Neue Regelungen in der Apotheke - Gefahrstoffrecht
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TITEL 47 / 2010 Gefahrstoffrecht Neue Regelungen in der Apotheke Von Peggy Ahl / Gefährliche Stoffe gehören zum Alltag in der Apotheke, zum Beispiel in der Rezeptur oder bei der Abgabe von Chemikalien an Kunden. Neue Regelungen im Gefahrstoffrecht treten zum 1. Dezember in Kraft. Was muss die Apotheke beachten? Gefahrstoffe sollen weltweit einheitlich renhinweisen und Sicherheitsratschlägen eingestuft und gekennzeichnet werden. zu kennzeichnen. Den Anstoß dazu gab die Konferenz der Bei der Abgabe von Chemikalien muss- Vereinten Nationen über Umwelt und Ent- te bisher neben den Vorschriften der wicklung (UNCED) bereits 1992. Inhaltlich ChemVerbotsV und der GefStoffV die verabschiedet wurde das GHS (Globally Stoff- und Zubereitungsrichtlinie beachtet Harmonised System of Classification and werden. Diese Richtlinien werden schritt- Labelling of Chemicals) von der UN-Kom- weise von der EG-CLP-V abgelöst. mission im Dezember 2002. Die EU hat die Verordnung über die Einstufung, Kenn- ▶▶ Für die Kennzeichnung von Stoffen gilt zeichnung und Verpackung von Stoffen die neue Verordnung bereits ab 1. Dezem- und Gemischen (CLP – Regulation on Clas- ber 2010, für Gemische ab 1. Juni 2015. sification, Labelling and Packaging of Sub- stances and Mixtures) am 3. September Chemikalienverbotsverordnung 2008 verabschiedet; damit hat sie sich Diese Verordnung enthält eine Reihe von dem neuen System angeschlossen und das Abgabevorschriften und -verboten, die GHS in Europa verankert. sich auf einzelne konkrete Gefahrstoffe Die EG-Richtlinien 67/548/EWG (Stoff- beziehen, zum Beispiel die Regelungen für richtlinie) und 1999/45/EG (Zubereitungs- Stoffe, die missbräuchlich zur Sprengstoff- richtlinie), die bisher die Basis für das Ein- herstellung verwendet werden können stufungs- und Kennzeichnungssystem wa- oder Abgabeverbote für spezielle Stoffe im ren, werden zum 1. Juni 2015 zurückgezo- Anhang I. Diese Vorschriften sind unab- gen. Das europäische Chemikalienrecht hängig von Einstufungs- und Kennzeich- wird dann auf zwei sich ergänzenden Säu- nungsvorschriften und bleiben weiterhin len stehen: der EG-REACH-Verordnung und bestehen. der EG-CLP-Verordnung. In der Übergangs- Die Abgaberegelungen für Stoffe und zeit bis 2015 wird das alte Einstufungs- und Zubereitungen, die sich auf bestimmte Ei- Kennzeichnungssystem neben dem neuen genschaften, zum Beispiel giftig (T), sehr System nach GHS existieren. Trotz der un- giftig (T+) oder brandfördernd (O), bezie- mittelbaren Gültigkeit der EG-CLP-Verord- hen, müssen an die EG-CLP-V angepasst nung (EG-CLP-V) in allen EU-Mitgliedsstaa- werden. Zurzeit gibt es aber noch keine In- ten müssen Regelungen im deutschen formationen, wann mit einer Novellierung Chemikalienrecht, zum Beispiel in der Ge- der ChemVerbotsV zu rechnen ist. Im Mo- fahrstoffverordnung (GefStoffV) und der ment sind die bestehenden Regelungen Chemikalienverbotsverordnung (ChemVer- noch gültig und zu beachten. botsV), angepasst werden. Bei der Abgabe eines Stoffs mit neuer Kennzeichnung sind die Abgabevorschrif- Abgabe von Chemikalien ten entsprechend der alten Einstufung zu Bei der Frage der richtigen Verpackung und berücksichtigen. Die Angaben zur bisheri- Kennzeichnung von Gefahrstoffen ist auch gen Einstufung und Kennzeichnung eines künftig zwischen der Abgabe von Arznei- Stoffs müssen vom Hersteller im Sicher- mitteln, die Gefahrstoffe enthalten, und heitsdatenblatt (SDB), Kapitel 15, bis zum der Abgabe von Chemikalien zu unter- Ablauf sämtlicher Übergangsfristen wei- scheiden. In manchen Fällen ist letztlich terhin angegeben werden und stehen so- der Verwendungszweck ausschlaggebend. mit zur Verfügung. Zulassungspflichtige Fertigarzneimit- tel, Defektur- und Rezepturarzneimittel Gefahrstoffverordnung sind von den gefahrstoffrechtlichen Vor- Die GefStoffV wurde aktuell an die EG-CLP- schriften ausgenommen. Lediglich Rezep- V angepasst. Der Bundesrat hat am 24. Sep- turarzneimittel mit gefährlichen physikali- tember 2010 der novellierten Fassung zuge- schen Eigenschaften sind neben den Anga- stimmt, die voraussichtlich Ende November ben nach Apothekenbetriebsordnung ent- 2010 in Kraft treten wird. Die neue GefStoffV sprechend mit Gefahrensymbolen, Gefah- muss allerdings in der Übergangsphase bis
47 / 2010 T itel PZ 2015 eine funktionierende Rechtsgrundlage Auch beim Arbeiten sowohl für das alte als auch für das neue im Labor muss das Einstufungs- und Kennzeichnungssystem neue Gefahrstoffrecht beachtet werden. bilden. Sie basiert weiterhin auf der alten Einstufung und Kennzeichnung, lässt je- Foto: ABDA doch das neue System zu. 2015 wird es dann eine neue GefStoffV geben, die nur noch die Einstufung und Kennzeichnung nach EG-CLP-V berücksichtigt. Gemäß § 4 GefStoffV (neu) hat die Apotheke gefährliche Stoffe und Zuberei- tungen entsprechend zu kennzeichnen, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Bis- her regelten dies im Detail die Stoff- und die Zubereitungsrichtlinie. Ab 1. Dezember 2010 müssen Stoffe mit gefährlichen Ei- genschaften gemäß EG-CLP-V gekenn- zeichnet werden. 2010 und 1. Juni 2015 gekennzeichnete Ge- nung bei bestimmten Zubereitungen wur- Wird also in der Apotheke nach dem fäße. Diese müssen nicht neu gekennzeich- den in die EG-CLP-V, Anhang II, aufgenom- 1. Dezember 2010 ein gefährlicher Stoff als net, sondern können noch mit den orange- men. Die Vorschriften gelten in der neuen Chemikalie verlangt und in der Apotheke farbenen Aufklebern abgegeben werden. Kennzeichnungssystematik für viele ver- abgefüllt, muss das Abgabegefäß nach Für die Apotheke heißt das, dass eine Che- schiedene Gefahrenkategorien (Tabelle 1). den neuen Vorschriften gekennzeichnet mikalie, die an einen Kunden im Original- Bei der Kennzeichnung des Abgabegefä- werden. Falls die Informationen über die gefäß abgegeben wird, in der Apotheke in ßes sind zu berücksichtigen: neue Einstufung und Kennzeichnung noch der Übergangszeit nicht neu gekennzeich- ▪▪ Name der Substanz, nicht vorhanden sind, sind die Angaben im net werden muss, wenn sie noch mit der ▪▪ Füllmenge, Sicherheitsdatenblatt des Herstellers zu- »alten« Kennzeichnung in die Apotheke ▪▪ Name, Anschrift und Telefonnummer grunde zu legen. Das SDB ist am schnells- geliefert wurde. der Apotheke, ten über die Homepage des jeweiligen ▪▪ EG-Nummer, Herstellers zu beschaffen (Tabelle 1). Kennzeichnung und Verpackung ▪▪ Gefahrenpiktogramm(e), Für Gemische – also auch für Verdün- Neben den Vorgaben zur bisherigen Ein- ▪▪ Signalwort, nungen wie Isopropylalkohol 70 Prozent stufung und Kennzeichnung enthalten die ▪▪ H-Sätze, (V/V) – ist dies erst ab dem 1. Juni 2015 ver- Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG ▪▪ P-Sätze und pflichtend. Gemische können selbstver- Regelungen zur besonderen Kennzeich- ▪▪ gegebenenfalls kindergesicherter Ver- ständlich bereits vor diesem Stichtag nach nung und Verpackung. Dazu gehören: schluss, tastbares Warnzeichen und Ge- der neuen Systematik gekennzeichnet wer- ▪▪ tastbare Gefahrenhinweise, brauchsanweisung. den, sofern die Einstufung nach EG-CLP-V ▪▪ kindergesicherte Verschlüsse, bekannt ist. Unabhängig von den neuen ▪▪ vereinfachte Kennzeichnung kleiner Ge- Den H-Sätzen (Gefahrenhinweise) sind be- Vorschriften sind Name, Anschrift und Te- fäße bis einschließlich 125 ml und stimmte P-Sätze (Sicherheitshinweise) fest lefonnummer der Apotheke, die Menge ▪▪ Gebrauchsanweisungen bei bestimmten zugeordnet. Trägt ein Gefahrstoff mehrere des Inhalts und die EG-Nummer auf dem Zubereitungen. H-Sätze, kann die Anzahl der P-Sätze sehr Etikett anzugeben. schnell auf mehr als zehn ansteigen. Der Für Stoffe und Gemische gilt darüber Regelungen zur Verwendung tastbarer Ge- Abgebende hat aus den möglichen P-Sät- hinaus eine zweijährige Übergangsfrist für fahrenhinweise, kindergesicherter Ver- zen die für den Endverbraucher erforderli- bereits vor den Stichtagen 1. Dezember schlüsse und zur reduzierten Kennzeich- chen und sinnvollen auszuwählen. Insge- Bei der Abgabe zu beachten: Geregelt in: Arbeitshilfen auf www.abda.de Abgabevorschriften, -verbote und ChemVerbotsV Download der Übersicht »Abgabevorschriften nach -dokumentation ChemVerbotsV«: www.abda.de/1135.html Einstufung und Kennzeichnung SDB des Herstellers EG-CLP-V, Information über die neue Einstufung und Kennzeichnung Anhang VI (Legaleinstufung) nach GHS: www.abda.de/ghs.html Links zu Sicherheitsdatenblättern: www.abda.de/arbeitsschutzmassnahmen.html Tastbarer Gefahrenhinweis EG-CLP-V, Anhang II, Kapitel 3.2. Download der Übersicht »Tastbarer Gefahrenhinweis Kindergesicherter Verschluss EG-CLP-V, Anhang II, Kapitel 3.1 und kindergesicherter Verschluss«: www.abda.de/1135.html Reduzierte Kennzeichnung kleiner EG-CLP-V, Anhang II, Kapitel 1.5.2. Download der Übersicht »Vereinfachte Kennzeichnung bis Gefäße (bis einschließlich 125 ml) 125 ml«: www.abda.de/1135.html Gebrauchsanweisung für § 5 Abs. 3 GefStoffV (neu) Informationen zur Gebrauchsanweisung für Zubereitungen: Zubereitungen bzw. RL1999/45, Anhang V, 1.2 www.abda.de/1135.html Tabelle 1: Vorschriften und Regelungen für die Abgabe von Gefahrstoffen Pharm. Ztg. · 155. Jahrgang · 25. November 2010 4439 19
PZ T itel 47 / 2010 samt sollten nicht mehr als sechs P-Sätze Gefahrenpiktogramme auf einem Gefäß angebracht werden, es sei denn, das Gefährdungspotenzial des Stoffes erfordert dies. Das Abgabegefäß an den privaten Endverbraucher muss da- bei stets mit einem P-Satz zur Entsorgung des Gefahrstoffs gekennzeichnet sein. Innerbetriebliche Kennzeichnung Gemäß § 8 GefStoffV (neu) sind gefährli- Explodierende Bombe Gasflasche Ausrufezeichen che Stoffe und Zubereitungen innerbe- GHS01 GHS04 GHS07 trieblich mit einer Kennzeichnung zu ver- sehen, die wesentliche Informationen zu ihrer Einstufung, den mit ihrer Handha- bung verbundenen Gefahren und den zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen ent- hält. Vorzugsweise ist die Kennzeichnung zu wählen, die den Vorgaben der Richtlinie 67/548/EWG oder 1999/45/EG beziehungs- weise EG-CLP-V entspricht. Die Vorgaben für die neue Kennzeichnung – für Stoffe ab 1. Dezember 2010 und für Gemische ab 1. Flamme Ätzwirkung Gesundheitsgefahr Juni 2015 – gelten grundsätzlich auch für GHS02 GHS05 GHS08 die innerbetriebliche Kennzeichnung. Überträgt man allerdings die zweijäh- rige Übergangsfrist für Stoffe, die der Her- steller vor dem 1. Dezember 2010 nach den bisherigen Regelungen eingestuft und ge- kennzeichnet hat, auf die Apotheke, kann für die Umstellung der internen Kennzeich- nung der Standgefäße auf die GHS-Syste- matik ebenfalls ein zweijähriger Über- gangszeitraum in Anspruch genommen Flamme über einem Totenkopf mit Umwelt werden. Gleiches gilt für Zubereitungen Kreis gekreuzten Knochen GHS09 bis zum 1. Juni 2017. GHS03 GHS06 In der Apotheke ist die komplett neue Kennzeichnung der Standgefäße erst mit Ende der Übergangsfrist realisierbar, da bei Abbildung 1: Gefahrenpiktogramme gemäß EG-CLP-V Neubestellung eines Gefahrstoffs noch nach altem System gekennzeichnete Ware in die Apotheke geliefert werden darf. Es lässt sich also nicht vermeiden, dass Gefä- ße mit alter Kennzeichnung und Gefäße Abkürzungsverzeichnis mit neuer Kennzeichnung eine gewisse Zeit in der Apotheke nebeneinander exis- GHS: Globally Harmonised System of Classification and Labelling of Chemicals tieren werden. Die doppelte Kennzeich- CLP: Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtu- nung eines Standgefäßes nach altem und res (Europäische Umsetzung von GHS) neuem System ist jedoch zu keinem Zeit- EG-CLP-V: Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des europäischen Parlaments und des Ra- punkt zulässig. tes vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung Verwendet die Apotheke das Original- von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/ gefäß des Herstellers auch als Standgefäß EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und füllt nicht in ein spezielles Gefäß um, ChemVerbotsV: Chemikalienverbotsverordnung ist die Kennzeichnung in der Regel bereits GefStoffV: Gefahrstoffverordnung vollständig. Füllt die Apotheke Stoffe und SDB: Sicherheitsdatenblatt Zubereitungen in Standgefäße um, be- TRGS: Technische Regel für Gefahrstoffe steht wie bisher die Möglichkeit der verein- TRGS 200: Technische Regel für Gefahrstoffe »Einstufung und Kennzeichnung von fachten Kennzeichnung dieser Gefäße. Die Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen« TRGS 200 erlaubt in Kapitel 7.4 für Stand- H-Sätze: Hazard Statements (Gefahrenhinweise) gefäße in Apotheken, in denen für den P-Sätze: Precautionary Statements (Sicherheitshinweise) Handgebrauch erforderliche Mengen gela- CMR: cancerogen, mutagen, reproduktionstoxisch (krebserzeugend, erbgutverän- gert und zur Verwendung bereitgehalten dernd, fortpflanzungsgefährdend) werden, eine vereinfachte Kennzeichnung, bestehend aus Gefahrensymbol und der 20 4440 Pharm. Ztg. · 155. Jahrgang · 25. November 2010
PZ T itel 47 / 2010 Farbe Potenzielle Gefahr Persönliche Schutzausrüstung (PSA) dazugehörigen Gefahrenbezeichnung. Dies gilt allerdings nur unter der Bedin- Gelb Gefahr durch Hautkontakt Schutzhandschuhe gung, dass die Arbeitnehmer die damit ver- Orange Gefahr durch Einatmen Atemschutz bundenen Gefahren und die zu ergreifen- Hellblau Gefahr für die Augen Schutzbrille den Schutzmaßnahmen aus den am Ar- Rot Gefahr durch Kontakt Schutzhandschuhe, Atemschutz, beitsplatz vorhandenen Unterlagen, zum (CMR-Stoffe Kat.1A, 1B) Schutzbrille Beispiel Sicherheitsdatenblättern oder Be- triebsanweisungen, entnehmen können Tabelle 2a: Farbmarkierung für Standgefäße mit Gefahrstoffen und ihnen diese bekannt sind. Das bedeutet, dass künftig neben dem Farbe H-Sätze Bedeutung Namen des Stoffs die Kennzeichnung mit Piktogramm(en) (Abbildung 1) und Signal- Gelb, H314 Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere wort (Achtung oder Gefahr) ausreichend Hellblau Augenschäden wäre. Hinweise zu den Gefahren, die von Gelb H315 Verursacht Hautreizungen einem Stoff ausgehen, lassen sich jedoch Hellblau H319 Verursacht schwere Augenreizung erst aus den H-Sätzen ablesen, sodass es Orange H330 Lebensgefahr bei Einatmen empfehlenswert ist, diese zusätzlich zu der Rot H340 Kann genetische Defekte verursachen vereinfachten Kennzeichnung auf den Standgefäßen anzubringen (Abbildung 2). Rot H350 Kann Krebs erzeugen Rot H360 Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Infos aus den Gefahrenhinweisen Mutterleib schädigen Neben allgemeinen und organisatorischen Tabelle 2b: Farbschema und seine Bedeutung (Auszug) Schutzmaßnahmen, die bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu beachten sind und in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt Bisherige Bezeichnung Definition der Kategorie Neue Bezeichnung werden, spielt die persönliche Schutzaus- nach EG-CLP-V rüstung (PSA) in der Apotheke eine große Kategorie 1 Wirken beim Menschen bekanntermaßen Kategorie 1A Rolle. Der geschlossene Schutzkittel ist bei CMR-erzeugend jeder Tätigkeit mit einem Gefahrstoff vor- Kategorie 2 Es existieren hinreichende Anhaltspunkte Kategorie 1B geschrieben. Das Tragen von Schutzhand- für CMR-Eigenschaften schuhen, Schutzbrille und Atemschutz- maske ist abhängig vom Gefahrenpoten Kategorie 3 CMR-Verdachtsstoffe; es existieren Kategorie 2 zial der Substanz. Hinweise, aber keine ausreichenden Im neuen Kennzeichnungssystem nach Anhaltspunkte EG-CLP-V lassen sich aus den H-Sätzen der Tabelle 3: Einteilung der CMR-Stoffe (krebserzeugend, erbgutverändernd und fruchtbarkeits- 300er-Reihe inhalative und dermale Ge- gefährdend) fahren, aber auch Gefahren für die Augen ablesen. Es bietet sich daher an, die H-Sät- ze auf den Standgefäßen nach einem ein- heitlichen Schema farbig zu markieren oder farbige Punkte auf die Gefäße zu kle- ben. So erhält man auf einen Blick Aus- Estradiolbenzoat kunft über die erforderliche persönliche Schutzausrüstung (Tabellen 2a und b). Gefahr Das Farbsystem in der Praxis Die im Sicherheitsdatenblatt sowie auf dem bereits nach EG-CLP-V gekennzeich- H351 H360Fd H372 neten Original- oder Standgefäß angege- benen Gefahrenhinweise werden zunächst auf das Vorhandensein der H-Sätze H340, H350 und H360 geprüft. Diese H-Sätze H351 Kann vermutlich Krebs erzeugen Estradiolbenzoat H360Fd Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. kennzeichnen einen Stoff als CMR-Stoff (CMR: kanzerogen, mutagen und repro- Kann vermutlich das Kind im Mutterleib Gefahr duktionstoxisch) der Kategorie 1A oder 1B schädigen. (Tabelle 3). Zu den CMR-Stoffen im eigent- H351 H360Fd H372 H372 Schädigt die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition lichen Sinn gehörten bisher die Stoffe der Kategorien 1 und 2. An dieser Zuordnung hat sich nichts geändert, lediglich an der Schutzhandschuhe, Schutzbrille, Atemschutz Bezeichnung der Kategorien, die jetzt Ka- tegorie 1A und 1B heißen. Jeglicher Kontakt mit diesen Stoffen Abbildung 2: Beispiel für die vereinfachte Kennzeichnung eines Standgefäßes mit Estradiolbenzoat sollte vermieden werden. Bei Tätigkeiten 22 4442 Pharm. Ztg. · 155. Jahrgang · 25. November 2010
47 / 2010 T itel PZ mit CMR-Stoffen sind umfassende persön- liche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, be- stehend aus Schutzhandschuhen, Schutz- brille und Atemschutz. Das Standgefäß Salicylsäure wird mit einem roten Punkt gekennzeich- net (Abbildung 2). Damit ist die Farbkenn- Achtung zeichnung beendet. Ist der Stoff nicht mit H340, H350 oder H360 gekennzeichnet, sind entspre- chend der Tabelle 2b die weiteren H-Sätze H302 H315 H319 H335 zu prüfen. Sind H-Sätze vorhanden, die vor dermaler Gefahr warnen, ist das Ge- H302 Gesundheitsschädlich bei Verschlucken fäß mit einem gelben Aufkleber zu kenn- H315 Verursacht Hautreizungen zeichnen. Weisen H-Sätze auf eine inha- H319 Verursacht schwere Augenreizung lative Gefahr hin, ist zusätzlich ein oran- H335 Kann die Atemwege reizen gefarbener Punkt aufzukleben. Sind die Augen beim Arbeiten mit diesem Stoff in Gefahr, ist ein hellblauer Punkt nötig (Ab- Schutzhandschuhe bildung 3). Schutzbrille Die Kennzeichnung der Standgefäße Atemschutz mit H-Sätzen und farbigen Hinweisen zu Arbeitsschutzmaßnahmen ist eine Mög- lichkeit, die erforderliche PSA schnell im Abbildung 3: Beispiel für die Kennzeichnung eines Standgefäßes mit Salicylsäure. Die drei farbigen Punkte Blick zu haben. Allerdings handelt es sich dürfen nicht in einen roten Punkt umgewandelt werden, da Salicylsäure kein CMR-Stoff ist. dabei lediglich um eine Empfehlung und keine gesetzliche Vorschrift (Tabelle 4). Sie auch in Zukunft. Man kann sich bei der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersu- ersetzt auch nicht die Gefährdungsbeur- Entscheidung über die Lagerung nach der chungen zu berücksichtigen. teilungen und Betriebsanweisungen, die alten Einstufung des Stoffes richten, die Zu den Tätigkeiten mit gefährlichen aufgrund der neuen Einstufung und Kenn- weiterhin im SDB, Kapitel 15, angegeben Stoffen in Apotheken gehören zum Bei- zeichnung der Gefahrstoffe neu erstellt wird (Tabelle 4). spiel die Herstellung einer Rezeptur, das werden müssen. Ab- oder Umfüllen von Arzneistoffen und Die Empfehlungen der Bundesapothe- Arbeitsschutz Chemikalien, die Prüfung der Ausgangs- kerkammer zu Arbeitsschutzmaßnahmen An der grundsätzlichen Verpflichtung zur stoffe, aber auch die Reinigung ver- berücksichtigen das vorgestellte Farbkon- Gefährdungsbeurteilung von Tätigkeiten schmutzter Arbeitsgeräte und die Entsor- zept (Tabelle 2a) in den Standards zur Re- mit Gefahrstoffen hat sich auch in der no- gung von Chemikalien. zepturherstellung und zur Prüfung der vellierten GefStoffV nichts geändert. Um die erforderlichen Schutzmaßnah- Ausgangsstoffe. Nach § 6 Abs. 1 GefStoffV (neu) hat der Ar- men festzulegen, konnte sich der Arbeitgeber beitgeber festzustellen, ob die Beschäf- bisher am sogenannten Schutzstufenkonzept Lagerung der Gefahrstoffe tigten Tätigkeiten mit Gefahrstoffen aus- orientieren. In insgesamt vier aufeinander Nach § 8 Abs. 7 GefStoffV (neu) sind gifti- üben oder ob bei Tätigkeiten Gefahrstof- aufbauenden Stufen, wurden – angebunden ge und sehr giftige Stoffe sowie die CMR- fe entstehen oder freigesetzt werden an die Kennzeichnung der Gefahrstoffe – be- Stoffe der Kategorie 1 und 2 (entspricht können. Ist dies der Fall, hat er die Gefah- stimmte Maßnahmenpakete festgelegt. Die- nach EG-CLP-V Kat. 1A und 1B; Tabelle 3) ren für Gesundheit und Sicherheit der Be- ses Konzept wurde in der neuen GefStoffV unter Verschluss oder so aufzubewahren schäftigten zu beurteilen und zu doku- nicht aufrechterhalten. Es gibt zwar wie bis- oder zu lagern, dass nur fachkundige Per- mentieren. Bei der Beurteilung sind zum her Schutzmaßnahmenpakete, diese sind je- sonen Zugang haben. An der bisherigen Beispiel die gefährlichen Eigenschaften doch nicht unmittelbar an eine Kennzeich- Festlegung hat sich damit nichts geän- der verwendeten Stoffe, Arbeitsverfah- nung gebunden. Die Schutzmaßnahmen sol- dert. Die Stoffe, die bisher unter Ver- ren, Art und Ausmaß der Exposition, mög- len sich künftig noch stärker am tatsächlichen schluss gelagert wurden, müssen das liche Substitution sowie Erkenntnisse aus Ausmaß der Gefahr orientieren. Innerbetrieblich zu beachten Geregelt in Arbeitshilfen auf www.abda.de Innerbetriebliche Kennzeichnung § 8 Abs. 2 GefStoffV (neu) www.abda.de/1136.html TRGS 200, Kap. 7.4 Farbkonzept mit persönlichen Empfehlungen der BAK Download der Übersicht »Farbkonzept zur PSA auf Standgefäßen«: Schutzmaßnahmen www.abda.de/1135.html Innerbetriebliche Lagerung § 8 Abs. 7 GefStoffV (neu) www.abda.de/1136.html Gefährdungsbeurteilung § 6 Abs. 1 GefStoffV (neu) Empfehlungen zu Betriebsanweisung § 14 GefStoffV (neu) Arbeitsschutzmaßnahmen: www.abda.de/arbeitsschutzmassnahmen.html Unterweisung Tabelle 4: Empfehlungen zur innerbetrieblichen Handhabung von Gefahrstoffen Pharm. Ztg. · 155. Jahrgang · 25. November 2010 4443 23
PZ T itel 47 / 2010 Schutzausrüstung zurückgreifen. Arbeitet man mit hautschädigenden Stoffen, müs- Nicht-CMR-Stoffe CMR-Stoffe sen geeignete Schutzhandschuhe verwen- det werden. Sind Stoffe gefährlich für die H-Sätze der 300er Reihe H340, H350 oder H360 Augen, ist eine Schutzbrille zu tragen, und außer H340, H350, H360 bei inhalativer Gefahr kann man eine Atem- schutzmaske tragen oder unter dem Labor- Allgemeine Maßnahmen Allgemeine Maßnahmen abzug arbeiten. Die Gefahr durch Verschlu- + cken von Substanzen kann vernachlässigt + werden, da in der Apotheke ausschließlich Fachpersonal tätig ist. Zusätzliche besondere Die Bundesapothekerkammer (BAK) Schutzmaßnahmen Schutzmaßnahmen hat die Handlungsempfehlungen an die + neuen Vorschriften angepasst. Zukünftig Schutzhandschuhe: alle H-Sätze mit stehen für jede Tätigkeit in der Rezeptur Gefahr für die Haut Atemschutz: alle H-Sätze mit geeignete Schutz- und für die Prüfung der Ausgangsstoffe inhalativer Gefahr zwei Standards zur Verfügung – einmal für Schutzbrille: alle H-Sätze mit Gefahr handschuhe, die Tätigkeit mit CMR-Stoffen der Katego- für die Augen Atemschutz, Schutzbrille rie 1A oder 1B und daneben für alle Nicht- CMR-Stoffe mit physiologischen Gefahren. Die persönliche Schutzausrüstung sollte Abbildung 4: Schema der Schutzmaßnahmen beim Umgang mit CMR- und Nicht-CMR-Stoffen bei Tätigkeiten mit CMR-Stoffen (Katego- H340: Kann genetische Defekte verursachen; H350: Kann Krebs erzeugen; H360: Kann die Fruchtbar- rie 1A, 1B) immer verwendet werden. Bei keit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen Tätigkeiten mit Nicht-CMR-Stoffen ent- scheiden die H-Sätze über Schutzhand- schuhe, Schutzbrille oder Atemschutz. Neben den in § 8 GefStoffV (neu) be- maßnahmen für Tätigkeiten mit Nicht- Um in der Praxis schnell die nötige PSA schriebenen allgemeinen Schutzmaßnah- CMR-Stoffen, die jedoch nur dann nötig auswählen zu können, empfiehlt es sich, men, die insbesondere die Arbeitsorgani- sind, wenn Gefahr für Haut, Augen oder die Standgefäße nach dem vorgestellten sation und die Hygiene am Arbeitsplatz durch Einatmen besteht. Und es gibt be- Farbkonzept zu kennzeichnen. Dieses Farb- betreffen, sind zusätzliche Maßnahmen sondere Schutzmaßnahmen für Tätigkei- konzept hat die BAK auch in den Standards gemäß § 9 GefStoffV (neu) nur dann zu ten mit CMR-Stoffen der Kategorien 1A und aufgegriffen. treffen, wenn die allgemeinen Maßnah- 1B (Abbildung 4). Informationen über die In den Empfehlungen zum Arbeits- men nicht ausreichen, um Gefahren durch Gefahren geben die Gefahrenhinweise (H- schutz stehen wie gewohnt Formulare für Einatmen, Aufnahme über die Haut, Ver- Sätze). die Gefährdungsbeurteilung zur Verfü- schlucken oder für die Augen entgegenzu- Da in der Apothekenpraxis die Substitu- gung. Dazu wählt der Apotheker aus den wirken. Für Tätigkeiten mit CMR-Stoffen tion von Gefahrstoffen in ärztlich verordne- Standards die Tätigkeiten aus, die in der gelten besondere Schutzmaßnahmen, da ten Rezepturen oder bei Prüfvorschriften Apotheke vorkommen, und erstellt für jede jeglicher Kontakt zu diesen Stoffen ver- für Ausgangsstoffe nicht möglich ist und Tätigkeit zwei Gefährdungsbeurteilungen. mieden werden sollte. bauliche Maßnahmen für die Apotheke Es wird dabei nicht jede einzelne Rezeptur- Insgesamt kann man die weitergehen- nicht angemessen erscheinen, kann man verordnung beurteilt. Vielmehr werden den Schutzmaßnahmen in zwei große insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen alle bei der Tätigkeit verwendeten Stoffe Gruppen teilen. Es gibt zusätzliche Schutz- Schutzmaßnahmen auf die persönliche mit vergleichbaren Eigenschaften zusam- men in einem Formular beurteilt. Die er- stellten Gefährdungsbeurteilungen sind Substanz im apothekeneigenen Standgefäß Substanz bleibt im Originalgefäß mindestens einmal jährlich sowie bei Än- des Herstellers, das nach derungen zu überprüfen. Kommt ein neuer EG-CLP-V gekennzeichnet ist Stoff, zum Beispiel für die Herstellung ei- 1. Sicherheitsdatenblatt beschaffen 1. Sicherheitsdatenblatt beschaffen ner Rezeptur, dazu, wird die Beurteilung 2. Standgefäß neu (vereinfacht) kennzeichnen um diesen Stoff ergänzt. Für einen schnel- len Überblick über die empfohlenen 3. H-Sätze und farbige Hinweise zu persönlichen 3. Farbige Hinweise zu persönlichen Schutzmaßnahmen in der Rezeptur steht Schutzmaßnahmen anbringen Schutzmaßnahmen ein aktualisiertes Poster zur Verfügung. anbringen 4. Substanz mit den erforderlichen Informationen in neues Gefahrstoffverzeichnis eintragen Betriebsan- und Unterweisungen 5. Neue Gefährdungsbeurteilungen für Tätigkeiten mit diesem Stoff elektronisch anlegen An der Pflicht zur Erstellung der Betriebs- (weitere Stoffe in den Beurteilungen ergänzen) anweisungen und der Unterweisung der 6. Anhand der alten Einstufung (SDB, Kap. 15) prüfen, ob die Substanz unter Verschluss Mitarbeiter hat sich nichts geändert gelagert werden muss (Tabelle 5). Auf der Grundlage der Gefähr- 7. Betriebsanweisungen erstellen dungsbeurteilungen hat der Apothekenlei- ter arbeitsplatz-, arbeitsbereichs- oder tä- 8. Unterweisung der Mitarbeiter tigkeitsbezogene Betriebsanweisungen Tabelle 5: Schrittweises Vorgehen schriftlich zu erstellen und am Arbeitsplatz 24 4444 Pharm. Ztg. · 155. Jahrgang · 25. November 2010
47 / 2010 MEDIEN FÜR DIE APOTHEKE BERATUNG, DIE SICH FÜR SIE AUSZAHLT Foto: PZ/Müller Geistig fit bis ins zugänglich zu machen (als Aushang oder in elektronischer Form). hohe Alter. Die Beschäftigten müssen anhand der Betriebsanweisung zu den möglichen Ge- fahren und Schutzmaßnahmen unterwie- Reimund Freye und Friederike Sturm sen werden. Die Unterweisung erfolgt vor Aufnahme der Tätigkeiten mündlich und arbeitsplatzbezogen und ist jährlich zu wiederholen. Zeitpunkt und Gegenstand Alles für der Unterweisung sind im Anschluss daran schriftlich festzuhalten und vom Unter- das Gehirn wiesenen durch Unterschrift zu bestäti- Das Gedächtnis richtig trainieren, gen. ernähren und behandeln Wichtig: Die »alten« Unterlagen muss die Apotheke aufbewahren, bis alle Berei- P Geistig fit: Was jeder dafür tun kann che komplett auf die neuen Regelungen P Wunderbares Gehirn: Wie es funktioniert umgestellt worden sind. Lediglich alte SDB können gegen neue Fassungen ausge- P Demenz: Was dagegen hilft tauscht werden, da bis 2015 die alte und P Viele Seiten mit Aufgaben, die das Gehirn neue Einstufung in den Dokumenten an- trainieren und die Spaß machen gegeben werden muss. / Die Autorin Peggy Ahl studierte Pharmazie an der Frei- en Universität Berlin und war nach der Ap- AEPzgal. b 5,55 € 7 % MwSt.) probation als Apothekerin im Klinikum der (z Stadt Wolfsburg tätig. Von 1999 bis 2002 AVP 9,90 € absolvierte sie die Weiterbildung zur Fach apothekerin für Klinische Pharmazie. Seit 2002 arbeitet sie als Referentin für Quali- tätssicherung bei der ABDA - Bundesverei- nigung Deutscher Apothekerverbände und ist zuständig für QMS, die Leitlinien der PZN 7516681 Bundesapothekerkammer zur Qualitätssi- cherung und das Gefahrstoffrecht. Gesundheit mit der Apotheke Peggy Ahl, ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Geschäfts- bereich Pharmazie, Jägerstraße 49/50, 10117 Berlin; E-Mail: p.ahl@abda.aponet.de Ordern Sie die Ratgeber der Reihe „Gesundheit mit der Apotheke“ über unsere Bestell- Hotline 06196 / 92 82 50, per Fax 06196 / 92 82 59 oder per eMail an service@govi.de. Die Ratgeber sind auch über Ihren Pharmagroßhändler erhältlich. Die Ratgeber sind auf FSC-Papier und klimaneutral gedruckt. Govi Verlag · Pharmazeutischer Verlag GmbH · Postfach 5360 · 65728 Eschborn
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