Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz

 
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Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz
Diplomarbeit

    Perkutane tibiale Nervenstimulation
   (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller
     Obstipation und Stuhlinkontinenz

                     zur Erlangung des akademischen Grades
                    Doktor(in) der gesamten Heilkunde
                              (Dr. med. univ.)
                                    an der
                      Medizinischen Universität Wien
                               ausgeführt an der
              Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie

                            unter der Anleitung von

             Dr. med. univ. Dr. scient. med. Wilfried Krois

                                eingereicht von

                           Claudia Neugebauer
                                 01620722

_______________________                                 _______________________

Ort, Datum                                               Unterschrift (Studierender)
Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz
DANKSAGUNG
Ich möchte mich ganz herzlich bei meinem Betreuer DDr. Wilfried Krois bedanken, der mich
für die Kinderchirurgie begeistert und mir das Schreiben dieser Arbeit ermöglicht hat. Seine
stets prompte Antwort, der fachliche Rat sowie das immer freundliche und unkomplizierte
Arbeitsklima, haben mich beim Schreiben dieser Arbeit sehr motiviert und stellen mit
Sicherheit eine Ausnahme unter Diplomarbeitsbetreuern dar.

Der größte Dank gilt meiner Familie, die mir das Medizinstudium ermöglicht hat und die
mich schon immer in allem, was ich tue, unterstützt.

Außerdem möchte ich mich bei allen meinen Freunden und Studienkollegen bedanken, die
mich beim Schreiben dieser Diplomarbeit unterstützt und motiviert haben – vor allem bei
meiner besten Freundin Lena.

II
Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz
Inhaltsverzeichnis

1. Zusammenfassung .................................................................................................................. 1

2. Abstract .................................................................................................................................. 2

3. Einleitung ............................................................................................................................... 3

4. Zielsetzung ............................................................................................................................. 5

5. Anatomie ................................................................................................................................ 6
   5.1 Rektum und Analkanal .................................................................................................................................. 6

   5.2 Der Plexus sacralis ......................................................................................................................................... 9

6. Physiologie und Pathophysiologie ....................................................................................... 11

   6.1 Defäkation und Kontinenz ........................................................................................................................... 11

   6.2 Obstipation ................................................................................................................................................... 12

   6.3 Enkopresis .................................................................................................................................................... 12

7. Funktionelle Obstipation ...................................................................................................... 14
   7.1 Epidemiologie .............................................................................................................................................. 14

   7.2 Ätiologie ...................................................................................................................................................... 15

   7.3 Pathogenese.................................................................................................................................................. 15

   7.4 Symptomatik ................................................................................................................................................ 17

   7.5 Diagnostik .................................................................................................................................................... 18

   7.6 Therapie ....................................................................................................................................................... 22

8. Neurostimulation .................................................................................................................. 26
   8.1 Allgemeines ................................................................................................................................................. 26

   8.2 Sakralnervenstimulation .............................................................................................................................. 28

   8.3 Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) .............................................................................................. 31

9. Methodik .............................................................................................................................. 36
   9.1 Studiendesign ............................................................................................................................................... 36

   9.2 Ethikvotum ................................................................................................................................................... 36

   9.3. Studienteilnehmerinnen .............................................................................................................................. 36

   9.4. Durchführung .............................................................................................................................................. 37

III
Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) bei Kindern mit Funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz
9.5. Parameter .................................................................................................................................................... 38

   9.6. Statistische Methoden ................................................................................................................................. 42

10. Resultate ............................................................................................................................. 42
   10.1 Allgemeine Faktoren .................................................................................................................................. 45

   10.2 Auswertung der Scores .............................................................................................................................. 49

   10.3 Einfluss der PTNS-Therapiedauer pro Tag auf den Outcome ................................................................... 55

   10.4 Vertiefende Analyse verschiedener Gruppen ............................................................................................ 58

11. Diskussion .......................................................................................................................... 61
   11.1 Limitationen der Diplomarbeit .................................................................................................................. 63

   11.2 Ausblick ..................................................................................................................................................... 63

12. Conclusio ............................................................................................................................ 65

13. Literatur .............................................................................................................................. 66

14. Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................... 72

15. Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 73

16. Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 74

17. Anhang ............................................................................................................................... 75
   17.1 Tabellen ...................................................................................................................................................... 75

   17.2 Fragebogen ................................................................................................................................................. 81

IV
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
unerlaubte Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und
die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.

Wien, 15.03.2021                                                                   Claudia
Neugebauer

Erklärung zur Genderneutralität:

In folgender Diplomarbeit findet die Sprachform des generischen Maskulinums Anwendung.
Es wird darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form
geschlechtsneutral                   zu                    verstehen                    ist.

V
1. Zusammenfassung

Hintergründe. Bis zu 30% der pädiatrischen Patienten leiden an funktioneller Obstipation.
Dies kann die Lebensqualität stark einschränken und vor allem im Kindes- und Jugendalter
fehlt es an nicht-invasiven Therapiealternativen für den Fall, dass die konventionelle Therapie
nicht   anschlägt.   Ein   vielversprechendes    Behandlungsverfahren         ist   die   perkutane
Tibialisnervenstimulation (PTNS), welche über die Modulation von exzitatorischen und
inhibitorischen Nervensignalen im Sakralbereich wirkt.

Ziel. Das Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Behandlungserfolge und die Steigerung der
Lebensqualität nach der Therapie von Kindern und Jugendlichen mit PTNS zu erfassen. Des
Weiteren soll erhoben werden, welche Patientengruppe am meisten von der Therapie
profitiert und ob es prädiktive Variablen für den Erfolg der Therapie gibt.

Methodik. Es wurde eine prospektive Fragebogenstudie mit retrospektivem Follow-up an der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie des Allgemeinen Krankenhauses in Wien
durchgeführt. Insgesamt wurden 11 Kinder und Jugendliche befragt, welche an funktioneller
Obstipation und/oder Stuhlinkontinenz erkrankt sind und bereits eine Therapie mit PTNS
durchgeführt haben. Die statistische Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistik,
Students t-Test und Mann-Whitney-U-Test.

Resultate. Es zeigte sich sowohl bei der Obstipationssymptomatik als auch bei der
Lebensqualität eine statistisch signifikante Verbesserung, welche auch drei Monate nach
Therapiebeginn persistierte. Bei Patienten mit einer Hypomotilitätsstörung des Darmes zeigte
sich außerdem eine Zunahme der Stuhlfrequenz und auch bei Patienten mit organischen
Begleiterkrankungen konnten positive Effekte gezeigt werden.

Conclusio. Bei der PTNS handelt es sich um eine nicht-invasive, leicht anwendbare und
nebenwirkungsarme Therapie, welche bei therapierefraktären Kindern und Jugendlichen mit
funktioneller Obstipation und Stuhlinkontinenz einen positiven Einfluss auf die Symptomatik
und die Lebensqualität haben kann. Um den Leidensdruck der betroffenen Kinder und deren
Familien zu minimieren, sollte deshalb ein Therapieversuch in Betracht gezogen werden.

1
2. Abstract

Background. Up to 30% of pediatric patients suffer from functional constipation. This can
have a major impact on their quality of life. Especially for children and adolescents there is a
lack of non-invasive alternative therapies in case conventional therapy fails to offer relief. A
promising method of treatment is percutaneous tibial nerve stimulation (PTNS), which works
by modulating the excitatory and inhibitory neurological pathways in the sacral area.

Objective. The aim of this study is to evaluate the success of PTNS-therapy in children and
adolescents and its effects in quality of life. Furthermore, the objective is to determine which
patient group will benefit most from the therapy and whether there are predictive variables for
its success.

Methods. A prospective questionnaire study with retrospective follow-up was performed at
the Clinical Department for Pediatric Surgery of the General Hospital in Vienna. A total of 11
children and adolescents who suffered from functional constipation and/or fecal incontinence
and had already received PTNS were included. The statistical evaluation was accomplished
by descriptive statistics, Students t-test and Mann-Whitney-U-test.

Results. There was a statistically significant improvement in both constipation symptoms and
quality of life, which persisted three months after the start of the therapy. There was also an
increase in stool frequency in patients with a hypomotility disorder of the intestine and
positive effects could also be shown in patients with organic comorbidities such as anal
atresia.

Conclusion. PTNS is a non-invasive and easy-to-use therapy with few side effects, which can
have a positive impact on symptoms and quality of life of children and adolescents with
functional constipation and fecal incontinence who are refractory to therapy. In order to
minimize the suffering of the affected children and their families, an attempt at therapy should
therefore be considered if conventional treatment does not show the desired results.

2
3. Einleitung

Funktionelle Obstipation ist mit einer Prävalenz von 15-30% in Europa eine gängige
Erkrankung in der pädiatrischen Population. (1) Die meisten Kinder, die mit einer
chronischen Obstipation vorstellig werden, sind zwischen zwei und vier Jahren alt, allerdings
zeigen sich bei bis zu 40% schon im ersten Lebensjahr Symptome. Bei weniger als 5% der
Kinder lässt sich eine organische Ursache feststellen. Die Pathogenese der Erkrankung ist
multifaktoriell. Häufig wird sie durch wiederholte Schmerzen bei der Defäkation oder auch
soziale Umstände, welche die Kinder dazu veranlassen den Toilettengang zu vermeiden,
verursacht. In den meisten Fällen bleibt der genaue Trigger der Erkrankung jedoch unklar. (2,
3)

Da die funktionelle Obstipation nicht nur schmerzhaft ist, sondern auch einen großen Einfluss
auf die Lebensqualität der Erkrankten hat, ist eine erfolgreiche Behandlung von hoher
Relevanz. In den meisten Fällen ist eine Therapie mit einem osmotischen Laxans über einen
bestimmten Zeitraum ausreichend. (2, 3) Bei nicht-ansprechen auf osmotische Laxantien
können stimulative Laxantien Erfolge in der Therapie zeigen. (4–6) Dennoch gibt es Kinder,
die therapierefraktär bleiben. Für diese Kinder können neurostimulatorische Verfahren, wie
die perkutane Tibialisnervenstimulation (PTNS) oder die Sakralnervenstimulation (SNS) eine
Therapieoption sein. (2, 3)

Stuhlinkontinenz tritt bei 80% der pädiatrischen Patienten mit Obstipation auf, kann aber auch
ein Symptom einer organischen Begleiterkrankung wie Morbus Hirschsprung, einer
anorektalen Fehlbildung und neuropathologischen Darmerkrankungen sein. In 20% der Fälle
handelt es sich um eine rein idiopathische Stuhlinkontinenz ohne verursachende
Grunderkrankung. In jedem Fall gestaltet sich die Therapie oft schwierig und die Patienten
sind therapierefraktär. Diese Patienten können ebenfalls von den oben genannten
neurostimulatorischen Verfahren profitieren. (7, 8)

Vor allem PTNS ist für die Therapie von Kindern und Jugendlichen geeignet, da sie weder
einen operativen Eingriff noch zusätzlicher Medikamenteneinnahme bedarf. Sie ist einfach in
der Handhabung, nebenwirkungsarm, kostengünstig und zeigt in Studien bei Erwachsenen mit
Defäkationsstörungen     und   bei     Kindern   mit   urologischen   Erkrankungen     bereits
vielversprechende Ergebnisse. (3, 9)

3
Die folgende Arbeit soll einen Überblick über funktionelle Defäkationsstörungen im Kindes-
und Jugendalter geben, welche von einer neurostimulatorischen Therapie profitieren können
und über die Wirkmechanismen und Anwendung der PTNS, sowie der SNS informieren. Des
Weiteren wurden die Ergebnisse der Therapie der Kinder, welche an der Universitätsklinik für
Kinder- und Jugendchirurgie der Medizinischen Universität Wien mit PTNS behandelt
wurden, anhand eines Fragebogens erhoben und statistisch ausgewertet.

4
4. Zielsetzung

Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es, eine Analyse aller pädiatrischer Patienten, die an der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie der Medizinischen Universität Wien mit
funktioneller Obstipation nach den Rom IV-Kriterien diagnostiziert wurden, oder aus anderen
Gründen an einer Stuhlinkontinenz leiden und eine Behandlung mit PTNS erhalten haben,
durchzuführen.

Es soll der Langzeittherapieerfolg dieser neuen Therapieform erhoben werden, um deren
vermehrten Einsatz in der Behandlung von Defäkationsstörungen im Kindes- und Jugendalter
zu etablieren. Dies soll im Rahmen eines Gespräches mit den Patienten mit Hilfe eines
Fragebogens, bezüglich der Lebensqualität und der Obstipationssymptomatik, erhoben
werden.

5
5. Anatomie

5.1 Rektum und Analkanal
Das Rektum (Mastdarm) und der Canalis analis (Analkanal) sind die letzten beiden
Abschnitte des Colons. Gemeinsam bilden sie eine funktionelle Einheit, welche für die
Defäkation zuständig ist. Weil sie sich sowohl in ihrer embryologischen Herkunft als auch in
ihrem Aufbau unterscheiden, werden sie als zwei anatomisch getrennte Einheiten betrachtet.
(10)

5.1.1 Abschnitte und Form

Das Rektum ist bei Erwachsenen 12-18 cm lang und folgt direkt auf das Colon sigmoideum.
Es geht distal, kurz bevor es durch das Perineum tritt, in den Analkanal über. Außerdem weist
es mehrere Krümmungen in der Sagittal- sowie der Frontalebene auf:

In der Sagittalebene zeigt sich zunächst die nach ventral konkave Flexura sacralis und im
weiteren Verlauf die ventral konvexe Flexura perinealis, bevor das Rektum in den Analkanal
übergeht. Des Weiteren bildet das Rektum in der Frontalebene drei Flexurae laterales. An der
Schleimhautseite finden sich dazu korrespondierend die Plicae transversae recti,
halbmondförmige Querfalten. Die Plica transversa media wird auch als Kohlrausch-Falte
bezeichnet und ist am dominantesten ausgeprägt. Sie ragt weit in das Rektumlumen hinein.
Distal der Kohlrauschfalte liegt die stark dehnbare Ampulla recti, die als Stuhlreservoir
fungiert. (10)

An der leicht gewellten Junctio anorectalis geht das Rektum in den Analkanal über. Dieser ist
bei Erwachsenen 3-4 cm lang. In den oberen beiden Dritteln finden sich Columnae anales,
säulenförmige Schleimhautfalten, die durch glatte Muskelzüge in der Wand des Analkanals
gebildet werden. Am unteren Ende sind diese über die Valvulae anales miteinander
verbunden. Hinter diesen Querfalten befinden sich verschiedene Schleimdrüsen (Glandulae
anales). Außerdem findet man in der Darmwand hinter den Columnae anales das Corpus
cavernosum recti. Aboral folgt die Zona alba (auch Pecten analis), welche durch die Linea
pectinata von den Columnae anales abgegrenzt wird. Nach unten zur Haut hin erfolgt die
Abgrenzung durch die Linea dentata. Der distale Teil des Analkanals ist sehr berührungs- und
schmerzempfindlich, da er sehr dicht innerviert ist. (10)

6
Eine Übersicht über die Anatomie des Rektums und Analkanals ist auf Abb. 5.1 dargestellt.

                        Abb. 5.1: Rektum und Analkanal im Überblick (11)

5.1.2 Lage

Auf Höhe des zweiten oder dritten Sakralwirbels geht das Colon sigmoideum in das Rektum
über. Ventral des Rektums liegen bei Frauen Uterus und Vagina und bei Männern die
Prostata, Glandulae vesiculosae, der Ductus deferens und die Harnblase. Dorsal ziehen die
Leitungsbahnen des Beckens vorbei. Der Analkanal ist gänzlich vom M. sphincter ani
umschlossen. (10)

Der proximale Teil des Rektums liegt retroperitoneal, wohingegen sich die Ampulla recti und
der Analkanal im extraperitonealen Raum befinden. (10)

5.1.3 Sphinktersystem

Das rektale Sphinktersystem wird von drei Muskelsystemen gebildet:

Musculus sphincter ani internus: Dieser glatte Muskel geht direkt aus dem verstärkten
Stratum circulare hervor und umgibt den proximalen Teil des Analkanals. Er ist ständig

7
kontrahiert und erschlafft lediglich zur Defäkation. Die Innervation erfolgt durch den
Sympathikus und das enterische Nervensystem (ENS). Er ist somit nicht willkürlich
kontrollierbar.

Musculus sphincter ani externus: Der quergestreifte äußere Sphinkter umgibt den Analkanal
von beiden Seiten wie eine Klemme und formt ihn in dem Bereich zu einem
längseingestellten Schlitz. Wie beim internen Sphinkter ist auch hier eine Dauerkontraktion
zu beobachten, die allerdings einer willkürlichen Kontrolle unterliegt. Er wird von
Motoneuronen aus dem Sakralmark (S2-4) innerviert.

Musculus puborectalis: Dieser Muskel ist ebenfalls quergestreift und außerdem ein Teil des
Beckenbodenmuskels M. levator ani. Er liegt oberhalb des äußeren Schließmuskels und
entspringt am Os pubis. Dann zieht er wie eine Schlinge um das Rektum und zieht es somit
nach ventral, was die Biegung an der Flexura perinealis verstärkt und zum Verschluss des
Rektums beiträgt. (10, 12)

5.1.4 Blutversorgung

Die arterielle Versorgung wird durch die folgenden Arterien gesichert:

    •   Arteria rectalis superior (aus der A. mesenterica inferior)
    •   Arteria rectalis media (aus der A. iliaca interna)
    •   Arteria rectalis inferior (aus der A. pudenda interna)

Die rektalen Venen gleichen den Arterien. Die V. rectales mediae und inferiores münden in
die Vv. iliacae und im weiteren Verlauf in die V. cava inferior. Die V. rectalis superior
hingegen fließt in die V. mesenterica inferior und dann über die V. portae hepatis in die
Leber. Außerdem existieren viele Anastomosen zwischen den Venen. (10)

5.1.5 Innervation

Das Rektum und der Analkanal werden sowohl von sympathischen und parasympathischen
Fasern als auch dem N. pudendus innerviert, wobei die sympathische und parasympathische
Versorgung durch die Plexus rectales superior, medius und inferior gewährleistet wird. Sie
bestehen aus sowohl afferenten als auch efferenten Fasern. Außerdem gibt der Plexus rectalis
inferior die Nn. anales superiores ab. (13)

8
Der letzte Ast des Plexus sacralis, der N. pudendus, gibt die, den M. sphincter ani externus
versorgenden, Nn. anales inferiores ab. Zusätzlich versorgen diese auch die Haut im Bereich
des Anus und sind für die Vermittlung des Stuhldrangs zuständig. (13)

Der M. sphincter ani internus wird von den sympathischen und parasympathischen Fasern
durch die Darmwand von außen innerviert. Die Dauerkontraktion des M. sphincter ani
internus und somit die Kontinenz wird durch den Sympathikus gewährleistet. Der
Parasympathikus ist für die Defäkation verantwortlich. (10, 13)

5.2 Der Plexus sacralis
                                                      Im Bereich des Beckens gibt es drei
                                                      verschiedene       Plexus.      Der      Plexus
                                                      lumbalis (Th12-L4) und der Plexus
                                                      sacralis (L4-S4) bilden gemeinsam den
                                                      Plexus lumbosacralis, unterscheiden
                                                      sich      jedoch       systematisch          und
                                                      topographisch. Der dritte Plexus ist der
                                                      Plexus coccygeus (S4-Co1). Sie sind
                                                      für die neuronale Versorgung der
                                                      unteren            Extremitäten,             des
                                                      Beckenbodens          und     der      kaudalen
                                                      Bauchwand zuständig. (10, 13)

                                                      Der Plexus sacralis liegt im Bereich
                                                      des     Os   sacrum,        ventral    des   M.
                                                      piriformis, und ist für die nervale
                                                      Versorgung      der    Glutealregion,        der
                                                      Beugeseite des Oberschenkels, des
                                                      Unterschenkels         und       des     Fußes
                                                      verantwortlich. Seine Äste verlassen
        Abb. 5.2: Plexus lumbosacralis (11)        das       Becken      durch      das      Foramen
                                                   ischiadicum majus und innervieren die
folgenden Strukturen:

9
•   motorisch: Glutealmuskulatur, Beckenbodenmuskulatur, ischiocrurale Muskulatur,
         komplette Muskulatur des Unterschenkels und des Fußes
     •   sensibel: Regio glutealis, perianale Region, dorsaler Oberschenkel, Unterschenkel,
         Fuß, äußere Geschlechtsorgane (13, 14)

5.2.1 Nervus tibialis

Auf die verschiedenen Äste und das Versorgungsgebiet des N. tibialis, eines Endastes des N.
ischiadicus, soll auf Grund seiner Wichtigkeit in dieser Arbeit, im Folgenden noch genauer
eingegangen werden.

In seinem proximalen Abschnitt, oberhalb der Kniekehle, gibt der N. tibialis Rr. musculares,
welche die Mm. semimembranosus, semitendinosus, adductor magnus und das Caput longum
m. bicipitis femoris versorgen, sowie Rr. articulares, die das Kniegelenk versorgen, ab. Er
verläuft lateral der V. poplitea und tritt unter dem Sehnenbogen des M. soleus in die Schicht
zwischen oberflächlicher und tiefer Beugemuskulatur des Unterschenkels. Dann tritt er durch
den Tarsaltunnel, bevor er sich in seine Endäste N. plantaris medialis und lateralis aufteilt.
(13)

Rr. musculares versorgen die dorsalen Unterschenkelmuskeln und Rr. articulares das obere
und untere Sprunggelenk. (13, 15)

10
6. Physiologie und Pathophysiologie

6.1 Defäkation und Kontinenz
Die wichtigsten Aufgaben des Enddarms sind die Darmkontinenz und die Darmentleerung
(Defäkation). Verantwortlich für deren Regulation ist das enterische Nervensystem (ENS),
parasympathische sakrale, sympathische thorakolumbale und somatomotorische Neurone.
Dies ist in Abb. 6.1 dargestellt. Sie kontrollieren die beiden rektalen Sphinkter: den nicht
willkürlich steuerbaren M. sphincter ani internus und den quergestreiften M. sphincter ani
externus. Im Ruhezustand sind beide Sphinkteren kontrahiert und verschließen somit den
Analkanal. (12)

Durch vom Parasympathikus vermittelte peristaltische Kontraktion des Colon descendens und
sigmoideum wird das Rektum mit Darminhalt gefüllt. Dies führt zur Dehnung der Ampulla
recti, was die reflektorische Erschlaffung des inneren Sphinkters zur Folge hat. Der äußere
Sphinkter bleibt zunächst kontrahiert, was für die Stuhlkontinenz essenziell ist. Dies wird
über die sakralen, parasympathischen Afferenzen, die über die Nn. splanchnici pelvici laufen,
vermittelt. Außerdem befinden sich in der Kolon- und Rektumwand Sensoren, die die
Dehnung    registrieren   und   daraufhin   Stuhldrang   auslösen.   Die   Defäkation   setzt
physiologischerweise erst durch willkürliche Unterstützung in Form der Erschlaffung des M.
sphincter externus ein. Eine weitere Voraussetzung ist der Anstieg des intraabdominellen
Drucks, was durch das Anspannen der Bauchmuskulatur und das Absenken des Zwerchfells
gewährleistet wird. Hierfür ist es notwendig, dass die Brustmuskulatur angespannt und die
Glottis durch Inspiration verschlossen ist. So kommt es zur Absenkung des Beckenbodens.
Wenn nun beide Sphinkteren erschlaffen, führt dies zum Ausstoßen der Kotsäule und somit
zur Entleerung der Ampulle. (10, 12)

Beim gesunden Erwachsenen beträgt die maximale Füllung des Enddarms ca. zwei Liter. Um
die Kontinenz zu bewahren, muss der externe Sphinkter trotz Erschlaffung des internen
Sphinkters und Anstieg des rektalen Drucks kontrahiert bleiben. Dies wird spinalreflektorisch
über Motoneurone gewährleistet. Sie erhalten zum einen Impulse direkt aus dem Muskel, von
der Analhaut, sowie vom umliegenden Gewebe und zum anderen Impulse vom Hirnstamm
und vom Cortex. Außerdem werden durch sympathische Nervenfasern der M. sphincter ani

11
internus und das ENS gehemmt. Zur Inhibition von parasympathischen Reflexen kommt es
durch supraspinale und kortikale Efferenzen. (12)

„Der Erwerb von Kontinenz für Stuhl und Gas setzt […] ein fein abgestimmtes Spiel von
Kolonmotilität, Sphinkterapparat, Beckenbodenmuskulatur, Sensibilität der Analschleimhaut
und kognitiven Prozessen voraus.“ (16)

6.2 Obstipation
Obstipation ist keine ungewöhnliche Beschwerde im Kleinkindalter, es kommt bei über 30%
aller Kinder mindestens einmal zu Obstipationsepisoden. Normalerweise sind diese Probleme
aber nur vorrübergehend (akut). Obstipation, die länger als drei Monate andauert wird als
chronische Obstipation definiert. (16)

Von chronischer Obstipation spricht man bei Kindern, wenn mindestens zwei der folgenden
Kriterien erfüllt sind:

     1. < 3 Stuhlentleerungen/Woche
     2. Mind. 1x Stuhlschmieren/Woche
     3. Schmerzhafter oder harter Stuhlgang
     4. Teilweise Entleerung großer Stuhlmassen
     5. Zwanghaftes Rückhalten des Stuhls

In den meisten Fällen liegt keine organische Ursache zu Grunde. Dennoch müssen zum Teil
seltene Ursachen wie Morbus Hirschsprung, Hypothyreose oder ein Malabsorptionssymdrom
ausgeschlossen werden. (17)

Eine Definition für die funktionelle Obstipation bei Kindern und Jugendlichen liefern die
Rom-IV-Kriterien, auf die später eingegangen werden soll.

6.3 Enkopresis
Per definitionem ist die Stuhlinkontinenz (Enkopresis) der regelmäßige, „unfreiwillige
Abgang von flüssigem oder festen Stuhl“ (18) bei einem Kind ab dem vierten Lebensjahr, das
das Toilettentraining bereits abgeschlossen hat. Es handelt sich hierbei um ein Symptom und
keine Diagnose. Die Ursache muss anamnestisch einfühlsam gefunden werden, da
Stuhlinkontinenz mit einer hohen psychischen Belastung einhergeht und gesellschaftlich
tabuisiert ist. (7, 8, 16, 18)

12
Bei Kindern liegt am häufigsten eine Überlaufinkontinenz vor, welche durch funktionelle
Obstipation verursacht wird. Man spricht dann von einer sekundären Enkopresis. Jedoch
sollten trotzdem organische Ursachen ausgeschlossen werden. Des Weiteren können auch
neuropathische Erkrankungen, welche Auswirkungen auf die Darmfunktion haben, eine
Ursache für Enkopresis sein. Hierzu zählen beispielsweise Spina bifida oder Teratome im
Sakralbereich. (16, 19, 20)

In 20% der Fälle tritt die Stuhlinkontinenz als einzelnes Symptom ohne verursachende
Grunderkrankung auf. Man spricht dann von functional nonretentive fecal incontinence
(FNRFI). Es wird davon ausgegangen, dass es sich um eine multifaktorielle Ätiologie handelt.
Man vermutet, dass genetische Faktoren, eine gestörte gastrointestinale Motilität und
krankhafte Verhaltensweisen und Angewohnheiten des Kindes einen Einfluss auf das
Entstehen der Krankheit haben. (7) „Wenn die folgenden Kriterien über einen Zeitraum von
mindestens zwei Monaten beobachtbar sind, kann eine FNRFI diagnostiziert werden:

     1. Mindestens einmal im Monat Defäkation an einem für die sozialen Gepflogenheiten
        ungeeigneten Ort.
     2. Keine   Anzeichen     eines   entzündlichen,   anatomischen,   metabolischen   oder
        neoplastischen Prozesses, der die Symptome des Patienten erklärt.
     3. Keine Anzeichen von Stuhlretention.“ (7)

13
7. Funktionelle Obstipation

Funktionelle Obstipation oder auch chronisch idiopathische Verstopfung ist einer der
häufigsten Gründe für den Besuch von Kindern und Jugendlichen beim Kinderfacharzt. In den
meisten Fällen liegt bei einer Obstipation im Kindesalter eine funktionelle und nur selten eine
organische Störung vor. (8)

Die Therapie mit Laxanzien in Kombination mit einer Verhaltenstherapie ist überwiegend
erfolgreich. Allerdings sprechen bis zu 30% der Kinder nicht auf eine konservative Therapie
an, was eine große Belastung für die Kinder und deren Familien darstellt. (21, 22) Eine
therapierefraktäre Erkrankung wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus. Colares et al.
konnten zeigen, dass diese sich bei erfolgreicher Therapie statistisch signifikant verbessert.
Allein aufgrund dessen ist eine optimale Therapie erstrebenswert. (23)

Man unterscheidet die funktionelle Obstipation in normal-transit constipation (NTC), slow-
transit constipation (STC) und sonstige rektale Ausscheidungsstörungen. Differenziert
werden können die verschiedenen Formen mittels Transitmarkern bei der Kolonszintigraphie.
Sie gibt durch die Messung der Kolontransitzeit einen indirekten Aufschluss über die
Motilität des Kolons. (24, 25)

Bei der STC ist die normale Kolontransitzeit von 1-3 Tagen verlängert. Die Dauer der
Transitzeit der Faeces im Kolon hat einen großen Einfluss auf die Nährstoffaufnahme, den –
transport und die –absorption. Die STC ist eine Unterform der funktionellen Obstipation,
jedoch keine rein habituelle Störung. Meist weisen Patienten, die an STC erkrankt sind, eine
lange Krankheitsgeschichte mit schwieriger Diagnosestellung auf. Viele Patienten sind
therapierefraktär, da sie nicht adäquat behandelt werden konnten. (14, 18)

7.1 Epidemiologie
Die     Prävalenz     der   funktionellen    Obstipation     in   Europa,   Ozeanien   und   den
nordamerikanischen Staaten beträgt 0,7-29,6%. Sie ist schwer zu erheben, da nur wenige
Patienten mit Obstipation einen Arzt aufsuchen. Es wird von einer hohen Dunkelziffer
ausgegangen. (1, 2) Bei 90-95% der Kinder mit chronischer Obstipation kann keine
organische Ursache gefunden werden und es liegt ein funktionelles Problem vor. (19) Der
Erkrankungsgipfel liegt ungefähr im Kindergartenalter, also zwischen zwei und vier Jahren,
wobei     40%   der     Kinder   schon      im   ersten    Lebensjahr   Symptome   zeigen.   Die
14
Geschlechterverteilung ist ausgeglichen, allerdings kann bei Jungen mit funktioneller
Obstipation häufiger eine Enkopresis in Form von Stuhlschmieren als bei Mädchen
beobachtet werden. Des Weiteren hat der sozioökonomische Hintergrund kaum Einfluss auf
die Erkrankungswahrscheinlichkeit. (2, 26) Der Einfluss des geographischen und kulturellen
Hintergrunds sowie der ethnischen Zugehörigkeit auf die Entwicklung einer funktionellen
Obstipation ist unklar. (27)

7.2 Ätiologie
Bei der funktionellen Obstipation handelt es sich um eine multifaktoriell verursachte
Erkrankung. (27)

Koppen et al. konnten in einer Metaanalyse zeigen, dass Kinder, die unter funktioneller
Obstipation leiden, häufig sportlich nicht sehr aktiv sind und nicht viel im Freien
unternehmen. Ein weiterer negativer Einfluss kann die Ernährung sein. So sieht man bei einer
Ernährung mit viel Fast Food, im Vergleich zu einer obst- und gemüsehaltigen Ernährung,
einen negativen Effekt auf die Defäkation. Patienten, die an funktioneller Obstipation erkrankt
sind, weisen je nach betrachteter Studie entweder einen normalen oder einen erhöhten BMI
(body mass index) auf. Des Weiteren tritt funktionelle Obstipation familiär gehäuft auf. (1, 7,
28)

Den größeren Einfluss haben psychologische Faktoren. Funktionelle Obstipation kommt
gehäuft bei Kindern vor, die sexuell, psychisch oder physisch missbraucht wurden. Die
Prävalenz ist bei Kindern, die in Kriegsgebieten wohnen oder andere psychologische
beziehungsweise physische Traumata erlebt haben, signifikant höher. Es konnte beobachtet
werden, dass die erkrankten Kinder emotional instabil sind und zu Feindseligkeit und
Aggression neigen. Sie haben häufig ein negatives Welt- und Selbstbild und schneiden in
quality-of-life-Scores schlechter ab als gesunde Kinder. (1)

7.3 Pathogenese
7.3.1 Normal-transit constipation

Da die NTC in allen gesellschaftlichen Schichten, unabhängig von kulturellen Einflüssen, der
Ernährung und des Geschlechts gleich häufig auftritt, kann davon ausgegangen werden, dass
die Ursache ein universeller Instinkt des Kindes ist, den Stuhlgang zu vermeiden. Auslöser
können zum Beispiel Schmerzen bei der Defäkation durch eine Analfissur oder harten Stuhl
sein. Außerdem verhindern Kinder den Stuhlgang auch oft aus sozialen Gründen, wie
15
beispielsweise einer Reise oder im Schulalltag. In den meisten Fällen bleibt die genaue
Ursache allerdings unklar. (2)

Als Folge des Zurückhaltens des Stuhls absorbiert die Dickdarmschleimhaut vermehrt Wasser
aus den Faeces, was dazu führt, dass der zurückgehaltene Stuhl mit der Zeit immer fester wird
und in Folge auch schwerer auszuscheiden ist. Durch das ständige Zurückhalten entsteht ein
Teufelskreis, da der Stuhlgang immer schmerzhafter wird, je länger das Kind versucht ihn
zurückzuhalten. Dies führt dazu, dass es noch länger versucht den Stuhlgang zu vermeiden,
um die resultierenden Schmerzen hinaus zu zögern. Nach und nach kommt es dann durch
große Stuhlmassen zur Aufweitung des Rektums, was zur Folge hat, dass die rektale
Sensibilität nachlässt und der normale Stuhldrang nicht mehr gespürt wird. Ein häufiges
Symptom einer chronischen, funktionellen Obstipation ist die sekundäre Enkopresis, da der
flüssige Stuhl unkontrolliert an dem zurückgehaltenen, harten Stuhl vorbeifließen kann. Die
Folge ist das Einschmieren des Kindes. Je mehr Stuhl im Enddarm akkumuliert, desto
schwächer wird die Darmmotilität, was darin resultiert, dass die Kinder zusätzlich häufig
unter Schmerzen, Bauchkrämpfen, vermindertem Appetit und einem geblähten Bauch leiden.
In Abb. 7.1 ist dieser pathogene Entstehungsmechanismus zusammengefasst dargestellt. (2,
19)

                 Abb. 7.1: Pathophysiologie der normal-transit constipation

7.3.2 Slow-transit constipation

Der genaue Entstehungsmechanismus der STC ist bisweilen noch nicht vollständig geklärt,
dennoch gibt es einige Vermutungen bezüglich der Pathogenese.

16
Der primäre Defekt liegt wahrscheinlich im ENS. Es steuert die muskuläre Aktivität im
Kolon, wobei über den Nervus vagus, den Plexus coeliacus und die Nervi splanchnici eine
Verbindung zum zentralen Nervensystem (ZNS) besteht. Die muskuläre Kontraktion wird
durch die Neurotransmitter Acetylcholin, Substanz P und die Relaxation durch Vasoaktives
Intestinales Peptid (VIP), Stickstoffmonoxid (NO) und Adenosintriphosphat (ATP) vermittelt.
Bei    50%    der     Patienten,   die   an   STC    erkrankt    sind,     finden    sich   verminderte
Neurotransmitterkonzentrationen von Substanz P, NO und VIP. Ob diese Anomalie vorliegt,
hat allerdings keinen Einfluss auf die Ausprägungsintensität der Symptome. (29, 30)

Ein weiterer möglicher Entstehungsmechanismus ist eine Störung der Aktivität der glatten
Muskulatur der Darmwand. Diese Anomalie kann zum einen erblich bedingt und zum anderen
erworben sein. Am wahrscheinlichsten sind hierbei die kontraktilen Proteine und Ionenkanäle
betroffen.   Erworbene      Veränderungen      von    kontraktilen       Proteinen   und    bestimmten
Ionenkanälen sind zum Beispiel bei der diabetischen Gastroparese beobachtbar. (31)

Außerdem spielen die interstitiellen Cajal-Zellen vermutlich eine Rolle bei der Entstehung
der STC. Sie liegen in der Tunica muscularis zwischen den verschiedenen Muskelschichten
des Gastrointestinaltrakts und fungieren als Verbindung zwischen den glatten Muskelzellen
und dem ENS. Sie gelten als gastrointestinale Schrittmacherzellen, welche elektrische
Aktivität von den Nervenzellen weiterleiten und somit maßgeblich zur Steuerung der glatten
Muskulatur beitragen. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass ohne interstitielle Cajal-
Zellen die normale elektrische Aktivität der enterischen Neurone nicht adäquat an die
Darmmuskulatur weitergeleitet wird und es somit zu einer Störung der Motilität des Kolons
und einer verlängerten Stuhltransitzeit kommt. Deshalb wird davon ausgegangen, dass bei
Patienten mit STC weniger oder funktionell eingeschränkte interstitielle Cajal-Zellen
vorliegen. (29, 31)

Des Weiteren gibt es die Vermutung, dass Makrophagen eine Rolle bei der Pathogenese
spielen, denn sie befinden sich zwischen den Muskelschichten des Gastrointestinaltrakts und
modulieren dessen Motilität und Funktion durch die Produktion einer Vielzahl an Mediatoren.
(31)

7.4 Symptomatik
Die    am    häufigsten    beschriebenen      Symptome     bei    funktioneller      Obstipation   sind
Stuhlschmieren (70-75%), nicht-erfolgreiches Toilettentraining (70-80%), Schmerzen beim

17
Stuhlgang (70-80%) und Bauchschmerzen (50-60%). Im Zuge dessen berichten die Patienten
häufig von einer verminderten Lebensqualität. (26)

Bei Patienten mit STC ist im Vergleich zu an NTC erkrankten Patienten oft kein Fekalom im
Rektum zu finden. Das Abdomen ist zwar gebläht und mit Stuhl gefüllt, dieser ist aber nicht
hart, sondern weist eine normale Konsistenz auf. Es lässt sich dennoch bei 50-64% der an
STC-Erkrankten Enkopresis in Form von Stuhlschmieren feststellen. Im Vergleich zur NTC
leiden die Patienten häufiger an Bauchschmerzen (51%), aufgeblähtem Abdomen (46%) und
haben voluminösere Stühle. Ungefähr 25% der an STC-Erkrankten sind bereits ab dem
Zeitpunkt der Geburt symptomatisch und bei 31-41% wird ein verspäteter Mekoniumabgang
beobachtet. (21, 30)

7.5 Diagnostik
Bevor die Diagnose einer funktionellen Obstipation gestellt wird, müssen zunächst organische
Ursachen ausgeschlossen werden. Chronische Obstipation ist mit verschiedenen systemischen
Stoffwechselstörungen wie Hypothyreose, Hypercalcämie sowie Urämie, Zöliakie und
psychiatrischen Erkrankungen wie Depression oder Anorexia nervosa assoziiert. Des
Weiteren verursachen antikonvulsiv, psychiatrisch und anticholinerg wirkende Medikamente,
sowie Eisenpräparate bei regelmäßiger Einnahme häufig eine Obstipation. (26)

Häufige Differentialdiagnosen mit organischer Ursache sind:

     •   Morbus Hirschsprung
     •   Analstenose
     •   chronische Analfissur oder –fistel
     •   Morbus Crohn

Es bedarf zunächst einer ausführlichen Anamnese, in der gemeinsam mit dem Kind und den
Eltern geklärt wird, wann die Symptomatik begonnen hat, wie hoch die Stuhlfrequenz ist,
welche Konsistenz der Stuhl hat und, ob Blut- und Schleimauflagerungen vorliegen. Ebenso
ist es wichtig zu erheben, ob schon Behandlungsversuche gemacht wurden und wenn ja, durch
welche Maßnahmen. Es gilt ebenso die Ernährungsgewohnheiten und die Begleitsymptomatik
wie Stuhlschmieren oder Miktionsstörungen zu erfragen. Eine Medikamenten- und
Familienanamnese sind notwendig, wobei hierbei vor allem ein Fokus auf Morbus
Hirschsprung, Cystische Fibrose und familiäre Obstipation gelegt werden muss. Außerdem ist
zu erfragen, ob etwaige psychische Stressoren oder ein konkreter Auslöser für die Obstipation
18
verantwortlich sein können. Dies kann für die folgende Therapie richtungsweisend sein. (19,
26)

7.5.1 Klinische Untersuchung

In der klinischen Untersuchung liegt der Fokus zunächst auf dem Abdomen des Kindes.
Typisch ist ein harter und leicht geblähter Bauch. Oft ist Stuhl oberhalb der Symphysis pubica
und im linken Unterbauch tastbar. Dies ist vor allem bei der NTC typisch. Zusätzlich sollte
auch das Perineum inspiziert werden. Hierbei sollte auf eine normale Anlage des Anus
geachtet werden, da Anlageanomalien des Anus ebenfalls ursächlich für eine Obstipation in
Frage kommen. Es gilt auslösende Faktoren wie Analfissuren auszuschließen, deshalb sollte
die perianale Haut genau begutachtet werden. Des Weiteren kann die Unterwäsche des Kindes
auf Spuren von Stuhlschmieren inspiziert werden. Bei begründetem Verdacht sollte auch eine
digital rektale Untersuchung durchgeführt werden, um organische Obstruktionsursachen
auszuschließen, wobei diese ausschließlich mit dem Einverständnis des Kindes sowie nur von
erfahrenden Untersuchern durchgeführt werden sollte, um eine Traumatisierung des Kindes
zu vermeiden. (26, 32)

Standardisiert kann die Diagnose einer funktionellen Obstipation mit Hilfe der Rom-IV-
Kriterien, die wie folgt lauten, gesichert werden:

      1. „Zwei oder weniger Stuhlgänge in die Toilette pro Woche bei einem mindestens
         vierjährigen Kind
      2. Mindestens einmal pro Woche Enkopresis
      3. Exzessives willentliches Zurückhalten von Stuhlgang in der Vergangenheit oder
         aktuell
      4. Schmerzhafter oder harter Stuhlgang in der Vergangenheit oder aktuell
      5. Vorhandensein einer großen Menge an Stuhl im Rektum
      6. Große Mengen an Stuhl, welche die Toilette verstopfen können, in der Vergangenheit
         oder aktuell“ (2)

Wenn von diesen Kriterien mindestens zwei zutreffend sind, mindestens einmal pro Woche
über mindestens einen Monat hinweg auftreten und nicht durch organische Ursachen erklärbar
sind, kann die Diagnose gestellt werden. (1, 2)

Bei Kleinkindern, die schon in der Neonatalperiode Symptome gezeigt haben, ist es ratsam
einen Kolon-Kontrastmitteleinlauf und bei dessen Abnormalität eine Biopsie der
19
Rektumwand durchzuführen, um eine Erkrankung an Morbus Hirschsprung auszuschließen.
Bei älteren Kindern ist dies nur in Ausnahmefällen nötig, beispielsweise wenn sie nicht auf
die Therapie ansprechen. (26)

Sobald der Verdacht besteht, dass eine Abnormalität der sakralen Wirbelsäule vorliegt,
welche neuropathische Auswirkungen haben könnte, so ist es sinnvoll eine Abdomen-
Leeraufnahme zu machen und damit die Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen. Sollte
eine vertebrale Veränderung vorliegen, kann man diese in einer anschließenden MRT-
Aufnahme genauer beurteilen und klassifizieren. (26)

7.5.2 Messung der Kolontransitzeit

Mit Hilfe einer Szintigraphie kann die Transitzeit des Kolons evaluiert werden, um zwischen
den verschiedenen Formen der funktionellen Obstipation zu differenzieren. Hierfür muss das
Kind einen radioaktiv markierten Tracer oral zu sich nehmen, welcher dann nach 2 h, 6 h, 24
h, 30 h und 48 h bildlich mit einer Gamma-Kamera dargestellt wird. Normalerweise befindet
sich der Tracer nach ungefähr sechs Stunden im Caecum und nach 30 Stunden im Rektum.
Die Darmentleerung erfolgt im Schnitt nach 48 Stunden. In Abb. 7.2 ist eine solche
Untersuchung von einem gesunden Kolon und einem Kolon eines Patienten mit STC
dargestellt. Beim Kolon mit normaler Transitzeit (A) kommt es viel früher zu einer
kompletten Ausscheidung des Tracers als bei dem an STC erkrankten Kolon (B). (29, 30)

20
Abb. 7.2: Gamma-Kamera-Aufnahmen (29)

7.5.3 Manometrie

Zusätzlich gilt es zu überlegen, ob die Durchführung einer Sphinkter-Manometrie zum
Ausschluss von Aganglionosen und Analsphinkterachalasie sinnvoll ist. (19)

Durch die direkte oder indirekte Aufzeichnung der Kontraktionen der Muskulatur des Kolons
können Rückschlüsse auf die daraus resultierende Bewegung der Faeces gezogen werden.
Eine direkte Aufzeichnung ist nur mit invasiven Verfahren möglich und spielt deshalb in der
Diagnostik von Hypomotilitätsstörungen des Darmes nur zur Planung weiterer chirurgischer
Therapien eine Rolle. Zu den gängigen indirekten manometrischen Verfahren zählen die
Oesophagus- und Rektum-Manometrie, wobei diese wenig Aussagekraft bei der STC-
Diagnostik haben und bei anderen Krankheiten eine größere Bedeutung besitzen. Relevant ist
hier   die   Kolon-Manometrie,   wobei    hier   komplexere   Geräte   und   ein   längerer
Aufnahmezeitraum bei liegender Manometriesonde nötig sind und diese vor allem in auf
Darmmotilitätsstörungen spezialisierten Zentren zum Einsatz kommen. Hierbei werden
21
mögliche chirurgisch-therapeutische Ansätze objektiviert, da hier vor allem auch segmentale
Motilitätsstörungen diagnostiziert werden können. (19, 33)

Eine weitere Möglichkeit manometrischen Daten zu erhalten kann mit Hilfe einer Kapsel,
welche geschluckt werden muss und dann den pH-Wert, sowie den Druck misst und
aufzeichnet, erreicht werden. Durch den pH-Wert kann festgestellt werden in welchem Organ
des Gastrointestinaltrakts sich die Kapsel während der Aufzeichnung befunden hat. Es findet
eine Untersuchung der Motilität und nicht des Transits per se statt. Auch dieses Verfahren
weist Grenzen auf, da es nur einmalige Werte darstellt und keine Motilitätsmuster erkennen
lässt. (29, 31)

Eine Kombination der manometrischen Messung und einer Szintigraphie ist ratsam, da diese
eine große Menge an Daten liefert, welche diagnostisch ausgewertet werden können. (31)

7.5.4 Muskelbiopsie

In Ausnahmefällen kann im Rahmen einer Kolon-Vollwandbiopsie die Diagnostik bezüglich
Motilitätsstörung erweitert werden. Hier kann eventuell eine verminderte Konzentration von
Substanz P oder anderen Neurotransmittern festgestellt werden. Bei verminderten Werten
kann eine Verdachtsdiagnose für STC gestellt werden. (21)

Gebräuchlicher ist die Rektum-Muskelbiopsie zur Diagnostik einer Neuronalen Intestinalen
Dysplasie, welche vor allem mit Morbus Hirschsprung assoziiert wird. Diese zeichnet sich
durch eine Hyperplasie des Plexus myentericus und eventuell eine intestinale Aplasie des
Sympathikus aus. Die Erkrankten leiden unter einer chronischen idiopathischen
Pseudoobstruktion. (34)

7.6 Therapie
Es ist sehr wichtig die Eltern und auch das Kind genau über die Pathogenese der Erkrankung
sowie deren Behandlung aufzuklären und sie dahingehend zu schulen. (26)

7.6.1 Desimpaktion

Bei beinahe allen Kindern, die unter funktioneller Obstipation leiden, liegt ein Fekalom im
Rektum vor, welches die oben erläuterten Symptome verursacht. Ziel der initialen Therapie
ist die Desimpaktion, das Entfernen des Fekaloms. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten.
Die schnellere, jedoch invasive und schmerzhaftere Behandlung, ist es dem Kind rektale
Klysmen zu verabreichen, durch die das gesamte Colon ausgewaschen wird. Auf Grund der
22
verursachten Schmerzen und der psychischen Belastung, ist jedoch bei Kindern von dieser
Therapievariante abzuraten. Bei Kindern mit Analfissuren ist sie auf jeden Fall
kontraindiziert. Eine sanftere Behandlung erfolgt medikamentös. Es werden hohe Dosen von
osmotischen Laxanzien wie Polyethylenglycol (z.B. Macrogol) bei Bedarf auch in
Kombination    mit   stimulierenden   Laxanzien   (Senna,   Natriumpicosulfat,   Bisacodyl)
verabreicht, um den Stuhl im Rektum weicher und leichter ausscheidbar zu machen. Hierbei
kann es manchmal zu abdominellen Schmerzen und zunächst vermehrtes Stuhlschmieren als
Nebenwirkung kommen. Dies ist aber kein Signal dafür, die Therapie abzubrechen. Nachdem
das komplette Rektum ausgewaschen ist, lassen auch die unerwünschten Wirkungen der
Behandlung wieder nach. (26)

7.6.2 Medikamentöse Erhaltungstherapie

Eine orale, medikamentöse Erhaltungstherapie mit Laxanzien ist in jedem Fall notwendig und
muss unter Umständen mehrere Jahre durchgeführt werden. Ziel hierbei ist es, dass die
behandelten Kinder und Jugendlichen regelmäßig ein bis zwei weiche Stühle pro Tag haben
und die Verhinderung der erneuten Entstehung eines Fekaloms und der damit verbundenen
Symptomatik. (26) Die Hauptwirkung der Laxanzien besteht in einer Steigerung des
Wassergehaltes des Stuhls und einer Beschleunigung des Darmtransits. (6) Zum Einsatz
kommen hierbei primär osmotische Laxanzien wie Polyethylenglykol, welche eine hohe
Wasserbindungskapazität besitzen, gut verträglich sind und nur sehr wenige Nebenwirkungen
aufweisen. Sie sind chemisch weitestgehend inert und werden deshalb im Darm kaum
resorbiert, weshalb sie nur eine lokale Wirkung haben. Sie werden nicht von Bakterien
zersetzt, weshalb sie keine Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Blähungen verursachen.
(35)

Sollten die Patienten nicht gut auf die Therapie mit osmotischen Laxanzien ansprechen, so
wird ein Therapieversuch mit stimulativen Laxanzien gestartet. Hierzu zählen Senna-
Präparate und Bisacodyl. Diese sorgen für vermehrte Darmkontraktionen und somit für eine
Beschleunigung des Transits. (6) Auch diese Medikamentengruppe weist eine geringe
Nebenwirkungsrate (ca. 10%) auf, wobei die Nebenwirkungen meist nur zu Beginn der
Therapie beobachtbar sind und sich fast ausschließlich auf Bauchschmerzen, Diarrhoe und
Übelkeit beschränken. Langzeitfolgen werden nicht beobachtet. (4, 6) Bei Senna-Präparaten
kann es selten zu perianaler Blasenbildung kommen, was allerdings nur bei langem Kontakt
zwischen Stuhl und Haut passiert, wenn z.B. die Windel über längere Zeit nicht gewechselt
23
wird. Die Eltern sind dementsprechend zu schulen. (36) In einer retrospektiven Analyse von
pädiatrischen Patienten, die mit Bisacodyl therapiert wurden, konnten von Bonilla et al. bei
57% ein positiver Outcome in Form von Steigerung der Stuhlfrequenz erhoben werden. Des
Weiteren konnten bei einer medianen Therapiedauer von 18 Monaten über 50% der Patienten
wieder entwöhnt werden. (4)

Kinder und Jugendliche, welche aufgrund von anorektalen Malformationen oder einer
Hypomotilitätsstörung obstipiert sind, sprechen normalerweise generell besser auf
Stimulanzien an, da sie selten ein Problem mit der Stuhlkonsistenz haben. Osmotische
Laxanzien verschlimmern bei diesen Patienten deshalb eher die Enkopresis, da sie den Stuhl
flüssiger machen. Meistens liegt eine Problematik der neuromuskulären Darmfunktion vor,
die durch eine Therapie mit Stimulanzien verbessert wird. (5, 6)

Wieder hartnäckiger falscher Annahmen, kommt es auch nach jahrelanger Verabreichung
weder bei den osmotischen noch bei den stimulativen Laxanzien zu einer Toleranz- oder
Abhängigkeitsentwicklung. (37)

Abschließend gilt es zu sagen, dass die Behandlung der chronischen Obstipation ein
fortlaufender Versuchs- und Anpassungsprozess ist. Keine einzelne oder kombinierte
Behandlung funktioniert für alle Patienten. (6)

7.6.3 Unterstützende nicht-medikamentöse Maßnahmen

Eine Ernährungsumstellung kann einen positiven Effekt auf die Obstipationssymptomatik
haben. So haben eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr und vermehrte Aufnahme von
ballaststoffreichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse einen positiven Einfluss auf die
Anzahl und die Schmerzhaftigkeit des Stuhls. Ein hoher Konsum von Milchprodukten sollte
vermieden werden. (26)

Außerdem ist in fast allen Fällen auch eine Verhaltenstherapie bzw. -änderung notwendig.
(26)

Bei Kindern, die jünger als zwei Jahre alt sind, sollte auf Toilettentraining verzichtet werden,
da sie durch zu frühes und erfolgloses Toilettentraining nur entmutigt werden und sich
wahrscheinlich kein therapeutischer Erfolg einstellen wird. Auch Kinder bis zum dritten
24
Lebensjahr sollten die Toilette zunächst vermeiden und Windeln tragen, bis sich wieder ein
normales Stuhlverhalten eingestellt hat. Bei den älteren Kindern ist es wichtig einen
regelmäßigen Gang zur Toilette zu etablieren. Es müssen Pläne oder Regeln eingeführt
werden, wann das Kind auf die Toilette geht, und versucht Stuhlgang zu haben. Zum Beispiel
nach jeder großen Mahlzeit oder nach der Schule. Für erfolgreiche Stuhlgänge kann ein
Belohnungssystem eingeführt werden, wobei hier nicht der Erfolg, sondern die Teilnahme an
dem Training belohnt werden sollte um einen „Misserfolg“ ohne Belohnung nicht als Strafe
zu verstehen. Außerdem erscheint das Führen eines Stuhl-Tagebuchs als sinnvolle Maßnahme
um einen Fortschritt in der Therapie objektivieren zu können. Überdies können bei Kindern
ab sechs Jahren auch autogenes Training, Biofeedback-Training und Entspannungsübungen
der Beckenbodenmuskulatur zum Erfolg der Therapie beitragen. (2, 19, 26)

7.6.4 Medikamentöse Therapie einer Hypomotilitätsstörung

Eine kausale Therapie für die Hypomotilitätsstörung der STC gibt es nicht, allerdings
existieren einige Therapieansätze.

Makrolidantibiotika wirken im Darm als Motilin-Agonisten und steigern somit die Aktivität
der glatten Muskelzellen und beschleunigen dadurch die Kolontransitzeit. Aufgrund ihrer
gastrointestinalen und kardialen Nebenwirkungen werden sie allerdings kaum zur Therapie
der STC angewendet. (31, 38)

Auch mit Hilfe von Serotonin-Agonisten und Parasympathomimetika kann die Aktivität der
glatten Muskelzellen des Kolons modifiziert und dessen Motilität gesteigert werden. Dennoch
gibt es bisweilen keine standardisierte Therapie damit. (31)

Vielversprechend könnte die Therapie mit Ghrelin oder Ghrelin-Agonisten sein, denn sie
verbessern neben ihrer appetitsteigernden Wirkung auch den Transit im Kolon nach der
Nahrungsaufnahme, was bereits in Studien mit kleinem Patientenkollektiv gezeigt werden
konnte. (12, 31)

7.6.5 Chirurgische Therapie

Ein mögliches chirurgisches Verfahren bei Patienten mit STC ist die Appendikostomie nach
Malone, wobei der Appendix vermiformis operativ nach außen an die Bauchwand geleitet und
von unten eröffnet wird. Möglich ist eine Ausleitung in der Fossa iliaca dextra oder im
Umbilicus. Diese Operation ermöglicht das antegrade Spülen des Kolons mit körperwarmer

25
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