OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
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Z E I TS C H R I F T F Ü R T E C H N I K F O L G E N A B S C H ÄT Z U N G I N T H E O R I E U N D P R A X I S 26/1–2 (201 7) www.tatup.de Open-Access-Zeitschrift im oekom verlag OPEN SCI E NCE zwischen Hype und Disruption Forschung Datenschutz-Folgenabschätzung Rezension Kampf gegen den Klimawandel Report Retreat on Genome Hacking
IMPRESSUM Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis ist das zentrale Publikationsorgan für alle, die im interdisziplinären Feld der Technikfolgenabschätzung sowie angrenzenden Themengebieten tätig sind. Die begutachtete Open-Access-Zeitschrift richtet sich gleichermaßen an Wissenschaft und inter essierte Öffentlichkeit. TATuP erscheint dreimal im Jahr in gedruckter und elektronischer Form. IMPRESSUM Dr. Ralf Lindner, Fraunhofer ISI, Karlsruhe TATUP ONLINE PD Dr. Michael Nentwich, ITA, Wien Kostenlose Ausgabe unter www.tatup.de Prof. Dr. Alfred Nordmann, TU Darmstadt Regelmäßige Neuigkeiten per Newsletter: HERAUSGEBER Prof. Dr. Sebastian Pfotenhauer, TU München Abonnement unter www.oekom.de/tatup/tatup-newsletter Prof. Dr. Thomas Saretzki, Universität Lüneburg Dr. Petra Schaper-Rinkel, DRUCK/PAPIER Austrian Institute of Technology, Wien Umschlag und Innenteil Circle Offset Premium White, Dr. Miranda Schreurs, HfP an der TU München 100 % FSC -Recyclingpapier, Karlsruher Institut für Technologie (KIT ) Dr. Elena Seredkina, Universität Perm zertifiziert mit dem Blauen Engel (RAL-UZ 14). Institut für Technikfolgenabschätzung Prof. Dr. Karsten Weber, OTH Regensburg und Systemanalyse (ITAS ) Prof. Dr. Johannes Weyer, TU Dortmund Druckerei: Kessler Druck + Medien GmbH & Co. KG Karlstraße 11 86399 Bobingen 76133 Karlsruhe REDAKTION www.kesslerdruck.de Constanze Scherz (Leitung) VERLAG Julia Hahn ANZEIGEN Jonas Moosmüller Janine Gaumer Ulrich Riehm oekom verlag GmbH Dr. Ulrich Ufer Telefon: +49 89 54418435 oekom verlag GmbH E-Mail: anzeigen@oekom.de Waltherstraße 29 Kontakt: 80337 München Institut für Technikfolgenabschätzung VISUELLE KONZEPTION UND GESTALTUNG und Systemanalyse (ITAS ) Kornelia Rumberg, www.rumbergdesign.de HERAUSGEBERGREMIUM Karlstraße 11 Prof. Dr. Armin Grunwald, KIT-ITAS, 76133 Karlsruhe GRAFIK UND SATZ Karlsruhe (Vorsitzender) Tobias Wantzen, www.wantzen.com Prof. Dr. Regine Kollek, Universität Hamburg Telefon: +49 721 608 26814 Dr. Stephan Lingner, EA European Academy, E-Mail: redaktion@tatup.de ISSN Bad Neuenahr-Ahrweiler 1619-7623 (Print), 2199-9201 (Online) Dr. Linda Nierling, KIT-ITAS, Karlsruhe HINWEIS FÜR AUTORINNEN UND AUTOREN PD Dr. Mahshid Sotoudeh, ITA, Wien Die Redaktion freut sich über die Einreichung von Artikeln COPYRIGHT UND LIZENZ Dr. Marcel Weil, KIT-ITAS, Karlsruhe zum breit verstandenen Feld der Technikfolgenabschätzung. Als Open-Access-Zeitschrift erscheinen alle in TAT uP Um die Bedingungen der Veröffentlichung vorab zu klären, veröffentlichten Inhalte soweit nicht anders angegeben WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT setzten Sie sich bitte mit der Redaktion in Verbindung: unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 Mag. Dr. Georg Aichholzer, ITA, Wien redaktion@tatup.de. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) Prof. Dr. Daniel Barben, Universität Klagenfurt, Wien/Graz Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink, Erscheinungsweise: 3× jährlich Erfüllungsort/Gerichtsstand: München Universität Frankfurt am Main Prof. Dr. Alfons Bora, Universität Bielefeld BEZUG Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel, nexus Institut, Berlin Der Bezug der gedruckten Ausgabe ist kostenlos. Prof. Dr. Ulrich Dolata, Universität Stuttgart Für ihre Bestellung nutzen Sie bitte Prof. Dr. Matthias Finkbeiner, TU Berlin Prof. Dr. Carl Friedrich Gethmann, www.oekom.de/tatup/bezug ForschungsKollegSiegen oder: InTime Media Services GmbH Prof. Dr. Rainer Grießhammer, öko Institut, Zeitschriften oekom verlag Freiburg i. Br. Postfach 1363 Prof. Sven Ove Hansson, 82034 Deisenhofen Royal Institute of Technology, Stockholm PD Dr. Jessica Heesen, Universität Tübingen Telefon: +49 89 85853570 Prof. Dr. Matthias Kaiser, University of Bergen Fax: +49 89 8585362570 oekom kompensiert bereits seit 2008 seine Prof. Dr. Andrzej Kiepas, University of Silesia, Katowice E-Mail: oekom@intime-media-services.de unvermeidlichen CO₂-Emissionen 26/1–2 (2017)
EDITORIAL Editorial „J edem Anfang wohnt ein Zauber inne“, so lautet ein viel zitierter Satz von Hermann 3 Hesse. Ich hoffe, Sie haben einen Hauch dieses Zaubers gespürt, als Sie das Heft aufgeschlagen haben, ob nun mit der Hand oder mit einem Klick. Vielfältige kon- zeptionelle Überlegungen und Abwägungen, langwierige Beratungsprozesse und Aushandlungen, schließlich die Schritte zur Umsetzung der neuen T ATu P sind damit ans Ziel gekommen. Ich danke allen Beteiligten aus der T ATu P-Redaktion, dem ITAS , dem Netzwerk TA und dem oekom verlag für Ausdauer, Kreativität, Geduld und Enga- gement. Und natürlich hoffe ich, dass sich das alles in den Augen der Leserinnen und Leser gelohnt hat, denn dafür haben wir diesen Prozess unternommen. Im Ergebnis sehen Sie die T ATu P in mehrfach neuem Gewand. Offenkundig sind zunächst das neue und moderne Layout, mehr Farbe und einige Veränderungen bei den Rubriken. Nicht ganz so offenkundig, aber ein großer Schritt, ist die Einführung des ARMIN GRUNWALD Begutachtungsverfahrens für die Beiträge in den Rubriken Thema und Forschung, die Institut für Technikfolgenabschätzung damit wissenschaftlich aufgewertet werden. Die institutionelle Struktur wurde den Er- und Systemanalyse (ITA S ), Karlsruhe fordernissen einer modernen Fachzeitschrift angepasst. Die T ATu P hat nun einen He- (armin.grunwald@kit.edu) rausgeberkreis und einen Beirat, deren Zusammensetzung Sie der Umschlaginnenseite entnehmen können. In diesen Organen übernehmen Mitglieder aus dem Netzwerk TA Verantwortung für die weitere strategische und inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift, z. B. für die Festlegung von Inhalten der Rubrik Thema, die den Schwerpunkt jedes Heftes bildet. Dadurch stärkt die TATu P ihre zentrale Rolle als wissenschaftliche Fach- zeitschrift der TA‑Community. Kontinuität gibt es dagegen in anderer Hinsicht: Die TATu P bleibt frei verfügbar. Sie ist als Open-Access-Zeitschrift online frei zugänglich, und Sie können die T ATu P weiterhin kostenfrei als gedrucktes Heft abonnieren. Dies entspricht dem Selbstver- ständnis der TA‑Community, die sich nicht in abgeschottete Räume zurückziehen will, sondern sich offensiv auch an die interessierte Öffentlichkeit wendet und die somit „heiter Raum um Raum durchschreitet“. Und genau dazu passend wurde das Schwerpunktthema für diese erste T ATu P in neuem Gewand ausgesucht: Open Science aus der Perspektive der TA . Die Demokrati- sierung des Zugangs zu Wissen ist ein TA‑Thema seit Jahrzehnten. Die Open-Science- Bewegung bietet hierzu neue Möglichkeiten, in der Regel IT‑gestützt. Freilich sind auch Ambivalenzen und Unsicherheiten über die weitere Entwicklung zu beobachten – womit die TA in ihrem Element wäre. This is an article distributed under Viel Freude beim Lesen! the terms of the Creative Commons Armin Grunwald Attribution License CCBY 4.0 (https:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/) http://dx.doi.org/10.14512/tatup.26.1-2.3 26/1–2 (2017)
Inhalt 1–2/2017 THEMA Open Science Nicht weniger als eine große Transformation der Wissenschaft und eine gänzlich neue Art wissenschaft lichen Publizierens und Arbeitens verspricht „Open Science“. Der von Michael Nentwich und Ulrich Riehm herausgegebene Schwerpunkt geht der Frage nach, was die Technikfolgenabschätzung dazu zu sagen hat. 10 2 IMPRESSUM 18 K. VOHLAND, C. GÖBEL Open Science und Citizen Science als symbiotische Beziehung? EDITORIAL 25 K. WEBER, N. KLEINE, F. PALLAS, M .-R. ULBRICHT 3 A. GRUNWALD Technik zur Unterstützung von Citizen S cience und Open Science 31 J. J. HÄUSSERMANN, M. HEIDINGSFELDER 6 TA-FOKUS Offen, verantwortlich und verantwortlich offen 7 TA -Grafik „Open Access“ 37 K. GERLINGER Arzneimittelentwicklung zu vernachlässigten 7 Fünf Fragen an Leo Capari Krankheiten 8 Aus dem openTA -Kalender 43 W. REICHMANN Open Science z wischen sozialen Strukturen 9 Personalia und Wissenskulturen 49 H. HANEKOP Umwandlung wissenschaftlicher Journale 10 THEMA „OPEN SCIENCE in Gold Open Access Z WISCHEN HYPE UND DISRUPTION“ 55 S. DICKEL 11 U. RIEHM, M. NENTWICH Öffnung für alle Open Science aus Perspektive der Technikfolgen abschätzung 26/1–2 (2017)
FORSCHUNG TAGUNGSBERICHT Datenschutz- Genome-Hacking- Folgenabschätzung Conference Ab Mai 2018 wird es die europäische Datenschutz- What are scientific, ethical and societal implications Grundverordnung geben. In gewissen Fällen werden of the new CRISPR -Cas genome editing technique? dann die Betreiber von Datenverarbeitung verpflichtet International students, academic experts and biohackers sein, eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchzuführen. approached the issue by creating „fiction in science“ Welche Anforderungen werden gestellt? Wie können scenarios for potential genome editing applications. diese realisiert werden? Und welche Erfahrungen Even inheritable changes to the human genome may aus der TA-Tradition werden hier relevant? become accessible to non-institutional actors. 66 84 FORSCHUNG 81 K. MICHALSKI, C. SCHERZ Revitalisierung der Technikfolgenabschätzung in Polen 60 A. LÖSCH Technikfolgenabschätzung soziotechnischer Zukünfte 84 H. KÖNIG Brave New Genomes 66 M. FRIEDEWALD Datenschutz-Folgenabschätzung 85 M. LADIK AS, J. HAHN, L. HENNEN, P. KULAKOV, C. SCHERZ RRI in Germany: Reflections on the State of the Art INTERVIEW 72 A. KÜBELBECK AUS DEM NETZWERK TA Offenheit und ihre Grenzen. R. König im Gespräch mit einem Wikipedianer 87 G. AICHHOLZER, U. BECHTOLD, J. ČAS, W. PEISSL, über Sockenpuppen, Bearbeitungskonflikte M. SOTOUDEH und über ein Projekt, das nie fertig werden wird. Aktuelle Bücher aus dem ITA 89 U. RIEHM, D. HOMMRICH Der openTA -Newsdienst REFLEXIONEN 76 M. UKOWITZ Überzogene Ansprüche? 90 TATuPDATES 78 H.-J. LUHMANN Der Kampf gegen den Klimawandel ist gewinnbar 26/1–2 (2017)
TA-FOKUS EPTA-KONFERENZ 2017 Mobilität der Zukunft Alle größeren Städte Europas sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie sie Mo- bilität verbessern und gleichzeitig Ver- schmutzung, Staus und die Zahl der Un- fälle reduzieren können. Große Erwar- tungen verbinden sich beispielsweise mit Abb. 1: Schauplatz der dritten europäischen TA ‑Konferenz: das University College in Cork. autonomen Fahrzeugen, Sharing-Model- Quelle: Wikimedia Commons/Bjørn Christian Tørrissen len oder neuen Mautsystemen. Die dies- jährige Konferenz der europäischen par- kussionen. Im Mittelpunkt standen die des Österreichischen Parlaments. In einer lamentarischen TA ‑Institutionen (EPTA ) Herausforderungen in vielen Technik- und Bietergemeinschaft mit dem Austrian In- beschäftigt sich eingehend mit den vielfäl- Gesellschaftsbereichen und die Beiträge stitute of Technology (AIT ) hat das Insti- tigen Aspekten des Themas. Unter dem der TA zu ihrer Bewältigung. Methodi- tut im Juni 2017 bei einem europaweiten 6 Motto „Shaping the Future of Mobility“ sche oder konzeptionelle Fragen wurden Ausschreibungsverfahren den Zuschlag findet die EPTA -Konferenz am 8. Novem- in den insgesamt 24 Sessions zumeist an- erhalten. Das Projekt mit einem jährlichen ber 2017 im Verkehrshaus der Schweiz in hand aktueller Problemstellungen disku- Budget von 200 000 Euro umfasst Bera- Luzern statt. tiert. Die dritte europäische TA‑Konferenz tungsleistungen in den Bereichen Tech- hatte sich das Ziel gesetzt, Brücken zwi- nikfolgenabschätzung und Foresight. Da schen Forschung, Gesellschaft und Poli- zu zählen jährliche Monitorings, in denen KONFERENZ tik zu schlagen. Neben Forschenden wa- über aktuelle technische Trends und deren ren daher auch Expertinnen und Experten Auswirkungen auf den gesellschaftlichen TA ‑Community zu Gast aus Kommunikation und Politik vertreten. Alltag berichtet wird. Auch vertiefende in Irland Studien zu Schwerpunktthemen sind vor- gesehen. „Mit dieser richtungsweisenden Einen weiteren Schritt hin zu einer inter- PARLAMENTSBERATUNG Entscheidung schließt Österreich zur eu- nationalen TA ‑Community gingen Euro- ropäischen Spitzengruppe der parlamen- pas TA -Institutionen auf der „3rd Euro- Technikfolgen tarischen TA auf“, freute sich ITA -Leiter pean Technology Assessment Conference im „Hohen Haus“ Michael Nentwich. 2017“, die vom 17. bis 19. Mai 2017 am University College Cork in Irland statt- Das Institut für Technikfolgen-Abschät- fand. 170 Teilnehmerinnen und Teilneh- zung (ITA ) der Österreichischen Akade OFFENER BRIEF mer aus über 16 Ländern nutzten die Ta- mie der Wissenschaften berät für die gung als Plattform für engagierte Dis- nächsten drei Jahre die Abgeordneten Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung Mit einem offenen Brief richtete sich im Mai 2017 das Netzwerk Industrial Eco- logy an die Fachkollegien und den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG ). Die Mitglieder des Netzwerks fordern die Aufnahme grundlegender As- pekte der Nachhaltigkeitswissenschaften in den Fächerkanon der DFG . Ein gro- ßer Teil der Grundlagenforschung fände nicht mehr innerhalb der traditionellen Disziplinen statt, sondern in neu ent- standenen wissenschaftlichen Communi- ties wie der Industrial Ecology, dem Life Abb. 2: Wollen TA im österreichischen Parlament stärken (v. l. n. r.): Michael Nentwich, Leiter des ITA , Petra Cycle Engineering oder der sozial-ökologi- Scharper-Rinkel vom Austrian Institute of Technology (AIT ), Nationalratspräsidentin Doris Bures, die Vorsitzen- schen Forschung. Mitglieder dieser Com de des Forschungsausschusses Ruperta Lichtenecker sowie Parlamentsdirektor Harald Dossi. Quelle: ITA munities könnten ihre interdisziplinären 26/1–2 (2017)
TA-FOKUS orschungsthemen im Fächerkanon der F NEUERSCHEINUNG DFG derzeit nicht verorten. Die Autorin- nen und Autoren des Briefes fordern des- Innovationen halb, Fachkollegien für Umweltsozialwis- für die Gesellschaft senschaften, Umweltnaturwissenschaften und (Umwelt-Mensch-Technik-)System- Ob als neue Formen der Arbeitsorganisa- analyse zu etablieren. Zu den Erstunter- tion, genossenschaftliche Energieproduk zeichnern zählen prominente Vertreterin- tion, Car-Sharing-Modelle, klimaschonen nen und Vertreter aus dem Netzwerk TA . de Wohnformen oder Sozialunternehmer- Die ebenfalls interdisziplinär aufgestellte tum – soziale Innovationen gewinnen an Technikfolgenabschätzung teilt die ange- Aufmerksamkeit. Es wird zunehmend an- führte Kritik an einer zu stark disziplinär erkannt: Technische Innovationen reichen 5 Fragen an „versäulten“ Forschungsförderung. nicht aus, um große gesellschaftliche He- rausforderungen zu bewältigen. Auf dem Leo Capari Kongress „Innovationen für die Gesell- (Junior Scientist, ITA Wien) schaft – Neue Wege und Methoden zur TA -Grafik Entfaltung des Potenzials sozialer Inno- Warum betreiben Sie TA ? 7 vationen“ trafen sich im September 2016 Aus innerer Überzeugung! TA spielt Open Access in Berlin über 200 Teilnehmende aus Wis- meiner Ansicht nach eine wichtige senschaft, Praxis, Politik und Zivilgesell- Rolle in der Forschungslandschaft, da schaft zu einem von Bundesministerin sie eine Brücke zwischen Wissenschaft, 2000 8% 2% Johanna Wanka unterstützten Austausch. Politik und Gesellschaft schlägt. Die wichtigsten Ergebnisse aus Vorträgen und Diskussionen der vom Institut für Was zeichnet TA aus? Technikfolgenabschätzung und System- Vor allem ihre Offenheit gegenüber analyse (ITAS ) und der Sozialforschungs- Themen. Ich habe bis dato zu Technik stelle Dortmund (sfs) durchgeführten Ver- fürs Altern, Smart Cities, Konsum anstaltung fasst eine kostenfrei zu bezie- und Nachhaltigkeit gearbeitet. Diese hende Broschüre zusammen. Sie kann per Diversität und Vielfalt macht TA für Mail an ziese@sfs-dortmund.de bestellt mich besonders. sowie unter www.sfs-dortmund.de herun- 90 % tergeladen werden. Was wäre Ihre erste Amtshandlung als Wissenschaftsminister? 2015 Puh, schwere Frage. Wissenschaft bzw. Bildung sind zu wichtig, um sie von 36 % ökonomischen „Zwängen“ abhängig 47 % zu machen, deshalb würde ich versuchen, sie wieder zu „befreien“. Welche Forschungsfrage wird viel zu wenig beachtet? Wissensbasierte Politikberatung ist ein 17 % zentraler Aspekt in der TA . Die Frage, die ich mir stelle, ist, wie man am besten die Green Open Access jeweils unterschiedlichen Rationalitäten (zusätzlich OA veröffentlicht) und Geschwindigkeiten von TA und Politik Gold Open Access (nur OA veröffentlicht) synchronisieren kann. Nicht als Open Access veröffentlicht Welches bekannte Lied beschreibt TA für Sie am besten? Anteil der Open-Access-Publikationen Bezogen auf die gegenwärtige (aus OpenAIRE ) am weltweiten Publikations- aufkommen (aus Web of Science) Industrie 4.0 Welle wäre das wohl Quelle: ec.europa.eu/research/openscience Abb. 3: Broschüre zu sozialen Innovationen. „Die Roboter“ von Kraftwerk ; –) Quelle: ITAS /sfs 26/1–2 (2017)
TA-FOKUS BEST PAPER AWARD Aus dem openTA-Kalender Verantwortliche Forschung 26.– 28. 09. 2017, BRAUNSCHWEIG – Final ENTRIA Conference: Interdisciplinary Kriterien für gesellschaftlich verantwort esearch on Radioactive Waste: Ethics – Society – Technology. R liche Forschungsprozesse haben Kathari www.entria.de/conference-event na Helming, Johanna Ferretti, Katrin Da- 29. 09. 2017, WIEN – NTA -Jahrestreffen und NanoTrust-Jahrestagung: 10 Jahre edlow, Aranka Podhora, Jürgen Kopfmül- anoTrust. www.oeaw.ac.at/ita/veranstaltungen/weitere-events/10-jahre-nanotrust N ler, Markus Winkelmann, Jürgen Bertling und Rainer Walz entwickelt. Ihre ent- 19. 10. 2017, BERLIN – Zehn Jahre Netzwerk Zukunftsforschung. sprechende Veröffentlichung in der Zeit- www.netzwerk-zukunftsforschung.eu schrift GAIA wurde Anfang 2017 mit 07. 11. 2017, LUZERN – EPTA Conference: Shaping the Future of Mobility. dem zweiten Platz des Best Paper Awards www.eptanetwork.org des Journals ausgezeichnet. Das Auto- renteam geht von der These aus, dass die 16.– 17. 11. 2017, KARLSRUHE – 6. openTA -Workshop „Fachportale, Fachinformations Freiheit der Forschung einhergehen muss dienste, Wissenschaftsnetzwerke“. www.openta.net/workshops 8 mit der Verantwortung der Forschenden für die Gestaltung einer nachhaltigen Ent- wicklung. Der in GAIA 3/2016 erschie- Professur für Allgemeine Technologie im Nachhaltigkeit 2017“ und als eines von nene Artikel leiste einen wesentlichen Institut für Polytechnik/Arbeitslehre der vier Transformationsprojekten, denen die Beitrag zur Diffusion des Ansatzes trans- Universität Frankfurt am Main inne. Jury ein besonders großes Potenzial at- formativer Forschung und könne das Wis- testiert, die Welt nachhaltiger zu gestal- senschaftssystem im Sinne einer Ausrich- ten. Das vom Zentrum Mensch und Tech- tung auf mehr Nachhaltigkeit beeinflus- NACHHALTIGKEITSRAT nik des Karlsruher Instituts für Technolo- sen, so die Jury. gie (KIT ) durchgeführte Projekt erforscht Reallabor ausgezeichnet beispielsweise Wege zu mehr Fußgän- gerfreundlichkeit, Dienstleistungen für NACHRUF In der Oststadt von Karlsruhe entwickeln nachhaltiges Wohnen oder n achhaltige Forschende mit Bürgern und Initiativen Mobilität – immer im Zusammenspiel Zum Tod von Ideen für mehr Nachhaltigkeit und Le- mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, der Günter Ropohl bensqualität. Dafür wurde das „Reallabor Stadtverwaltung, Vereinen, Betrieben, 131: KIT findet Stadt“ im Mai 2017 vom und Bürgerinnen und Bürgern. Es betreibt „Technologische Aufklärung bedarf ei- Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE ) einen projekteigenen „Zukunftsraum für ner systematisierenden und generalisie- der deutschen Bundesregierung doppelt Nachhaltigkeit und Wissenschaft“ und hat renden, allgemeinen Techniktheorie als geehrt: mit dem Qualitätssiegel „Projekt internationalen Modellcharakter. fachdidaktische Basis“, so Günter Rop- ohl 1973. Damit begründete er sein pro- grammatisches Forschungskonzept, das er in den nachfolgenden Jahrzehnten inten- siv und streitbar in ungezählten Vorträgen und zahlreichen Publikationen verfolgte. Damit beeinflusste er die (deutsche) Tech- nikphilosophie maßgeblich. Am 28. Janu ar 2017 ist er in Karlsruhe verstorben. Günter Ropohl war „Schüler“ des Phi- losophen Max Bense und des Kyberne- tikers und Informationstheoretikers Karl Steinbuch. Diese Kombination von Tech- nikwissenschaften und Philosophie hat seinen Lebensweg entscheidend geprägt. Günter Ropohl leitete von 1979 bis 1987 das Studium Generale an der Universität Karlsruhe und hatte von 1981 bis zu sei- Abb. 4: Die Leiter des Reallabors Oliver Parodi (links) und Andreas Seebacher (Mitte) mit RNE -General ner Emeritierung 2004 die ordentliche sekretär Günther Bachmann. Quelle: Svea Pietschmann, RNE 26/1–2 (2017)
TA-FOKUS PROJEKT Personalia eingesetzte Ethik-Kommission „Automatisier- tes und Vernetztes Fahren“ berufen. Im Juni Industrie 4.0 in Mittel-, 2017 legte die Kommission aus Vertreterinnen Süd- und Osteuropa JUDITH SIMON hat seit und Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft Februar 2017 die Profes- und Gesellschaft unter Leitung des ehema Welche Auswirkungen hat die vierte indus- sur für Ethik in der Infor- ligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio trielle Revolution auf die Gesellschaft? mationstechnologie an ihren Bericht vor. Die darin formulierten ethi- Wie verändert die Digitalisierung den All- der Universität Hamburg schen Leitlinien geben vor, wie computerge- tag der Menschen? Diesen Fragen geht die inne. Ihren Master erwarb steuerte Fahrzeuge künftig vor allem in Risi- EA European Academy seit Anfang des sie an der FU Berlin in Psychologie. Promo- kosituationen Entscheidungen treffen sollen. Jahres in dem vom deutschen Bundesmi- viert hat sie an der Universität Wien in Philo- Bei unausweichlichen Unfällen müsse es bei- nisterium für Bildung und Forschung ge- sophie zum Thema „Knowing together – A So- spielsweise strikt untersagt sein, Opfer nach förderten Projekt „IND _4.0“ nach. Das cial Epistemology for Socio-Technical Episte- persönlichen Merkmalen zu qualifizieren. Vorhaben untersucht die gesellschaftli- mic Systems“. Judith Simon war darüber chen Implikationen in Deutschland, Po- hinaus in Barcelona, Jülich, Kopenhagen, HEIKE WEBER forscht len, Slowenien und der Tschechischen Ljubljana, Paris und Stanford wissenschaftlich zu Technik im Alltag, zum Republik. Koordiniert von Stephan Ling- tätig. 2013 erhielt sie den Herbert A. Simon Verhältnis von Innovation 9 ner, dem stellvertretender Direktor der EA Award der International A ssociation of Com- und dem „Momentum“ European Academy, entsteht derzeit eine puting and Philosophy (I ACAP ). Sie ist Mitglied des Alten sowie – unter multinationale Arbeitsgruppe. Nach einer des Vorstands der International Society for dem Schlagwort „Unma- Vorstudie wird ein umfangreicheres euro- Ethics and Information Technology und des king Technology“ – zu Fragen von Müll, Abfall päisches Forschungsprojekt für ein Tech- Netzwerks Technikfolgenabschätzung. und Recycling. Im Juni 2017 hat sie die Profes- nology und Vision Assessment von Indus- sur „Technikkulturwissenschaft“ am Institut trie 4.0 vorbereitet. SERGIO BELLUCCI , Ge- für Technikzukünfte (ITZ ) des Karlsruher Ins- schäftsführer von TA - tituts für Technologie (KIT ) angetreten. An ih- SWISS , geht Ende Novem- rem Lehrstuhl will Heike Weber Ansätze aus JUBILÄUM ber 2017 nach 20‑jähriger den Science and Technology Studies, der Tätigkeit in den Ruhe- Technik- und Umweltgeschichte und den Kul- 40 Jahre Öko-Institut stand. Unter seiner Lei- turwissenschaften kombinieren, um die tung erfolgte der Aufbau des Zentrums für Wechselwirkungen zwischen Technik, Gesell- Visionen und Lösungen für dringende Um- Technologiefolgen-Abschätzung bei den Aka- schaft, Kultur und Umwelt zu untersuchen. weltfragen entwickeln, sich aktiv in Poli- demien der Wissenschaften Schweiz in Bern Zuvor war sie Professorin am Interdisziplinä- tik einmischen sowie Wirtschaft und Ge- zu einer national und international anerkann ren Zentrum für Wissenschafts- und Technik- sellschaft stets zu umweltbewusstem Han- ten Institution. Der Ingenieur und Agronom forschung der Bergischen Universität Wup- deln herausfordern und motivieren. Dieser studierte und promovierte an der Eidgenös- pertal. Anspruch begleitet das Öko-Institut seit sischen Technischen Hochschule (ETH ) in Zü- nunmehr vier Jahrzehnten. Für das private rich. Vor seiner Tätigkeit für TA -SWISS leitete GEORG AICHHOLZER , Umweltforschungsinstitut, das 1977 aus er das Zentrum für Weiterbildung der ETH so- langjähriger wissenschaft- d er Anti-Atomkraft-Bewegung hervorging, wie das Technologie Institut am Technopark licher Mitarbeitet des In- arbeiten heute über 165 Mitarbeiterinnen in Zürich. Bellucci ist M itglied verschiedener stituts für Technikfolgen- und Mitarbeiter in Freiburg, Darmstadt Organisationen und Kommissionen in den Abschätzung (ITA ) in und Berlin. Immer wieder gelang es dem Bereichen Wissenschaft, Technologie und Ge- Wien, ist seit dem 1. Juni Institut, mit seinen unabhängigen Gutach- sellschaft und war seit Gründung des Netz- 2017 im Ruhestand. Der promovierte Sozio- ten auf Missstände aufmerksam zu ma- werks TA Mitglied des Koordinationsteams loge begann seine wissenschaftliche Karriere chen und gesellschaftliche Debatten an- des NTA . am Institut für Höhere Studien in Wien und zuregen, etwa bei der Verunreinigung von arbeitete seit 1993 für das ITA und die Tech- Trinkwasser, der radioaktiven Bedrohung ARMIN GRUNWALD, nikfolgenabschätzung. Er gehörte in den ver- n ach Tschernobyl oder jüngst mit einer Stu- Leiter des Instituts für gangenen Jahren zu den prägenden Personen die zum Kohleausstieg. Auch der Begriff Technikfolgenabschätzung seines Instituts. Insbesondere hat er den der „Energiewende“ geht auf Vordenker und Systemanalyse (ITAS ) langjährigen Arbeitsschwerpunkt „elektroni- des Öko-Instituts zurück. Höhepunkt des des KIT sowie des Büros sche Verwaltung/ e‑Government“ aufgebaut Jubiläums ist ein Symposium zur Zukunft für Technikfolgen-Abschät- und das Thema in vielen Facetten und einer der Umweltpolitik am 7. November 2017 zung beim Deutschen Bundestag (TAB ) wurde Reihe von Projekten für das Europäische Par- in Berlin. 2016 in die vom Bundesverkehrsministerium lament bearbeitet. 26/1–2 (2017)
THEMA 10 Open Science zwischen Hype und Disruption Nicht weniger als eine große Transformation der Wissenschaft und eine gänzlich neue Art wissenschaftlichen Publizierens und Arbeitens verspricht „Open Science“. Das von Michael Nentwich und Ulrich Riehm herausgegebene Thema geht der Frage nach, was die Technikfolgen- abschätzung dazu zu sagen hat.
THEMA Open Science Open Science aus Perspektive der Technikfolgenabschätzung Zu Begriff, gesellschaftlicher Einbettung und möglichen Entwicklungen eines ubiquitären Konzepts Ulrich Riehm, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS ), Karlsruher Institut für Technologie (KIT ), Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe (ulrich.riehm@kit.edu), orcid.org/0000-0002-5107-8305 Michael Nentwich, Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA ) der Österreichischen Akademie der W issenschaften (ÖAW ) (mnent@oeaw.ac.at), orcid.org/0000-0003-2269-0076 11 Dieser Beitrag nähert sich dem Thema Open Science aus der Perspek Die EU ‑Kommission, ein wichtiger Akteur in der (europäi‑ tive der konzeptionellen Vorbereitung einer umfassenden Technikfol schen) Wissenschaftspolitik, postuliert mit Open Science die genabschätzungsstudie. Es werden vier Dimensionen des Konzepts große Transformation der Wissenschaft, einen disruptive shift – der Offenheit von Wissenschaft unterschieden: freier Zugang, öffent alles wird anders und alles wird besser: liche Kommunikation, offene Kooperation und die Überwindung gesell „Open Science represents a new approach to the scientific schaftlicher Subsysteme. Es wird des Weiteren eine sinnvolle Abgren process based on cooperative work and new ways of diffusing zung des Untersuchungsgegenstandes Open Science vorgeschlagen, die knowledge by using digital technologies and new collaborative bei einer TA ‑Studie berücksichtigt werden müsste. Nach einer kurzen tools. The idea captures a systemic change to the way science Darstellung des Status Quo für drei typische Konkretisierungen von and research have been carried out for the last fifty years: shif‑ Open Science (Open Access, Open-Peer-Review, Wissenschaftsnetz ting from the standard practices of publishing research results werke) werden vier Szenarien der zukünftigen Entwicklung von Open in scientific publications towards sharing and using all availa‑ Science zur Diskussion gestellt. ble knowledge at an earlier stage in the research process.“ (Euro pean Commission 2016, S. 33) Open Science from a technology assessment perspective Die Hoffnungen, die die EU ‑Kommission mit ihrer Open- On the notion, societal embedding, and possible developments Science-Politik verbindet, ist, dass Open Science die Wissen‑ of a ubiquitous concept schaft glaubwürdiger, zuverlässiger, effizienter und responsiver für die gesellschaftlichen Herausforderungen macht (European This contribution approaches the topic of Open Science from the per- Commission 2016, S. 45). Ob überhaupt und in welchem Aus‑ spective of preparing and laying the conceptual foundations for a maß diese große Transformation eintrifft und die Ziele erreicht comprehensive technology assessment study. Four dimensions of the werden, ist offen. Umfassende, empirisch basierte Studien liegen concept of openness in science and research are distinguished: open nicht vor und stehen auch vor erheblichen methodischen Proble‑ access, public communication, cooperation, and transgression of soci- men. Und es ist nicht überraschend, dass der disruptive Charak‑ etal subsystems. Furthermore, a reasonable delimitation of the object ter von Open Science und die damit verbundenen Hoffnungen of research is proposed, which would form the basis of such a TA study. nicht von allen geteilt und von manchen gar als Bedrohung auf‑ A short description of the status quo in three typical Open Science are- gefasst werden. Als eine wesentliche Gefahr erscheint, dass die nas (open access, open peer review, and scientific networks) is followed auf digitalen Technologien beruhende „Offenheit“ und Trans‑ by putting four scenarios of the future development of Open Science parenz die (wissenschaftsfremde) Kontrolle der Wissenschaft up for discussion. verstärkt und damit wissenschaftliche Autonomie und Freiheit einschränkt (Wilsdon et al. 2017, S. 6; Dickel in diesem Heft). KEYWORDS: open science, open access, citizen science, technology Der folgende Artikel führt in das Thema „Open Science a ssessment zwischen Hype und Disruption“ ein. Nach einem kurzen Rück‑ blick auf verwandte Begrifflichkeiten werden vier Dimensio‑ This is an article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License nen von „Open“ unterschieden und eine begriffliche Abgren‑ CCBY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) https://doi.org/10.14512/tatup.26.1-2.11 zung von Open Science vorgeschlagen. Daran anschließend wird Eingereicht: 07. 04. 2017. Angenommen: 06. 06. 2017 auf Open Access, Open-Peer-Review und Wissenschaftsnetz‑ 26/1–2 (2017) Ulrich Riehm, Michael Nentwich
THEMA Open Science werke als beispielhafte Konkretisierungen von Open Science and closer to society. It relies on the use of e-infrastructures, i. e. eingegangen. Angesichts der Komplexität und Weite des Feldes ICT -based services and tools for data- and computing-intensive kann dies selbstverständlich nur ein erster, knapper Versuch sein, research in virtual and collaborative environments. Digital sci‑ Parameter zu beschreiben und den möglichen Folgenraum auf‑ ence makes it possible not only to perform research more effici‑ zuspannen. Am Schluss des Beitrags stehen vier Szenarien, in ently but to transform science.“ (European Commission 2013) welche Richtung sich Open Science entwickeln könnte und das Allerdings ist in der Begriffsbildung auch hier noch das Tech‑ Plädoyer, Open Science einer umfassenden TA zu unterwerfen. nische dominant. Mit Open Science ist diese enge technische Fundierung aufgeweicht, wenn auch als wesentliche treibende Kraft für Open Science (und verwandte Konzepte) die digitale Zur Begriffsgeschichte von Open Science und vernetzte Technologieentwicklung anzusehen ist. Das Open-Science-Konzept bezieht sich auf einige Vorläufer, die allerdings als Reflexionsbegriffe der Wissenschaftsforschung Zur gesellschaftlichen Einbettung stärker technisch geprägt sind1: Der Begriff Cyberscience geht des Konzepts auf einen Artikel von Wouters aus dem Jahr 1996 zurück, den Nentwich (2003, 2005, S. 542–543) in einer umfassenden Stu‑ Gleichwohl – das ist in der Technikfolgenabschätzung fast eine 12 die aufgegriffen hat. Für ihn umfasst Cyberscience die Nutzung Trivialität – braucht die technische Entwicklung, um ihre Wir‑ vernetzter Computer in der Wissenschaft, und er verbindet da‑ kungen zu entfalten, immer eine gesellschaftliche Rahmung mit die Frage, wie Wissenschaft sich dadurch neu organisiert und und eine sozioökonomische und politische Einbettung (Fran‑ insgesamt ihren Charakter im Vergleich zur traditionellen Wis‑ zen 2016, S. 279). senschaft verändert. E‑Science hat seine Wurzeln in den frühen Teilweise wird Open Science (und seine Varianten) als „Be‑ 2000er-Jahren und bezieht sich auf große Datensammlungen (was wegung“ aus der Wissenschaft charakterisiert, als „grassroot or heute unter neuen Vorzeichen auch als Big Data verhandelt wird) bottom-up process“ (Tochtermann 2014, S. 1). Natürlich gibt es und verteilte Computerressourcen, die für den Zugang und den dieses Moment bei Open Science, insbesondere bei den Pionie‑ Umgang mit diesen großen Datenmengen benötigt werden (Grid- ren des Internets und den computer- und internetaffinen Com‑ Computing). Bei E‑Science geht es in erster Linie um eine neue munities. Den utopischen Überschuss, den die Entwicklung des Art vernetzter Computerinfrastruktur (Hey und Trefethen 2002; Personal Computer und des Internets seit den 1970er-Jahren be‑ National e-Science Centre o. J.; Wouters 2006). gleitet hat (Brants 2017), findet man natürlich auch für den Be‑ Wissenschaftspolitisch motiviert startete die Europäische reich der Wissenschaft. Aber wirkmächtig dürfte Open Science Kommission mit dem Begriff Science 2.0 eine öffentliche Kon‑ erst dadurch werden – so unsere Vermutung –, dass sich (auch) sultation. „2.0“ nimmt dabei auf das sogenannte Web 2.0 und Wirtschaft und Politik des Themas angenommen und dem mehr die sich auch im wissenschaftlichen Bereich entwickelnden oder weniger offenen Konzept ihren Stempel aufgedrückt haben. neuen sozialen Wissenschaftsnetzwerke (Social Media) Bezug. Dazu zählt, was Taubert und Weingart (2016, S. 12) in Bezug Die Europäische Kommission versteht unter Science 2.0 „a sys‑ auf den Wandel des wissenschaftlichen Publizierens als Ökono‑ temic change in the modus operandi of doing research and orga‑ misierung bezeichnen: Erst auf Grundlage des besonderen Wa‑ nising science“. Dieser Prozess wird nach Auffassung der Kom‑ rencharakters wissenschaftlicher Publikationen, der Konzentra‑ mission durch die digitalen Technologien ermöglicht und durch tionsprozesse im internationalen wissenschaftlichen Verlagswe‑ die Globalisierung der Wissenschaft und die zunehmenden ge‑ sen und den hohen Gewinnmargen in diesem Bereich konnte sellschaftlichen Anforderungen an die Wissenschaft, sich den sich die umfassende Digitalisierung des wissenschaftlichen Pu‑ Grand Challenges zu stellen, befördert (European Commission blikationswesens durchsetzen.2 Dabei treten die Unternehmen, 2014, S. 1 f.). Dieses Begriffsverständnis ist schon nahe an Open die traditionell aus dem Publikationsgeschäft kommen, teilweise Science. Im Ergebnis der Konsultation übernahm die Kommis‑ gar nicht mehr als „Verlage“ auf. Sie suchen vielmehr – ganz im sion dann auch den Begriff Open Science (European Commis‑ Sinne eines breiten Open-Science-Verständnisses – alle Phasen sion 2015, S. 6; Tochtermann 2014). des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses mit Dienstleistungen Kaum von Open Science zu unterscheiden ist der Begriff Di‑ und „Werkzeugen“ abzudecken und diese möglichst in ein ver‑ gital Science, wie ihn die European Commission (2013) im Kon‑ netztes System zu integrieren.3 text des Forschungsprogramms Horizon 2020 verwendet: Aber auch die Politik setzt Rahmenbedingungen für einen „Digital science means a radical transformation of the nature Wandel des wissenschaftlichen (institutionellen) Systems, die of science and innovation due to the integration of ICT in the re‑ gerade in den letzten Jahren mit der Exzellenzinitiative, Elemen‑ search process and the internet culture of openness and sharing. 2 Zu den frühen Anfängen des „elektronischen Publizierens“ Riehm et al. (1992). It is more open, more global and collaborative, more creative, 3 Beispiele hierfür etwa bei Schonfeld (2017). Der immer noch gemeinhin als Ver lag bezeichnete Elsevier „Verlag“ und die Reed Elsevier-Gruppe, zu der Elsevier 1 Ausführlicher zur Begriffsgeschichte und den Begriffsvarianten bei Nentwich gehört, bezeichnen sich selbst als „a global provider of information and analytics (2003), Jankowski (2007) sowie European Commission (2013). for professional and business customers across industries“ (RELX 2017). Ulrich Riehm, Michael Nentwich 26/1–2 (2017)
THEMA Open Science ten des New Public Management, der Universität als Unterneh‑ Differenzierungen und Abgrenzungen men mit Kosten-Leistungs-Rechnung und einer „marktvermit‑ telten“, leistungsorientierten Mittelvergabe, um nur einige Ele‑ „Offen“ ist eine universell einsetzbare Chiffre, die – positiv kon‑ mente zu nennen, doch einiges in Bewegung gebracht hat. Wie notiert – gerne einer Vielfalt von Begriffen vorangestellt wird. sich diese neuen Governance-Formen durchsetzen und welche Bereits 1944 erschien Karl Poppers Buch (auf Englisch) über Wirkungen sie zeitigen werden, ist im Einzelnen noch nicht ab‑ die „Offene Gesellschaft und ihre Feinde“ ein liberal-demo‑ zusehen (Simon et al. 2016, S. v). kratisches Manifest gegen Faschismus und Marxismus. George Der Zusammenhang dieser Veränderungen des Wissen‑ Soros nannte seine 1993 gegründete Stiftung mit Bezug auf schaftssystems mit Open Science müsste erst noch im Detail Popper „Open Society Institute“ (heute Open Society Found‑ entwickelt werden. Doch einige Vermutungen können bereits ation). Diese unterstützt auch die Open-Access-Bewegung in formuliert werden. Die von Maasen und Dickel (2016, S. 226) der Wissenschaft, u. a. mit der Förderung der Budapest Open festgestellte Selbst- und Fremdpolitisierung der Wissenschaft, Access Initiative im Jahr 2002 sowie der Unterstützung der z. B. durch die freiwillige oder auferlegte Orientierung an nor‑ S PARC (Scholarly Publishing and Academic Resources Coali‑ mativen Konzepten der Responsivität, Partizipation und Nach‑ tion) (Open Science Foundation 2014). Was bedeutet aber „of‑ haltigkeit, die wiederum in Citizen Science und Responsible Re‑ fen“ bei Open Science? Man kann vier Dimensionen unterschei- search und Innovation (RRI ) aufgegriffen werden, können auch den: in ein umfassendes Konzept des Open Science aufgenommen 13 werden (zum Zusammenhang von Open Science, Citizen Sci‑ • Offenheit der formalen Kommunikation: (Kosten-)freier ence und RRI siehe Vohland und Göbel sowie Häußermann und Zugang, z. B. zu wissenschaftlichen Publikationen oder Heidingsfelder in diesem Heft). Forschungsdaten (Hanekop in diesem Heft). Zentral für den Maasen und Dickel (2016, S. 230) weisen auch auf das Span‑ Aspekt des offenen Zugangs ist das Konzept des Open Ac‑ nungsfeld hin, in dem die heutige Wissenschaft steht: Auf der ei‑ cess. nen Seite soll sie einem Innovations- und Nützlichkeitsanspruch • Offenheit der üblicherweise informellen, vertraulichen Kom‑ genügen (welchen Nutzen bringt die Wissenschaft der Gesell‑ munikation: teil-öffentliche Kommunikation, z. B. in Wis‑ schaft) auf der anderen Seite soll sie sich durch „gute wissen‑ senschaftsnetzwerken, bei der Open-Peer-Review und bei schaftliche Praxis“ legitimieren. Greift man diesen Gedanken der Impactbewertung (inkl. Altmetrics, siehe unten). Öffent‑ auf, dann verspricht Open Science einen Beitrag zur Bewälti‑ liche Kommunikation erzeugt Transparenz, die wissenschaft‑ gung dieses Spannungsfeldes: Durch eine breitere Verfügbar‑ liches Arbeiten leichter nachvollziehbar, aber auch kontrol‑ keit der wissenschaftlichen Ergebnisse, vor allem aber durch ei‑ lierbar macht. „Offene“ öffentliche Kommunikation ist auch nen größeren gesellschaftlichen Einfluss auf das Was der Wis‑ mit dem Anspruch verknüpft, dass deren TeilnehmerInnen Open Science wird durch Wissenschaft und Wissenschafts- organisationen, die IT-Industrie und die multinationalen Wissenschaftsunternehmen forciert. senschaft, könnte Open Science die gesellschaftliche Relevanz weder sozialer Diskriminierung unterliegen, etwa nach Ge‑ wissenschaftlicher Ergebnisse fördern. Gleichzeitig würde Open schlecht, Rasse oder Status (Reimann in diesem Heft), noch Science die Legitimation der Wissenschaft durch ihren „Kont‑ hinsichtlich der institutionellen Anbindung bzw. geografi‑ rollaspekt“, der in der größeren Tansparenz mit angelegt ist, er‑ schen Verortung. höhen. Franzen (2016, S. 292) spricht in diesem Zusammenhang • Offenheit der Wissensproduktion: Zusammenarbeit, wie sie von in Open Science angelegten umfassenden Kontrollmecha‑ z. B. in der Open-Source-Bewegung, der Wikipedia oder ei‑ nismen, deren Wirksamkeit das Sozial- und Systemvertrauen in ner „kooperativen Wissenschaft“ (CoScience) (Technische die Wissenschaft wiederherstellen könnte. Informationsbibliothek (TIB ) 2014), auch in Wissenschafts‑ Open Science kann als ein technologiegetriebenes, wissen‑ netzwerken ihren Ausdruck findet. schaftspolitisches Programm charakterisiert werden, das durch • Offenheit des Wissenstransfers: Überwindung der Grenzen Wissenschaft und Wissenschaftsorganisationen, die IT ‑Industrie gesellschaftlicher Subsysteme, z. B. im Konzept der Citizen und die multinationalen Wissenschaftsunternehmen (Großverla Science (Vohland und Göbel in diesem Heft), der „Öffent‑ ge, Informationsunternehmen, Datenbankanbieter, Internetdienst- lichen Wissenschaft“ (Robertson-von Trotha 2012) oder der leister etc.) in Kooperation mit der (europäischen) Wissenschafts‑ Open Innovation (European Commission 2016, S. 11; Ger‑ politik angestoßen und forciert wird (Franzen 2016, S. 279). linger in diesem Heft). 26/1–2 (2017) Ulrich Riehm, Michael Nentwich
THEMA Open Science Wie würde man den Forschungsgegenstand für eine umfassende nals und elektronischen Volltextarchive gegründet wurden (Suber TA ‑Studie zu Open Science abgrenzen? Der folgende Vorschlag 2009). Heute wird von einigen der wissenschaftlichen und poli‑ berücksichtigt die wesentlichen Treiber und Akteure, die zu un‑ tischen Akteure eine vollständige Umstellung des gesamten wis‑ tersuchenden Bereiche in der Wissenschaft, die mit Open Sci‑ senschaftlichen Publikationssystems (jedenfalls der Zeitschrif‑ ence verfolgten Ziele sowie die umfassende, disruptive „Vision“ ten) auf (gold) Open Access gefordert, so z. B. im „Amsterdam von Open Science: Call for Action on Open Access“ (o. A. 2016 a) oder in der „OA 2020 initiative for the large-scale transition to open access“ (o. A. • Open Science wird befördert durch Attraktivität, breite Ver‑ 2016 b), und auch für (finanziell) realisierbar gehalten (Schim‑ fügbarkeit und die durch Wirtschaft und Politik forcierte mer et al. 2015; Crotty 2015; Osborne 2015). Leistungssteigerung vernetzter Informationstechnik.4 Was weiß man aber nach fast zwanzig Jahren Open-Access- • Open Science umfasst alle Stadien und Tätigkeiten wissen‑ Entwicklung über den „OA ‑Anteil“ an den wissenschaftlichen schaftlicher Arbeit, betrifft alle Artefakte der Wissenschaft Publikationen? Nach dem Open-Science-Monitor (European und bezieht sich auf alle in der Wissenschaft tätigen und mit Commission o. J.) erschienen 2015 elf Prozent der im Web of Sci‑ dem Wissenschaftssystem verbundenen Akteure. ence nachgewiesenen Beiträge in originären Open-Access-Zeit‑ • Open Science verfolgt unter dem Label „open“ unterschied‑ schriften (gold).5 Ein deutlich höherer Open-Access-Anteil ergibt liche Ziele: kollaborative wissenschaftliche Arbeit, freien sich, wenn man self archiving (green), Hybrid-Open-Access und 14 Zugang zu wissenschaftlichen Hervorbringungen, Transpa‑ Robin-Hood-Open-Access bzw. rogue OA mit einbezieht und ei‑ renz der Wissenschaft, Abbau hierarchischer und disziplinä‑ nen maximalen Aufwand für das Auffinden frei zugänglicher Ar‑ rer Grenzen sowie der Grenze zwischen Wissenschaft und tikel im Internet betreibt. Diesen breiten Ansatz zu Grunde le‑ Gesellschaft. gend, beträgt der Anteil der Artikel, die zwischen 2007 und 2012 • Open Science tritt mit einem weitgehenden Transformations‑ publiziert wurden, in der Datenbank Scopus nachgewiesen wer‑ anspruch für das gesamte wissenschaftliche System an. den und über das Internet frei zugänglich sind an allen in Scopus nachgewiesenen Artikeln des jeweiligen Publikationsjahrs über 50 % (Archambault et al. 2014, S. ii). Die Autoren führen vier Beispielhafte Entwicklungen Ursachen an, die zu diesem bedeutenden Wachstum geführt ha‑ in Richtung Open Science ben: 1) ein generell wachsendes Interesse an Open Access, was zu mehr neuen solcherart publizierten Artikeln führt; 2) gleich‑ Aus den oben genannten vier Dimensionen werden in der Folge zeitig führt dieses gesteigerte Interesse auch dazu, dass mehr be‑ beispielhaft ein paar zentrale Entwicklungen herausgegriffen reits publizierte Artikel nachträglich über das Internet zugänglich und überblicksartig beschrieben. gemacht werden; 3) zur retrospektiven Veröffentlichung als Open Access tragen auch Open Access policies von wissenschaftlichen Open Access Institutionen und Forschungsförderern bei; 4) schließlich ist zu Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre zu Open Sci‑ berücksichtigen, dass insgesamt die Zahl der wissenschaftlichen ence, dann stand die Forderung nach einem allgemeinen freien Publikationen ansteigt und deshalb auch die absolute Zahl der Zugang (Open Access) zu Publikationen im Mittelpunkt. Open OA ‑Artikel ansteigen wird. Herb (2017) zieht 15 Jahre nach der Access hat sich aber weiter ausdifferenziert und umschließt Budapest Open Access Initiative eine kritische Bilanz: Aktuell heute z. B. auch Forschungsdaten, -gegenstände, -methoden und würde Open Access weitgehend von den kommerziellen Verla‑ -instrumente (z. B. Software, Modelle, Stoffdatenbanken). Zur gen angetrieben und die schon Jahre andauernden Konzentrati‑ parallelen Onlineveröffentlichung von in kostenpflichtigen Zeit‑ onseffekte im wissenschaftlichen Publikationsmarkt setzten sich schriften publizierten Artikeln in Repositorien durch die jewei‑ ungebrochen fort. ligen Autoren (grüner Weg) tritt in den letzten Jahren verstärkt die Publikation in originären Open-Access-Zeitschriften (golde‑ Offene Qualitätssicherung: ner Weg) hinzu. Die Finanzierung von originären Open-Access- Altmetrics und Open-Peer-Review Zeitschriften durch die Autoren bzw. ihre Institutionen über so‑ Ein zweiter wichtiger Bereich für Open Science ist zugleich das genannte APC (article processing charges) ist dabei durchaus Festhalten an und die Weiterentwickeln von Methoden der Qua‑ umstritten. litätssicherung und Impactbewertung in der Wissenschaft. Die Ein früher Kristallisationspunkt der Open-Access-Bewegung in einigen Disziplinen – nicht in allen – breit etablierte dou- war die bereits erwähnte Budapest Open Access Initiative im Jahr ble blind peer review wie auch die Evaluationsindikatoren und 2002. Vorläufer dieser Bewegung findet man aber bis weit in quantitativen Metriken (etwa der Impactfaktor) unterliegen ei‑ die 1980er-Jahre zurück, als die ersten internetbasierten E‑Jour‑ ner andauernden Kritik (Franzen 2015; Neidhardt 2016; Wils‑ don et al. 2017). 4 Der auf konkrete Umsetzung gerichtete Teil des EU ‑Papiers zu Open Science behandelt beispielsweise ausführlich den Aufbau einer European Open Science 5 „… proportion of publications from each year in Web of Science (WoS) that are Cloud (European Commission 2016, S. 46 ff.). currently available in fully open access journals“ (European Commission o. J.). Ulrich Riehm, Michael Nentwich 26/1–2 (2017)
THEMA Open Science Alternative Metriken (altmetrics) gehen über die kommerziel‑ (Laakso et al. 2017). Dies könnte dazu führen, dass die Wis‑ len Datenbanken (Web of Science oder Scopus) hinaus und öff‑ senschaftsnetzwerke zu „Technologien des Narzissmus“ werden nen die wissenschaftliche Impactbewertung in Richtung nicht- können – eine Bezeichnung, die Franzen (2015, S. 228) bereits wissenschaftlicher Publikationen (z. B. Blogs und Tweets) und auf alternative Metriken angewendet hat. Ob diese Charakteri‑ anderer, nicht unbedingt wissenschaftlicher Nutzungsformen sierung zum unique selling point der Wissenschaftsnetzwerke (z. B. Downloads). Damit könnten sie die herkömmliche, ge‑ werden könnte, bedarf weiterer Beobachtung und Analyse. schlossene Praxis zumindest ergänzen, wenn nicht gar ersetzen. Franzen (2015, S. 228) weist allerdings darauf hin, dass auch die neuen, „alternativen“ Metriken, die die Nutzung von Publika Quo vadis Open Science? tionen im Internet und neuer Publikationsformen berücksichti‑ gen, als Kontrolltechnologien und als Technologien der Selbst‑ Das wissenschaftliche System entwickelt sich nicht autonom aus vermarktung (oder des Narzissmus) aufgefasst werden können. sich heraus weiter, sondern steht in spezifischen Spannungsfel‑ Open-Peer-Review meint die teilweise oder ganz im öffent‑ dern zur Gesellschaft, die die finanziellen Mittel bereitstellt und lichen Diskursraum stattfindende Begutachtung wissenschaft Problemlösungen erwartet (Maasen und Dickel 2016). Gleich‑ licher Texte, sei es vor der Veröffentlichung, sei es danach, sei es zeitig eröffnen technologische Entwicklungen neue Potenziale vollständig, sei es teilweise anonym (Nentwich und König 2010). für die wissenschaftliche Arbeit, die eine breite Nutzung finden Auch wenn dieses Konzept schon viel früher erdacht und erprobt können, insbesondere wenn ihr ein Nutzenvorteil gegenüber dem 15 wurde als der Begriff der Open Science selbst, ist es doch poten‑ herkömmlichen Arbeiten, vielleicht sogar eine visionäre Perspek‑ ziell ein wichtiges Charakteristikum der letzteren. Bisher hat sich tive zugesprochen wird. Wohin sich Open Science entwickeln Open-Peer-Review freilich nur in einem sehr begrenzten Umfang wird, ist so keineswegs ausgemacht und unterliegt dem Spiel durchgesetzt, auch wenn es einige gut funktionierende Beispiele von Interessen und Ressourcen, über die die Akteure in diesem gibt. Der Open-Science-Monitor (European Commission o. J.) Spiel verfügen. Weiterhin wird die disziplinenspezifische Hete‑ gibt den Anteil der Zeitschriften mit Open-Peer-Review auf der rogenität (Wissenschaftskulturen) eine entscheidende Rolle spie‑ Review-Plattform Publons für das Jahr 2016 mit 1,6 % an. len (siehe Nentwich 2003, S. 107 ff.), ist doch kaum zu erwarten, dass sich sämtliche Fächer und Forschungsgebiete in eine Rich‑ Wissenschaftsnetzwerke tung entwickeln, sondern vielmehr, dass die mit Open Science Der kommunikative und kollaborative Bereich von Open Sci‑ gegebenen Potenziale in unterschiedlicher Weise genutzt werden. ence scheint dagegen in der wissenschaftlichen Praxis bereits Wenn man aber darüber spekuliert, was aus Open Science angekommen zu sein (Nentwich und König 2012; Ciber 2016). prinzipiell werden könnte, dann bieten sich die folgenden Al‑ Dazu gehört nicht nur die Nutzung von Twitter und Facebook ternativen an: durch Wissenschaftler sowie wissenschaftliche Institutionen und ihre Pressestellen (Weingart und Wormer 2016), sondern • Disruptiver Utopismus – Alles wird anders: Darunter ist zu insbesondere auch die sich in den letzten Jahren mit einigem verstehen, was gegenwärtig die Europäische Kommission Erfolg entwickelnden Wissenschaftsnetzwerke vom Typ Men‑ programmatisch vertritt. Solche Programme könnten zwar deley oder ResearchGate. Letzteres hatte im Februar 2016 acht eine mobilisierende gesellschaftliche Wirkung entfalten, ru‑ Millionen, Academia.edu über 31 Millionen registrierte Nutzer fen aber auch Gegenkräfte hervor, die darin keine Befreiung, (Laakso et al. 2017). sondern eine Bedrohung sehen. Nentwich und König (2012, S. 19 ff.) sehen ein großes Po‑ • Open Science als Mittel gesteigerter Kontrolle und Konkur‑ tenzial in den wissenschaftlichen Social-Network-Sites (SNS ). renz: Eine mögliche Entwicklung wäre auch, dass das, was Allerdings zweifeln sie, ob diese Angebote schon ihr Alleinstel‑ durch Transparenz und Effizienzzuwachs bei Open Science lungsmerkmal gefunden haben, um in der Konkurrenz etwa zur gewonnen wird, in eine Verschärfung der innerwissenschaft‑ breit einsetzbaren und etablierten E‑Mail oder den allgemeinen lichen Konkurrenz mündet. Kommerzielle Interessen, etwa sozialen Netzwerken vom Typ Facebook bestehen zu können. aus dem Patent- und Lizenzgeschäft, wären hiermit kompa‑ Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass nur wenige Nutzer tibel: „Open Science, however, does not mean free science. in diesen „academic social network sites“ kommunikativ oder It is essential to ensure that intellectual property is protec‑ gar kollaborativ aktiv sind (Ciber 2016, S. 9). Ortega (2016) be‑ ted before making knowledge publicly available“ (European zeichnet sie als „Diogenes Club“, „where members gather to‑ Commission 2016, S. 42). gether for common purposes but nonetheless carry out their ac‑ • Ein neuer Typ Wissenschaft: Open Science könnte sich aber tivities independent of one another“. Auffallend ist, dass Wis‑ auch zu einem neuen Typus von Wissenschaft entwickeln, senschaftsnetzwerke für die (Zweit-)Veröffentlichung eigener der die herkömmliche Wissenschaft zwar nicht unbeein‑ Publikationen besonders interessant zu sein scheinen und die flusst lässt, aber auch nicht disruptiv verändert. Open Sci‑ Betreiber diese Motivation geschickt aufgreifen, indem sie ence könnte als eine Art Dach für Konzepte fungieren, die weitgehend die lästige Arbeit des Einpflegens von Metadaten sich in den letzten Jahren auch aus dem disziplinären wissen‑ und des Hochladens von PDF s vorbereiten oder gar abnehmen schaftlichen System herausgebildet haben. Zu nennen sind 26/1–2 (2017) Ulrich Riehm, Michael Nentwich
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