Open Access Policies und Mandate - Compliance und die Rolle der Fachkulturen
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Konstanze Söllner Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 1 Die internationale Landkarte der Open Access Policies und Mandate Die traditionelle Einteilung der Publikationswege des Open Access als „Grüner Weg“ und „Goldener Weg“ stellt eine starke Vereinfachung eines komplexen Geschehens dar. Nicht nur weisen die Publikationskulturen der Fächer enorme Unterschiede auf, die die konkrete Praxis des Open Access bestimmen – auch die individuellen Entscheidungswege der Wissenschaftler weisen in ganz unterschiedliche Richtun- gen. Open Access kann in eigener bewusster Entscheidung, womöglich sogar mit der Präferenz eines bestimmten Publikationsweges, erfolgen, er kann durch Policies oder Mandate einer Förderorganisation oder der eigenen Wissenschaftseinrichtung erzwungen sein, er kann aber auch zufälliges Ergebnis einer von ganz anderen Krite- rien bestimmten Wahl sein. Zusätzlich unterscheiden sich die Policies oder Mandate der Förderorganisati- onen und Wissenschaftseinrichtungen durch unterschiedliche Schwerpunkt- oder Fristsetzungen, so dass sich Wissenschaftler bisweilen einem Dickicht von Anfor- derungen gegenübersehen, wenn sie sich mandatskonform verhalten wollen. Regel- getreues Verhalten in Bezug auf vorgegebene Open Access Richtlinien, Standards, Policies oder Mandate wird mit dem Terminus „Compliance“ umschrieben. Compli- ance bzw. Regeltreue (auch Regelkonformität) ist ein der betriebswirtschaftlichen Fachsprache entlehnter Begriff für die Einhaltung sowohl von externen Gesetzen und Richtlinien in Wirtschaftsunternehmen als auch von intern vorgegebenen Regelwer- ken. Compliance kann durch eine Reihe von Prozessen erreicht werden. Dabei geht es darum, zunächst die anzuwendenden Forderungen zu identifizieren, dann den Status der Compliance zu überprüfen, Risiken und potentielle Kosten von nicht kon- formem Verhalten gegen die Kosten und den Stellenwert von regelgetreuem Verhalten abzuwägen, und schließlich Korrektivhandlungen zu priorisieren und zu initiieren. Dies kann ebenso auf der Ebene einer einzelnen Einrichtung wie im Wissenschaftsbe- trieb einer ganzen Nation stattfinden.
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 233 Abb. 1: Entscheidungswege im Open Access: Entscheidungsbaum der Australian Open Access Support Group.1 1 Australian Open Access Support Group 2013. Policy compliance decision tree. aoasg.files.word- press.com/2013/05/arc_nhmrc_institution_compliance_flowchart.jpg (31.03.2014).
234 Konstanze Söllner Zu den schwierig zu befolgenden Vorgaben der unterschiedlichen Regelwerke kommt hinzu, dass Open Access Zeitschriften auf dem Vormarsch sind, die keine seriöse Qua- litätssicherung betreiben. Sog. „predatory“ („räuberischer“) Open Access kann auch ein Indikator für wachsende Akzeptanz von Open Access und gesteigerte Nachfrage in einem Fach sein, denen seitens zweifelhafter oder noch wenig etablierter Verlage mit aggressiver Rekrutierung und Verdrängungspreisen begegnet wird. Open Access als neue Form wissenschaftsbasierter Kommunikation ist stark im Wachsen begriffen. Die freie Online-Zugänglichkeit führt zu einer direkten Korrela- tion zwischen Downloadzahlen und Impact einer Veröffentlichung, bezogen auf die Zahl der Zitationen, so dass sich High Impact Papers anhand von Downloadstatisti- ken noch vor dem Entstehen der Zitationen prognostizieren lassen.2 Die freie Zugänglichkeit verändert auch die Begutachtungsprozesse und die Möglichkeiten der Qualitätskontrolle, was besonders für die international vernetzten Naturwissenschaften gilt. Open Access Zeitschriften eröffnen somit auch die Möglichkeit, einige seit langem als unzuläng- lich empfundene Strukturen im Wissenschaftssystem zu erneuern oder zumindest mit Alternati- ven zu experimentieren. Hierzu gehören nicht nur die Begutachtungsverfahren der Zeitschriften, sondern vor allem auch die vielfach kritisierte Bewertung wissenschaftlicher Leistungen mit Hilfe des Impact-Faktors […].3 Die Förderorganisationen erwarten daher ein Publikationsverhalten der Wissen- schaftler, das sich an diesen Entwicklungen orientiert. Dies führt dazu, dass der Open Access Bereich aktuell schneller wächst als der Markt der Subskriptionszeitschriften. Die Mandatspolitik der Förderorganisationen und die allgemeine Marktentwicklung verstärken sich wechselseitig. Dass die Online-Veröffentlichung zu einer unmittelbaren Steigerung des Impacts führt, ist ein seit über zehn Jahren nachgewiesener Effekt. Dies hat jedoch nicht zu einer schnellen Verhaltensänderung der Wissenschaftler geführt. Vor diesem Hin- tergrund erhalten ein regelgetreues Verhalten der Wissenschaftler und korrektes Berichtswesen für die Förderorganisationen zunehmende Bedeutung. Da insbeson- dere in Ländern mit dezidierter Präferenz des Goldenen Weges gegenwärtig viel fri- sches Geld in das Publikationswesen fließt, und sei es auch lediglich initial, sind die Förderer und Trägereinrichtungen hochgradig daran interessiert, eine längerfristige finanzielle Doppelbelastung des Wissenschaftssystems durch Publikationsgebüh- ren und Subskriptionszahlungen auf jeden Fall zu vermeiden. Die eingeschlagene Richtung zugunsten von mehr Open Access scheint unumkehrbar, so dass die Ent- 2 Vgl. Brody, Tim, Stevan Harnad u. Leslie Carr: Earlier Web Usage Statistics as Predictors of Later Citation Impact. In: Journal of the American Society for Information Science and Technology (2006) H. 8. S. 1060–1072. 3 Schimmer, Ralf, Kai Geschuhn u. Margit Palzenberger: Open Access in Zahlen. Der Umbruch in der Wissenschaftskommunikation als Herausforderung für Bibliotheken. In: Zeitschrift für Bibliotheks- wesen und Bibliographie (ZfBB) (2013) H. 5. S. 244–250. Hier S. 248.
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 235 scheidung pro oder contra Open Access nicht mehr offen ist, und Compliance in den nächsten Jahren deutlicher eingefordert werden wird. 1.1 Regionale Ausprägungen von Open Access Mandaten und ihr Einfluss auf die weltweite Entwicklung Neue Open Access Mandate in den USA seit Februar 2013 Die US-Regierung hat am 22.02.2013 alle nationalen Forschungseinrichtungen, die jährlich mehr als 100 Mio. US-Dollar für Forschung und Entwicklung aufwenden, ange- wiesen, Vorkehrungen zu treffen, um künftig alle Publikationen nach einer Embargo- periode von maximal 12 Monaten frei zugänglich zu machen. Die Forschungsorgani- sationen sollten damit der erfolgreichen Open Access Politik der National Institutes of Health (NIH) folgen, die von ihren Autoren die Veröffentlichung im Open Access inner- halb eines Jahres nach der Verlagspublikation fordern. Der Präsidentenerlass führte zu einer Anpassung der Open Access Mandate von insgesamt 24 Förderorganisationen mit einer Schwerpunktsetzung auf dem Grünen Weg des Open Access. Mit dem Consolida- ted Appropriations Act (Ausgabengesetz) von 2014 wurde die Verpflichtung der natio- nalen Forschungseinrichtungen, Postprint-Versionen oder die veröffentlichte Version nach spätestens 12 Monaten online zu publizieren, Gesetz. Eine Schätzung der US-ame- rikanischen Gesamtkosten für den Grünen Weg existiert bislang nicht. Allein für den ArXiv-Server rechnet aber die Cornell University Library mit jährlichen Betriebskosten zwischen 837.760 US-Dollar (2013) und 894.845 US-Dollar (2017).4 Die Research Councils UK und der Wellcome Trust Bereits seit 2009 kennt der britische Wellcome Trust, die weltweit größte biomedi- zinische Förderorganisation, die „10 per cent retention policy“. Der Trust hält 10 % Prozent der Fördersumme zurück, wenn der Abschlussbericht eines geförderten Projekts Publikationen enthält, die nicht die Open Access Policy des Trusts erfüllen. Angesichts einer Erfüllungsquote von 55 % wurde die Wirkung der Policy jedoch als derzeit noch nicht ausreichend eingeschätzt.5 Im April 2013 startete in Großbritannien die Förderung aus den Open Access Ins- titutionenfonds der Research Councils UK (RCUK) und des Wellcome Trust. Vorange- gangen war eine Initialzahlung des Departments for Business, Innovation and Skills 4 Cornell University Library: ArXiv Financial Projections for 2013–2017. confluence.cornell.edu/ download/attachments/127116484/arXiv+Business+Model.pdf (01.07.2014). 5 Jump, Paul: Wellcome Trust Gets Tough on Open Access. Times Higher Education vom 29. März 2012. www.timeshighereducation.co.uk/419475.article (01.07.2014).
236 Konstanze Söllner (BIS) in Höhe von 10 Mio. Pfund an 30 forschungsstarke Universitäten für die Monate November 2012 bis März 2013. Die RCUK beabsichtigen über die Ausreichung von Block Grants mit fünfjähriger Laufzeit die Finanzierung von 26.000 Artikeln pro Jahr (die ursprünglich avisierten 20 % Eigenanteil werden nicht mehr gefordert), der Wellcome Trust von 5.000 wissenschaftlichen Artikeln pro Jahr. Die RCUK und der Wellcome Trust setzen voraus, dass die Block Grants vorwiegend für die Zahlungen von Publi- kationsgebühren auf dem Goldenen Weg (Article processing charges – APCs) einge- setzt wird. Publikationsfonds der Hochschulen sollen die Open Access Kosten über- nehmen, wenn Wissenschaftler im Gegenzug ihre Veröffentlichung (research papers, reviews und conference proceedings) unter die Creative-Commons-Attribution-Lizenz stellen. Damit verbinden die RCUK die Überzeugung, dass dies der geeignetste Weg ist für „immediate, unrestricted, online access with maximum opportunities for reuse (‚gold‘)“.6 Alternativ können Forscher die finale Version ihrer Publikation (Post-print) auf einem Publikationsserver unter der Creative-Commons-Attribution-NonCommer- cial-Lizenz veröffentlichen. Als maximales Embargo wurden für die STM-Fächer 12 Monate, für Geistes- und Sozialwissenschaften 24 Monate festgelegt. Umgerechnet erhielt eine einzelne Hochschule allein an Initialzahlungen des BIS durchschnittlich 400.000 Euro. Die RCUK wollen eine deutliche Steigerung der Erfüllungsquote (compliance rate) über die kommenden fünf Jahre (von 45 % aller geförderten Artikel im Geschäftsjahr 2013/2014 auf 75 % aller geförderten Artikel im Geschäftsjahr 2017/2018) erreichen, für die die Block Grants ausreichend dimensio- niert werden sollen. Im ersten Jahr der Förderung dürfen Hochschulen die Compli- ance-Rate auch vollständig auf dem Grünen Weg erfüllen. Die konsequente Orientierung am Goldenen Weg des Open Access führte zu erheblichem Widerstand aus der Wissenschaft. Der Vorwurf lautete: „RCUK has done nothing to implement a compliance monitoring and verification mechanism for Green.“7 Der Widerstand entzündete sich zusätzlich an den unterschiedlichen Gepflogenheiten der einzelnen Fächer, in denen der Goldene Weg unterschiedlich häufig praktiziert wird. Der Wellcome Trust erweiterte daraufhin seine Open Access Policy um Monographien und Buchkapitel. 2014 planen die RCUK erstmals eine Eva- luation des Verfahrens sowie der Embargofristen, Publikationsgebühren und Lizen- zen auf dem Hintergrund der internationalen Entwicklung. Der Einfluss der massi- ven Finanzunterstützung seitens der RCUK und des Wellcome Trusts kann in seinen Auswirkungen auf die weltweite Landkarte des Open Access vermutlich kaum über- schätzt werden, auch wenn der Mittelabruf in den ersten Monaten verhalten startete. Die Menge an frischem Geld, die zweckbestimmt in die Finanzierung von Open Access 6 Research Councils UK: RCUK Policy on Open Access and Supporting Guidance. www.rcuk.ac.uk/ documents/documents/RCUKOpenAccessPolicy.pdf (01.07.2014). Hier S. 9. 7 Harnad, Stevan: HEFCE/REF Proposed Mandate Can Ensure RCUK Mandate Compliance – Open Ac- cess Archivangelism 2013. openaccess.eprints.org/index.php?/archives/991-HEFCEREF-Proposed-Man- date-Can-Ensure-RCUK-Mandate-Compliance.html (01.07.2014).
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 237 Gold fließt, ermöglicht nun erstmals einen direkten Vergleich der Open Access Kosten und der Abonnementkosten in den einzelnen Hochschulen. „Es ist sehr wahrschein- lich, dass die Initiativen ein entscheidendes Rad in Bewegung setzen bezüglich der Frage, wie sich die zusätzlichen Einkünfte der Verlage durch APCs zu den bestehen- den Abonnementkosten in Bibliotheken verhalten.“8 Higher Education Funding Council of England Der Higher Education Funding Council of England (HEFCE) kündigte für die nächste Runde der regelmäßigen Überprüfung der Forschungsqualität an britischen Hoch- schulen (Research Excellence Framework – REF) 2020 an, dass nach 2014 nur noch Open Access Artikel berücksichtigt würden. Diese werden dann die Basis für die Fest- legung der regulären Finanzunterstützung der jeweiligen Hochschule bilden. In einer öffentlichen Konsultation erbat HEFCE Rückmeldungen zu den vorgeschlagenen Kri- terien für Open Access, zur Definition des Forschungsoutputs, auf den diese Kriterien angewendet werden sollen, sowie zu Ansätzen, wie mit möglichen Ausnahmen der Forderung nach Open Access umgegangen werden soll. Diese Rückmeldungen sind in eine HEFCE Policy9 eingegangen, die im Frühjahr 2014 veröffentlicht wurde. Die Policy fordert Erfüllungsquoten von 75 % in den Naturwissenschaften – in den Sozi- alwissenschaften 70 % und in den Geisteswissenschaften 60 %. HEFCE geht von einer unverzüglichen Verzeichnung der Publikation auf dem institutionellen Publikatio- nenserver aus („immediate deposit-mandate“), lässt aber Embargofristen von einem bzw. sogar zwei (!) Jahren bis zur tatsächlichen Veröffentlichung der Publikation auf dem Grünen Weg zu. Da diese Embargofristen vom Zeitpunkt des Erscheinens als Hardcopy an gelten, der deutlich nach der Online-Publikation liegen kann, können sich in der Praxis noch einmal deutlich längere Fristen ergeben. In diesem Zeitraum ist eine elektronische Kopie nur durch individuelle Anforderung direkt beim Autor erhältlich, eventuell vermittelt durch einen Bestellknopf (Request Copy Button) des Publikationenservers. Der Mehrwert besteht bis zum Ende des Embargos hauptsäch- lich in der elektronischen Auffindbarkeit der offenen Metadaten. In Anbetracht der äußerst liberalen Ausrichtung der HEFCE Policy ist es deshalb nicht überraschend, dass dieser Grad von Compliance durch manche britische Uni- versität bereits heute erreicht werden könnte.10 Trotzdem erhob sich Widerspruch dagegen, darunter vom renommierten englischen Althistoriker und Gräzisten Robin 8 Horstmann, Wolfram: Finch und die Folgen. Open Access in Großbritannien. In: ZfBB (2013) H. 5. S. 251–254. Hier S. 254. 9 Higher Education Funding Council for England (HEFCE): Policy for Open Access in the Post-2014 Re- search Excellence Framework. www.hefce.ac.uk/whatwedo/rsrch/rinfrastruct/oa/policy/ (01.07.2014). 10 Jump, Paul: REF 2020 Open Access Rules Not ‘Scary’, Forum Hears. Times Higher Education vom 31. Oktober 2013. www.timeshighereducation.co.uk/news/ref-2020-open-access-rules-not-scary-fo- rum-hears/2008579.article (01.07.2014).
238 Konstanze Söllner Osborne, Fellow des King‘s College und Professor für Alte Geschichte an der Univer- sität Cambridge, der sich grundsätzlich gegen alle Formen von verpflichtendem Open Access aussprach: „The issue under debate is not whether a scholar should be allowed to make their work available OA — if it were I would be fighting for that possibility. The issue is whether scholars are going to be compelled to make their work available OA however unsatisfactory the OA options are for them.“11 Die Bedeutung der HEFCE Policy kann kaum überschätzt werden – betrifft sie doch die britische Forschung zur Gänze, anders als die Mandate der RCUK oder des Wellcome Trust. US National Institutes of Health Im Consolidated Appropriations Act (Ausgabengesetz) von 2008 wurde gesetzlich geregelt, dass alle Forschungsergebnisse, die durch Förderung der US-amerikani- schen National Institutes of Health (NIH) zustande kommen, im Original oder als elek- tronische Postprint-Version öffentlich zugänglich gemacht werden müssen. Seitdem müssen alle geförderten Wissenschaftler ihre Publikationen innerhalb eines Jahres nach dem offiziellen Publikationsdatum in die Datenbank PubMed Central einstel- len. Die NIH sind bei den Sperrfristen weniger restriktiv als die RCUK bzw. der Well- come Trust. Seit Einführung der Verpflichtung zu Open Access verzeichnet das NIH Manuscript Submission System, bei dem die Autoren ihre Publikationen einreichen müssen, enorme Zuwachsraten. Fünf Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes wurde die Open Access Policy der NIH im Juli 2013 um eine Regelung zur Compliance ergänzt. Bei Nicht-Einhaltung der Policy können seither Forscher nicht mehr mit einer Fortsetzung der Förderung rechnen.12 Dies führte zu einem weiteren Sprung bei der Zahl der Manuskript-Ein- reichungen. Ein NIH Public Access Compliance Monitor ermöglicht den geförderten Autoren und Institutionen das Monitoring ihrer Compliance mit der Policy. Aufgrund der proaktiven Ausrichtung der Open Access Policy des NIH und ihrer konsequenten Fortentwicklung liegt die Erfüllungsquote inzwischen bei 75–80 %.13 11 Poynder, Richard: Robin Osborne on the State of Open Access. Where are We, What Still Needs to be Done? poynder.blogspot.de/2013/12/robin-osborne-on-state-of-open-access.html (01.07.2014). 12 National Institutes of Health: Changes to Public Access Policy Compliance Efforts Apply to All Awards with Anticipated Start Dates on or after July 1, 2013. grants.nih.gov/grants/guide/notice-files/ NOT-OD-13-042.html (01.07.2014). 13 Noorden, Richard van: NIH Sees Surge in Open-Access Manuscripts. blogs.nature.com/ news/2013/07/nih-sees-surge-in-open-access-manuscripts.html (01.07.2014).
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 239 Abb. 2: NIH Manuscript Submission System: Entwicklung bei der Zahl der eingereichten und zur Weiterverarbeitung freigegebenen Manuskripte.14 Die Open Access Politik der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission hat 2007 in den Richtlinien des Europäischen For- schungsrats (ERC) die Aufforderung zur Online-Publikation mit maximaler Sperrfrist von 6 Monaten etabliert. Ein Pilotprojekt schloss sich 2008 an diese Richtlinien an. Die Sonderklausel 39 im Fördervertrag verpflichtet Wissenschaftler, ihre im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms (FP7, Laufzeit 2007–2013) geförderten Publika- tionen im Volltext über ein geeignetes institutionelles oder fachliches Repositorium frei zugänglich zu machen. Die Verzeichnung hat unverzüglich nach der Veröffentli- chung zu erfolgen, Embargofristen von 6 bzw. 12 Monaten bis zur eigentlichen Veröf- fentlichung sind zulässig. Die Projektkoordinatoren haben im Abschlussbericht ihres Projektes über die Compliance mit der Sonderklausel 39 zu berichten. Systematisch wurde die Sonderklausel 39 in allen Ausschreibungen seit 2012 angewendet. Horizont 2020 (englisch: Horizon 2020) löst als EU-Förderprogramm für For- schung und Innovation das 7. Forschungsrahmenprogramm ab. Es hat eine Laufzeit von 2014 bis 2020. Die Europäische Kommission hat Open Access als Grundsatz in Hori- zont 2020 fixiert. Prinzipiell sollen alle Artikel, die mit Hilfe der Förderung von Hori- 14 National Institutes of Health: NIH Manuscript Submission (NIHMS) Statistics. www.nihms.nih. gov/stats/ (01.07.2014).
240 Konstanze Söllner zont 2020 zustande gekommen sind, innerhalb von 6 bzw. innerhalb von 12 Monaten (in den Geistes- und Sozialwissenschaften) im Open Access (Grüner oder Goldener Weg) frei zugänglich sein. Publikationskosten werden durch die Europäische Kommis- sion erstattet, sofern sie während der Laufzeit des Projekts geltend gemacht werden. Daneben beabsichtigt die Europäische Kommission ein Pilotprojekt zur freien Zugäng- lichkeit von Forschungsdaten. Die Europäische Kommission empfiehlt in ihrer 2012 aktualisierten Open Access Policy die Nutzung von fachlich ausgerichteten Reposito- rien, insbesondere von Europe PubMed Central und ArXiv.15 Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft Im Januar 2006 hat der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Richtlinien für die Bereitstellung von Ergebnissen aus geförderten Projekten im Open Access verabschiedet. Sachbeihilfeempfänger der DFG sollen ihre Forschungsergeb- nisse nach Möglichkeit im Open Access bereitstellen (Grüner oder Goldener Weg). Diese Politik eines freiwilligen Open Access setzte die DFG 2010 mit der Einrichtung der Förderlinie „Open Access Publizieren“ fort. Hochschulen können seither Mittel einwerben, um Artikelbearbeitungsgebühren zu finanzieren, die für Publikationen in reinen Open Access Zeitschriften anfallen. Mit diesem Programm will die DFG die Errichtung dauerhafter Strukturen zur Finanzierung des Goldenen Wegs, sog. Publi- kationsfonds, an Hochschulen fördern. Im Unterschied zur Publikationspauschale, die geförderte Autoren erhalten, sind die Mittel zweckgerichtet nur für Open Access Publikationen bestimmt. Im Jahr 2014 erhalten 26 deutsche Hochschulen eine Förde- rung ihrer Publikationsfonds. Die Förderung von Publikationsfonds ordnet sich in ein Spektrum von infrastruk- turellen Fördermaßnahmen ein, die im Programm „Elektronische Publikationen“ ver- folgt werden. Dazu gehört der Aufbau von Open Access Zeitschriften ebenso wie die Förderung von Repositorien mit dem Ziel des Aufbaus eines Netzwerks zertifizierter institutioneller Repositorien oder die Förderung neuer Geschäftsmodelle im Bereich wissenschaftlicher Monographien und Serien im Open Access. Entsprechend einer Politik, die Open Access nicht verpflichtend vorgibt, sind Erfüllungsquoten bisher kein Maßstab. Hochschulen müssen den Anteil der Open Access Publikationen am eigenen Publikationsaufkommen zwar offenlegen, wenn sie sich am Förderprogramm „Open Access Publizieren“ beteiligen, dabei geht es aber nicht um Compliance mit einer Richtlinie, sondern um den Nachweis einer nachhaltig ausgerichteten Förde- rung von Open Access und die Etablierung eines Berichtswesens. 15 Vgl. European Research Council: Open Access Guidelines for Researchers Funded by the ERC. Revised October 2013. erc.europa.eu/sites/default/files/document/file/ERC_Open_Access_Guide- lines-revised_2013.pdf (01.07.2014).
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 241 Die neue Open Access Richtlinie der Helmholtz-Gemeinschaft Die Helmholtz-Zentren in Deutschland erreichen gegenwärtig eine Erfüllungsquote von 30 % Open Access. 2013 gab die Helmholtz-Gemeinschaft eine neue Open Access Richtlinie bekannt, die als erste Richtlinie in Deutschland Open Access in einem Teilbereich der Förderung verbindlich regelt. Mittelempfänger des „Impuls- und Vernetzungsfonds“ des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft müssen künftig Veröffentlichungen, die in geförderten Projekten entstehen, frei zugänglich machen. Das Vorliegen wichtiger Gründe gegen eine Open Access Veröffentlichung haben die Wissenschaftler unverzüglich anzuzeigen. Die Open Access Richtlinie der Helmholtz- Gemeinschaft orientiert sich an den Vorgaben des Forschungsrahmenprogrammes der Europäischen Union. Der Impuls- und Vernetzungsfonds ist ein Förderinstrument, das speziell auf die Umsetzung strategischer und innovativer Ziele ausgerichtet ist. Es bleibt gegenwärtig offen, ob mit dem ersten Open Access Mandat der Einstieg in verpflichtenden Open Access in Deutschland unumkehrbar vollzogen ist, und welche Auswirkung dieser Schritt der Helmholtz-Gemeinschaft im Gesamtgefüge der Wissen- schaftsorganisation und -förderung in Deutschland haben wird. 1.2 Policies vs. Mandate: der Einfluss auf die Erfüllungsquoten Die Open Access Policies bzw. Mandate der Förderorganisationen und Wissenschafts einrichtungen weisen einen unterschiedlichen Grad der Verbindlichkeit von Open Access auf. Verfechter des Grünen Wegs betonen, dass die Erfüllungsquote bei ver- bindlichem Mandat, also einer verbindlich angewiesenen und aktiv durchgesetzten Richtlinie, in einem Repositorium zu publizieren, stark ansteigt, im Einzelfall bis auf 70 %. Viele der in der Datenbank ROARMAP nachgewiesenen Policies sehen aller- dings keine verbindliche Zugänglichmachung im Open Access vor, sondern erlau- ben Ausnahmen und setzen auch keine definierten Embargofristen. Die Frage nach Erfüllungsquoten kann folglich ins Leere gehen, wenn die Policy bzw. das Mandat des Förderers oder Wissenschaftsorganisation Open Access lediglich empfehlen, Ausnah- men erlauben oder Sperrfristen nicht eindeutig begrenzen. Es ist deshalb üblich, zwi- schen Policies mit hohem Grad an Freiwilligkeit (request) und Mandaten mit verbind- lichen Regelungen (requirement) zu unterscheiden. Eine besondere Aufgabe kommt dabei nationalen bzw. transnationalen Mandaten zu, weil diese zur Harmonisierung institutioneller Richtlinien führen, wie man bei der neuen Open Access Richtlinie der Helmholtz-Gemeinschaft sehen kann, und wie es auch von der neuen HEFCE Policy für Großbritannien erwartet werden kann.
242 Konstanze Söllner 1.3 Fachkulturen und die Rolle der Fachgesellschaften Das Open Access Aufkommen der Wissenschaftsfächer ist unterschiedlich hoch. Das hat einerseits mit fachspezifischen Publikationskulturen, wie beispielsweise dem Vorherrschen der klassischen Monographie zu tun, aber auch mit den Finanzierungs- strukturen in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wissenschaftler publizieren mit höherer Wahrscheinlichkeit in Open Access Zeitschriften, wenn sie diese für wichtige Werkzeuge ihres Faches halten, die zu einer guten Wahrnehmung in der jeweiligen Fachcommunity führen.16 Diese fachlich geprägten Einstellungen haben ebenso eine persönliche Ebene wie auch eine communitybezogene Dimension. Wenn fachlich geprägte Einstellungen insgesamt zu einer positiven Haltung gegenüber Open Access führen, steigt beispielsweise auch die Wahrscheinlichkeit der Praxis des Goldenen Wegs. Dies geschieht auch dann, wenn interne Belohnungssysteme den Publikati- onsoutput belohnen.17 Der Grüne Weg des Open Access Publizierens wird dagegen mit größerer Wahrscheinlichkeit von etablierten Wissenschaftlern, insbesondere an nichtuniversitären Forschungsinstituten beschritten. Ein Belohnungssystem, das auf häufiges Publizieren in hoch gerankten Zeitschriften abzielt, beeinflusst hingegen die Bereitschaft zur Selbstarchivierung nicht. Eine Open Access Policy hat also mit einer höheren Erfüllungsquote zu rechnen, wenn sie fachspezifische Besonderheiten aufnimmt. In Fächern, in denen die Repu- tation wissenschaftlicher Zeitschriften besonders bedeutsam ist und die Selbstarchi- vierung niedrige Reputationswerte aufweist bzw. die Publikation in einer wichtigen Zeitschrift sogar verhindern kann (Lebenswissenschaften), kann eine Policy nur dann zum Erfolg führen, wenn genügend Open Access Zeitschriften mit ausreichen- der Reputation auf dem Markt operieren. Eine solche Entwicklung von Reputation wiederum setzt kollektives Handeln der Fachwissenschaftler voraus und benötigt ausreichend Zeit. In Fächern, die häufig Selbstarchivierung als Übergangspublika- tion bis zum Erscheinen in einer traditionellen Zeitschrift praktizieren (Wirtschafts- wissenschaften), spielt eine transparente und möglichst einheitliche Rechtesituation – am besten gewährleistet durch eine gesetzliche Regelung – eine wichtige Rolle. Fachgesellschaften in den Geistes- und Sozialwissenschaften sind vom Wandel doppelt betroffen: Wissenschaftler verfügen einerseits nicht über ausreichende Mittel, um Publikationsgebühren zu bezahlen, andererseits finanzieren die Gesell- schaften ihre Aktivitäten über die Einnahmen aus den Subskriptionszeitschriften. Die Umstellung auf Open Access könnte zu einem Defizit führen. Allerdings hat die „Zeit- schriftenkrise“ bereits jetzt zur Folge, dass Wissen nicht ausreichend verbreitet wird, weil sich Universitäten die Zeitschriften nicht leisten können, die sie benötigen (und auch deutlich weniger Bücher beschaffen – auf Kosten der buchorientierten Wissen- 16 Eger, Thomas, Marc Scheufen u. Daniel Meierrieks: The Determinants of Open Access Publishing. Survey Evidence from Germany. ssrn.com/abstract=2232675 (01.07.2014). Hier S. 17. 17 Eger [u. a.], Determinants (wie Anm. 16), S. 18.
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 243 schaften). Ob also eine Bevorzugung des Grünen Wegs die Erhaltung geisteswissen- schaftlicher Zeitschriften langfristig sichert, kann als strittig gelten. Aber auch die Umstellung auf Open Access im Bereich der geisteswissenschaft- lichen Monographie führt zu Problemen. Die Kosten liegen wenigstens beim Zehn- fachen der durchschnittlichen Publikationsgebühren für einen Zeitschriftenartikel. Aber auch Druckbeihilfen für Printmonographien können beträchtliche Größen- ordnungen annehmen. Förderorganisationen und Bibliotheken testen deshalb die alternative Förderung von Zeitschriften und Büchern aus den Geistes- und Sozialwis- senschaften, wie etwa die Teilnahme an der Knowledge Unlatched Pilot Collection. Aufgrund dieser komplexen Sachverhalte werden Geistes- und Sozialwissenschaften aus Open Access Policies teilweise komplett herausgenommen, oder es werden ent- sprechend großzügige Sperrfristen für den Grünen Weg angesetzt, der damit absicht- lich oder unabsichtlich als Königsweg für diese Fächer propagiert wird. 2 Open Access Compliance und die Rolle der Verlage An britischen Hochschulen ist Open Access auf dem Grünen Weg die Regel. Das Business, Innovation and Skills Committee des britischen Parlaments äußerte sich im September 2013 zur Erfüllungsquote trotzdem kritisch: “As a result of both differ- ing mandates and weak monitoring, UK selfarchive mandates have to date achieved varying rates of compliance.“18 Zur Verbesserung der Open Access Compliance bieten deshalb Großverlage wie Elsevier und die Nature Publishing Group einen kosten- freien “manuscript deposition service“. Forschungsartikel werden unter Einhaltung der vom Verlag geforderten Sperrfristen in der Postprint-Version oder häufig auch in der veröffentlichten Version auf PubmedCentral oder Europe PubMedCentral depo- niert, wenn durch den Autor der Name der Förderorganisation, das Geschäftszeichen der Bewilligung und die Kontaktdaten des Projektkoordinators angegeben werden. Damit ergibt sich auch der unmittelbare Nutzen zentralisierter Fachrepositorien: verbesserte Compliance mit den Förderrichtlinien, Integration und Datentausch mit institutionellen Repositorien sowie die Integration mit Autorenidentifikations- Codes wie ORCID. Für die Verlage bringt das kontrollierte Deponieren Vorteile, weil es die Einhaltung der Embargofristen sichert. Die Tendenz, längere Embargofristen in Open Access Richtlinien zu fixieren, um die Compliance bei Grünem Open Access zu verbessern, hat aber bereits dazu geführt, dass Verlage bestehende Embargofris- ten von sich aus einseitig bis an die maximale Grenze der Open Access Richtlinien verlängerten bzw. überhaupt erst einführten. Auf die neue US-amerikanische Open 18 House of Commons. Business, Innovation and Skills Committee: Open Access. Fifth Report of Ses- sion 2013–14. Volume 1: Report, Together with Formal Minutes, Oral and Written Evidence. London: The Stationary Office Limited 2013. Hier S. 11.
244 Konstanze Söllner Access Richtlinie für die nationalen Forschungseinrichtungen reagierten die Verlage zuletzt mit dem CHORUS-Projekt, das vorsieht, ein „Dark Archive“ zu errichten, um Compliance mit der Richtlinie herzustellen. Die Verlage könnten auf diesem Wege die vollständige Kontrolle über Publikationen und Metadaten und somit auch die Such- instrumente behalten. Parallel schlugen Universitäten und Bibliotheken ein genuin föderativ angelegtes System von Repositorien unter dem Projektnamen SHARE vor. Die Mehrheit der Verlage hat bislang keine Sperrfristen für den Grünen Weg spe- zifiziert. In allen anderen Fällen favorisieren die Verlage ein Embargo von einem Jahr, um den Grünen Weg unattraktiv zu machen und „Delayed Access“, also die verzö- gerte Bereitstellung im Open Access auf den Verlagswebseiten, als Geschäftsmodell zu begünstigen – auch dies mit dem Ziel, die Hoheit über Texte und Daten und somit auch die Auffindbarkeit der Publikationen zu behalten. Dies gilt ebenso für kosten- freie Open Access Zeitschriften oder Publikationen auf dem Goldenen Weg oder durch hybriden Open Access. 3 Die Entwicklung von technischen Infrastrukturen und Standards Technische Infrastrukturen und die Entwicklung von Metadaten-, Workflow- und Schnittstellen-Standards spielen eine wichtige Rolle für die Realisierung der Mehr- werte, die mit dem Open Access Publizieren entstehen. Den Vorgaben der großen Forschungsförderer folgend entwickelte sich eine Reihe von Mittlerdiensten. So vereinfacht etwa Open Access Key die Zahlung der Publikationsgebühren durch die Hochschulen. Der Suchdienst FundRef, mit dem Förderbestätigungen in Publikati- onen ermittelt werden können, soll die Überwachung der Compliance erleichtern. Und Provider für artikelbasierte Forschungsmetriken (altmetrics) ermöglichen nicht nur den Förder- und Wissenschaftseinrichtungen, den Forschungsoutput und damit die Ergebnisse der Förderung zu messen, sondern fördern auch die Bereitschaft der Autoren, Forschungsergebnisse im Open Access zu publizieren. Die an der University of Nottingham beheimateten SHERPA Services sollen den Informationsbedarf von Autoren rund um die Realisierung einer Open Access Pub- likation decken und so Compliance mit Open Access Richtlinien ermöglichen. Die Datenbank SHERPA/JULIET verzeichnet die aktuellen Open Access Richtlinien der Förderorganisationen. Die Datenbank SHERPA/RoMEO ermöglicht die Überprüfung, inwieweit konkrete Regelungen der Verlage mit diesen Richtlinien der Förderorgani- sationen konform gehen. Ähnliches leistet die Datenbank MELIBEA der spanischen Forschergruppe „Acceso abierto a la ciencia“, die auch den Versuch unternimmt, die Leistungsfähigkeit von Policies zu validieren. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Entwicklung von Metadatenstandards für Repositorien. Diese Standards ermöglichen das gezielte Webharvesting zur Darstel-
Open Access Policies und Mandate – Compliance und die Rolle der Fachkulturen 245 lung auf übergreifenden Portalen. Für diesen Zweck müssen weitere Dublin Core Felder ergänzt werden. Im Falle des Pilotprojekts OpenAIRE, das im Zusammenhang des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU aufgelegt wurde, waren dies die Refe- renznummer des Projekts, eine Definition der Zugangsrechte und das Enddatum einer eventuellen Embargofrist. Für Open Journal Systems (OJS), eine weit verbreitete Software zur Zeitschriftenpublikation, wurde eine entsprechende OpenAIRE-Erwei- terung programmiert. In eine ähnliche Richtung gehen die Bestrebungen der Nati- onal Information Standards Organization (NISO), die gegenwärtig eine Empfehlung zu Open Access Metadaten und Indikatoren erarbeitet. Strittig ist beispielsweise, ob komplexe Metadaten wie etwa Lizenzindikatoren von Autoren im Rahmen der Selb- starchivierung oder selbst von den Verlagen zuverlässig erstellt werden können, wogegen von Verlagsseite das Kostenargument ins Feld geführt wird. Ein Problem, dass durch Metadatenstandards nicht gelöst werden kann, ist die vom Autor bewusst durchgeführte mehrmalige Erschließung ein und desselben Dokuments mit gleichzei- tiger Zuordnung unterschiedlicher Persistent Identifier, indem er seine Publikationen auf unterschiedlichen Repositorien ablegt und absichtlich neue Instanzen erzeugt. Konsistente Zitationsanalyse und Nutzungsstatistiken werden damit stark erschwert. 4 Die Verankerung von Open Access in Lizenzverträgen Ob die Ablösung des Subskriptionsmodells durch Open Access tatsächlich schon spürbar ist, sei dahingestellt. Für die Hochenergiephysik wird sie infolge der SCOAP3- Initiative in einem wichtigen Bereich Realität. Auf Initiative des CERN sollen die bis- herigen Finanzierungsströme umgelenkt werden, um künftig statt Subskriptionen den Open Access für eine Reihe wichtiger Zeitschriften aus den Verlagen Elsevier, IOP Publishing and Springer zu bezahlen. Diese Umlenkung muss in globaler Perspektive geschehen, und die Frage der Compliance aller einbezogenen Einrichtungen und ihrer Bibliotheken und deren Teilnahme am Konsortium ist offen. Ein weiteres Beispiel für die Abbildung von Open Access in Lizenzverträgen sind die sog. Allianz-Lizenzen. In den Erwerbungsgrundsätzen für DFG-geförderte über- regionale Lizenzen ist eine Open Access Komponente enthalten. Autoren aus teil- nehmenden Einrichtungen sind ohne Mehrkosten berechtigt, ihre in den lizenzier- ten Zeitschriften erschienenen Artikel zeitnah auf dem Grünen Weg zugänglich zu machen, in der Regel sogar in der Verlagsversion. Den Einrichtungen obliegt es nun, diese Option auch umzusetzen. Die Verankerung von Open Access Grundsätzen in Lizenzverträgen ist grundsätzlich auch bilateral und in anderen Konsortien möglich und wird immer häufiger als ein integraler Bestandteil der Finanzierungsbasis von Publikationsfonds praktiziert.
246 Konstanze Söllner 5 Ausblick Welche Erfüllungsquote ist ausreichend beim Open Access Publizieren? Dies wird von Förderorganisationen ganz unterschiedlich bewertet. 50 % können gleichzei- tig als absolut ungenügend oder als „Tipping Point“ gelten. Grundsätzlich sind die Erfüllungsquoten in den Lebenswissenschaften deutlich höher als in den Natur- oder Ingenieurwissenschaften oder den Sozial- und Geisteswissenschaften. Entsprechend unterscheiden sich die Erwartungen der Förderorganisationen je nach deren fachli- cher Ausrichtung. Open Access Compliance ist ein fachlich ausgerichteter Kultur- und Verhaltens- wandel, der nicht ohne klare nationale und im Falle der europäischen Forschungs- förderung auch supranationale Richtlinien stattfinden kann. Das Beispiel NIH zeigt, dass hohe Compliance-Raten möglich sind, wenn verpflichtende Regelwerke in Kraft gesetzt werden und eine zentrale Infrastruktur bereitgestellt wird, die zugleich das Befolgen der Policy wie auch das Monitoring der Compliance ermöglicht. Dieses pro- aktive Handeln und die auf einer Embargofrist von 12 Monaten aufsetzende hohe Erfüllungsquote erlaubte den NIH im Sommer 2013 schließlich die Einführung von Sanktionen im Falle der Nicht-Compliance. Ein Reduktion bei den Ausnahmeregelungen und die Entwicklung von Veröf- fentlichungsroutinen sind konstitutiv, wenn ein Wechsel vom Subskriptionsmodell auf Open Access stattfinden soll. Auf halbem Wege stehenzubleiben, bedeutet eine doppelte finanzielle Belastung der Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen, die gleichzeitig Publikationskosten finanzieren und Subskriptionen aufrechterhalten müssen. Veröffentlichungsroutinen brauchen übergreifende technische Infrastruktu- ren und Standards, wenn die Wissenschaftler nicht im Dickicht der unterschiedlichs- ten Open Access Policies und Mandate allein gelassen werden sollen. Hochschulen haben ein wichtiges Steuerungsinstrument in der Hand, um Routinen zu erzeugen – die Lizenzverhandlungen ihrer elektronischen Subskriptionen. Als allgemeine Ziele der Förderorganisationen können nach wie vor der Goldene Weg des Open Access und CC-BY als Lizenzstandard gelten, wegen der damit verbun- denen Möglichkeiten des Text Minings, der Beschleunigung des Publikationsprozesses und des Vermeidens von multiplem Publizieren. Dies dürfte langfristig dem veränderten wissenschaftlichen Arbeiten besser entsprechen als das nachgelagerte Erzeugen von Postprint-Versionen, die mit dem publizierten Artikel nicht identisch sind. Zu erwar- ten, dass ein Wissenschaftler nach Ablauf einer Embargoperiode verlässlich selbst für die Zweitveröffentlichung seines Manuskripts sorgt, dürfte Illusion sein – schließ- lich stehen zu diesem Zeitpunkt längst andere Projekte an. Dieses Problem kann nur durch Routinen gelöst werden, die mit den Verlegern zusammen entwickelt werden. Der Mehrwert des Open Access Publizierens ist allerdings nach einer entsprechenden Sperrfrist in vielen Fächern nicht mehr sehr groß, da viele Forschungsergebnisse dann nicht mehr aktuell sind, und es für die Wissenschaftler nicht mehr interessant ist, den Impact eines Artikel durch zusätzliche Maßnahmen noch einmal zu steigern.
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