OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption

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OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
Z E I TS C H R I F T F Ü R T E C H N I K F O L G E N A B S C H ÄT Z U N G I N T H E O R I E U N D P R A X I S    26/1–2 (201 7)

                          www.tatup.de Open-Access-Zeitschrift im oekom verlag

                         OPEN SCI E NCE                         zwischen Hype und Disruption

                          Forschung Datenschutz-Folgenabschätzung
                            Rezension Kampf gegen den Klimawandel
                                 Report Retreat on Genome Hacking
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
IMPRESSUM

                                     Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis ist das zentrale Publikationsorgan für alle, die im interdisziplinären Feld der
Technikfolgenabschätzung sowie angrenzenden Themengebieten tätig sind. Die begutachtete Open-Access-Zeitschrift richtet sich gleichermaßen an Wissenschaft und inter­
essierte Öffentlichkeit. TATuP erscheint dreimal im Jahr in gedruckter und elektronischer Form.

IMPRESSUM                                                         Dr. Ralf Lindner, Fraunhofer ISI, Karlsruhe                 TATUP ONLINE
                                                                  PD Dr. Michael Nentwich, ITA, Wien                          Kostenlose Ausgabe unter www.tatup.de
                                                                  Prof. Dr. Alfred Nordmann, TU Darmstadt                     Regelmäßige Neuigkeiten per Newsletter:
HERAUSGEBER                                                       Prof. Dr. Sebastian Pfotenhauer, TU München                 Abonnement unter www.oekom.de/tatup/tatup-newsletter
                                                                  Prof. Dr. Thomas Saretzki, Universität Lüneburg
                                                                  Dr. Petra Schaper-Rinkel, ­                                 DRUCK/PAPIER
                                                                 ­Austrian Institute of Technology, Wien                        Umschlag und Innenteil Circle Offset Premium White, ­
                                                                  Dr. Miranda Schreurs, HfP an der TU München                 ­100 % FSC -Recyclingpapier, ­
Karlsruher Institut für Technologie (KIT )                        Dr. Elena Seredkina, Universität Perm                        ­zertifiziert mit dem Blauen Engel (RAL-UZ 14).
Institut für ­­Technikfolgenabschätzung                           Prof. Dr. Karsten Weber, OTH Regensburg
und ­Systemanalyse (ITAS )                                        Prof. Dr. Johannes Weyer, TU Dortmund                       Druckerei: Kessler Druck + Medien GmbH & Co. KG
Karlstraße 11                                                                                                                 86399 Bobingen
76133 Karlsruhe                                                  REDAKTION                                                    www.kesslerdruck.de
                                                                 Constanze Scherz (Leitung)
VERLAG                                                           Julia Hahn                                                   ANZEIGEN
                                                                 Jonas Moosmüller                                             Janine Gaumer
                                                                 Ulrich Riehm                                                 oekom verlag GmbH
                                                                 Dr. Ulrich Ufer                                              Telefon: +49 89 54418435
oekom verlag GmbH                                                                                                             E-Mail: anzeigen@oekom.de
Waltherstraße 29                                                 Kontakt:
80337 München                                                    Institut für Technikfolgenabschätzung                        VISUELLE KONZEPTION UND GESTALTUNG
                                                                 und Systemanalyse (ITAS )                                    Kornelia Rumberg, www.rumbergdesign.de
HERAUSGEBERGREMIUM                                               Karlstraße 11
  Prof. Dr. Armin Grunwald, KIT-ITAS, ­                          76133 Karlsruhe                                              GRAFIK UND SATZ
­Karlsruhe (Vorsitzender)                                                                                                     Tobias Wantzen, www.wantzen.com
  Prof. Dr. Regine Kollek, Universität Hamburg                   Telefon: +49 721 608 26814
  Dr. Stephan Lingner, EA European Academy, ­                    E-Mail: redaktion@tatup.de                                   ISSN
 ­Bad Neuenahr-Ahrweiler                                                                                                      1619-7623 (Print), 2199-9201 (Online)
  Dr. Linda Nierling, KIT-ITAS, Karlsruhe                        HINWEIS FÜR AUTORINNEN UND AUTOREN
  PD Dr. Mahshid Sotoudeh, ITA, Wien                             Die Redaktion freut sich über die Einreichung von Artikeln   COPYRIGHT UND LIZENZ
  Dr. Marcel Weil, KIT-ITAS, Karlsruhe                           zum breit verstandenen Feld der Technikfolgenabschätzung.    Als Open-Access-Zeitschrift erscheinen alle in TAT uP ­
                                                                 Um die Bedingungen der Veröffentlichung vorab zu klären,     ­veröffentlichten Inhalte soweit nicht anders angegeben
WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT                                        setzten Sie sich bitte mit der Redaktion in ­Verbindung:       ­unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 ­
    Mag. Dr. Georg Aichholzer, ITA, Wien                         redaktion@tatup.de.                                           ­(https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
    Prof. Dr. Daniel Barben, Universität Klagenfurt, Wien/Graz
    Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink, ­                             Erscheinungsweise: 3× jährlich                               Erfüllungsort/Gerichtsstand: München
­Universität Frankfurt am Main
    Prof. Dr. Alfons Bora, Universität Bielefeld                 BEZUG
    Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel, nexus Institut, Berlin        Der Bezug der gedruckten Ausgabe ist kostenlos.
    Prof. Dr. Ulrich Dolata, Universität Stuttgart               Für ihre Bestellung nutzen Sie bitte
    Prof. Dr. Matthias Finkbeiner, TU Berlin
    Prof. Dr. Carl Friedrich Gethmann, ­                         www.oekom.de/tatup/bezug
 ­ForschungsKollegSiegen                                         oder: InTime Media Services GmbH
    Prof. Dr. Rainer Grießhammer, öko Institut, ­                Zeitschriften oekom verlag
  ­Freiburg i. Br.                                               Postfach 1363
    Prof. Sven Ove Hansson, ­                                    82034 Deisenhofen
   ­Royal Institute of Technology, Stockholm
    PD Dr. Jessica Heesen, Universität Tübingen                  Telefon: +49 89 85853570
    Prof. Dr. Matthias Kaiser, University of Bergen              Fax: +49 89 8585362570                                       oekom kompensiert bereits seit 2008 seine
    Prof. Dr. Andrzej Kiepas, University of Silesia, Katowice    E-Mail: oekom@intime-media-services.de                       ­unvermeidlichen CO₂-Emissionen

                                                                                                                                                                             26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
EDITORIAL

                                  Editorial

                                             ‌„J
                                                      edem Anfang wohnt ein Zauber inne“, so lautet ein viel zitierter Satz von Hermann     3
                                                      Hesse. Ich hoffe, Sie haben einen Hauch dieses Zaubers gespürt, als Sie das Heft
                                                      aufgeschlagen haben, ob nun mit der Hand oder mit einem Klick. Vielfältige kon-
                                                     zeptionelle
                                                      ‌          Überlegungen und Abwägungen, langwierige Beratungsprozesse und
                                                ‌ Aushandlungen, schließlich die Schritte zur Umsetzung der neuen T    ­ ATu P sind damit
                                                ans Ziel gekommen. Ich danke allen Beteiligten aus der T ­ ATu P-Redaktion, dem ITAS ,
                                                dem Netzwerk TA und dem oekom verlag für Ausdauer, Kreativität, Geduld und Enga-
                                                gement. Und natürlich hoffe ich, dass sich das alles in den Augen der Leserinnen und
                                                Leser gelohnt hat, denn dafür haben wir diesen Prozess unternommen.
                                                    Im Ergebnis sehen Sie die T­ ATu P in mehrfach neuem Gewand. Offenkundig sind
                                                zunächst das neue und moderne Layout, mehr Farbe und einige Veränderungen bei den
                                                Rubriken. Nicht ganz so offenkundig, aber ein großer Schritt, ist die Einführung des
ARMIN GRUNWALD                                  Begutachtungsverfahrens für die Beiträge in den Rubriken Thema und Forschung, die
Institut für Technikfolgenabschätzung          damit wissenschaftlich aufgewertet werden. Die institutionelle Struktur wurde den Er-
und Systemanalyse (ITA S ), Karlsruhe           fordernissen einer modernen Fachzeitschrift angepasst. Die T   ­ ATu P hat nun einen He-
(armin.grunwald@kit.edu)                        rausgeberkreis und einen Beirat, deren Zusammensetzung Sie der Umschlaginnenseite
                                                entnehmen können. In diesen Organen übernehmen Mitglieder aus dem Netzwerk TA
                                              Verantwortung für die weitere strategische und inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift,
                                                z. B. für die Festlegung von Inhalten der Rubrik Thema, die den Schwerpunkt jedes
                                                Heftes bildet. Dadurch stärkt die ­TATu P ihre zentrale Rolle als wissenschaftliche Fach-
                                                zeitschrift der TA‑Community.
                                                    Kontinuität gibt es dagegen in anderer Hinsicht: Die ­TATu P bleibt frei verfügbar.
                                                Sie ist als Open-Access-Zeitschrift online frei zugänglich, und Sie können die T  ­ ATu P
                                                weiterhin kostenfrei als gedrucktes Heft abonnieren. Dies entspricht dem Selbstver-
                                                ständnis der TA‑Community, die sich nicht in abgeschottete Räume zurückziehen will,
                                                sondern sich offensiv auch an die interessierte Öffentlichkeit wendet und die somit
                                              „heiter Raum um Raum durchschreitet“.
                                                    Und genau dazu passend wurde das Schwerpunktthema für diese erste T        ­ ATu P in
                                                neuem Gewand ausgesucht: Open Science aus der Perspektive der TA . Die Demokrati-
                                                sierung des Zugangs zu Wissen ist ein TA‑Thema seit Jahrzehnten. Die Open-Science-
                                                Bewegung bietet hierzu neue Möglichkeiten, in der Regel IT‑gestützt. Freilich sind
                                                auch Ambivalenzen und Unsicherheiten über die weitere Entwicklung zu beobachten –
                                               ­womit die TA in ihrem Element wäre.

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                                              Viel Freude beim Lesen!
the terms of the Creative Commons             Armin Grunwald
­Attribution License CCBY 4.0 (https://
 creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
 http://dx.doi.org/10.14512/tatup.26.1-2.3

         26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
I‌nhalt
‌                    1–2/2017
                                                                                   THEMA

                                                                                Open ­
                                                                              ­Science
                                                               Nicht weniger als eine große Transformation der
                                                           ­Wissenschaft und eine gänzlich neue Art wissenschaft­
                                                                 lichen ­Publizierens und Arbeitens verspricht ­
                                                              ­„Open Science“. Der von Michael Nentwich und
                                                               ­Ulrich Riehm herausgegebene Schwerpunkt geht ­
                                                             ­der Frage nach, was die Technikfolgenabschätzung
                                                                               dazu zu sagen hat.

                                                                                  10
    2   IMPRESSUM                                         18   K. VOHLAND, C. GÖBEL
                                                               Open Science und Citizen Science als symbiotische
                                                               ­Beziehung?

        EDITORIAL                                         25   K. WEBER, N. KLEINE, F. PALLAS, ­
                                                               ­M .-R. ULBRICHT
    3   A. GRUNWALD                                            Technik zur Unterstützung von Citizen S­ cience
                                                               und Open Science

                                                          31   J. J. HÄUSSERMANN, M. HEIDINGSFELDER
    6   TA-FOKUS                                               Offen, verantwortlich und verantwortlich offen

    7   TA -Grafik „Open Access“                          37   K. GERLINGER
                                                               Arzneimittelentwicklung zu vernachlässigten
    7   Fünf Fragen an Leo Capari                              ­Krankheiten

    8   Aus dem openTA -Kalender                          43   W. REICHMANN
                                                               Open Science z­ wischen sozialen Strukturen
    9   Personalia                                             und ­Wissenskulturen

                                                          49   H. HANEKOP
                                                               Umwandlung wissenschaftlicher Journale
10      THEMA „OPEN SCIENCE ­                                  in Gold Open Access
        ­Z WISCHEN HYPE UND DISRUPTION“
                                                          55   S. DICKEL
11      U. RIEHM, M. NENTWICH                                  Öffnung für alle
        Open Science aus Perspektive der Technikfolgen­
        abschätzung

                                                                                                             26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
FORSCHUNG                                               TAGUNGSBERICHT

              Datenschutz-­                                           Genome-Hacking-­
           Folgenabschätzung                                            ­Conference
      Ab Mai 2018 wird es die europäische Datenschutz-­          What are scientific, ethical and societal implications
     Grundverordnung geben. In gewissen Fällen werden ­           of the new CRISPR -Cas genome editing technique?
   ­dann die Betreiber von Datenverarbeitung verpflichtet     ­International students, academic experts and biohackers
 sein, eine Datenschutz-Folgenabschätzung ­durchzuführen.        approached the issue by creating „fiction in science“
     ­Welche Anforderungen werden gestellt? Wie können            scenarios for potential genome editing applications. ­
       diese realisiert werden? Und welche Erfahrungen ­         ­Even inheritable changes to the human genome may
          ­aus der TA-Tradition werden hier relevant?                 ­become accessible to non-institutional actors.

                         66                                                         84
       FORSCHUNG                                             81   K. MICHALSKI, C. SCHERZ
                                                                  Revitalisierung der Technikfolgen­abschätzung in Polen
60     A. LÖSCH
       Technikfolgenabschätzung ­soziotechnischer Zukünfte   84   H. KÖNIG
                                                                  Brave New Genomes
66     M. FRIEDEWALD
       Datenschutz-Folgenabschätzung                         85   M. LADIK AS, J. HAHN, L. HENNEN, P. KULAKOV,
                                                                  C. SCHERZ
                                                                  RRI in Germany: Reflections on the State of the Art

       INTERVIEW

72     A. KÜBELBECK                                               AUS DEM NETZWERK TA
       Offenheit und ihre Grenzen.
       R. König im Gespräch mit ­einem ­Wikipedianer         87   G. AICHHOLZER, U. BECHTOLD, J. ČAS, W. PEISSL,
       über Socken­puppen, ­Bearbeitungskonflikte                 M. SOTOUDEH
       und über ein Projekt, das nie fertig werden wird.          Aktuelle Bücher aus dem ITA

                                                             89   U. RIEHM, D. HOMMRICH
                                                                  Der openTA -Newsdienst
       REFLEXIONEN

76     M. UKOWITZ
       Überzogene Ansprüche?                                 90   TATuPDATES

78     H.-J. LUHMANN
       Der Kampf gegen den Klimawandel ist gewinnbar

     26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
TA-FOKUS

    EPTA-KONFERENZ 2017

    Mobilität der Zukunft
    Alle größeren Städte Europas sehen sich
    mit der Frage konfrontiert, wie sie Mo-
    bilität verbessern und gleichzeitig Ver-
    schmutzung, Staus und die Zahl der Un-
    fälle reduzieren können. Große Erwar-
    tungen verbinden sich beispielsweise mit                    Abb. 1: Schauplatz der dritten europäischen TA ‑Konferenz: das University College in Cork. ­
    autonomen Fahrzeugen, Sharing-Model-                        ­                                                     Quelle: Wikimedia Commons/Bjørn Christian Tørrissen
    len oder neuen Mautsystemen. Die dies-
    jährige Konferenz der europäischen par-                     kussionen. Im Mittelpunkt standen die                      des Österreichischen Parlaments. In einer
    lamentarischen TA ‑Institutionen (EPTA )                    Herausforderungen in vielen Technik- und                   Bietergemeinschaft mit dem Austrian In-
    beschäftigt sich eingehend mit den vielfäl-                 Gesellschaftsbereichen und die Beiträge                    stitute of Technology (AIT ) hat das Insti-
    tigen Aspekten des Themas. Unter dem                         der TA zu ihrer Bewältigung. Methodi-                     tut im Juni 2017 bei einem europaweiten
6   Motto „Shaping the Future of Mobility“                       sche oder konzeptionelle Fragen wurden                    Ausschreibungsverfahren den Zuschlag
    findet die EPTA -Konferenz am 8. Novem-                     in den insgesamt 24 Sessions zumeist an-                   erhalten. Das Projekt mit einem jährlichen
    ber 2017 im Verkehrshaus der Schweiz in                      hand aktueller Problemstellungen disku-                   Budget von 200 000 Euro umfasst Bera-
    Luzern statt.                                               tiert. Die dritte europäische TA‑Konferenz                 tungsleistungen in den Bereichen Tech-
                                                                 hatte sich das Ziel gesetzt, Brücken zwi-                 nikfolgenabschätzung und Foresight. Da­­
                                                                 schen Forschung, Gesellschaft und Poli­-                  zu zählen jährliche Monitorings, in denen
    KONFERENZ                                                   ­tik zu schlagen. Neben Forschenden wa-                    über aktuelle technische Trends und deren
                                                                 ren daher auch Expertinnen und Experten                   Auswirkungen auf den gesellschaftlichen
    TA ‑Community zu Gast                                        aus Kommunikation und Politik vertreten.                  Alltag berichtet wird. Auch vertiefende
    in Irland                                                                                                              Studien zu Schwerpunktthemen sind vor-
                                                                                                                           gesehen. „Mit dieser richtungsweisenden
    Einen weiteren Schritt hin zu einer inter-                  PARLAMENTSBERATUNG                                         Entscheidung schließt Österreich zur eu-
    nationalen TA ‑Community gingen Euro-                                                                                  ropäischen Spitzengruppe der parlamen-
    pas TA -Institutionen auf der „3rd Euro-                   Technikfolgen                                               tarischen TA auf“, freute sich ITA -Leiter
    pean Technology Assessment Conference                      im „Hohen Haus“                                             Michael Nentwich.
    2017“, die vom 17. bis 19. Mai 2017 am
    University College Cork in Irland statt-                    Das Institut für Technikfolgen-Abschät-
    fand. 170 Teilnehmerinnen und Teilneh-                      zung (ITA ) der Österreichischen Akade­                    OFFENER BRIEF
    mer aus über 16 Ländern nutzten die Ta-                     mie der Wissenschaften berät für die
    gung als Plattform für engagierte Dis-                      nächsten drei Jahre die Abgeordneten                       Interdisziplinäre
                                                                                                                           ­Nachhaltigkeitsforschung
                                                                                                                           Mit einem offenen Brief richtete sich im
                                                                                                                           Mai 2017 das Netzwerk Industrial Eco-
                                                                                                                           logy an die Fachkollegien und den Senat
                                                                                                                             der Deutschen Forschungsgemeinschaft
                                                                                                                           (DFG ). Die Mitglieder des Netzwerks
                                                                                                                           fordern die Aufnahme grundlegender As-
                                                                                                                             pekte der Nachhaltigkeitswissenschaften
                                                                                                                           in den Fächerkanon der DFG . Ein gro-
                                                                                                                            ßer Teil der Grundlagenforschung fände
                                                                                                                             nicht mehr innerhalb der traditionellen
                                                                                                                           Disziplinen statt, sondern in neu ent-
                                                                                                                            standenen wissenschaftlichen Communi-
                                                                                                                           ties wie der Industrial Ecology, dem Life ­
     Abb. 2: Wollen TA im österreichischen Parlament stärken (v. l. n. r.): Michael Nentwich, Leiter des ITA , ­Petra      ­Cycle Engineering oder der sozial-ökologi­-
     Scharper-Rinkel vom Austrian Institute of Technology (AIT ), Nationalratspräsidentin Doris Bures, die Vorsitzen­-      ­schen Forschung. Mitglieder dieser Com­
    ­de des Forschungsausschusses Ruperta Lichtenecker sowie Parlamentsdirektor Harald Dossi.               Quelle: ITA
                                                                                                                            munities könnten ihre interdisziplinären

                                                                                                                                                              26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
TA-FOKUS

 ­ orschungsthemen im Fächerkanon der
 F                                                       NEUERSCHEINUNG
 DFG derzeit nicht verorten. Die Autorin-
 nen und Autoren des Briefes fordern des-                Innovationen
 halb, Fachkollegien für Umweltsozialwis-                für die Gesellschaft
 senschaften, Umweltnaturwissenschaften
 und (Umwelt-Mensch-Technik-)System-                     Ob als neue Formen der Arbeitsorganisa-
 analyse zu etablieren. Zu den Erstunter-                tion, genossenschaftliche Energieproduk­
 zeichnern zählen prominente Vertreterin-                tion, Car-Sharing-Modelle, klimaschonen­
 nen und Vertreter aus dem Netzwerk TA .                 ­de Wohnformen oder Sozialunternehmer-
 Die ebenfalls interdisziplinär aufgestellte             tum – soziale Innovationen gewinnen an
 Technikfolgenabschätzung teilt die ange-                Aufmerksamkeit. Es wird zunehmend an-
 führte Kritik an einer zu stark disziplinär             erkannt: Technische Innovationen reichen                        5 Fragen an
„versäulten“ Forschungsförderung.                        nicht aus, um große gesellschaftliche He-
                                                         rausforderungen zu bewältigen. Auf dem                          Leo Capari
                                                         Kongress „Innovationen für die Gesell-                           (Junior Scientist, ITA Wien)
                                                         schaft – Neue Wege und Methoden zur
   TA -Grafik                                            Entfaltung des ­Potenzials sozialer Inno-                       Warum betreiben Sie TA ?                   7
                                                         vationen“ trafen sich im September 2016                     Aus innerer Überzeugung! TA spielt
   Open Access                                           in Berlin über 200 Teilnehmende aus Wis-                    ­meiner Ansicht nach eine wichtige
                                                         senschaft, Praxis, Politik und Zivilgesell-                Rolle in der ­Forschungslandschaft, da
                                                         schaft zu einem von Bundesministerin                      sie eine ­Brücke zwischen Wissenschaft,
   2000                           8%
                                             2%          Johanna Wanka unterstütz­ten Austausch.                       ­Politik und ­Gesellschaft schlägt.
                                                         Die ­wichtigsten Ergebnisse aus ­Vorträgen
                                                         und Diskussionen der vom Institut für                               Was zeichnet TA aus?
                                                         Technikfolgen­abschätzung und System-                        Vor allem ihre Offenheit gegenüber
                                                         analyse (ITAS ) und der Sozialforschungs-                  ­Themen. Ich habe bis dato zu ­Technik
                                                         stelle Dortmund (sfs) durchgeführten Ver-                       fürs Altern, Smart Cities, ­Konsum
                                                         anstaltung fasst eine kostenfrei zu bezie-                   und ­Nachhaltigkeit gearbeitet. Diese
                                                         hende Broschüre zusammen. Sie kann per                        ­Diversität und Vielfalt macht TA für
                                                         Mail an ziese@sfs-dortmund.de bestellt                                   mich ­besonders.
                                                         sowie unter www.sfs-dortmund.de herun-
                    90 %
                                                         tergeladen werden.                                        Was wäre Ihre erste Amtshandlung
                                                                                                                         als Wissenschaftsminister?
   2015
                                                                                                                    Puh, schwere Frage. Wissenschaft bzw.
                                                                                                                      ­Bildung sind zu wichtig, um sie von
                                                  36 %
                                                                                                                     ­ökonomischen „Zwängen“ abhängig
   47 %                                                                                                           zu ­machen, deshalb würde ich versuchen,
                                                                                                                            sie wieder zu „befreien“.

                                                                                                                        Welche Forschungsfrage wird
                                                                                                                            viel zu wenig beachtet?
                                                                                                                      Wissensbasierte Politikberatung ist ein
                                      17 %                                                                       ­zentraler Aspekt in der TA . Die Frage, die ich
                                                                                                                       mir stelle, ist, wie man am besten die
            Green Open Access                                                                                       ­jeweils unterschiedlichen Rationalitäten
            (zusätzlich OA veröffentlicht)
                                                                                                                   und Geschwindigkeiten von TA und Politik
            Gold Open Access
            (nur OA veröffentlicht)                                                                                            synchronisieren kann.
            Nicht als Open Access
            veröffentlicht                                                                                         Welches bekannte Lied beschreibt
                                                                                                                           TA für Sie am besten?
   Anteil der Open-Access-Publikationen                                                                                 Bezogen auf die gegenwärtige
   (aus OpenAIRE ) am weltweiten Publikations-
   aufkommen (aus Web of Science)                                                                                    ­Industrie 4.0 Welle wäre das wohl
   Quelle: ec.europa.eu/research/openscience             Abb. 3: Broschüre zu sozialen Innovationen. ­                 „Die Roboter“ von Kraftwerk ; –)
                                                         ­                                  Quelle: ITAS /sfs

          26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
TA-FOKUS

    BEST PAPER AWARD
                                                      Aus dem openTA-Kalender
    Verantwortliche Forschung
                                                      26.– 28. 09. 2017, BRAUNSCHWEIG – Final ENTRIA Conference: ­Interdisciplinary
    Kriterien für gesellschaftlich verantwort­        ­ esearch on Radioactive Waste: Ethics – Society – Technology. ­
                                                      R
    liche Forschungsprozesse haben Kathari­           ­www.entria.de/conference-event
     ­na Helming, Johanna Ferretti, Katrin Da-
                                                      29. 09. 2017, WIEN – NTA -Jahrestreffen und NanoTrust-Jahrestagung: 10 Jahre
      edlow, Aranka Podhora, Jürgen Kopfmül-
                                                      ­ anoTrust. www.oeaw.ac.at/ita/veranstaltungen/weitere-events/10-jahre-nanotrust
                                                      N
    ler, Markus Winkelmann, ­Jürgen Bertling­
    ­und Rainer Walz entwickelt. Ihre ent-            19. 10. 2017, BERLIN – Zehn Jahre Netzwerk Zukunftsforschung. ­
     sprechende Veröffentlichung in der Zeit-         ­www.netzwerk-zukunftsforschung.eu
     schrift GAIA wurde Anfang 2017 mit
                                                      07. 11. 2017, LUZERN – EPTA Conference: Shaping the Future of Mobility. ­
      dem zweiten Platz des Best Paper Awards
                                                      ­www.eptanetwork.org
      des Journals ausgezeichnet. Das Auto-
     renteam geht von der These aus, dass die         16.– 17. 11. 2017, KARLSRUHE – 6. openTA -Workshop „Fachportale, Fachinformations­
    Freiheit der Forschung einher­gehen muss          dienste, Wissenschaftsnetzwerke“. www.openta.net/workshops
8    mit der Verantwortung der Forschenden
    für die Gestaltung einer nachhaltigen Ent-
    wicklung. Der in GAIA 3/2016 erschie-          Professur für Allgemeine Technologie im                 Nachhaltigkeit 2017“ und als eines von
     nene Artikel leiste einen wesentlichen        Institut für Polytechnik/Arbeitslehre der               vier Transformationsprojekten, denen die
    Beitrag zur Diffusion des Ansatzes trans-      Universität Frankfurt am Main inne.                     Jury ein besonders großes Potenzial at-
    formativer Forschung und könne das Wis-                                                                testiert, die Welt nachhaltiger zu gestal-
     senschaftssystem im Sinne einer Ausrich-                                                              ten. Das vom Zentrum Mensch und Tech-
    tung auf mehr Nachhaltigkeit beeinflus-        NACHHALTIGKEITSRAT                                      nik des Karlsruher Instituts für Technolo-
     sen, so die Jury.                                                                                     gie (KIT ) durchgeführte Projekt erforscht
                                                   Reallabor ­ausgezeichnet                                beispielsweise Wege zu mehr Fußgän-
                                                                                                           gerfreundlichkeit, ­Dienstleistungen für
    NACHRUF                                        In der Oststadt von Karlsruhe entwickeln                nachhaltiges Wohnen oder n­ achhaltige
                                                   Forschende mit Bürgern und Initiativen                  Mobilität – immer im Zusammenspiel
    Zum Tod von ­                                  Ideen für mehr Nachhaltigkeit und Le-                   mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, der
    ­Günter Ropohl                                 bensqualität. Dafür wurde das „Reallabor                Stadtverwaltung, Vereinen, Betrieben,
                                                   131: KIT findet Stadt“ im Mai 2017 vom                  und Bürgerinnen und Bürgern. Es betreibt
    „Technologische Aufklärung bedarf ei-          Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE )                  einen projekteigenen „Zukunftsraum für
      ner systematisierenden und generalisie-      der deutschen Bundesregierung doppelt                   Nachhaltigkeit und Wissenschaft“ und hat
      renden, allgemeinen Techniktheorie als       geehrt: mit dem Qualitätssiegel „Projekt                internationalen Modellcharakter.
     fachdidaktische Basis“, so Günter Rop-
      ohl 1973. Damit begründete er sein pro-
     grammatisches Forschungskonzept, das er
     in den nachfolgenden Jahrzehnten inten-
      siv und streitbar in ungezählten Vorträgen
     und zahlreichen Publikationen verfolgte.
     Damit beeinflusste er die (deutsche) Tech-
      nikphilosophie maßgeblich. Am 28. Janu­
     ­ar 2017 ist er in Karlsruhe verstorben.
          Günter Ropohl war „Schüler“ des Phi-
     losophen Max Bense und des Kyberne-
     tikers und Informationstheoretikers Karl
     Steinbuch. Diese Kombination von Tech-
      nikwissenschaften und Philosophie hat
      seinen Lebensweg entscheidend geprägt.
     Günter Ropohl leitete von 1979 bis 1987
      das Studium Generale an der Universität
     Karlsruhe und hatte von 1981 bis zu sei-      Abb. 4: Die Leiter des Reallabors Oliver Parodi (links) und Andreas Seebacher (Mitte) mit RNE -General­
      ner Emeritierung 2004 die ordentliche        sekretär ­Günther Bachmann.                                                   Quelle: Svea Pietschmann, RNE

                                                                                                                                                   26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
TA-FOKUS

PROJEKT                                          Personalia                                           eingesetzte Ethik-Kommission „Automatisier-
                                                                                                      tes und Vernetztes Fahren“ berufen. Im Juni
Industrie 4.0 in Mittel-,                                                                             2017 legte die Kommission aus Vertreterinnen
Süd- und Osteuropa                                                    JUDITH SIMON hat seit           und Vertretern von Wissenschaft, Wirtschaft
                                                                      Februar 2017 die Profes-        und Gesellschaft unter Leitung des ehema­
Welche Auswirkungen hat die vierte indus­-                            sur für Ethik in der Infor-     ligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio
­trielle Revolution auf die Gesellschaft?                             mationstechnologie an           ihren Bericht vor. Die darin formulierten ethi-
Wie verändert die Digitalisierung den All-                            der Universität Hamburg         schen Leitlinien geben vor, wie computerge-
 tag der Menschen? Diesen Fragen geht die                             inne. Ihren Master erwarb       steuerte Fahrzeuge künftig vor allem in Risi-
EA European Academy seit Anfang des              sie an der FU Berlin in Psychologie. Promo-          kosituationen Entscheidungen treffen sollen.
Jahres in dem vom deutschen Bundesmi-            viert hat sie an der Universität Wien in Philo-      Bei unausweichlichen Unfällen müsse es bei-
 nisterium für Bildung und Forschung ge-         sophie zum Thema „Knowing together – A So-           spielsweise strikt untersagt sein, Opfer nach
förderten Projekt „IND _4.0“ nach. Das           cial Epistemology for Socio-Technical Episte-        persönlichen Merkmalen zu qualifizieren.
Vorhaben untersucht die gesellschaftli-          mic Systems“. Judith Simon war darüber
 chen Implikationen in Deutschland, Po-          hinaus in Barcelona, Jülich, Kopenhagen,                                 HEIKE WEBER forscht
len, Slowenien und der Tschechischen             Ljubljana, Paris und Stanford wissenschaftlich                           zu Technik im Alltag, zum
Republik. Koordiniert von Stephan Ling-          tätig. 2013 erhielt sie den Herbert A. Simon                             Verhältnis von Innovation      9
 ner, dem stellvertretender Direktor der EA      Award der International A­ ssociation of Com-                            und dem „Momentum“
European Academy, entsteht derzeit eine          puting and Philosophy (­I ACAP ). Sie ist Mitglied                       des Alten sowie – unter
 multinationale Arbeitsgruppe. Nach einer        des Vorstands der International Society for                              dem Schlagwort „Unma-
Vorstudie wird ein umfangreicheres euro-         Ethics and Information Technology und des            king Technology“ – zu Fragen von Müll, Abfall
 päisches Forschungsprojekt für ein Tech-        Netzwerks Technikfolgenabschätzung.                  und Recycling. Im Juni 2017 hat sie die Profes-
 nology und Vision Assessment von Indus-                                                              sur „Technikkulturwissenschaft“ am Institut
 trie 4.0 vorbereitet.                                                SERGIO BELLUCCI , Ge-           für Technikzukünfte (ITZ ) des Karlsruher Ins-
                                                                      schäftsführer von TA -          tituts für Technologie (KIT ) angetreten. An ih-
                                                                      SWISS , geht Ende Novem-        rem Lehrstuhl will Heike Weber Ansätze aus
JUBILÄUM                                                              ber 2017 nach 20‑jähriger       den Science and Technology Studies, der
                                                                      Tätigkeit in den Ruhe-          Technik- und Umweltgeschichte und den Kul-
40 Jahre Öko-Institut                                                 stand. Unter seiner Lei-        turwissenschaften kombinieren, um die
                                                 tung erfolgte der Aufbau des Zentrums für            Wechselwirkungen zwischen Technik, Gesell-
Visionen und Lösungen für dringende Um-          Technologiefolgen-Abschätzung bei den Aka-           schaft, Kultur und Umwelt zu untersuchen.
weltfragen entwickeln, sich aktiv in Poli­-      demien der Wissenschaften Schweiz in Bern            Zuvor war sie Professorin am Interdisziplinä-
 ­tik einmischen sowie Wirtschaft und Ge-        zu einer national und international anerkann­        ren Zentrum für Wissenschafts- und Technik-
   sellschaft stets zu umweltbewusstem Han-      ten Institution. Der Ingenieur und Agronom           forschung der Bergischen Universität Wup-
   deln herausfordern und motivieren. Dieser     studierte und promovierte an der Eidgenös-           pertal.
Anspruch begleitet das Öko-Institut seit         sischen Technischen Hochschule (ETH ) in Zü-
   nunmehr vier Jahrzehnten. Für das private     rich. Vor seiner Tätigkeit für TA -SWISS leitete                         GEORG AICHHOLZER ,
 Umweltforschungsinstitut, das 1977 aus          er das Zentrum für Weiterbildung der ETH so-                              langjähriger wissenschaft­-
d‌ er Anti-Atomkraft-Bewegung hervorging,­       wie das Technologie Institut am Technopark                               l­icher Mitarbeitet des In-
  ­arbeiten heute über 165 ­Mitarbeiterinnen     in Zürich. Bellucci ist M
                                                                         ­ itglied verschiedener                          stituts für Technikfolgen-
 und Mitarbeiter in Freiburg, Darmstadt          Organisationen und Kommissionen in den                                   Abschätzung (ITA ) in
 und Berlin. Immer wieder gelang es dem          Bereichen Wissenschaft, Technologie und Ge-                              Wien, ist seit dem 1. Juni
 Institut, mit seinen unabhängigen Gutach-       sellschaft und war seit Gründung des Netz-           2017 im Ruhestand. Der promovierte Sozio-
  ten auf Missstände aufmerksam zu ma-           werks TA Mitglied des Koordinationsteams             loge begann seine wissenschaftliche Karriere
   chen und gesellschaftliche Debatten an-       des NTA .                                            am Institut für Höhere Studien in Wien und
 zuregen, etwa bei der Verunreinigung von                                                             arbeitete seit 1993 für das ITA und die Tech-
Trinkwasser, der radioaktiven Bedrohung                               ARMIN      GRUNWALD,            nikfolgenabschätzung. Er gehörte in den ver-
n‌ ach Tschernobyl oder jüngst mit einer Stu­-                      Leiter des Instituts für          gangenen Jahren zu den prägenden Personen
   ­die zum Kohleausstieg. Auch der Begriff                         Technikfolgenabschätzung          seines Instituts. Insbesondere hat er den
    der „Energiewende“ geht auf Vordenker                           und Systemanalyse (ITAS )         langjährigen Arbeitsschwerpunkt „elektroni-
    des Öko-Instituts zurück. Höhepunkt des                         des KIT sowie des Büros           sche Verwaltung/​  e‑Government“ aufgebaut
Jubiläums ist ein Symposium zur Zukunft                             für Technikfolgen-Abschät­-       und das Thema in vielen Facetten und einer
    der Umweltpolitik am 7. November 2017        ­zung beim Deutschen Bundestag (TAB ) wurde          Reihe von Projekten für das Europäische Par-
 in Berlin.                                      2016 in die vom Bundesverkehrsministerium            lament bearbeitet.

      26/1–2 (2017)
OPEN SCIENCE zwischen Hype und Disruption
THEMA

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                      Open
                     Science
                         zwischen Hype und Disruption

       Nicht weniger als eine große Transformation der Wissenschaft und ­
     ­eine gänzlich neue Art wissenschaftlichen Publizierens und Arbeitens
     verspricht „Open Science“. Das von Michael Nentwich und Ulrich Riehm
      ­herausgegebene Thema geht der Frage nach, was die Technikfolgen­-
                        ­abschätzung dazu zu sagen hat.
THEMA Open Science

               Open Science aus Perspektive
               der Technikfolgenabschätzung
                                           Zu Begriff, gesellschaftlicher Einbettung und
                                 möglichen Entwicklungen eines ubiquitären Konzepts

                            Ulrich Riehm, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS ), Karlsruher Institut für Technologie (KIT ),
                                               Karlstr. 11, 76133 Karlsruhe (ulrich.riehm@kit.edu),  orcid.org/0000-0002-5107-8305
                           Michael Nentwich, Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA ) der Österreichischen Akademie der W
                                                                                                                             ­ issenschaften (ÖAW ) ­
                                                              ­(mnent@oeaw.ac.at),  orcid.org/0000-0003-2269-0076
                                                                                                                                                                                 11

Dieser Beitrag nähert sich dem Thema Open Science aus der Perspek­                           Die EU ‑Kommission, ein wichtiger Akteur in der (europäi‑
tive der konzeptionellen Vorbereitung einer umfassenden Technikfol­                          schen) Wissenschaftspolitik, postuliert mit Open Science die
genabschätzungsstudie. Es werden vier Dimensionen des Konzepts                               große Transformation der Wissenschaft, einen disruptive shift –
der Offenheit von Wissenschaft unterschieden: freier Zugang, öffent­                         alles wird anders und alles wird besser:
liche Kommunikation, offene Kooperation und die Überwindung gesell­                             „Open Science represents a new approach to the scientific
schaftlicher Subsysteme. Es wird des Weiteren eine sinnvolle Abgren­                         process based on cooperative work and new ways of diffusing
zung des Untersuchungsgegenstandes Open Science vorgeschlagen, die                           knowledge by using digital technologies and new collaborative
bei einer TA ‑Studie berücksichtigt werden müsste. Nach einer kurzen                         tools. The idea captures a systemic change to the way science
Darstellung des Status Quo für drei typische Konkretisierungen von                           and research have been carried out for the last fifty years: shif‑
Open Science (Open Access, Open-Peer-Review, Wissenschaftsnetz­                              ting from the standard practices of publishing research results
werke) werden vier Szenarien der zukünftigen Entwicklung von Open                            in scientific publications towards sharing and using all availa‑
Science zur Diskussion gestellt.                                                             ble knowledge at an earlier stage in the research process.“ (Euro­
                                                                                             pean Commission 2016, S. 33)
Open Science from a technology assessment perspective                                            Die Hoffnungen, die die EU ‑Kommission mit ihrer Open-
On the notion, societal embedding, and possible developments                                 Science-Politik verbindet, ist, dass Open Science die Wissen‑
of a ubiquitous concept                                                                      schaft glaubwürdiger, zuverlässiger, effizienter und responsiver
                                                                                             für die gesellschaftlichen Herausforderungen macht (European
This contribution approaches the topic of Open Science from the per-                         Commission 2016, S. 45). Ob überhaupt und in welchem Aus‑
spective of preparing and laying the conceptual foundations for a                            maß diese große Transformation eintrifft und die Ziele erreicht
comprehensive technology assessment study. Four dimensions of the                            werden, ist offen. Umfassende, empirisch basierte Studien liegen
concept of openness in science and research are distinguished: open                          nicht vor und stehen auch vor erheblichen methodischen Proble‑
­access, public communication, cooperation, and transgression of soci-                       men. Und es ist nicht überraschend, dass der disruptive Charak‑
etal subsystems. Furthermore, a reasonable delimitation of the ­object                       ter von Open Science und die damit verbundenen Hoffnungen
of research is proposed, which would form the basis of such a TA study.                      nicht von allen geteilt und von manchen gar als Bedrohung auf‑
A short description of the status quo in three typical Open Science are-                     gefasst werden. Als eine wesentliche Gefahr erscheint, dass die
nas (open access, open peer review, and scientific networks) is followed                     auf digitalen Technologien beruhende „Offenheit“ und Trans‑
 by putting four scenarios of the future development of Open Science                         parenz die (wissenschaftsfremde) Kontrolle der Wissenschaft
up for discussion.                                                                           verstärkt und damit wissenschaftliche Autonomie und Freiheit
                                                                                             einschränkt (Wilsdon et al. 2017, S. 6; Dickel in diesem Heft).
 KEYWORDS: open science, open access, citizen science, technology                                Der folgende Artikel führt in das Thema „Open Science
a­ ssessment                                                                                 zwischen Hype und Disruption“ ein. Nach einem kurzen Rück‑
                                                                                             blick auf verwandte Begrifflichkeiten werden vier Dimensio‑
This is an article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License   nen von „Open“ unterschieden und eine begriffliche Abgren‑
CCBY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
https://doi.org/10.14512/tatup.26.1-2.11
                                                                                             zung von Open Science vorgeschlagen. Daran anschließend wird
Eingereicht: 07. 04. 2017. Angenommen: 06. 06. 2017                                          auf Open Access, Open-Peer-Review und Wissenschaftsnetz‑

        26/1–2 (2017)                                                                                                                           Ulrich Riehm, Michael Nentwich
THEMA Open Science

     werke als beispielhafte Konkretisierungen von Open Science                      and closer to society. It relies on the use of e-infrastructures, i. e.
     eingegangen. Angesichts der Komplexität und Weite des Feldes                    ICT -based services and tools for data- and computing-intensive
     kann dies selbstverständlich nur ein erster, knapper Versuch sein,              research in virtual and collaborative environments. Digital sci‑
     Parameter zu beschreiben und den möglichen Folgenraum auf‑                      ence makes it possible not only to perform research more effici‑
     zuspannen. Am Schluss des Beitrags stehen vier Szenarien, in                    ently but to transform science.“ (European Commission 2013)
     welche Richtung sich Open Science entwickeln könnte und das                        Allerdings ist in der Begriffsbildung auch hier noch das Tech‑
     Plädoyer, Open Science einer umfassenden TA zu unterwerfen.                     nische dominant. Mit Open Science ist diese enge technische
                                                                                     Fundierung aufgeweicht, wenn auch als wesentliche treibende
                                                                                     Kraft für Open Science (und verwandte Konzepte) die digitale
     Zur Begriffsgeschichte von Open Science                                         und vernetzte Technologieentwicklung anzusehen ist.

     Das Open-Science-Konzept bezieht sich auf einige Vorläufer, die
     allerdings als Reflexionsbegriffe der Wissenschaftsforschung                    Zur gesellschaftlichen Einbettung
     stärker technisch geprägt sind1: Der Begriff Cyberscience geht                  des Konzepts
     auf einen Artikel von Wouters aus dem Jahr 1996 zurück, den
     Nentwich (2003, 2005, S. 542–543) in einer umfassenden Stu‑                     Gleichwohl – das ist in der Technikfolgenabschätzung fast eine
12   die aufgegriffen hat. Für ihn umfasst Cyberscience die Nutzung                  Trivialität – braucht die technische Entwicklung, um ihre Wir‑
     vernetzter Computer in der Wissenschaft, und er verbindet da‑                   kungen zu entfalten, immer eine gesellschaftliche Rahmung
     mit die Frage, wie Wissenschaft sich dadurch neu organisiert und                und eine sozioökonomische und politische Einbettung (Fran‑
     insgesamt ihren Charakter im Vergleich zur traditionellen Wis‑                  zen 2016, S. 279).
     senschaft verändert. E‑Science hat seine Wurzeln in den frühen                     Teilweise wird Open Science (und seine Varianten) als „Be‑
     2000er-Jahren und bezieht sich auf große Datensammlungen (was                   wegung“ aus der Wissenschaft charakterisiert, als „grassroot or
     heute unter neuen Vorzeichen auch als Big Data verhandelt wird)                 bottom-up process“ (Tochtermann 2014, S. 1). Natürlich gibt es
     und verteilte Computerressourcen, die für den Zugang und den                    dieses Moment bei Open Science, insbesondere bei den Pionie‑
     Umgang mit diesen großen Datenmengen benötigt werden (Grid-                     ren des Internets und den computer- und internetaffinen Com‑
     Computing). Bei E‑Science geht es in erster Linie um eine neue                  munities. Den utopischen Überschuss, den die Entwicklung des
     Art vernetzter Computerinfrastruktur (Hey und Trefethen 2002;                   Personal Computer und des Internets seit den 1970er-Jahren be‑
     National e-Science Centre o. J.; Wouters 2006).                                 gleitet hat (Brants 2017), findet man natürlich auch für den Be‑
         Wissenschaftspolitisch motiviert startete die Europäische                   reich der Wissenschaft. Aber wirkmächtig dürfte Open Science
     Kommission mit dem Begriff Science 2.0 eine öffentliche Kon‑                    erst dadurch werden – so unsere Vermutung –, dass sich (auch)
     sultation. „2.0“ nimmt dabei auf das sogenannte Web 2.0 und                     Wirtschaft und Politik des Themas angenommen und dem mehr
     die sich auch im wissenschaftlichen Bereich entwickelnden                       oder weniger offenen Konzept ihren Stempel aufgedrückt haben.
     neuen sozialen Wissenschaftsnetzwerke (Social Media) Bezug.                     Dazu zählt, was Taubert und Weingart (2016, S. 12) in Bezug
     Die Europäische Kommission versteht unter Science 2.0 „a sys‑                   auf den Wandel des wissenschaftlichen Publizierens als Ökono‑
     temic change in the modus operandi of doing research and orga‑                  misierung bezeichnen: Erst auf Grundlage des besonderen Wa‑
     nising science“. Dieser Prozess wird nach Auffassung der Kom‑                   rencharakters wissenschaftlicher Publikationen, der Konzentra‑
     mission durch die digitalen Technologien ermöglicht und durch                   tionsprozesse im internationalen wissenschaftlichen Verlagswe‑
     die Globalisierung der Wissenschaft und die zunehmenden ge‑                     sen und den hohen Gewinnmargen in diesem Bereich konnte
     sellschaftlichen Anforderungen an die Wissenschaft, sich den                    sich die umfassende Digitalisierung des wissenschaftlichen Pu‑
     Grand Challenges zu stellen, befördert (European Commission                     blikationswesens durchsetzen.2 Dabei treten die Unternehmen,
     2014, S. 1 f.). Dieses Begriffsverständnis ist schon nahe an Open               die traditionell aus dem Publikationsgeschäft kommen, teilweise
     Science. Im Ergebnis der Konsultation übernahm die Kommis‑                      gar nicht mehr als „Verlage“ auf. Sie suchen vielmehr – ganz im
     sion dann auch den Begriff Open Science (European Commis‑                       Sinne eines breiten Open-Science-Verständnisses – alle Phasen
     sion 2015, S. 6; Tochtermann 2014).                                             des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses mit Dienstleistungen
         Kaum von Open Science zu unterscheiden ist der Begriff Di‑                  und „Werkzeugen“ abzudecken und diese möglichst in ein ver‑
     gital Science, wie ihn die European Commission (2013) im Kon‑                   netztes System zu integrieren.3
     text des Forschungsprogramms Horizon 2020 verwendet:                               Aber auch die Politik setzt Rahmenbedingungen für einen
        „Digital science means a radical transformation of the nature                Wandel des wissenschaftlichen (institutionellen) Systems, die
     of science and innovation due to the integration of ICT in the re‑              gerade in den letzten Jahren mit der Exzellenzinitiative, Elemen‑
     search process and the internet culture of openness and sharing.
                                                                                     2 Zu den frühen Anfängen des „elektronischen Publizierens“ Riehm et al. (1992).
     It is more open, more global and collaborative, more creative,
                                                                                     3 Beispiele hierfür etwa bei Schonfeld (2017). Der immer noch gemeinhin als Ver­
                                                                                     lag bezeichnete Elsevier „Verlag“ und die Reed Elsevier-Gruppe, zu der Elsevier
     1 Ausführlicher zur Begriffsgeschichte und den Begriffsvarianten bei Nentwich   gehört, bezeichnen sich selbst als „a global provider of information and analytics
     (2003), Jankowski (2007) sowie European Commission (2013).                      for professional and business customers across industries“ (RELX 2017).

     Ulrich Riehm, Michael Nentwich                                                                                                                       26/1–2 (2017)
THEMA Open Science

ten des New Public Management, der Universität als Unterneh‑ Differenzierungen und Abgrenzungen
men mit Kosten-Leistungs-Rechnung und einer „marktvermit‑
telten“, leistungsorientierten Mittelvergabe, um nur einige Ele‑ „Offen“ ist eine universell einsetzbare Chiffre, die – positiv kon‑
mente zu nennen, doch einiges in Bewegung gebracht hat. Wie       notiert – gerne einer Vielfalt von Begriffen vorangestellt wird.
sich diese neuen Governance-Formen durchsetzen und welche         Bereits 1944 erschien Karl Poppers Buch (auf Englisch) über
Wirkungen sie zeitigen werden, ist im Einzelnen noch nicht ab‑ die „Offene Gesellschaft und ihre Feinde“ ein liberal-demo‑
zusehen (Simon et al. 2016, S. v).                                kratisches Manifest gegen Faschismus und Marxismus. George
    Der Zusammenhang dieser Veränderungen des Wissen‑ Soros nannte seine 1993 gegründete Stiftung mit Bezug auf
schaftssystems mit Open Science müsste erst noch im Detail        Popper „Open Society Institute“ (heute Open Society Found‑
entwickelt werden. Doch einige Vermutungen können bereits         ation). Diese unterstützt auch die Open-Access-Bewegung in
formuliert werden. Die von Maasen und Dickel (2016, S. 226)        der Wissenschaft, u. a. mit der Förderung der Budapest Open
festgestellte Selbst- und Fremdpolitisierung der Wissenschaft, Access Initiative im Jahr 2002 sowie der Unterstützung der
z. B. durch die freiwillige oder auferlegte Orientierung an nor‑ S­ PARC (Scholarly Publishing and Academic Resources Coali‑
mativen Konzepten der Responsivität, Partizipation und Nach‑ tion) (Open Science Foundation 2014). Was bedeutet aber „of‑
haltigkeit, die wiederum in Citizen Science und Responsible Re‑ fen“ bei Open Science? Man kann vier Dimensionen unterschei­-
search und Innovation (RRI ) aufgegriffen werden, können auch     ­den:
in ein umfassendes Konzept des Open Science aufgenommen                                                                                      13
werden (zum Zusammenhang von Open Science, Citizen Sci‑ • Offenheit der formalen Kommunikation: (Kosten-)freier
ence und RRI siehe Vohland und Göbel sowie Häußermann und              ­Zugang, z. B. zu wissenschaftlichen Publikationen oder
Heidingsfelder in diesem Heft).                                       ­Forschungsdaten (Hanekop in diesem Heft). Zentral für den
    Maasen und Dickel (2016, S. 230) weisen auch auf das Span‑        Aspekt des offenen Zugangs ist das Konzept des Open Ac‑
nungsfeld hin, in dem die heutige Wissenschaft steht: Auf der ei‑       cess.
nen Seite soll sie einem Innovations- und Nützlichkeitsanspruch    • Offenheit der üblicherweise informellen, vertraulichen Kom‑
genügen (welchen Nutzen bringt die Wissenschaft der Gesell‑             munikation: teil-öffentliche Kommunikation, z. B. in Wis‑
schaft) auf der anderen Seite soll sie sich durch „gute wissen‑         senschaftsnetzwerken, bei der Open-Peer-Review und bei
schaftliche Praxis“ legitimieren. Greift man diesen Gedanken            der Impactbewertung (inkl. Altmetrics, siehe unten). Öffent‑
auf, dann verspricht Open Science einen Beitrag zur Bewälti‑            liche Kommunikation erzeugt Transparenz, die wissenschaft‑
gung dieses Spannungsfeldes: Durch eine breitere Verfügbar‑             liches Arbeiten leichter nachvollziehbar, aber auch kontrol‑
keit der wissenschaftlichen Ergebnisse, vor allem aber durch ei‑        lierbar macht. „Offene“ öffentliche Kommunikation ist auch
nen größeren gesellschaftlichen Einfluss auf das Was der Wis‑           mit dem Anspruch verknüpft, dass deren TeilnehmerInnen

                  Open Science wird durch Wissenschaft und Wissenschafts­-
                           ­organisationen, die IT-Industrie und die ­
                    ­multinationalen Wissenschaftsunternehmen forciert.

  senschaft, könnte Open Science die gesellschaftliche Relevanz         weder sozialer Diskriminierung unterliegen, etwa nach Ge‑
wissenschaftlicher Ergebnisse fördern. Gleichzeitig würde Open          schlecht, Rasse oder Status (Reimann in diesem Heft), noch
  Science die Legitimation der Wissenschaft durch ihren „Kont‑          hinsichtlich der institutionellen Anbindung bzw. geografi‑
  rollaspekt“, der in der größeren Tansparenz mit angelegt ist, er‑     schen Verortung.
  höhen. Franzen (2016, S. 292) spricht in diesem Zusammenhang        • Offenheit der Wissensproduktion: Zusammenarbeit, wie sie
von in Open Science angelegten umfassenden Kontrollmecha‑               z. B. in der Open-Source-Bewegung, der Wikipedia oder ei‑
  nismen, deren Wirksamkeit das Sozial- und Systemvertrauen in          ner „kooperativen Wissenschaft“ (CoScience) (Technische
  die Wissenschaft wiederherstellen könnte.                             Informationsbibliothek (TIB ) 2014), auch in Wissenschafts‑
      Open Science kann als ein technologiegetriebenes, wissen‑         netzwerken ihren Ausdruck findet.
  schaftspolitisches Programm charakterisiert werden, das durch       • Offenheit des Wissenstransfers: Überwindung der Grenzen
Wissenschaft und Wissenschaftsorganisationen, die IT ‑Industrie         gesellschaftlicher Subsysteme, z. B. im Konzept der Citizen
  und die multinationalen Wissenschaftsunternehmen (Großverla­          Science (Vohland und Göbel in diesem Heft), der „Öffent‑
 ­ge, Informationsunternehmen, Datenbankanbieter, Internetdienst­-      lichen Wissenschaft“ (Robertson-von Trotha 2012) oder der
­leister etc.) in Kooperation mit der (europäischen) Wissenschafts‑     Open Innovation (European Commission 2016, S. 11; Ger‑
  politik angestoßen und forciert wird (Franzen 2016, S. 279).          linger in diesem Heft).

      26/1–2 (2017)                                                                                         Ulrich Riehm, Michael Nentwich
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     Wie würde man den Forschungsgegenstand für eine umfassende                     nals und elektronischen Volltextarchive gegründet wurden (Suber
     TA ‑Studie zu Open Science abgrenzen? Der folgende Vorschlag                   2009). Heute wird von einigen der wissenschaftlichen und poli‑
     berücksichtigt die wesentlichen Treiber und Akteure, die zu un‑                tischen Akteure eine vollständige Umstellung des gesamten wis‑
     tersuchenden Bereiche in der Wissenschaft, die mit Open Sci‑                   senschaftlichen Publikationssystems (jedenfalls der Zeitschrif‑
     ence verfolgten Ziele sowie die umfassende, disruptive „Vision“                ten) auf (gold) Open Access gefordert, so z. B. im „Amsterdam
     von Open Science:                                                              Call for Action on Open Access“ (o. A. 2016 a) oder in der „OA
                                                                                    2020 initiative for the large-scale transition to open access“ (o. A.
     • Open Science wird befördert durch Attraktivität, breite Ver‑                 2016 b), und auch für (finanziell) reali­sierbar gehalten (Schim‑
       fügbarkeit und die durch Wirtschaft und Politik forcierte                    mer et al. 2015; Crotty 2015; Osborne 2015).
       Leistungssteigerung vernetzter Informationstechnik.4                            Was weiß man aber nach fast zwanzig Jahren Open-Access-
     • Open Science umfasst alle Stadien und Tätigkeiten wissen‑                    Entwicklung über den „OA ‑Anteil“ an den wissenschaftlichen
       schaftlicher Arbeit, betrifft alle Artefakte der Wissenschaft                Publikationen? Nach dem Open-Science-Monitor (European
       und bezieht sich auf alle in der Wissenschaft tätigen und mit                Commission o. J.) erschienen 2015 elf Prozent der im Web of Sci‑
       dem Wissenschaftssystem verbundenen Akteure.                                 ence nachgewiesenen Beiträge in originären Open-Access-Zeit‑
     • Open Science verfolgt unter dem Label „open“ unterschied‑                    schriften (gold).5 Ein deutlich höherer Open-Access-­Anteil ergibt
       liche Ziele: kollaborative wissenschaftliche Arbeit, freien                  sich, wenn man self archiving (green), Hybrid-Open-­Access und
14     Zugang zu wissenschaftlichen Hervorbringungen, Transpa‑                      Robin-Hood-Open-Access bzw. rogue OA mit einbezieht und ei‑
       renz der Wissenschaft, Abbau hierarchischer und disziplinä‑                  nen maximalen Aufwand für das Auffinden frei zugänglicher Ar‑
       rer Grenzen sowie der Grenze zwischen Wissenschaft und                       tikel im Internet betreibt. Diesen breiten Ansatz zu Grunde le‑
       Gesellschaft.                                                                gend, beträgt der Anteil der Artikel, die zwischen 2007 und 2012
     • Open Science tritt mit einem weitgehenden Transformations‑                   publiziert wurden, in der Datenbank Scopus nachgewiesen wer‑
       anspruch für das gesamte wissenschaftliche System an.                        den und über das Internet frei zugänglich sind an allen in Scopus
                                                                                    nachgewiesenen Artikeln des jeweiligen Publikationsjahrs über
                                                                                    50 % (Archambault et al. 2014, S. ii). Die Autoren führen vier
     Beispielhafte Entwicklungen                                                    Ursachen an, die zu diesem bedeutenden Wachstum geführt ha‑
     in Richtung Open Science                                                       ben: 1) ein generell wachsendes Interesse an Open Access, was
                                                                                    zu mehr neuen solcherart publizierten Artikeln führt; 2) gleich‑
     Aus den oben genannten vier Dimensionen werden in der Folge                    zeitig führt dieses gesteigerte Interesse auch dazu, dass mehr be‑
     beispielhaft ein paar zentrale Entwicklungen herausgegriffen                   reits publizierte Artikel nachträglich über das Internet zugänglich
     und überblicksartig beschrieben.                                               gemacht werden; 3) zur retrospektiven Veröffent­lichung als Open
                                                                                    Access tragen auch Open Access policies von wissenschaftlichen
      Open Access                                                                   Institutionen und Forschungsförderern bei; 4) schließlich ist zu
      Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre zu Open Sci‑                 berücksichtigen, dass insgesamt die Zahl der wissenschaftlichen
      ence, dann stand die Forderung nach einem allgemeinen freien                  Publikationen ansteigt und deshalb auch die absolute Zahl der
      Zugang (Open Access) zu Publikationen im Mittelpunkt. Open                    OA ‑Artikel ansteigen wird. Herb (2017) zieht 15 Jahre nach der
     Access hat sich aber weiter ausdifferenziert und umschließt                    Budapest Open Access Initiative eine kritische Bilanz: Aktuell
      heute z. B. auch Forschungsdaten, -gegenstände, -methoden und                 würde Open Access weitgehend von den kommerziellen Verla‑
     -instrumente (z. B. Software, Modelle, Stoffdatenbanken). Zur                  gen angetrieben und die schon Jahre andauernden Konzentrati‑
      parallelen Onlineveröffentlichung von in kostenpflichtigen Zeit‑              onseffekte im wissenschaftlichen Publikationsmarkt setzten sich
      schriften publizierten Artikeln in Repositorien durch die jewei‑              ungebrochen fort.
      ligen Autoren (grüner Weg) tritt in den letzten Jahren verstärkt
      die Publikation in originären Open-Access-Zeitschriften (golde‑               Offene Qualitätssicherung:
      ner Weg) hinzu. Die Finanzierung von originären Open-Access-                  Altmetrics und Open-Peer-Review
      Zeitschriften durch die Autoren bzw. ihre Institutionen über so‑              Ein zweiter wichtiger Bereich für Open Science ist zugleich das
      genannte APC (article processing charges) ist dabei durchaus                  Festhalten an und die Weiterentwickeln von Methoden der Qua‑
      umstritten.                                                                   litätssicherung und Impactbewertung in der Wissenschaft. Die
          Ein früher Kristallisationspunkt der Open-Access-Bewegung                 in einigen Disziplinen – nicht in allen – breit etablierte dou-
      war die bereits erwähnte Budapest Open Access Initiati­­ve im Jahr            ble blind peer review wie auch die Evaluationsindikatoren und
      2002. Vorläufer dieser Bewegung findet man aber bis weit in                   quantitativen Metriken (etwa der Impactfaktor) unterliegen ei‑
      die 1980er-Jahre zurück, als die ersten internetbasierten E‑Jour‑             ner andauernden Kritik (Franzen 2015; Neidhardt 2016; Wils‑
                                                                                    don et al. 2017).
     4 Der auf konkrete Umsetzung gerichtete Teil des EU ‑Papiers zu Open Science
     behandelt beispielsweise ausführlich den Aufbau einer European Open Science    5 „… proportion of publications from each year in Web of Science (WoS) that are
     Cloud (European Commission 2016, S. 46 ff.).                                   currently available in fully open access journals“ (European Commission o. J.).

     Ulrich Riehm, Michael Nentwich                                                                                                                    26/1–2 (2017)
THEMA Open Science

    Alternative Metriken (altmetrics) gehen über die kommerziel‑       (Laakso et al. 2017). Dies könnte dazu führen, dass die Wis‑
len Datenbanken (Web of Science oder Scopus) hinaus und öff‑           senschaftsnetzwerke zu „Technologien des Narzissmus“ werden
nen die wissenschaftliche Impactbewertung in Richtung nicht-           können – eine Bezeichnung, die Franzen (2015, S. 228) bereits
wissenschaftlicher Publikationen (z. B. Blogs und Tweets) und          auf alternative Metriken angewendet hat. Ob diese Charakteri‑
anderer, nicht unbedingt wissenschaftlicher Nutzungsformen             sierung zum unique selling point der Wissenschaftsnetzwerke
(z. B. Downloads). Damit könnten sie die herkömmliche, ge‑             werden könnte, bedarf weiterer Beobachtung und Analyse.
schlossene Praxis zumindest ergänzen, wenn nicht gar ersetzen.
Franzen (2015, S. 228) weist allerdings darauf hin, dass auch die
neuen, „alternativen“ Metriken, die die Nutzung von Publika­           Quo vadis Open Science?
tionen im Internet und neuer Publikationsformen berücksichti‑
gen, als Kontrolltechnologien und als Technologien der Selbst‑         Das wissenschaftliche System entwickelt sich nicht autonom aus
vermarktung (oder des Narzissmus) aufgefasst werden können.            sich heraus weiter, sondern steht in spezifischen Spannungsfel‑
    Open-Peer-Review meint die teilweise oder ganz im öffent‑          dern zur Gesellschaft, die die finanziellen Mittel bereitstellt und
lichen Diskursraum stattfindende Begutachtung wissenschaft­            Problemlösungen erwartet (Maasen und Dickel 2016). Gleich‑
licher Texte, sei es vor der Veröffentlichung, sei es danach, sei es   zeitig eröffnen technologische Entwicklungen neue Potenziale
vollständig, sei es teilweise anonym (Nentwich und König 2010).        für die wissenschaftliche Arbeit, die eine breite Nutzung finden
Auch wenn dieses Konzept schon viel früher erdacht und erprobt         können, insbesondere wenn ihr ein Nutzenvorteil gegenüber dem             15
wurde als der Begriff der Open Science selbst, ist es doch poten‑      herkömmlichen Arbeiten, vielleicht sogar eine visionäre Perspek‑
ziell ein wichtiges Charakteristikum der letzteren. Bisher hat sich    tive zugesprochen wird. Wohin sich Open Science entwickeln
Open-Peer-Review freilich nur in einem sehr begrenzten Umfang          wird, ist so keineswegs ausgemacht und unterliegt dem Spiel
durchgesetzt, auch wenn es einige gut funktionierende Beispiele        von Interessen und Ressourcen, über die die Akteure in diesem
gibt. Der Open-Science-Monitor (European Commission o. J.)             Spiel verfügen. Weiterhin wird die disziplinenspezifische Hete‑
gibt den Anteil der Zeitschriften mit Open-Peer-Review auf der         rogenität (Wissenschaftskulturen) eine entscheidende Rolle spie‑
Review-Plattform Publons für das Jahr 2016 mit 1,6 % an.               len (siehe Nentwich 2003, S. 107 ff.), ist doch kaum zu erwarten,
                                                                       dass sich sämtliche Fächer und Forschungsgebiete in eine Rich‑
Wissenschaftsnetzwerke                                                 tung entwickeln, sondern vielmehr, dass die mit Open Science
Der kommunikative und kollaborative Bereich von Open Sci‑              gegebenen Potenziale in unterschiedlicher Weise genutzt werden.
ence scheint dagegen in der wissenschaftlichen Praxis bereits             Wenn man aber darüber spekuliert, was aus Open Science
angekommen zu sein (Nentwich und König 2012; Ciber 2016).              prinzipiell werden könnte, dann bieten sich die folgenden Al‑
Dazu gehört nicht nur die Nutzung von Twitter und Facebook             ternativen an:
durch Wissenschaftler sowie wissenschaftliche Institutionen
und ihre Pressestellen (Weingart und Wormer 2016), sondern             • Disruptiver Utopismus – Alles wird anders: Darunter ist zu
insbesondere auch die sich in den letzten Jahren mit einigem             verstehen, was gegenwärtig die Europäische Kommission
Erfolg entwickelnden Wissenschaftsnetzwerke vom Typ Men‑                 programmatisch vertritt. Solche Programme könnten zwar
deley oder ResearchGate. Letzteres hatte im Februar 2016 acht            eine mobilisierende gesellschaftliche Wirkung entfalten, ru‑
Millionen, Academia.edu über 31 Millionen registrierte Nutzer            fen aber auch Gegenkräfte hervor, die darin keine Befreiung,
(Laakso et al. 2017).                                                    sondern eine Bedrohung sehen.
    Nentwich und König (2012, S. 19 ff.) sehen ein großes Po‑          • Open   Science als Mittel gesteigerter Kontrolle und Konkur‑
tenzial in den wissenschaftlichen Social-Network-Sites (SNS ).           renz: Eine mögliche Entwicklung wäre auch, dass das, was
Allerdings zweifeln sie, ob diese Angebote schon ihr Alleinstel‑         durch Transparenz und Effizienzzuwachs bei Open Science
lungsmerkmal gefunden haben, um in der Konkurrenz etwa zur               gewonnen wird, in eine Verschärfung der innerwissenschaft‑
breit einsetzbaren und etablierten E‑Mail oder den allgemeinen           lichen Konkurrenz mündet. Kommerzielle Interessen, etwa
sozialen Netzwerken vom Typ Facebook bestehen zu können.                 aus dem Patent- und Lizenzgeschäft, wären hiermit kompa‑
   Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass nur wenige Nutzer            tibel: „Open Science, however, does not mean free science.
in diesen „academic social network sites“ kommunikativ oder              It is essential to ensure that intellectual property is protec‑
gar kollaborativ aktiv sind (Ciber 2016, S. 9). Ortega (2016) be‑        ted before making knowledge publicly available“ (European
zeichnet sie als „Diogenes Club“, „where members gather to‑              Commission 2016, S. 42).
gether for common purposes but nonetheless carry out their ac‑         • Ein neuer Typ Wissenschaft: Open Science könnte sich aber
tivities independent of one another“. Auffallend ist, dass Wis‑          auch zu einem neuen Typus von Wissenschaft entwickeln,
senschaftsnetzwerke für die (Zweit-)Veröffentlichung eigener             der die herkömmliche Wissenschaft zwar nicht unbeein‑
Publikationen besonders interessant zu sein scheinen und die             flusst lässt, aber auch nicht disruptiv verändert. Open Sci‑
Betreiber diese Motivation geschickt aufgreifen, indem sie               ence könnte als eine Art Dach für Konzepte fungieren, die
weitgehend die lästige Arbeit des Einpflegens von Metadaten              sich in den letzten Jahren auch aus dem disziplinären wissen‑
und des Hochladens von PDF s vorbereiten oder gar abnehmen               schaftlichen System herausgebildet haben. Zu nennen sind

      26/1–2 (2017)                                                                                             Ulrich Riehm, Michael Nentwich
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