Neurofeedback in der Therapie des Tinnitus* - Originalien

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HNO
2001 · 49:29–35 © Springer-Verlag 2001             Originalien
Redaktion                                          K. Gosepath1 · B. Nafe1 · E. Ziegler2 · W.J. Mann2
H. P. Zenner,Tübingen                              1 Römerwallklinik,Klinik für Neurootologische Erkrankungen,Mainz
                                                   2 Universitäts-HNO-Klinik Mainz

                                                   Neurofeedback
                                                   in der Therapie des Tinnitus*

Zusammenfassung                                    Schlüsselwörter                                      (14–30 Hz) frontal und zentral temporal
                                                                                                        zu [4]. Der α-Rhythmus kann durch
Hintergrund und Fragestellung: Mit der Me-         Tinnitustherapie · Neurofeedback ·                   sensorische Stimulation beeinflusst wer-
thode des Neurofeedback ist es möglich,Kon-        Hirnaktivität · Entspannungstherapie ·               den. Im Schlafzustand kommen langsa-
trolle über Hirnaktivitäten zu erlangen.Das Ver-   Biofeedback                                          me Wellen vor: Theta-Wellen mit Fre-
fahren wird bereits zur Therapie von Hyperakti-                                                         quenzen zwischen 4 Hz und 8 Hz, sowie
vitätssyndromen,Hirnverletzungen und Epilep-                                                            Delta-Wellen mit Frequenzen zwischen
sie erfolgreich eingesetzt.                                                                             0,5 Hz und 3,5 Hz. Neurofeedback be-
Patienten/Methodik: In der vorliegenden Stu-                                                            nutzt spezifische Aspekte der elektri-
                                                                                                        schen Aktivität des Gehirns wie zum
die wurden 40 Patienten mit Tinnitus mittels
Neurofeedback behandelt.Die Patienten ver-
suchten,die Amplituden ihrer α-Wellen zu för-
                                                   M    it Biofeedbackverfahren ist es mög-
                                                   lich, Kontrolle über bestimmte physio-
                                                                                                        Beispiel Frequenz,Amplitude oder Dau-
                                                                                                        er der Aktivität jeweils an einem be-
dern und die Amplituden ihrer β-Wellen zu un-      logische Körperfunktionen, wie bei-                  stimmten Ort.
terdrücken,indem sie einen Zustand der Ent-        spielsweise Herzfrequenz, Muskeltonus                     Patienten, die unter Tinnitus leiden,
spannung herstellten und ihre Höraufmerksam-       und Körpertemperatur zu erlangen. Da-                erleben einen fortwährenden störenden
keit auf andere,angenehme Geräusche lenkten.       zu wird der jeweilige Zustand der Kör-               Stimulus. House fiel bereits 1975 ein cir-
Ergebnisse: Nach 15Therapiesitzungen waren         perfunktion kontinuierlich für Auge                  culus vitiosus zwischen Anspannung,
24 der Patienten,bei denen der Tinnitus im         und Ohr wahrnehmbar rückgemeldet                     Angst, Depression und Tinnituslautheit
Durchschnitt seit einem Jahr bestand,in der La-    [3]. Körperfunktionen, die autonom er-               bei seinen Patienten auf [12]. Um diesen
ge,ihre α-Aktivität signifikant zu fördern,wäh-    scheinen, werden damit willentlich be-               an einer leicht zugänglichen Stelle zu
rend ihre β-Aktivität nahezu unverändert blieb.    einflussbar.                                         durchbrechen, setzte er Temperaturfeed-
Den übrigen 16 Patienten mit einer durch-               Mit Neurofeedback kann der Pati-                back und Muskelfeedback (EMG-Feed-
schnittlichen Tinnitusdauer von sieben Jahren,     ent seine Hirnstromkurven gezielt be-                back) in der symptomatischen Therapie
gelang die Unterdrückung der β-Aktivität,wäh-      einflussen. Seit 1970 wird dieses Verfah-            des Tinnitus ein. Die Patienten erlernten
rend sie kaum Einfluss auf ihre α-Aktivität neh-   ren erfolgreich in der Therapie von                  damit, sich zu entspannen, ihren Körper
men konnten.Nach der Neurofeedbacktherapie         Hirnverletzungen, Hyperaktivitätssyn-                zu kontrollieren und erfuhren einen po-
berichteten alle Patienten über eine Reduktion     dromen und Epilepsien eingesetzt [21,                sitiven Effekt auf die Belastung durch
der Tinnitusbelastung,nachzuvollziehen an-         22, 27, 29, 30]. Dabei wird das Ziel ver-            die Ohrgeräusche.
hand des Tinnitusfragebogens nach Göbel und        folgt, dass plötzliche, unerwünschte                      Schon seit langem ist bekannt, dass
Hiller.In einer Kontrollgruppe von 15 Patienten    Hirnaktivitätssteigerungen vom Patien-               emotionale Anspannung mit einer Er-
ohne Tinnitus war nach 15Therapiesitzungen         ten rechtzeitig erkannt und unterdrückt              höhung des Muskeltonus einhergeht.
mit gleicher Aufgabenstellung weder eine Be-       werden können.                                       Unter der Vorstellung, dass autonomes
einflussung der α- noch der β-Amplituden zu             Im Elektroenzephalogramm (EEG)
beobachten.                                        eines gesunden erwachsenen Menschen
Schlussfolgerungen: Neurofeedback stellt ein       findet man verschiedene Frequenztypen                    *Auszugsweise vorgetragen auf der
neues Therapieverfahren für Patienten mit Tin-     elektrischer Hirnaktivität: im entspann-                 8.Jahrestagung der Vereinigung
nitus dar.Durch Aufmerksamkeitslenkung und         ten Wachzustand herrschen okzipital α-                   Mitteldeutscher Hals-Nasen-Ohren-Ärzte,
Entspannung unter gleichzeitiger Visualisierung    Wellen mit Frequenzen zwischen 8 Hz                      03.-04.09.1999 in Erfurt
der Hirnaktivität wird es für die Patienten mög-   und 13 Hz vor, bei erhöhter Aufmerk-                     Dr. K. Gosepath
lich,aktiv Einfluss zu nehmen und selbst in den    samkeit (Kopfrechnen, Anspannung,                        Römerwallklinik, Römerwall 51–55,
Krankheitsprozess einzugreifen.                    Schallreize, Schmerz) nehmen β-Wellen                    55131 Mainz

                                                                                                                                          HNO 1•2001   | 29
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   2001 · 49:29–35 © Springer-Verlag 2001              Originalien
   K. Gosepath · B. Nafe · E. Ziegler · W.J. Mann      Nervensystem, Willkürmotoneuronen-            oder durch Geräuschangebote über
                                                       system und limbisches System unterein-        Rauschgeräte bzw. Musikhören. Gleich-
   Neurofeedback training as a therapy                 ander über die Formatio reticularis ver-      zeitig versuchten sie dabei, die Amplitu-
   for tinnitus                                        knüpft sind, wird bei der Technik der         den ihrer α-Wellen zu fördern, während
                                                       progressiven Muskelrelaxation versucht,       die Amplituden der β-Aktivität unter-
   Abstract                                            am zugänglichen Teil des Gesamtsy-            drückt werden sollten. Muskelaktivität
                                                       stems, nämlich über die willkürlich ge-       und die Amplituden der α- und β-Wel-
   Background and objective: Biofeedback is            steuerte Muskulatur, Einfluss auf die an-     len wurden dem Patienten dazu sowohl
   known as a possibility to control physiologic       deren Systeme zu nehmen und damit             visuell als auch akustisch kontinuierlich
   processes like body temperature or heart fre-       das Erleben von Symptomen günstig zu          rückgemeldet.
   quency.Neurofeedback is a form of biofeed-          beeinflussen [24]. Aus diesen Gründen              Voraussetzung für die Neurofeed-
   back linked to aspects of the electrical activity   wird diese Technik zunehmend in The-          backtherapie war, dass alle Patienten zu-
   of the brain such as frequency,location or am-      rapiekonzepte für Tinnituspatienten in-       vor ambulant im Rahmen der Tinnitus-
   plitude of specific EEG activity.It has been        tegriert, um den Patienten eine Möglich-      Retraining-Therapie mit Höraufmerk-
   successfully used in patients with closed head      keit zu geben, emotionale Distanz zu ih-      samkeitstraining und Techniken der
   injury,hyperactivity disorder or epilepsy.          rem Tinnitus aufzubauen [6, 7, 19, 26].       progressiven Muskelrelaxation nach Ja-
   Patients/methods: In this study 40 patients              Für uns stellte sich die Frage, ob ne-   cobson vertraut gemacht worden waren.
   with tinnitus were treated with neurofeed-          ben dem Aspekt der Entspannung in der         Das Neurofeedbacktraining erfolgte 2-
   back.They trained to upregulate the ampli-          Therapie des Tinnitus die Beeinflussung       bis 3-mal pro Woche und war bis zum
   tude of their α-activity and downregulate           der Hirnaktivität mit Neurofeedback           Erreichen der 15. Therapiesitzung in die-
   the amplitude of β-activity during muscle           den Patienten eine neue, aktive Einfluss-     sem Zeitraum die einzige Therapie, wel-
   relaxation and acoustic orientation on              nahme mit Unterdrückung der stören-           che die Patienten erhielten.
   sounds or music in order to suppress their          den Sensation ermöglichen kann.                    Mit dem Tinnitusfragebogen nach
   tinnitus.                                                                                         Göbel und Hiller [5] wurde der Schwe-
   Results: After 15 sessions of training 24 pa-         Methode                                     regrad des Tinnitus für jeden Patienten
   tients with a duration of their tinnitus for an                                                   jeweils vor, unmittelbar nach den 15 Trai-
   average of 1 year showed significant in-              Tinnituspatientengruppe                     ningssitzungen und 6 Monate nach der
   crease of α-amplitudes while 16 patients                                                          Therapie ermittelt. Jeweils vor und nach
   with duration of their tinnitus on an average       In der vorliegenden Untersuchung wur-         jeder einzelnen Therapiesitzung stellten
   of 7 years showed a decrease of β-ampli-            den 40 Patienten (26 Männer und 14 Frau-      die Patienten auf einer visuellen Analog-
   tudes without any change in α-activity.After        en im Alter zwischen 18 und 56 Jahren,        skala den aktuellen Grad der Belastung
   the training all patients had a significant re-     Durchschnittsalter 41 Jahre) mit der Dia-     durch ihre Ohrgeräusche ein.Ausgewer-
   duction of the score in the tinnitusquestio-        gnose Tinnitus mittels Neurofeedback          tet wurden die Daten der visuellen Ana-
   naire of Göbel and Hiller.In a control-group        ambulant behandelt. Mit 2 Ohrclipelek-        logskala mit einer Leiste von 0–10 cm.
   of 15 persons without tinnitus we didn’t see        troden und einer aktiven Klebeelektro-             Lediglich 2 der 40 Patienten brachen
   any changes of α- or β-amplitudes during            de an P4 (Ort vorherrschender α-Akti-         das Neurofeedbacktraining nach der 2.
   the same training.                                  vität) wurde jeder Patient einzeln an eine    bzw. nach der 5. Sitzung ab, einmal aus
   Conclusions: In conclusion neurofeedback            computergesteuerte Einheit (A620 Auto-        Zeitmangel, einmal aus der Überzeu-
   is a new therapy for patients with tinnitus.        genics) angeschlossen, die Hirn- und          gung heraus, die Therapie sei wirkungs-
   Patients get the possibility of selfcontrol and     Muskelaktivität aufzeichnete. Diese Ein-      los. Zur Evaluierung des Therapieerfol-
   therefore of influence on their disease.            heit erlaubt ein Training sowohl über ei-     ges nach 6 Monaten stellten sich 24 der
                                                       ne bipolare als auch über eine monopo-        40 Patienten persönlich in der Sprech-
   Keywords                                            lare EEG-Ableitung. In der vorliegenden       stunde vor, 16 von ihnen wurde der Tin-
                                                       Studie wurde sich für die monopolare          nitusfragebogen mit der Bitte, ihn auszu-
   Therapy of tinnitus · Neurofeedback ·               Ableitung entschieden, sodass die beiden      füllen, zugeschickt. Davon kamen ledig-
   Electrical activity of the brain ·                  Ohrclipelektroden jeweils die Erdungs-        lich 3 Fragebögen nicht zurück.
   Tinnitusquestionaire · Biofeedback                  elektrode darstellten. Die monopolare
                                                       Ableitung ist etwas genauer, da sie das         Kontrollgruppe
                                                       aktive Signal gegen 2 Erdungen ableitet
                                                       und nicht, wie bei der bipolaren Ablei-       Eine Kontrollgruppe bestand aus 15 Pa-
                                                       tung der Unterschied zwischen 2 Signa-        tienten (8 Männer und 7 Frauen im Alter
                                                       len ermittelt wird.                           von 23–61 Jahren, Durchschnittsalter
                                                            Die Patienten trainierten, in 15 The-    44 Jahre), die unter Schwindel im Rah-
                                                       rapiesitzungen, die aus jeweils 5 fünfmi-     men einer mindestens 3 Wochen zuvor
                                                       nütigen Trainingseinheiten bestanden,         aufgetretenen Neuropathia vestibularis
                                                       einen Entspannungszustand herzustel-          litten. Keiner dieser Patienten hat oder
                                                       len mit gleichzeitiger Lenkung der Auf-       hatte jemals Tinnitus gehabt. Sie trai-
                                                       merksamkeit bewusst vom Ohrgeräusch           nierten unter den gleichen Bedingungen
                                                       weg. Dies geschah entweder durch Kon-         wie die Tinnituspatienten, also mit glei-
                                                       zentrationsaufgaben, Phantasiereisen          cher Elektrodenposition ebenfalls in

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te, dass sowohl die Patienten der Grup-
                                                                                                     pe A als auch die Patienten der Gruppe B
                                                                                                     innerhalb einer Therapiesitzung (beste-
                                                                                                     hend aus 5 Trainingseinheiten) ihre Lei-
                                                                                                     stungen (entweder α-Aktivität steigern
                                                                                                     oder β-Aktivität unterdrücken) von der
                                                                                                     1. zur 5. Einheit jeweils signifikant stei-
                                                                                                     gern konnten (Wilcoxon-Test für ver-
                                                                                                     bundene Stichproben).Außerdem gelang
                                                                                                     ihnen diese Steigerung in der 10.–15.The-
                                                                                                     rapiesitzung jeweils in signifikant höhe-
                                                                                                     rem Maße, als jeweils in den ersten
                                                                                                     10 Therapiesitzungen.

                                                                                                     Gruppe A. In der Patientengruppe A lag
                                                                                                     der Median der α-Amplituden in der
                                                                                                     1. Trainingseinheit gemittelt über alle
                                                                                                     15 Therapiesitzungen bei 8,7 µV (Mini-
Abb.1  Patienten der Gruppe A (n=24), waren in der Lage, ihre α-Aktivität zu steigern, während      mum 4,9 µV, Maximum 18,6 µV), in der
es ihnen nicht gelang, ihre β-Aktivität gleichzeitig zu unterdrücken. Dargestellt ist jeweils der    5. Trainingseinheit, wiederum gemittelt
Median mit Minimum- und Maximumwerten der α-Amplituden und der β-Amplituden von 1. zu                über alle 15 Therapiesitzungen bei 9,9 µV
5.Trainingseinheit gemittelt über alle 15 Therapiesitzungen. Erkennbar ist die Zunahme der Median-   (Minimum 5,4 µV, Maximum 19,4 µV).
werte der α-Amplituden, während die Medianwerte der β-Amplituden nahezu konstant bleiben
                                                                                                     Der Median der β-Amplituden blieb in
                                                                                                     dieser Gruppe in den einzelnen Trai-
                                                                                                     ningseinheiten konstant bei 5,4 µV (3,5
15 Therapiesitzungen bestehend aus 5                 steigern, während es ihnen nicht ge-            bis 6,0 µV).
fünfminütigen Therapieeinheiten.                     lang, ihre β-Aktivität gleichzeitig zu
     Sie wurden instruiert, einen Ent-               unterdrücken.                                   Gruppe B. In der Patientengruppe B konn-
spannungszustand herzustellen und über             ◗ Die Patienten der Gruppe B (n=16)               ten die β-Amplituden von einem Medi-
Konzentrationsaufgaben,Phantasiereisen               konnten leichter ihre β-Aktivität               an von 4,9 µV (Minimum 3,3 µV, Maxi-
mit oder ohne Musikhören ihre α-Aktivi-              unterdrücken, während die Ampli-                mum 5,9 µV) in der 1. Trainingseinheit,
tät zu fördern und ihre β-Aktivität zu un-           tuden der α-Aktivität nahezu gleich             gemittelt über alle 15 Therapiesitzungen,
terdrücken.Parallel zum Neurofeedback-               blieben.                                        auf einen Median von 4,4 µV (3,2 µV bis
training erfolgte bei diesen Patienten ei-                                                           5,9 µV) in der 5. Trainingseinheit gesenkt
ne defektbezogene Schwindeltherapie                Die statistische Aufarbeitung der Trai-           werden, wiederum über alle 15 Therapie-
zur Förderung der zentralen Kompensa-              ningsergebnisse aller 40 Patienten zeig-          sitzungen gemittelt. Die α-Amplituden
tionsmechanismen.

  Ergebnisse
Alle 40 Tinnituspatienten berichteten
über eine Abnahme der subjektiven Be-
lastung durch den Tinnitus. Dies gaben
sie sowohl nach jeder einzelnen Thera-
piesitzung als auch nach Beendigung
der 15 Therapiesitzungen und bei der
Nachkontrolle nach 6 Monaten an.

  Änderungen der Hirnaktivität

Zur aktiven Einflussnahme auf ihre
Hirnaktivität waren allerdings nicht al-
le Patienten in der gleichen Weise fähig.
Das Kollektiv der 40 Patienten spaltete
sich dabei, unabhängig von Alter, Ge-
schlecht und Tinnituslokalisation in               Abb.2  Patienten der Gruppe B (n=16) konnten leichter ihre β-Aktivität unterdrücken, während
2 Gruppen:                                         die Amplituden der α-Aktivität nahezu gleich blieben.Wiederum sind jeweils die Medianwerte
                                                   mit Minimum- und Maximumwerten der α- und β-Amplituden für 5 Trainingseinheiten gemittelt
◗ Patienten der Gruppe A (n=24), wa-               über 15 Therapiesitzungen dargestellt. Bei nahezu gleichbleibenden α-Amplitudenwerten nehmen
  ren in der Lage, ihre α-Aktivität zu             die Medianwerte der β-Amplituden kontinuierlich ab

                                                                                                                                     HNO 1•2001    | 31
Originalien
                                                                                                      niken basieren auf der Vorstellung, dass
                                                                                                      die allgemeine Förderung der Entspan-
                                                                                                      nungsfähigkeit des Patienten seine emo-
                                                                                                      tionalen Reaktionen auf die Ohrgeräu-
                                                                                                      sche günstig beeinflusst. Die Ergebnisse
                                                                                                      dieser Therapien werden als wenig spe-
                                                                                                      zifisch interpretiert, was auch in einer
                                                                                                      Metaanalyse von Andersson zum Aus-
                                                                                                      druck kommt [1]. Daher wurden diese
                                                                                                      Arten von Biofeedbacktherapie für Tin-
                                                                                                      nituspatienten größtenteils wieder ver-
                                                                                                      lassen.

   Abb.3  Im Tinnitusfragebogen nach Göbel und Hiller ermittelte Punktwerte jeweils vor, unmittel-     Wirkungsmechanismus
   bar nach und 6 Monate nach der Neurofeedbacktherapie                                                 des Neurofeedback

                                                                                                      Bereits seit mehr als 25 Jahren ist die Me-
   blieben in dieser Gruppe von Patienten                Reduktion der Tinnitusbelastung              thode des EEG-Biofeedbacks bzw. Neu-
   in den einzelnen Therapieeinheiten na-                                                             rofeedbacks bekannt. In einem Über-
   hezu konstant niedrig bei einem Medi-              Die Auswertung der Tinnitusfragebogen           sichtsartikel stellt Lubar [22] die Ergeb-
   anwert von 3,6 µV (minimal 2,5 µV, ma-             nach 6 Monaten zeigte stabile Werte von         nisse seiner umfangreichen und lang-
   ximal 7,7 µV).                                     28,9±19,1 Punkten in der Gruppe A, und          jährigen Untersuchungen bezüglich des
        Diese Ergebnisse wurden statistisch           von 25,4±11,8 Punkten in der Gruppe B           Wirkungsmechanismus dieser Therapie
   außerdem durch eine Varianzanalyse                 (Wilcoxon-Test für verbundene Stich-            dar: danach sollen die Grundlage für die
   mit repeated measures (GLM) verifi-                proben; Abb. 3).                                Hirnfunktion des Menschen sogenann-
   ziert. In den Abbildungen 1 und 2 sind                  In der visuellen Analogskala redu-         te Schrittmacherzellen im Thalamus sein,
   die Leistungen der beiden Patienten-               zierte sich der subjektive Schweregrad          die über zahlreiche exzitatorische und
   gruppen graphisch dargestellt.                     der Tinnitusbelastung auf einer Skala           inhibitorische Neurone mit dem Kortex
                                                      von 0–10 cm bei den Patienten der Grup-         in einer Art elektrischem Schwingkreis
       Klinische Ergebnisse                           pe A von im Mittel 4,24±2,05 cm vor der         in Verbindung stehen und somit zum
                                                      Therapie auf 4,03±2,16 cm nach der The-         Beispiel Lernprozesse ermöglichen. Die
   Klinisch unterschieden sich die 40 Tin-            rapie, bei den Patienten der Gruppe B           lokale, regionale oder globale Ausbrei-
   nituspatienten folgendermaßen:                     von einem Mittelwert von 3,66±2,05 cm           tung dieser Stimuli im Kortex lassen sich
                                                      vor der Therapie auf einen Mittelwert           wiederum als unterschiedliche EEG-Ak-
   Gruppe A. Bei den Patienten der Grup-              von 2,75±1,62 cm nach der Therapie. Im          tivitäten aufzeichnen.
   pe A (24 Patienten, 17 Männer, 7 Frauen,           Mittel wurde am jeweiligen Therapietag               Lubar entdeckte, dass bei Hyperak-
   Durchschnittsalter 45 Jahre, konnten ih-           in der Gruppe A eine Reduktion der Tin-         tivitätssyndromen oder Hirnverletzun-
   re α-Aktivität gut fördern) bestand der            nitusbelastung um 0,21±0,87 cm, in der          gen diese elektrischen Schwingkreise
   Tinnitus durchschnittlich seit 1 Jahr (Mi-         Gruppe B von 0,89±1,24 cm angegeben.            zwischen Thalamus und Kortex bzw. in-
   nimum 1 Monat bei 4 Patienten, Maxi-               Dieser Unterschied zwischen den beiden          nerhalb des Kortex gestört sind und
   mum 33 Monate). Im Tinnitusfragebo-                Gruppen war statistisch signifikant (Wil-       durch Neurofeedback beeinflussbar sind.
   gen wurde im Mittel bei dieser Gruppe              coxon-Test für unverbundene Stichpro-           Etwa zeitgleich wurden die ersten Erfol-
   ein Scorewert von 42,1±15,5 Punkten vor            ben).                                           ge mit Neurofeedback in der Therapie
   und von 28,7±17,5 Punkten nach der                                                                 der Epilepsie, ebenfalls ein Krankheits-
   Therapie ermittelt (statistisch signifi-           Kontrollgruppe. Die Patienten der Kon-          bild mit gestörter Erregungsausbreitung
   kanter Unterschied, Wilcoxon-Test für              trollgruppe waren mit Neurofeedback             und -rückbildung, beschrieben [27, 29].
   verbundene Stichproben).                           weder in der Lage ihre α-Aktivität zu           Allerdings weiß man heute, dass Neuro-
                                                      fördern, noch ihre β-Aktivität zu unter-        feedback zwar eine Reduktion der epi-
   Gruppe B. Patienten der Gruppe B (16 Pa-           drücken. Die Amplitudenwerte blieben            leptischen Anfälle bei einem einge-
   tienten, 9 Männer, 7 Frauen, Durch-                in den Therapiesitzungen von Einheit zu         schränkten Patientengut erzielen kann,
   schnittsalter 42 Jahre, konnten ihre β-            Einheit ohne signifikanten Unterschied          eine Anfallsfreiheit durch alleinige The-
   Aktivität gut unterdrücken) litten unter           (Wilcoxon-Test für verbundene Stich-            rapie mit Neurofeedback jedoch bisher
   ihrem Tinnitus im Durchschnitt seit                proben).                                        nicht möglich ist [17].
   7 Jahren (Minimum 1,5 Jahre, Maximum
   30 Jahre). Im Fragebogen wurde im Mit-                Diskussion                                     Pathophysiologische
   tel ein Scorewert von 41,1±11,1 Punkten                                                              Zusammenhänge bei Tinnitus
   vor und von 28,9±13,1 Punkten nach der             Seit vielen Jahren werden Methoden des
   Therapie ermittelt (statistisch signifi-           Biofeedbacks, wie Temperaturfeedback            Die Pathogenese des Tinnitus bleibt bis
   kanter Unterschied, Wilcoxon-Test für              und Muskelfeedback in der Therapie des          heute in den meisten Fällen ungeklärt.
   verbundene Stichproben).                           Tinnitus eingesetzt [12, 15, 16]. Die Tech-     Sowohl Störungen in der Kochlea als

32 |   HNO 1•2001
auch im zentral-auditiven System sind        EEG-Veränderungen bei Patienten mit          fähigkeiten und des sozialen Lebens,
denkbar [20, 33, 34]. Alle bisherigen Un-    neurootologischen Krankheitsbildern          Schlafstörungen und somatischer Be-
tersuchungen schließen allerdings nicht      wie Kopfschmerzen, Hörstörungen,             schwerden. Daneben war uns eine einfa-
aus, dass auch beim Tinnitus eine Stö-       Schwindel und Tinnitus in bis zu 29%         che und schnelle, für Patienten und The-
rung der Erregungsausbreitung und            der Fälle berichtet, wobei bei Patienten     rapeuten unkompliziert anzuwendende
-rückbildung zu Grunde liegen könnte,        mit Tinnitus als alleinigem Symptom          Messmethode der subjektiven Tinnitus-
die,peripher oder zentral ausgelöst,letzt-   keine EEG-Veränderungen beschrieben          belastung wichtig, die jeweils vor und
endlich für den Patienten zur Wahrneh-       werden [25]. Andere Autoren berichten        nach jeder Therapiesitzung eingesetzt
mung von abnormen Tönen führt [7, 8,         über Veränderungen der späten, korti-        werden sollte, um direkte, eventuell nur
13, 14].                                     kalen akustisch evozierten Potentiale bei    minimale und möglicherweise nur kurz
      Fortschritte in der bildgebenden       Patienten mit Tinnitus [9, 10, 23]. Unter    anhaltende Veränderungen der Tinni-
Diagnostik zeigen mit der Positronen-        Stimulierung des Hörsystems mit be-          tusbelastung zu erfassen. Dazu diente
emissionstomographie (PET), sowie mit        stimmten Ton-Bursts gelang mit Hilfe         uns die im Methodenteil beschriebene
der „single photon emission computed         von Magnetenzephalographien bei eini-        visuelle Analogskala mit Messwerten
tomography“ (SPECT) interessante Stoff-      gen Tinnituspatienten der Nachweis von       zwischen 0 und 10 cm.
wechselveränderungen im auditiven            veränderten Potentialen im Vergleich zu           Die Ergebnisse zeigen, dass die Pa-
Kortex von Tinnituspatienten [2, 20, 25,     Normalpersonen [11].                         tienten der Gruppe A im Durchschnitt
28], die zum jetzigen Zeitpunkt aller-            Interessant ist, dass keiner unserer    am jeweiligen Therapietag vor Therapie-
dings allenfalls eine Lokalisation von       40 Tinnituspatienten in der Lage war, α-     beginn eine höhere Tinnitusbelastung
tinnitusinduzierten Anregungen erlau-        Aktivität und β-Aktivität gleichzeitig zu    angaben (4,24±2,05 cm) und eine etwas
ben, den Ursprungsort von Tinnitus aber      beeinflussen. Entweder gelang die För-       geringere Abnahme ihrer Tinnitusbela-
noch nicht sichern können.                   derung der Amplituden der α-Wellen           stung erlebten (um durchschnittlich
      Bei ihren Untersuchungen an Gerbil-    oder die Unterdrückung der β-Wellen-         0,21±0,87 cm) als die Patienten der Grup-
affen mit salicylatinduziertem Tinnitus      amplituden. Somit spaltete sich das Kol-     pe B (mit einem mittleren Ausgangswert
fanden Wallhäusser-Franke und Lang-          lektiv klar in 2 Gruppen.                    von 3,66±2,05 cm und einer durchschnitt-
ner reduzierte Aktivitäten in Kerngebie-          Die Untersuchung der klinischen Pa-     lichen Reduktion von 0,89±1,24 cm).Die-
ten des Hirnstammes und erhöhte An-          rameter zeigte, dass offenbar der Zeit-      ser Unterschied zwischen den beiden
regung in auditorischen und nicht-audi-      raum, wie lange der Patient schon unter      Gruppen deutet sich auch in der Aus-
torischen kortikalen Kernen und schlos-      seinem Tinnitus zu leiden hatte, für die     wertung des Tinnitusfragebogens 6 Mo-
sen hieraus, dass subjektiver Tinnitus       Teilung des Patientenkollektivs eine Rol-    nate nach Therapie an, ist aber nur bei
immer in zentralen Hirnregionen gene-        le spielt: Patienten, die gut α-Aktivität    der Auswertung der visuellen Analog-
riert werde [31, 32]. Sicher ist dieser      fördern konnten (Gruppe A), litten erst      skala signifikant.
Rückschluss nicht für jede Form von          seit durchschnittlich 1 Jahr (Minimum 1           Möglicherweise spielen hier be-
Tinnitus richtig, da salicylatinduzierter    Monat,Maximum 33 Monate) unter ihren         stimmte Persönlichkeitsstrukturen eine
Tinnitus nicht mit jeder Form der Tin-       Ohrgeräuschen, bei den übrigen Patien-       Rolle, die sich aus der unterschiedlichen
nitusgenese gleichgesetzt werden kann.       ten (Gruppe B) bestand der Tinnitus im       Dauer des Tinnitusleidens in den beiden
                                             Durchschnitt seit 7 Jahren (1,5–30 Jahre).   Gruppen ergeben könnten. Über solche
  Erfolge des Neurofeedback                       Der Grad der Tinnitusbelastung,         Zusammenhänge kann hier nur speku-
  bei Tinnitus                               der im Tinnitusfragebogen nach Göbel         liert werden, sie müssten in weiteren
                                             und Hiller ermittelt worden war, unter-      Untersuchungen überprüft werden.
Die zuvor beschriebenen Möglichkeiten,       schied sich zu Beginn der Therapie zwi-           In der Kontrollgruppe, bestehend
mit Neurofeedback die Hirnstromkur-          schen Gruppe A und B kaum. Nach der          aus 15 Patienten mit Schwindel aufgrund
ven kognitiv beeinflussbar zu machen,        Neurofeedbacktherapie hatte der Grad         einer Neuropathia vestibularis, von de-
veranlasste uns, diese Therapie bei Pati-    der Tinnitusbelastung bei allen Patien-      nen keiner jemals unter Tinnitus gelit-
enten mit Tinnitus anzuwenden. Sowohl        ten abgenommen, erkennbar an den Er-         ten hatte, war keiner der Probanden in
für diese Patienten wie auch für die Pa-     gebnissen des Tinnitusfragebogens (zu        der Lage, α- oder β-Aktivität in signifi-
tienten mit Schwindel war die Zielvor-       Therapiebeginn mittlere Scorewerte von       kantem Ausmaß zu beeinflussen. Dies
gabe des Trainings, sich in einen ent-       42,1±15,5 Punkten in Gruppe A und von        deckt sich mit Beobachtungen anderer
spannten Zustand zu versetzen, die α-        41,1±11,1 Punkten in Gruppe B, nach          Autoren, die bei Normalpersonen ein
Aktivität (im entspannten Wachzustand        6 Monaten mittlere Scorewerte von            sogenanntes α-Training zur Förderung
vorherrschend) durch Amplitudenstei-         28,9±19,1 Punkten in Gruppe A, und von       von Lern- und Konzentrationsfähigkeit
gerung zu fördern und die Amplituden         25,4±11,8 Punkten in der Gruppe B). Die      erfolglos durchführten [18].
der β-Aktivität (bei Schmerz oder Schall-    Therapie kann somit für alle Patienten            Als Kontrollgruppe wurde für diese
reizen vermehrt auftretend) gleichzeitig     als erfolgreich beurteilt werden.            Studie bewusst ein Kollektiv von Patien-
zu unterdrücken.                                  Der eingesetzte Tinnitusfragebogen      ten mit einer anderen neurootolgischen
     Vor Therapiebeginn war bei keinem       beleuchtet umfangreich verschiedene          Erkrankung und nicht ein Kollektiv von
der Patienten mit Tinnitus und bei kei-      Aspekte der Tinnitusbelastung, ein-          gesunden Normalpersonen gewählt. So-
nem der Patienten aus der Kontrollgrup-      schließlich emotionaler und kognitiver       wohl für Patienten mit Tinnitus als auch
pe ein pathologischer Befund im EEG          Verarbeitung und Kontrolle, Beeinträch-      für Patienten mit Schwindel erscheinen
aufgefallen. In der Literatur wird über      tigung der Hör- und Kommunikations-          uns Zuwendung durch den Therapeuten

                                                                                                                        HNO 1•2001   | 33
Originalien
   und Entspannung als Faktoren, die eine            Bereits zu Beginn der Neurofeed-                8. Hazell JW (1995) Models of tinnitus:
   Therapie beeinflussen können. Die jetzt      backtherapie berichteten unsere Patien-                 generation, perception: clinical implications.
   gefundenen Unterschiede in der aktiven       ten über ein Nachlassen der Tinnitusbe-                 In: Vernon J,Möller A (eds) Tinnitus mechanism.
                                                                                                        pp 57–72
   Beeinflussung der Hirnaktivität zwi-         lastung zumindest während der Thera-
                                                                                                     9. Hoke M, Feldmann H, Pantev C, Lutkenhoner B,
   schen Tinnituspatienten und Kontroll-        piesitzung, nachvollziehbar anhand der                  Lehnertz K (1989) Objective evidence
   gruppe machen diese Faktoren als allei-      Bewertungen in der visuellen Analog-                    of tinnitus in auditory evoked magnetic fields.
   nige Ursache für den Erfolg der Neuro-       skala. Dadurch lässt sich rasch eine ho-                Hear Res 37: 281–286
   feedbacktherapie bei den Patienten mit       he Therapiemotivation aufbauen, die                 10. Hoke M, Pantev C, Lutkenhoner B, Lehnertz K
   Tinnitus unwahrscheinlich.                   Ressourcen des Patienten auch dauer-                    (1991) Auditory cortical basis of tinnitus.
        Die Tinnituspatienten waren in der      haft freilegen kann. Durch die positiven                Acta Otolaryngol Suppl (Stockh) 491: 176–181
                                                                                                    11. Hoke ES, Muhlnickel W, Ross B, Hoke M (1998)
   Lage, ihre Ergebnisse jeweils in den         visuellen und akustischen Rückmeldun-
                                                                                                        Tinnitus and event-related activity of the
   5 Therapieeinheiten eines einzelnen Ta-      gen während der Therapie lernen sie,                    auditory cortex.Audiol Neurootol 3: 300–331
   ges zu steigern. Dies gelang ihnen zwi-      schließlich auch ohne das computerge-               12. House J (1981) Panel discussion: tinnitus
   schen 10. und 15. Trainingstag besser als    stützte System den Tinnitus in schwieri-                and biofeedback.In: Tinnitus.Proceedings
   zu Anfang zwischen 1. und 10. Trainings-     gen Situationen zu unterdrücken und ei-                 of the first international tinnitus seminar New
   tag, sodass ein gewisser Lerneffekt aus-     nen Zustand der Entspannung und Ge-                     York 1979.J Laryngol Otol Suppl 4: 178–184
   zumachen ist. Eine Steigerung der Am-        lassenheit herzustellen. Dafür spricht,             13. Jastreboff PJ(1990) Phantom auditory
   plitudenwerte von Tag zu Tag, also von       dass der Score im Tinnitusfragebogen                    perception (tinnitus) mechanisms of generation
                                                                                                        and perception.Neurosci Res 8: 221–254
   Therapiesitzung zu Therapiesitzung,          nach 6 Monaten konstant niedrig blieb.              14. Jastreboff PJ,Hazell JW (1993) A neurophysiolo-
   war nicht in signifikantem Ausmaß er-                                                                gical approach to tinnitus: clinical implications.
   kennbar, vielmehr begannen die Patien-
   ten ihr Training an jedem Tag bei neuen        Fazit für die Praxis                                  Br J Audiol 27: 7–17
                                                                                                    15. Kirsch CA, Blanchard EB, Parnes SM (1987) A
   Ausgangswerten, waren aber innerhalb                                                                 multiple-baseline evaluation of the treatment
   des Tages eben in der Lage, sich zu stei-    Neurofeedback stellt eine neue effektive                of subjective tinnitus with relaxation training
   gern. Diese Tatsache spricht für starke      Therapiemöglichkeiten für Patienten mit                 and biofeedback.Biofeedback Selfregul
   intraindividuelle Schwankungen.              Tinnitus dar. Durch das Erlernen der Selbst-            12: 295–312
        Weitere klinisch-prognostische Pa-      kontrolle und der aktiven Einflussnahme             16. Kirsch CA, Blanchard EB, Parnes SM (1989)
                                                auf ihren Tinnitus, kann eine dauerhafte                Psychological characteristics of individuals
   rameter bedürfen der Überprüfung an-                                                                 high and low in their ability to cope with
   hand eines größeren Kollektivs. Zum jet-     Reduktion der Belastung durch den Tinni-
                                                                                                        tinnitus.Psychosom Med 51: 209–217
   zigen Zeitpunkt ist es uns noch nicht        tus erlangt werden. Die neurophysiologi-            17. Kotchoubey B, Strehl U, Holzapfel S,
   möglich, die neurophysiologische oder        schen Grundlagen sowohl der Tinnitusge-                 Blankenhorn V, Froscher W, Birbaumer N (1999)
   neuropathologische Basis unserer Er-         nese als auch der Therapieerfolge mittels               Negative potential shifts and the prediction
   gebnisse zu erklären.                        Neurofeedback bleiben der weiteren For-                 of the outcome of neurofeedback therapy in
                                                schung vorbehalten.                                     epilepsy.Clin Neurophysiol 110: 683–686
                                                                                                    18. Kröner B, Sachse R (1981) Alpha-Feedback.
       Resümee                                                                                          In: Kröner B, Sachse R (Hrsg) Biofeedback-
                                                Literatur                                               therapie.Kohlhammer, Stuttgart, S 112–115
   Zusammenfassend lässt sich festhalten,                                                           19. Lenarz T (1998) Diagnostik und Therapie des
   dass Neurofeedback zwar ein zeitaufwen-       1. Andersson G, Lyttkens L (1999) A meta-              Tinnitus.Laryngorhinootologie 77: 54–60
   diges, aber effektives Verfahren in der          analytic review of psychological treatments     20. Lockwood AH, Salvi RJ, Coad ML,Towsley ML,
   Therapie des Tinnitus darstellt. Gerade          for tinnitus.Br J Audiol 33: 201–210                Wack DS, Murphy BW (1998) The functional
                                                 2. Arnold W, Bartenstein P, Oestreicher E,             neuroanatomy of tinnitus – evidence for
   für Patienten, die bereits mit der Tinni-
                                                    Romer W, Schwaiger M (1996) Focal metabolic         limbic system links and neural plasticity.
   tus-Retraining-Therapie nach Jastreboff          activation in the predominant left auditory         Neurology 50: 114–120
   und Hazell behandelt worden sind [7, 14]         cortex in patients suffering from tinnitus:     21. Lubar JF, Swartwood MO, Swartwood JN,
   gibt es die Möglichkeit, die dabei erlern-       a PET study with [18F] deoxyglucose.                O’Donnell PH (1995) Evaluation of the
   ten Techniken der Aufmerksamkeitslen-            ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec                   effectiveness of EEG neurofeedback training
   kung kombiniert mit Entspannung anzu-            58: 195–199                                         for ADHD in a clinical setting as measured by
   wenden und in ihrer individuellen Wir-        3. Bischoff C (1995) Biofeedback.                      changes in T.O.V.A.scores, behavioral ratings,
   kungsweise zu überprüfen. Durch Visua-           Psychotherapeut 40: 179–187                         and WISC-R performance.Biofeedback Selfregul
                                                 4. Ebe M, Homma I (1994) Normales EEG.                 20: 83–99
   lisierung der Hirnstromkurven werden                                                             22. Lubar JF (1997) Neocortical dynamics:
                                                    In: Ebe M, Homma I (Hrsg) Leitfaden für die
   für den Patienten zentralnervöse Vorgän-         EEG-Praxis.Gustav Fischer, Stuttgart, S 68–83       implications for understanding the role of
   ge transparent [21, 22]. Bei Patienten mit    5. Goebel G, Hiller W (1994) Verhaltensmedizini-       neurofeedback and related techniques
   Tinnitus führt die aktive Auseinanderset-        sche Diagnostik bei chronischem Tinnitus            for the enhancement of attention.
   zung mit der Hirnaktivität während den           mit Hilfe des Tinnitus-Fragebogens (TF).            Appl Psychophysiol Biofeedback 22: 111–126
   Neurofeedbacksitzungen zu einer Len-             Diagnostica 40: 155–164                         23. Norena A, Cransac H, Chery-Croze S (1999)
   kung der Aufmerksamkeit vom Symptom           6. Goebel G (1995) Fortschritte bei der verhal-        Towards an objectification by classification
                                                    tensmedizinischen Diagnostik und Behand-            of tinnitus.Clin Neurophysiol 110: 666–675
   Tinnitus weg. Die Patienten gewinnen
                                                    lung quälender chronischer Ohrgeräusche.        24. Olschewski A (1996) Progressive Muskelent-
   das Gefühl der Selbstkontrolle und ver-          Otorhinolaryngol Nova 5: 178–189                    spannung.Stressbewältigung und Gesund-
   lieren das lähmende Ohnmachtsgefühl           7. Hazell JW (1990) Tinnitus III: The practical        heitsprävention mit klassischen und neuen
   mit dem Eindruck, dem Tinnitus hilflos           management of sensorineural tinnitus.               Übungen nach Jacobson, 3.Aufl.Haug,
   ausgeliefert zu sein.                            J Otolaryngol 19: 11–18                             Heidelberg

34 |   HNO 1•2001
Buchbesprechung
25. Sataloff RT, Mandel S, Muscal E, Park CH,           T.Schneider,B.Wolcke,R.Böhmer,T.Merz (Hrsg.)         dargestellt.Die folgenden 130 Seiten bieten,wie
    Caputo Rosen D, Kim SM, Spiegel JR (1996)           Taschenatlas Notfall & Rettungsmedizin               die Autoren es nennen,Medikamentensteckbrie-
    Single-Photon-Emission Computed Tomo-               Kompendium für den Notarzt                           fe,alphabetisch nach Wirkstoffen.Abgeschlossen
    graphy (SPECT) in neurotologic assessment:
                                                                                                             wird das Büchlein mit einer Übersicht über Norm-
    a preliminary report.Am J Otol 17: 909–916
26. Schaaf H (2000) Unterstützende und beglei-          Berlin, Heidelberg, New York: Springer 2000.         werte,Scoringsysteme und Normierungen sowie
    tende Behandlungen.In: Hesse G (Hrsg)               602 S., 144 Abb., 68 Tab., (ISBN 3-540-66896-9),     einem Literatur- und Stichwortverzeichnis.
    Retraining und Tinnitustherapie.Thieme,             geb., DM 49,–                                              Die Stärken dieses Büchleins liegen unzwei-
    Stuttgart, S 82–83                                                                                       felhaft in der gut gemachten Illustration der prak-
27. Seifert AR, Lubar JF (1975) Reduction               Durch die Vielzahl der„Kitteltaschenbücher“ für      tischen Themen.Auf der anderen Seite ist auch im
    of epileptic seizures through EEG biofeedback       den Notarzt scheint offensichtlich einem dringen-    theoretischen Teil nichts vergessen worden,
    training.Biol Psychol 3: 157–184
                                                        den Bedarf abgeholfen zu werden.Wenn anderer-        wenngleich sich der Leser möglicherweise eine
28. Shulman A, Goldenstein B, Strashun AM,
    Olson A, Lukban A, Mann C (1996) Tinnitology        seits ein solches Buch neu auf den Markt kommt,      etwas ausführlichere Darstellung psychiatrischer
    in nuclear medicine – SPECT imaging of brain        fragt sich der Leser,worin es sich von den Konkur-   und psychologischer Notfälle wünscht.Sie sind
    and tinnitus.A review 1990–1994.In: Reich GE,       renten unterscheidet.Die Herausge-                                   unproportional knapp davonge-
    Vernon JA (eds) Proceedings of the Fifth            ber haben einerseits konsequent das                                  kommen.Wie immer in der Notfall-
    International Tinnitus Seminar.Portland,            Ziel Schnellinformation für den Not-                                 medizin ist die aktuelle Auflage von
    pp 539–545                                          arzt abgedeckt,andererseits aber                                     Vorteil.So sind die Kapitel zur Re-
29. Sterman MB, Friar L (1972) Suppression of           über viele andere Kitteltaschenbü-                                   animation auf dem Stand der ERC-
    seizures in an epileptic following sensorimotor
                                                        cher hinaus Hintergründe darge-                                      Empfehlungen von 1998.Allerdings
    EEG biofeedback training.Electroencephalogr
    Clin Neurophysiol 33: 89–95                         stellt.Außerdem bieten sie dem Titel                                 wird der „Consensus of Science“,
30. Sterman MB (1996) Physiological origins and         „Taschenatlas“ gerecht werdend,                                      den die American Heart Association
    functional correlates of EEG rhythmic activities:   umfangreiche Illustrationen.                                         und das European Resuscitation
    implication for self-regulation.Biofeedback                In den ersten drei Kapiteln                                   Council im September publiziert
    Selfregul 21: 3–33                                  werden Einsatztechnik und Taktik,                                    haben,möglicherweise schon wie-
31. Wallhäusser-Franke E, Braun S, Langner G            Notfalldiagnostik und darunter spe-                                  der für Veränderungen sorgen.
    (1996) Salicylate alters 2-DG uptake
                                                        ziell die EKG-Diagnostik mit einem                                          So stellt der Taschenatlas Not-
    in the auditory system: a model for tinnitus?
    Neuroreport 7: 1585–1587                            Viertel des Buchumfanges ausführ-                                    fall & Rettungsmedizin durchaus
32. Wallhäusser-Franke E (1997) Salicylate evokes       lich dargestellt.Die Kapitel 4 bis 14 ordnen die     eine Bereicherung der gut besetzten Rubrik „Kit-
    c-fos expression in the brain stem: implications    Notfallsituationen nach Organgebieten und Dia-       telatschenbücher“ für den Notarzt dar; vom Inhalt
    for tinnitus.Neuroreport 8: 725–728                 gnosen,wobei auch seltenen Problemen Raum            her geht es deutlich über das Unverzichtbare hin-
33. Wilhelm K (1999) Tinnitus entsteht im Gehirn        eingeräumt wird.Kapitel 15 behandelt ausführlich     aus, Umfang und Gewicht erfordern deswegen
    – nicht im Ohr.Psychologie Heute 26: 18             ein Thema,das sonst in solchen Kompendien eher       aber auch eine stabil genähte Tasche.
34. Zenner HP (1998) Eine Systematik für                zu kurz kommt,die Hygiene.Grundlagen von Hy-
    Entstehungsmechanismen von Tinnitus.HNO
                                                        giene und Desinfektion,gesetzliche Vorschriften                                             B.Dirks (Ulm)
    46: 699–711
                                                        und ausgewählte Infektionskrankheiten werden

                                                                                                                                                    HNO 1•2001    | 35
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