund Impfplanes (breite Impfung der Bevölke- Wie erwähnt, wird der Betrieb kommunaler rung) in größeren Städten und Gemeinden Impfstraßen insbesondere im urbanen Raum wohl auch größere Impfstraßen notwendig sowie in regionalen Zentren in Phase III des sein werden. Impfplanes gängige Praxis sein. Die fehlende Berücksichtigung der besonderen Gegeben- Größere Städte und Gemeinden sind mit heiten gerade in diesen größeren Städten dem Kostenersatz zu Recht unzufrieden und Gemeinden ist evident. Die damit einher- gehende Unzufriedenheit der lokalen Politik Der Betrieb einer kommunalen Impfstraße ist und Verwaltung ist daher nur verständlich und mit hohen Kosten für die jeweilige Stadt ver- wäre vom Bund durch eine differenziertere Re- bunden. Lediglich ein Teil dieser Kosten wird, gelung vermeidbar gewesen. im Rahmen des sog. COVID-19-Zweckzuschuss- gesetzes, vom Bund ersetzt. So wurde etwa der Ersatz der Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten (vielerorts Messe- oder Kon- gresshallen) explizit ausgeschlossen. Das COVID-19-Zweckzuschussgesetz wurde im Zuge der vom Bund in Auftrag gegebenen und beginnend mit Dezember 2020 durchge- führten Massentestungen novelliert und um die betreffende Bestimmung zum teilweisen Kostenersatz kommunaler Aufwendungen er- gänzt. Dabei hatte der Gesetzgeber wohl das Bild einer kleineren Landgemeinde vor Augen, in der Tests nur an Wochenenden mit der Un- terstützung von zahlreichen Freiwilligen in ge- meindeeigenen Räumlichkeiten durchgeführt © Bigstock werden. Nur so ist es zu erklären, dass etwa davon ausgegangen wird, dass die Tätigkeit der kommunalen Bediensteten im Rahmen der Tests als Überstunden zu qualifizieren sind, der 7
NEUERSCHEINUNG Föderalismus nach der Krise – Business as usual oder Systemwandel? Herausgegeben von: Friedrich Klug & Bernhard Müller Mit Beiträgen von: Nicolaus Drimmel, Brigitte Ederer, Laszlo Benedek Flamm, Barbara Höfermayer, Friedrich Klug, Klaus Luger, Markus Marterbauer, Bernhard Müller, Claus Pandi, Michael Schickhofer, Friedrich Schneider, Heidi Schrodt, Martin Sprenger, Josef Urschitz, Detlef Wimmer EUR 10,– (zzgl. Versandkosten) Der Föderalismus (Wer soll im Staat was machen?) rückt durch die nachhaltige Corona-Krise wieder in den Fokus. Wir gehen gemeinsam mit dem IKW Institut für Kommunalwissenschaften der Frage nach seiner Krisenfestigkeit nach. Zahl- reiche Autorinnen und Autoren haben interessante Beiträge verfasst. Bestellungen werden unter office@urbanforum.at gerne entgegengenommen. #ReframeYourFuture #ReshapingResults „EY“ und „wir“ beziehen sich auf alle österreichischen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG), Sieht man aus der Vogelperspektive mehr Wege aus der Krise? eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. ED None. Erfahren Sie mehr zu möglichen Szenarien in der Post-Corona-Welt: ey.com/at/post-corona-welt 8
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