Perfect Day Bill Laurance - Kölner Philharmonie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bill Laurance Es muss grooven Perfect Day Der Alleskönner am Klavier Kinga Głyk am Jazz Bass Konzert mit Tom Gaebel auf gibt sein Solo-Debüt lässt Herzen höher schlagen philharmonie.tv NR. 1 MRZ / APR 2019
Editorial Frühjahrsauktionen 2019 Liebe Besucherinnen und Besucher, 20. März Gemälde 15. – 19. Jh. liebe Freundinnen und Freunde der Kölner Philharmonie, 29./30. März Antiquarische Bücher, alte und moderne Graphik 06. April Preußen-Auktion (Lempertz Berlin) in Zeiten zunehmender Digitalisierung ist 06. April The Twinight Collection II (Lempertz Berlin) immer wieder davon die Rede, dass alle Lebensbereiche ergriffen werden. Das gilt 09. April Art of Africa and Oceania (Lempertz Brüssel) auch für den Konzertbetrieb. Schon heute 16./17. Mai Schmuck, Kunstgewerbe wird eine holographische 3-D-Animation 18. Mai Alte Kunst und 19. Jh. nicht nur im Web als Popstar verehrt, son- dern die Projektion dieses perfekt gestyl- 31. Mai Photographie ten Körpers in Mädchengestalt auch von 31. Mai Moderne Kunst Hunderttausenden einer jugendlichen Anhängerschar in Arenen auf der Bühne, so auch in 01. Juni Zeitgenössische Kunst Köln, bejubelt. In der Welt der Klassik ist das noch lange keine Option. 07./08. Juni Asiatische Kunst Jedes Jahr aufs Neue kommen gut ausgebildete Musikerinnen und Musiker in die Kölner Philharmonie, viele von ihnen aus vergangenen Spielzeiten alte Bekannte, die sich stetig Einladung zu Einlieferungen weiterentwickeln und sich immer neue Ziele stecken. Zu den Neuentdeckungen gehören im Programm der nächsten zwei Monate etliche, die ihre Karriere schon jung begannen, und nun zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Der usbekische Pianist Bezhod Abduraimov, auf den man auch durch internationale Wettbewerbe aufmerksam geworden ist, gibt bei uns ein Recital. Unterstützt wird das Konzert dankenswerterweise durch die Hans Imhoff Stiftung, die eine zehnjährige Förderung besonderer Klavierabende beinhaltet. Abdurai- mov ist der zweite Künstler, der nach der Italienerin Beatrice Rana im letzten Jahr ausge- wählt wurde. Was im Bereich der Klassik die Wettbewerbe für einen Künstler bedeuten, ist in anderen Genres wie Jazz und Pop die Aufmerksamkeit, die er bei einem breiten Publikum über YouTube hervorruft. Eine junge Gitarristin aus Polen mit einem Fender Jazz Bass wurde durch ihre unnachahmliche Interpretation eines Eric-Clapton-Hits auf dem beliebten Vi- deokanal entdeckt. Das Konzert mit der heute 23-jährigen Kinga Glyk, die schon seit dem 12. Lebensjahr mit ihrem Vater auf Tournee geht, gehört zu den Höhepunkten der Spielzeit. Das Novus String Quartet, dessen Karriere begann, nachdem es beim traditionsreichen Internationalen Mozart Wettbewerb in Salzburg 2014 den ersten Preis erhielt, verriet sein Erfolgsrezept: »Man sollte sich die ursprüngliche Liebe zur Musik stets bewahren.« Ob die vier Koreaner es einzulösen vermögen, wird die Zukunft zeigen. Bei Altmeistern wie den Dirigenten René Jacobs und Trevor Pinnock, die sich mit ihren Aufsehen erregenden Interpretationen in historisch-informierter Aufführungspraxis einen Namen gemacht und bewahrt haben sowie den charismatischen Pultstars Teodor Currentzis und Valery Gergiev ist das schon keine Frage mehr. Gleiches gilt für Doppelbegabungen als Komponist und Dirigent wie George Benjamin oder Jörg Widmann, die auch bald in der Kölner Philhar- monie zu erleben sind. Allen gemeinsam ist die tiefe Auseinandersetzung mit Werk und Komponist, die stets neue Sichtweisen und überraschende Hörerlebnisse hervorbringt. Freuen Sie sich wieder auf authentische Künstlerinnen und Künstler, die mit viel Herzblut ihre Begabung in den Dienst des Publikums stellen. Ihr Meister der Weiblichen Halbfiguren. Weite Landschaft mit der Bekehrung des Heiligen Paulus. Öl auf Holz, 30,5 x 43,9 cm Ergebnis: € 409.000 Louwrens Langevoort Neumarkt 3 50667 Köln T 0221-92 57 29-0 Berlin T 030-27 87 60 80 Bruxelles T +32 2 514 05 86 info@lempertz.com www.lempertz.com Intendant Das Magazin 3
MÄRZ / APRIL 2019 Überblick 6 TITELTHEMA 06 Musik ist für mich eine große Reise 43 Meister des Cello Die Bassistin Kinga Głyk ist kein Geheimtipp mehr Jean-Guihen Queyras mit Haydns erstem Cellokonzert Musik ist für mich 10 Die Kraft der Inspiration 44 Zwei Alleinunterhalter tun sich zusammen Chamber Orchestra of Europe und Pierre-Laurent Aimard Akkordeon und Orgel: Richard Galliano trifft auf Thierry Escaich eine große Reise 12 Wahre Kirchenmusik – überlebensgroß 45 Erst die Musik, dann die Worte Das Freiburger Barockorchester mit René Jacobs Trevor Pinnock mit Händels »Messiah« 14 Anouar Brahem »Blue Maqams« Westliche und orientalische Improvisationskultur Wer weiß, wie die Karriere von Kinga Głyk verlaufen wäre, wenn sie ihre Interpretation des Eric-Clapton-Hits mit dem Fender Jazz Bass nicht auf YouTube präsentiert hätte? Dass die 23-Jährige seit dem 12. Lebensjahr mit der Band ihres Vaters tourt, hat sich auf jeden Fall ausgezahlt: Sie ist schon heute eine hochprofessionelle Kinga Głyk Musikerin. Valery Gergiev 18 PORTRÄT Schillernde Fabel Tom Gaebel 16 Von der Gleichzeitigkeit des Unvereinbaren Die Münchner Philharmoniker mit Valery Gergiev 18 Schillernde Fabel 46 A Perfect Day Eine Doppelbegabung zeichnet George Benjamin aus. Als Dirigent Das Ensemble Modern und George Benjamin Tom Gaebel präsentiert sein neues Album und Komponist erleben Sie ihn in gleich zwei Konzerten: mit dem 19 Konzert für Kinder ab 10 48 50 Jahre Bundesjugendorchester Musiktheaterstück »Into the little Hill«, in dem er die Geschichte Junges Orchester aus Kolumbien mit »Frühlingsopfer« Ingo Metzmacher dirigiert Werke von Strauss und Varèse vom »Rattenfänger von Hameln« neu ausdeutet und am gleichen 20 Wildes Amerika 50 Wahre Persönlichkeit Tag in einem weiteren vielseitigen Programm, in dem er prägen- Andrés Orozco-Estrada und Roberto Villazón Die Trompeterin Yazz Ahmed den Weggefährten und Vorbildern seine Reverenz erweist. 22 Jasmin Toccata 52 Ein Phänomen, das süchtig machen kann George Benjamin Persisch-barockes Cross-over mit Jean Rondeau Für Grigory Sokolov gibt es auf dem Podium nur die Musik 24 Gern ein Botschafter… Behzod Abduraimov gibt sein Köln-Debüt 20 NICHT VERSÄUMEN 25 Ordnung muss sein! Karnevalsshow mit Helge Schneider Wildes Amerika Der Kolumbianer Andrés Orozco-Estrada gehört zu den gefrag- ten Dirigenten. Im Moment ist er in Houston und in Frankfurt als Chef-, beim London Philharmonic Orchestra als Gastdirigent unter Vertrag, ab der Spielzeit 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Dass er auch erfolgreich mit jungen Talenten arbei- Isabelle Faust Valer Sabadus tet, zeigt er in der Kölner Philharmonie mit dem Jugendorchester Andrés Orozco-Estrada seines Heimatlandes in zwei Konzerten. 26 Rau, kühl und saftig 54 Expedition in neue Gefilde Isabelle Faust mit Kurtágs »Kafka-Fragmenten« Valer Sabadus singt Arien von Mozart und Lieder von Schubert 28 Rätsel 56 Die Chemie stimmt D'r Rhing erop – d'r Rhing eraf Das Novus String Quartet aus Südkorea 38 IM FOKUS 37 CD-Tipps 57 Round #3 Konzerte in der Gemeinsamkeiten: Kinga Głyk und Jean Rondeau Podium mit elektronischer Musik: Jan Jelinek 38 »So bist du doch mein Zuversicht …« 58 Exklusiv: Vorteile für Abonnenten Tenebrae – Barockmusik in der Nacht vor Karfreitag Mit Bestellcoupon Passionszeit 39 Rising Stars – die Stars von morgen Der Cellist Kian Soltani 40 Der Alleskönner am Klavier 59 Plus Kombipreis George Benjamin – Blickwechsel Musik u. Kochkunst 60 Tief gefühlt Lassen Sie sich die Zeit zwischen Karneval und Ostern nicht lang Bill Laurance gibt einen Soloabend Jörg Widmann und die Junge Deutsche Philharmonie werden. Wer die Passionszeit stimmungsvoll begehen will, findet 41 Ausgezeichnet 61 Visionär im Programm der Kölner Philharmonie Johann Sebastian Bachs Zett Emm erhielt 2018 den »Junge Ohren-Publikumspreis« Raphaël Pichon und sein Ensemble Pygmalion mit Bach Raphaël Pichon Messe h-Moll (7.3.), eine Aufführung von Georg Friedrich Händels 42 Sonderling der Extraklasse 62 Infos zum Kartenkauf – Impressum – Bildnachweis Messiah (14.4.) und die festlichen Tenebrae (18.4.). Teodor Currentzis dirigiert Verdi Kontaktdaten und Sitzplan
Titel Musik ist für mich eine große Reise Die Bassistin Kinga Głyk ist kein Geheimtipp mehr Im Original ist »Tears In Heaven« eine wehmütige, klagende Ballade, die Eric Clapton in Erinnerung an seinen auf tragische Weise tödlich verunglückten Sohn geschrieben und gesungen hat. Dass es kein Sakrileg ist, wenn auch andere die musika- lische Trauerarbeit des legendären englischen Gitarristen und Sängers als virtuoses Kabinettstückchen darbieten, das hat 2016 die E-Bassistin Kinga Głyk in einem Youtube-Video de- monstriert. In einem Dachzimmer, im Schneidersitz auf einem Bett sitzend, hatte die 1997 im südpolnischen Rydultowy süd- westlich von Katowice geborene Głyk ihren Fender Jazz Bass auf dem Schoß und interpretierte diese anrührende Ballade mehrstimmig als rasante Solonummer auf dem E-Bass. Und nachdem ein amerikanisches Bass-Magazin dieses Video ent- deckt und auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte, ging Głyks gut zweiminütige Fassung dieser Ballade »viral«: Millio- nenfach wurde ihr Video gesehen und gehört, der Name der damals gerade 19 Jahre alten Polin war daraufhin in aller Mun- de. Ursprünglich war es der Plan ihres Vaters Irek, ein in Polen bekannter Jazzschlagzeuger und Vibrafonist, seine Tochter ganz klassisch zu sozialisieren: Sie sollte Geige, Klavier oder Konzertgitarre lernen. Doch die Tochter hatte schon als Kind ihren eigenen Kopf. Sie war fasziniert vom tief grummelnden Klang des Basses, des elektrischen wohlgemerkt, auf dem man gleichermaßen grooven wie den harmonischen Verlauf skiz- zieren oder melodisch abschweifen kann. In der Plattensamm- Kinga Głyk lung des Vaters entdeckte sie irgendwann Aufnahmen von Das Magazin 7
Konzerttermin Freitag 29.03.2019 20:00 Kinga Głyk Band Kinga Głyk e-b David Haynes dr Paweł Tomaszewski p Andrzej Gondek g Jaco Pastorius (1951–1987), der das Spiel auf dem E-Bass revolutio- niert hatte. Als sie als Teenager selbst mit dem Bassspielen anfing, wurden ihr Pastorius’ Experimentierfreude und Spiellust zum Vor- bild. Der Vater erkannte ihr untrügliches Gespür für den passenden Groove in der Musik und mit dem daraufhin gegründeten Familien- Trio P.I.K. wurden die Głyks zuerst in ihrer Heimat Polen bekannt, bevor Kinga mit ihrer Solofassung von »Tears In Heaven« weltweit Beachtung fand. Nach zwei Alben, die im Eigenverlag erschienen sind, »Registra- tion« 2015 und die Liveaufnahme »Happy Birthday« 2016, ist der Branchenriese Warner Music auf die junge Polin aufmerksam ge- worden, hat sie unter Vertrag genommen und im Herbst 2017 ihr Labeldebüt veröffentlicht. Mit der Besetzung – unter anderem mit dem Keyboarder und Pianisten Nitai Hershkovitz und dem Schlagzeuger Gregory Hutchinson – hat sie eine Traumband um sich versammelt, weshalb sie dann auch ihr Album mit »Dream« überschrieben hat. In den Songs dieser CD schlägt sie sich mehr als nur wacker gegenüber diesen international bekannten Jazz- Fusion-Cracks. Mehr noch: Ihr gelingt es, die unterschiedlichen Spielansätze dieser Musiker unter einen Hut zu bringen und des- halb ihre Stücke polyglott und stilistisch divers klingen zu lassen. Głyk selbst zieht die Aufmerksamkeit ihrer Hörer sofort auf sich: mit ihrem variantenreichen, so raffiniert gesetzten Spiel auf der elekt- rischen Bassgitarre, mit dem sie das rhythmische Fundament ihrer Jazzmusik stets unter Spannung zu setzen versteht. Apropos Hut: Den hat sich Głyk als Bandleaderin nicht nur im über- tragenen Sinne aufgesetzt. Ein breitkrempiger Hut gehört tatsäch- lich auch zu ihrem Bühnen-Outfit. Den nimmt sie nur dann ab, wenn sie ihr Publikum begrüßen oder verabschieden will. Dann ist da noch die Wahl ihres Instrumentes: ein Fender Jazz Bass. Der Kinga Głyk besitzt alle akustischen Eigenschaften, die Głyk vor allem für ihre Bühnenauftritte braucht. In der tiefen Lage geht der brummelnd- grummelige Sound regelrecht unter die Haut, die Mitte klingt warm und lebendig wie die menschliche Stimme und die Höhen haben »Musik ist für mich mehr als nur ein Klang«, erläutert die E-Bas- die Podien in Europa und darüber hinaus zu bespielen. Erst dieses ein knackig-präzises Klangspektrum, um weite melodische Bögen sistin ihr Konzept. »Ich versuche, mit den Menschen ganz andere Umfeld garantiert ihr echte Sicherheit: einerseits weil die engen schlagen zu können. Mit dem Plektrum gespielt besitzt der Fender Sachen zu teilen als nur das Spielen von langsamen und schnellen Bande zwischen den Musikern ihrer Gruppe ein dichtes Netz span- Jazz Bass diesen pumpenden Rocksound, pizzicato mit den Fin- Noten. Wenn ich schreibe, will ich etwas mitteilen. Musik ist für nen, andererseits weil Głyk so alle Freiheiten bekommt, um mit ih- gern geschlagen lassen sich die Arpeggi variantenreich über das mich eine große Reise.« Diese Einstellung ist der Grund dafür, dass ren harmonischen, melodischen und rhythmischen Exkursionen Griffbrett schieben, und mit dem Daumen geslappt bekommt der Głyk nicht, wie es zu erwarten gewesen wäre, mit den Jazzstars auf ihrem Fender Jazz Bass bis in die entlegensten Winkel einer Klang einen tief im Boden verwurzelten Groove, wie er den afro- ihres Albums »Dream« auf Tournee geht. Ihr ist es viel wichtiger, zeitgenössischen Jazz-Fusion vorzudringen. amerikanischen Gattungen Funk und Soul eigen ist. mit dem gewohnten Umfeld um ihren Vater Irek am Schlagzeug Martin Laurentius 8 Das Magazin Das Magazin 9
Die Kraft der Inspiration Konzerttermin Sonntag 10.03.2019 20:00 Starke musikalische Momente Pierre-Laurent Aimard Klavier mit dem Chamber Orchestra of Europe und Chamber Orchestra of Europe Pierre-Laurent Aimard Pierre-Laurent Aimard Werke von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Elliott Carter Das Chamber Orchestra of Europe bietet »Klangereignisse, die Proben gestartet. Es gibt skeptische Stimmen, die Zweifel am wie Haitink Ehrenmitglied, komplettieren die lange Reihe großer auch Elliot Carters Epigrams, die 2013 mit Mitgliedern der Birming- sprachlos machen«, lobt die Presse, nennt sein Können »außer- Gelingen des Projekts anmelden, aber viel mehr Begeisterte. Der Namen, die das Ensemble bis heute prägen. Und auch bedeuten- ham Contemporary Music Group auf dem Aldenburgh Festival dar- ordentlich«, und die BBC kürte es zum »besten Kammerorchester Prominenteste: Claudio Abbado. Er wird Mentor des neuen Cham- de Spuren im Studio hinterließen. Über 250 mehrfach mit Gram- bot. Mit ihren jähen Stimmungswechseln sind diese 12 Skizzen den der Welt«. Worin liegt die Magie seiner Kunst, die mitzugestalten ber Orchestra of Europe und führt dessen Jungferntour durch mys und Gramophone Awards ausgezeichnete Einspielungen, u. a. literarischen Epigrammen der Antike nachempfunden – transfor- Ehrendirigent Bernard Haitink zu einem der »größten Geschen- Europa 1982 zum Triumph. Das COE erobert die Konzertsäle des bei Deutsche Grammophon und dem eigenen Label COE Records, miert in die Tonsprache der Moderne. Umrahmt wird Carters letztes ke der späten Phase meiner Karriere« erklärte? Die instrumentel- Kontinents, setzt im Studio Akzente, knüpft Kontakte zu weltweit setzen richtungsweisende Akzente. Dass man dabei den künstleri- Werk von Klassikern, die ihrerseits Neuland beschritten. Haydns le Meisterschaft jedes Einzelnen, das breitgefächerte Repertoire? gefragten Solisten und Dirigenten, die das Repertoire erweitern, schen Nachwuchs nicht vergisst, spricht für sich: Die 2009 gegrün- siebte Sinfonie (1761) bewegt sich formal zwischen alter Suite und Die Kunst, Stil, Gestaltungskraft, Inspiration und Individualität in den Erfahrungsschatz der 60 hochmotivierten Mitglieder berei- dete COE-Akademie vergibt jährlich Stipendien an hochbegabte neuer Sonatensatzform. In Mozarts Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur fun- der musikalischen Interaktion zu bündeln, zu einem fantastischen chern. Nikolaus Harnoncourt ist einer von ihnen. Er bringt mit dem Studenten und Musiker. gieren die Bläser erstmals als Melodieinstrumente. Der Komponist Klangkörper zu verbinden? Und damit Visionen wahr werden zu COE seine Vision der Sinfonien Beethovens in einem weltweit be- tat damit einen ersten Schritt auf dem Weg zur sinfonischen Anla- lassen? achteten Zyklus auf die Bühne und ins Studio. Bis zu seinem Tod Beim Konzert in der Kölner Philharmonie präsentiert das COE ge des 1786 vollendeten 25. Konzerts C-Dur. Dessen monumentale 2016 steht er dem Ensemble nahe. Mit Paavo Berglund (verst. 2012) mit Pierre-Laurent Aimard einen seiner wichtigsten solistischen Form, die kompositorische Dichte, die große Besetzung, der opu- Schon die Basis im Gründungsjahr 1981 ist vielversprechend: Als taucht man ein in Sibelius’ sinfonischen Kosmos, und ab 2008 ent- Impulsgeber. Der in Köln und Paris als Musikprofessor lehrende lent angelegte Hauptsatz und die strahlende Eleganz der Themen einige Musiker des European Community Youth Orchestra das steht eine enge künstlerische Freundschaft mit Bernard Haitink, 61-jährige Franzose gilt als Schlüsselfigur der Moderne. Ligeti, verleihen dem 35-minütigen Meisterwerk seine Erhabenheit. Mitgliederhöchstalter von 21 erreichen, müssen sie ausscheiden – der mit dem Kammerorchester u. a. Beethoven- und Schumann- dessen gesamtes Klavierwerk er einspielte, nannte ihn »den welt- Cyrill Stoletzky doch die Lust am gemeinsamen Musizieren bleibt. Warum also Zyklen erarbeitet. Weitere wichtige Beziehungen u. a. zu Vladimir besten Pianisten«, der seine Musik besser kenne als er selbst. Zahl- nicht ein eigenes Ensemble gründen? Förderer werden gesucht, Jurowski, Antonio Pappano und Yannick Nézet-Seguin, letzterer reiche Werke brachte er als Widmungsträger zur Uraufführung, so 10 Das Magazin Das Magazin 11
Wahre Kirchenmusik – überlebensgroß Das Freiburger Barockorchester und der RIAS Kammerchor unter der Leitung von René Jacobs War der späte Beethoven »nicht mehr ganz richtig im Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für Beethovens Kopf«? Das vermuteten viele seiner Zeitgenossen, un- Vorgehensweise bietet im abschließenden »Agnus Dei« ter ihnen ein Rezensent der »Missa solemnis«, die kurz der Abschnitt »Dona nobis pacem«. Selbst sein Kollege nach dem Tod des Komponisten im Druck erschien. Ignaz von Seyfried konnte sich nicht erklären, was darin Der Autor argwöhnte, »der Meister möge sich selbst »die wunderliche Trompeten-Fanfare, das eingemeng- wohl nicht verstanden – nicht mehr geistig stark ge- te Rezitativ, der fugierte, den Ideenfluss nur störende nug gewesen sein zur Konzeption und kunstgerechten Instrumentalsatz« oder »die dumpfen, unrhythmischen, Ausführung eines solchen Werkes.« Ein anderer Kritiker bizarren Pauken-Schläge im Grunde bedeuten sollen«. wurde konkreter, beklagte die »oftmaligen, doch wohl Dabei liegt die Antwort doch auf der Hand: Beethoven gar zu häufigen, unmotivierten Wechsel des Zeitma- notierte über der Passage die Worte »Bitte um innern ßes, der Ton- und Taktarten«, einen »Mangel an Einheit« und äußern Frieden«. Für ihn war äußerer Friede keine und eine »bloß rhapsodische Behandlungsweise«. Da- Selbstverständlichkeit, sondern musste erst gewonnen gegen hielt Beethoven selbst die 1823 abgeschlossene werden. Deshalb unterbricht dreimal eine Schlachten- Messe für sein »größtes Werk« und das »gelungenste musik die Friedensbitte: Man hört zunächst Kriegs- meiner Geistesprodukte«. Er hatte vor der eigentlichen trompeten, dann ein aberwitziges Orchester-Fugato Kompositionsarbeit, die fast vier Jahre währte, Sakral- (»Fuga« heißt auf lateinisch »Flucht«) und schließlich musik von der Gregorianik über Palestrina, Bach und noch den fernen Kanonendonner der Pauken. Die Stel- Händel bis zu Haydn studiert, musiktheoretische Trak- le macht deutlich, warum Beethoven mit seiner »Missa tate gelesen, sich mit den alten Kirchentonarten be- solemnis« die Hörer irritierte und bis heute irritiert: weil schäftigt und die aktuelle Debatte um das Wesen der er den altehrwürdigen liturgischen Text genauer las als »wahren Kirchenmusik« genau verfolgt. andere und ihn radikal ernst nahm. Um diese akribische Vorbereitung zu verstehen, muss Gleiches ist im Übrigen von den Beteiligten der bevor- man wissen, dass es sich beim römisch-katholischen stehenden Aufführung zu erwarten: vom Dirigenten »Ordinarium missae« wohl um den weltweit am häu- René Jacobs, der nicht umsonst Philologie und Gesang figsten vertonten Text handelt. Im Lauf der Jahrhun- studierte, bevor er über die sogenannte Alte Musik und derte waren zahllose Konventionen entstanden, die die historisch informierte Aufführungspraxis den Weg Beethoven beachten, abwandeln oder durch eigene auch zu Vokalwerken des 19. Jahrhunderts fand. Vom Lösungen ersetzen, aber nicht von vornherein ignorie- Freiburger Barockorchester, das sich in ganz ähnlicher ren konnte. Für ihn zählte jedes Wort, jedes hatte seine Weise ein breites Repertoire erschloss. Und natürlich Bedeutung, der musikalisch nachzugehen war. So ent- von einer hochkarätigen Solistenriege sowie einem der stand eine gleichsam überlebensgroße Messe, viel zu weltweit besten Vokalensembles, dem RIAS Kammer- schwierig und zu lang für den liturgischen Gebrauch. chor. Jürgen Ostmann Doch auch das Publikum der Konzertsäle fühlte sich durch Beethovens Detailversessenheit und Ausdrucks- wut, seine eigenartige Mischung aus Strenge und Frei- Konzerttermin Sonntag 28.04.2019 20:00 heit im Umgang mit dem liturgischen Text überwältigt Johanna Winkel Sopran und überfordert. Sophie Harmsen Alt Sebastian Kohlhepp Tenor Johannes Weisser Bass RIAS Kammerchor Freiburger Barockorchester René Jacobs Dirigent Ludwig van Beethoven Missa solemnis D-Dur op. 123 für Soli, Chor, Orchester und Orgel René Jacobs Das Magazin 13
Anouar Brahem »Blue Maqams« Das Projekt schlägt mit westlicher und orientalischer Improvisationskultur eine Brücke in die Zukunft In Zeiten globaler Schollenverschiebungen, Völ- In dem Projekt »Blue Maqams«, bei dem ursprüng- kerwanderungen und gesellschaftlicher Erschütte- lich Jack DeJohnette Schlagzeug spielte, kommen ja rungen bedarf die Welt beherzter Architekten, die nicht nur Musiker von drei Kontinenten mit variieren- zwischen scheinbar unvereinbaren Ufern Brücken den persönlichen Erfahrungshintergründen zusam- bauen. Der tunesische Oud-Spieler Anouar Brahem men, sondern auch verschiedene Traditionen, die in hat seit jeher belastbare Viadukte zwischen Konti- den Instrumenten selbst stecken. Die arabische Musik nenten, Traditionen und Kulturen gebaut. Gemein- ist viel älter als der Jazz, und die Oud blickt auf we- sam mit Pianist Django Bates, Bassist Dave Holland sentlich mehr Jahrhunderte zurück als Kontrabass, und Schlagzeuger Nasheet Waits, also einem Briten, Klavier und Schlagzeug zusammen. Anouar Brahem einem britischen Amerikaner und einem Amerikaner hat das Gedächtnis seines Instruments verinnerlicht, hat der Nordafrikaner mit seinem Projekt »Blue Ma- was seinen Dialog mit den ungleich jüngeren west- qams« ein Gleichnis aus Poesie und Menschlichkeit lichen Instrumenten umso spannender macht. »Das geschaffen. ist ja selbst für mich ein Mysterium«, gesteht Brahem ein. »Ich war ja niemals ein Jazzmusiker, aber Jazz Das Konkrete und das Abstrakte liegen oft nah bei- hat mich von Anfang an fasziniert. Für mich gehörten einander. Der Weg, auf dem aus einem abstrakten Jazzmusiker einer anderen Kultur an. Als ich zu kom- Bedürfnis eine konkrete Idee wird, ist bei Brahem ponieren begann, erkannte ich erstaunt, dass ich für jedoch immer gleich. »Wenn ich komponiere, lasse meine Musik mit Jazzmusikern arbeiten musste. Das ich die Ideen zunächst einmal kommen, ohne über war keine bewusste Entscheidung, sondern ich hörte Form oder Instrumentierung nachzudenken. Ich ver- es in meiner Musik. Aber ich konnte mich mit die- suche, innere Freiheit zu erlangen. Diesmal bestand sem Gedanken und dem damit verbundenen Risiko die Grundidee darin, das Klavier einzubeziehen. Ich schnell anfreunden.« bin kein Pianist, aber ab und an sehne ich mich nach einem anderen Sound als dem der Oud. Als das Ma- Der Unterschied zwischen den 1970er Jahren, in de- Konzerttermin terial sich verdichtete, kam die Idee hinzu, dass ich nen sich Anouar Brahem mit Jazz sozialisierte, und Samstag 23.03.2019 20:00 auch einen Bass und Schlagzeug benutzen könnte. der heutigen Zeit mag darin bestehen, dass es da- Anouar Brahem – »Blue Maqams« Ganz langsam entwickelte sich das Eine aus dem an- mals wichtig war, woher man kommt, und heute Anouar Brahem Ûd deren, und ich begann, nach den besten Spielern für drauf ankommt, wohin man geht. Nebeneffekte der Dave Holland doublebass Django Bates piano meine Musik zu suchen.« Migration. Auf dem Weg von Nordafrika nach Europa Nasheet Waits drums verlieren jedes Jahr Tausende ihr Leben. Für Anou- Anouar Brahem hat die integrative Kraft, aus den vier ar Brahem ist seine Musik ein bewusster Beitrag der Individualisten eine komplexe Einheit zu schaffen, die Musik, um der globalisierten Trägheit ein Schnipp- mit unterschiedlich beschaffenen Saiten bespannt chen zu schlagen. ist. Selbst das Schlagzeug scheint in diesem Kontext Wolf Kampmann zu einem ganz sanften Zupfinstrument zu werden. Eine der wesentlichen Eigenschaften eines Musikers ist für ihn die Kapazität des Zuhörens. Interaktion, so Brahem, entstehe durch gemeinsame Resonanz. 14 Das Magazin Das Magazin 15
Wie gelangt man von Richard Wagner zu Dmitrij Schostakowitsch? NEU! Vom Trauermarsch aus der »Götterdämmerung« zum Triumphmarsch auf den Sozialismus, mit dem Schostakowitsch im Finalsatz seiner 5. Das Piano-Center jetzt im Sinfonie einen eigentlichen Todesmarsch getarnt haben wollte, als Re- aktion auf die Große Stalinistische Säuberung in der jungen Sowjet- MUSIC STORE in Köln-Kalk! union der 1930er Jahre? Um zwei derart entfernte Programmpunkte zu verbinden, braucht es schon einen tragfähigen Übergang, und der kündigt sich bei Wolfgang Rihms brandneuer Komposition bereits im Titel an. Mit »Transitus III«, dem Mittelteil im Konzert der Münchner Philharmoniker unter ihrem Ab sofort finden Sie unsere riesige Auswahl an Flügeln und Chefdirigenten Valery Gergiev, setzt Rihm eine kleine Reihe von Or- Klavieren im MUSIC STORE Hauptgeschäft in Köln-Kalk! chesterstücken fort, die er 2012 begonnen hat. Der Übergang, das viel- fach unbeachtete Zwischen- und Durchgangsstadium, wird hier zum YAMAHA B1E PE Piano mit hervorragender Yamaha Qua- zentralen Thema, auch das kommt durch die prominente Stellung im lität und einer ausgezeichneten Perfor- 3.190,- mance. 109 cm, schwarz poliert. Programm noch einmal zusätzlich zum Ausdruck Und ist damit nicht PIA0000776-000 zugleich ein kennzeichnendes Merkmal der Musik definiert? Musik als Kunst in der Zeit kennt keinen stationären Zustand, kein Ankommen, Günstig ab 61,29 € mtl. finanzieren! kein Innehalten. Als Konsequenz daraus schwebt Rihm das Ideal einer Sprechen Sie uns an! »musique fleuve« vor, einer Musik, die aus sich selbst entsteht, »sich Yamaha B1e SC2 PE Silent-System 5.190,- PIA0002325-000 von selbst ergibt«, wie er einmal zu Transitus I vermerkte. »Eines wächst aus dem anderen, alle Ereignisse führen weiter in jene Unabschließ- barkeit, die das Grundrauschen jeder Musik ist.« YAMAHA GB 1 K Der schöne GB1 mit dem außergewöhnlichen Design-Konzept der begehrten Yamaha C-Serie erzeugt einen super Klang Die Bedeutung des Übergangs wird dort am deutlichsten, wo man ihn über den gesamten Dynamikbereich. 9.490,- Schwarz poliert, 151cm, 3 Pedale. schmerzlich vermisst. So mag es Schostakowitsch vor der Arbeit an PIA0002124-000 seiner 5. Sinfonie ergangen sein. Die offizielle Wertschätzung des noch jungen, außerordentlich talentierten und produktiven Komponisten fand ein Jahr zuvor ein jähes Ende. Seine Oper »Lady Macbeth von YAMAHA GB1K SC2 PE SILENT-SYSTEM Schwarz poliert, 151cm. 13.690,- Mzensk« hatte in den zwei Jahren seit der Uraufführung große Erfol- PIA0002325-000 ge gefeiert. Doch nach einem Besuch Stalins wollte ein Rezensent der Prawda, dem bestimmenden Staats- und Parteiorgan, darin »Chaos statt Musik« gehört haben, ein Urteil, das seinerzeit nahezu zwangs- Von der läufig von einem Berufsverbot, vielleicht sogar der Verbannung gefolgt war. Den kaum 30-jährigen Schostakowitsch muss diese Kritik ohne Vorwarnung getroffen haben. Er hatte, wie viele andere Künstler, mit BÖSENDORFER PIANINO 130 Viele sagen ihm den Klang eines Flügels der gesellschaftlichen Revolution die Aussicht auf experimentelle Frei- nach, manche sehen in ihm das beste Piano 41.050,- Gleichzeitigkeit heit in der Kunst verbunden, sah sich aber im real etablierten Sowjet- der Welt: das Bösendorfer Modell 130 CL. PIA0000030-000 staat zum linientreuen, grundkonservativen Sozialistischen Realismus zwangsverpflichtet. Mit der 5. Sinfonie gelingt ihm dann die kaum für möglich gehaltene Rehabilitation, wenn auch um den Preis einer politi- schen Vereinnahmung. Als »schöpferische Antwort eines Sowjetkünst- des Unvereinbaren lers auf gerechte Kritik« wurde das Werk von der Propaganda gefeiert und brachte Schostakowitsch unter Regiekritikern den langlebigen SCHIMMEL Vorwurf ein, sich allzu willfährig der Obrigkeit angedient zu haben. C 120 EM „Elegance Manhattan“120cm, 12.690,- schwarz poliert. Aber die staatlichen Zensoren hatten nicht genau hingehört. Der Tri- PIA0002241-000 umphgestus im eingangs erwähnten Finalsatz klingt pompös und Die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Valery Gergiev pathetisch, erfasst wie im Taumel alle Orchesterstimmen. Die Musik weist aber auch eine subversive Unterströmung auf. Die oberflächli- mit Schostakowitschs 5. Sinfonie che Begeisterung wird konterkariert, wirkt zunehmend gehetzt und er- zwungen, als sei sie mehr von Angst als von lebhafter Überzeugung Konzerttermin befeuert, womit der Komponist recht exakt seine prekäre Situation zur Zeit des Stalinismus zum Ausdruck brachte. Donnerstag 28.03.2019 20:00 Münchner Philharmoniker Valery Gergiev Dirigent Unter totalitären Verhältnissen muss sich ein tieferer Sinn in der Kunst Werke von Richard Wagner, Wolfgang Rihm und oft konträr zum äußeren Anschein behaupten. Vielleicht ist ja diese Dmitrij Schostakowitsch Gleichzeitigkeit des Unvereinbaren, die Ironie des Sowohl-als-auch Dieses Konzert wird live auf takt1.de übertragen. nichts anderes als die komprimierteste und radikalste Form des Über- Abonnentinnen und Abonnenten der KölnMusik erhalten exklusiv die Möglichkeit, diesen Livestream kostenlos zu verfolgen gangs. Ein Übergang im Augenblick. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit des Mietkaufs und einer (ein Gutschein-Code wird über den Abo-Serviceletter zugesandt). Valery Gergiev Manfred Müller individuellen Finanzierung. Wir würden uns freuen, Sie in unserem Hause begrüßen zu dürfen. Ihr Pianoteam im MUSIC STORE. 16 Das Magazin MUSIC STORE professional GmbH · Istanbulstr. 22-26 · 51103 Köln Tel: 0221 8884 3380 · www.musicstore.de · piano@musicstore.de · info@musicstore.de
Im Fokus Schillernde Fabel »Into the Little Hill« im Doppelkonzert mit dem Ensemble Modern und George Benjamin Es ist ein märchenhafter Auftakt, mit dem das Ensemble Modern und sein Dirigent George Benjamin das Programm ihres zweiteiligen Konzertauftritts in Köln eröffnen. »Into the Little Konzert für Hill«, Benjamins erste Opernkomposition, ba- siert auf der Geschichte des Rattenfängers von Hameln. Ähnlich wie die Kinder an der Weser den Flötentönen des berühmten Kammerjä- Kinder ab 10 gers werden die Konzertbesucher dem betö- renden Reiz in der Musik des Briten erliegen. Die beiden Gesangssolistinnen erzählen die Geschichte und verkörpern zugleich die han- delnden Figuren, die auch in einer rein kon- zertanten Aufführung plastisch werden vor der Sir George Benjamin Anu Komsi Junges Orchester aus Kolumbien lebendigen, tief gestaffelten Klangkulisse. Mit einer »Klaue im Samthandschuh« verglich der gestaltet das »Frühlingsopfer« Komponist seine Musik. Sie kommt weitge- Konzerttermine hend sachte daher, weist aber unterschwellig Der Gedanke der Überschreibung, der zeit- Klavier, dieser Inbegriff weltlich romantischer Virtuosenmusik, mit acht Igor Strawinskys »Le Sacre du printemps« hat bei seiner Urauffüh- Samstag 09.03.2019 17:00 durchgehend bedrohliche Züge auf. lichen Schichtung und konservierenden abgrundtiefen Streichern und einem Holzklotz konkurrieren muss? rung vor über 100 Jahren einen Skandal heraufbeschworen. Heute Anu Komsi Sopran Überlagerung führt zugleich ins Zentrum des ist es wohl das populärste Werk, wenn es darum geht, gerade jun- Helena Rasker Alt Auch der Abschluss des zweiten Konzerts am Abendprogramms hin zu vier der wichtigs- Und dann ist da natürlich ein Olivier Messiaen, mit seiner überwältigen- gen Menschen den Reichtum musikalischer Sprache zu vermitteln. Ensemble Modern späteren Abend mit einer weiteren Kompositi- ten und markantesten Vertreter einer George den Farbigkeit, seiner spirituellen Tiefe und seinen unschätzbaren Ver- Der kolumbianische Dirigent Andrés Orozco-Estrada, der in Köln zu- Sir George Benjamin Dirigent on Benjamins lässt sich metaphorisch ausdeu- Benjamin vorangegangenen Komponisten- diensten als Pädagoge. Messiaen war einer der wichtigsten Lehrer und letzt im November mit einem anderen jungen Orchester, dem Mahler George Benjamin Into the Little Hill ten. Der Titel »Palimpsests« ist ein eigentlich generation, Künstler, deren Einfluss weit über Förderer George Benjamins. Als der erst 15-jährige Brite Mitte der 1970er Chamber Orchestra zu erleben war, ist für die Vermittlung geradezu Lyrische Erzählung in zwei Teilen für Sopran, Alt und 15 Spieler – konzertante Aufführung in der Archäologie gebräuchlicher Begriff. Er ihr eigenes Werk und ihre persönliche Le- Jahre zur Ausbildung nach Paris übersiedelte, erkannte Messiaen so- prädestiniert. Wegen seiner überschäumenden Energie und seinem Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e.V. bezeichnet antike Schriftstücke, die in spä- bensspanne hinaus reicht. Was wäre die zeit- gleich dieses schon im jugendlichen Alter hoch entwickelte Talent. Mit starken Gestaltungswillen sorgte er für viele positive Kritikerstim- teren Zeiten mit neuen Texten überschrieben genössische Musik ohne einen György Ligeti, keinem Geringeren als Mozart soll er seinen jungen Studenten vergli- men. Für die Aufführung von Strawinskys Ballettmusik bringt er nun Samstag 09.03.2019 20:00 wurden. Aber die ältere Schicht ist nicht ganz der in so beispielloser und beispiellos vielfäl- chen haben. Und das war sicher nicht als oberflächliches Kompliment sein Orchester Filarmónica Joven de Colombia mit, das seit 2010 Ueli Wiget Klavier ausgelöscht. Die Inhalte lassen sich rekonstru- tiger Weise musikalische Komplexität auf eine gedacht. besteht und junge Talente im Alter von 16 bis 24 Jahren fördert. Die Ensemble Modern Sir George Benjamin Dirigent ieren, sind überhaupt erst durch die Wieder- sinnlich eingängige Form gebracht hat? Um Musikerinnen und Musiker werden die tänzerischen Elemente des Werke von Pierre Boulez, Olivier Messiaen, und Weiterverwertung des Trägermediums wie viel ärmer wäre in der zweiten Hälfte des Doch nicht nur im übertragenen Sinn sind die »Palimpsests« als Reve- »Frühlingsopfers« auf eine besondere Art und Weise umsetzen: Sie Galina Ustwolskaja, György Ligeti erhalten geblieben. Nach diesem Vorbild sind 20. Jahrhunderts der Diskurs um den weiteren renz Benjamins vor seiner Vorbild- und Lehrergeneration zu verstehen. folgen in einer Choreografie der Musik, huldigen ihren Instrumenten und George Benjamin die Orchesterstücke Benjamins angelegt. Eine Gang der Musikgeschichte verlaufen ohne den Ihre Uraufführung war Pierre Boulez anvertraut und das erste der Stücke und schrecken auch nicht davor zurück, diese zu Mittänzern zu ma- Kombirabatt für zwei Konzerte € 39,– Klangschicht wird von einer weiteren bedrängt scharfsinnigen Intellekt und den bezwingen- ihm persönlich zu seinem 75. Geburtstag gewidmet. chen. Nicht zuletzt Strawinsky hätte seine Freude daran gehabt! km Weitere Informationen siehe Seite 59 und überlagert. Dramatische Kontraste und den kompositorischen Esprit eines Pierre Bou- Manfred Müller wechselseitige Durchdringungen resultieren lez? Oder ohne den radikalen Purismus einer daraus und stellen an die Musiker höchste An- Galina Ustwolskaja? Ist der Zorn Gottes jemals Konzerttermin sprüche in Dynamik, Flexibilität und Transpa- urgewaltiger über die Menschheit hereinge- Sonntag 31.03.2019 17:00 Konzert für Kinder ab 10 renz. brochen als in ihrer Komposition Nr. 2, wo ein Filarmónica Joven de Colombia Andrés Orozco-Estrada Dirigent Igor Strawinsky Le Sacre du printemps 18 Das Magazin Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen
Konzerte 2019 Nicht März/April versäumen — Mittwoch I 13.3.2019 I 20 Uhr | Komponistenportrait Jan Müller-Wieland | Jan Philip Schulze, Klavier sowie Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes Werke von J. Müller-Wieland und L. v. Beethoven Wildes — Freitag I 29.3.2019 | 20 Uhr | Liederabende Anna-Lucia Richter, Sopran Michael Gees, Klavier Lieder von F. Schubert, G. Mahler, H. Wolf, R. Strauss u.a. Amerika — Freitag | 5.4.2019 | 20 Uhr | Aspekte: Jazz Marialy Pacheco, Klavier/Gesang Omar Sosa, Klavier/Gesang Duets — Kammermusiksaal Bonngasse 24-26 | 53111 Bonn Andrés Orozco-Estrada und Roberto Villazón www.beethoven.de lassen die Funken sprühen Rolando Villazón Vom Radio montierte er die Antenne ab und erfand so seinen eigenen beim Antrittskonzert mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Taktstock: Schon als Kind war Andrés Orozco-Estrada nach eigenem das ihn 2007 zum Chef ernannte. Der war er in seiner Jugend auch als Bekenntnis »ganz verrückt aufs Dirigieren«. Wenn er heute am Pult Fußballer, hütete das Tor und behielt als Kapitän gern den Überblick. steht, schwingt der 41-Jährige ein Stöckchen aus Fiberglas, das ab 20 JAHRE 2018/2019 und zu ins Publikum fliegt. »Ein gutes Zeichen; es bedeutet, dass ich Über den Tellerrand seines Fachs blickt auch Rolando Villazón, der nicht verspannt bin.« nicht nur als Sänger, sondern längst auch Opernregisseur und Autor FORUM ALTE MUSIK KÖLN sein Multitalent beweist. Und an diesem Abend mit dem kolumbiani- SONNTAGSKONZERTE 17 H Seine Leidenschaft jedenfalls überträgt sich auf Orchester und Publi- schen Team ein Garant dafür ist, dass der Funke Lateinamerikas ins kum. »Ein begnadeter Motivator« sei der Kolumbianer, urteilte jüngst Publikum überspringt. Das verspricht auch die Mischung aus Kompo- m+k e.V. ein Kritiker. Er strahle enorme Autorität aus, ohne ein Zuchtmeister zu sitionen von Astor Piazzolla, von Jimmy Lopéz, der das »Wilde Ame- 10.02.19 17H TRINITATISKIRCHE sein, beherrsche jedes Detail im Ablauf, ohne wie ein Kontrollfreak rika« beschwört (»América Salvaje«) und José Pablo Moncayo Garcia, cantus cölln Konzerttermin zu wirken. Dazu seine ansteckende Energie – da ist es kein Wunder, dessen schwungvoller »Huapango« 1941 zur inoffiziellen Nationalhym- LEITUNG: konrad junghänel Sonntag 31.03.2019 20:00 dass der Dirigent weltweit bei renommierten Ensembles gefragt ist, ne Mexikos avancierte. Mit dieser Mariachi-Musik ist der aus Mexiko- „ERSCHALLET, IHR LIEDER“ Rolando Villazón Tenor zum Beispiel beim Gürzenich-Orchester Köln, das ihn 2014 gern zum Stadt stammende Villazón ebenso innig vertraut wie mit Mozart oder KANTATEN VON JOHANN SEBASTIAN BACH Filarmónica Generalmusikdirektor gekürt hätte. Der Kandidat winkte zwar ab und Verdi, durch den er als Alfredo weltberühmt wurde: »La Traviata« an Joven de Colombia 24.03.19 17H MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST Andrés Orozco-Estrada ging nach Texas, um dort die Sinfoniker von Houston zu übernehmen, der Seite Anna Netrebkos 2005 in Salzburg war für den Tenor mit dem sequentia Dirigent parallel zum Hessischen Rundfunk-Sinfonieorchester. Doch kehrt er einschmeichelnden, farbenreichen Timbre Auftakt zu einer Weltkarri- LEITUNG: benjamin bagby Werke von immer wieder gern zu Gastspielen in die Domstadt zurück, nun mit ere. Eine Laufbahn, die ihn durch Krankheit und Stimmkrisen führte, „MONKS SINGING PAGANS“ Jimmy Lopéz, dem Jugendorchester seines Heimatlandes. Dort spricht die Filarmó- seine Musikalität aber weiter vertiefte. Den sieben spanischen Volks- MITTELALTERLICHE LIEDER VON HELDEN, Giuseppe Verdi, José Pablo Moncayo Gar- nica Joven de Colombia durch szenische Choreografien, Lichtdesign liedern von Manuel de Falla zum Beispiel, die Villazón in Köln singen GÖTTERN UND STARKEN FRAUEN cía, Astor Piazzolla und und innovative Vermittlungsprogramme auch ein junges Publikum an, wird, verleihe der 47-Jährige mit bittersüßem Klang einen »sanften 12.05.19 17H MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST Manuel de Falla das mit Klassik wenig vertraut ist. Zauber«, lobte jüngst ein Kritiker. »Jede Nuance wird bleistiftfein ab- andreas staier – HAMMERFLÜGEL Sonntag 31.03.2019 12:00 und 15:00 gebildet«. Seine Lust an der Kommunikation und sein mitreißendes „SCHUBERT – ZWEI LETZTE SONATEN“ Kochfabrik Ähnlich ging es auch dem Heranwachsenden Orozco-Estrada, der – Temperament machen den Sänger zum Entertainer, der sein Publikum FRANZ SCHUBERT, SONATEN A-DUR D959 UND B-DUR D960 Blickwechsel wie er sagt – »aus einer ganz normalen Familie in Medellín« stammt. spielend um den Finger wickelt. »Ich liebe es, ein Clown zu sein; das Musik und Kochkunst: Im Elternhaus wurde Folklore gehört, der Junge spielte Violine und macht uns frei«, bekannte Villazón, als er in Köln seinen zweiten Ro- 26.05.19 17H WDR-FUNKHAUS »Schätze Lateinamerikas«. trommelte. Kein Stipendium, kein Mentor oder Wettbewerb ebneten man »Lebenskünstler« vorstellte – mit viel Humor und Selbstironie. Da midori seiler – VIOLINE Siehe »Plus« auf Seite 59. ihm den Weg. Als Musikstudent wechselte er bald von Bogotá nach berichtete er auch, wie er auf Motivsuche Menschen in der U-Bahn concerto köln Wien, nahm viele Jobs an, um das Studium zu finanzieren. So ver- oder im Biergarten beobachtet. Nicht ausgeschlossen also, dass seine „VENEZIA – LONDON – VENEZIA“ CONCERTI VON VIVALDI, GEMINIANI U. A. kaufte er im Mozart-Kostüm Konzertkarten an Touristen. »Zu mei- Zuhörer aus dem Konzertsaal ihm demnächst im Café wiederbegeg- Andrés Orozco-Estrada nem ersten Weihnachten in Wien habe ich mir eine Taschenpartitur nen, wo der Geschichtenerzähler ihre Gespräche belauscht, um Stoff Einheitspreis je Konzert 20 EUR (ermäßigt 12 EUR ) mspering@hotmail.com von Mahlers erster Sinfonie gekauft und daraus gelernt. Die besitze für einen neuen Roman zu sammeln. Info und Tickets: 0221 552558 | www.forum-alte-musik-koeln.de ich heute noch«, erinnert sich Orozco-Estrada. Dieses Werk spielte er Annette Schroeder Das Magazin 21
Jasmin ToccataPersisch-barockes Cross-over mit dem Cembalisten Jean Rondeau Prachtvolle Akkord-Kaskaden, furiose Ar- peggien-Kunst sowie ein spektakulär fun- Schon lange ist man sich in der Alte-Mu- sik-Szene einig, dass der in Paris geborene Das Projekt »Jasmin Toccata« geht auf den in der Provence geborenen Percussionisten »Der 27-jährige kelndes Passagenwerk – all das hat einst, 27-Jährige ein Glücksfall, ein Ereignis ist. zurück. »Als ich zum ersten Mal mit einem Cembalist ist ein im 18. Jahrhundert, ein gewisser Joseph- Nicolas-Pancrace Royer für das Cembalo Doch der Gewinner des prestigeträchtigen Cembalo-Wettbewerbs in Brügge unter- Barockensemble spielte, fühlte ich mich in eine neue Welt katapultiert«, so Chemirani. Glücksfall.« aufgeboten. Irr- und wahnwitzig schwer ist scheidet sich nicht nur in Bezug auf seine »Ich war nicht nur von der unglaublichen diese Pièce daher auch zu spielen. Dies gilt bisweilen klangkulinarische Musizierkunst Wärme der Barockinstrumente fasziniert. nicht, so scheint’s, für Jean Rondeau. Mit von den meisten Kollegen. Optisch wirkt Mit ihrer Kunst der Verzierung erinnerte schmetterlingsgleicher Leichtigkeit lässt er mit seiner Wallemähne und mit seinem mich die Barockmusik an die Ornamentik er seine Hände über die beiden Cembalo- Rauschebart fast wie ein Aussteiger. Zu- in der orientalischen Musik. Diese beiden Manuale fliegen. Zwischendurch langt er dem ist er musikalisch nicht nur auf Bach musikalischen Traditionen miteinander zu richtig zu und macht sein zartbesaitetes abonniert. Der studierte Organist, Pianist, verschmelzen war denn auch die Wurzel Instrument zu einer wild donnernden Fu- Cembalist, Chordirigent und Jazzmusiker von Jasmin Toccata.« Mit Thomas Dunford rie. Schließlich, so Monsieur, darf man das ist etwa Mitglied der Band »Note Forget«, und Jean Rondeau konnte Chemirani zwei Cembalo auch mal »richtig rannehmen.« die bereits mit dem renommierten Preis Musiker begeistern, die keine Berührungs- Und dass Rondeau dies grandios gelingt, »Trophées du Sunside« des Pariser Jazz- ängste kennen. Nun öffnet das Trio seine wurde ihm gerade wieder offiziell bestätigt: Clubs dekoriert wurde. musikalische Schatzkiste mit Stücken von Für das Album »Vertigo« mit Werken fran- Chemirani sowie Noten von Henry Purcell zösischer Barockkomponisten à la Royer Seit 2017 ist Rondeau auf weltmusikali- und Girolamo Kapsberger, die allesamt wurde er 2018 mit dem OPUS KLASSIK in schen Pfaden unterwegs. »Jasmin Toccata« zur gemeinsamen Improvisation einladen. der Kategorie »Solistische Einspielung des lautet das Trio-Projekt. Mit zwei absoluten Spätestens wenn Chemirani mit seinen Jahres« ausgezeichnet. Top-Musikern feiert er die Gemeinsamkei- Schlägeln über die Saiten seiner Zither wir- ten zwischen der Barockmusik und der tra- belt, steht zweifelsfrei fest: Cembalo, Laute ditionellen persischen Musik. An der Laute und Santur sind aus dem demselben Holz ist der Franzose Thomas Dunford zu erle- geschnitzt. Guido Fischer ben, der seine längst weltweit auf Hochtou- ren laufende Karriere in William Christies Ensemble Les Arts Florissants begann. Sei- Konzerttermin Montag 01.04.2019 20:00 nen Ruf als »Eric Clapton der Laute« (BBC Keyvan Chemirani Zarb, Daf, Santur Music Magazine) hat er in zahlreichen Pro- Jean Rondeau Cembalo grammen mit u. a. Bobby McFerrin, Isabel- Thomas Dunford Theorbe und Laute le Faust und natürlich auch mit Kumpel Jasmin Toccata Rondeau untermauert. An der persischen Trommel Zarb sowie am orientalischen Hackbrett Santur gibt sich Keyvan Chemi- rani erneut in der Kölner Philharmonie die Ehre. Wie sich so mancher erinnern wird, hatte sich Chemirani 2017 mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras spannenden musi- kalischen Brückenschlägen gewidmet. Jean Rondeau 22 Das Magazin Das Magazin 23
Die Imhoff Stiftung fördert zehn Jahre lang ausgewählte Klavierkonzerte in der Kölner Philharmonie mit dem »Hans Imhoff Konzert«, dessen Namensgebung auf den Stifter und Klavierliebhaber zurückgeht. »Mein Vater liebte das Kla- vierspiel. Und ich liebte das Klavierspiel meines Vaters. Die Welt schien stillzuste- hen, wenn die Musik seine Emotionen spiegelte, die in jeden Winkel drangen. Diese Momente übten einen prägenden Einfluss auf meine Kindheit aus. Helge Schneider Mein Vater, Ehrenbürger der Stadt Köln, hat im Jahr 2000 die Imhoff Stiftung gegründet Ordnung und dort einen großen Teil Gern ein Botsc hafter … seines Vermögens einge- bracht. Sein Wille war, seiner Heimatstadt und den Men- schen, die dort leben, etwas Gutes zu tun. muss sein! In Gedenken an den Stifter und an dessen Liebe zum Klavierspiel hat die Imhoff Stiftung im Jahr 2017, damals unter dem Vorsitz meiner Mutter Gerburg Klara, ge- Behzod Abduraimov gibt sein Köln-Debüt meinsam mit Herrn Louwrens Langevoort die Idee zu der 10-jährigen Reihe ›Hans Karnevalsshow mit Helge Schneider Imhoff Konzerte‹ entwickelt. Die Imhoff Stiftung ist stolz, Schon als 4-jähriger Knirps steckte sich Helge Schneider ein Kissen dieses wunderbare Projekt zu unter den Schlafanzug und ging als dicker Mann mit Krückstock vor dem Wohnungsbauhaus seiner Siedlung spazieren, um Aufmerk- Auf die berühmte Frage, was er tun würde, wenn er ei- Studien fortsetzte. Kein Wunder, dass er in den USA mischer Verläufe einfach wunderbar. Das klingt nie zu pathetisch, samkeit zu erregen. Bis heute hat sich an seinem Zustand nichts nen Tag lang König sein dürfte, antwortete er einmal: inzwischen bekannter ist als in Europa. Die Wurzeln aber mit der Farbe wird nicht gespart.« Treffender kann man die zent- geändert. Er ist nur etwas faltiger geworden, kein Wunder, isst er ja »Allen Kindern klassische Musik nahebringen.« Eine zu seiner Heimat sind unterdessen geblieben. »Wann ralen Zutaten für packendes Klavierspiel kaum zusammenfassen. gerne auch mal Hummerersatzpaste oder geht zum Stall von Kartof- solche Idee wird wohl für immer Illusion bleiben, aber immer ich kann, fliege ich nach Usbekistan«, gesteht felsalat Dachlatte die 16., seinem Huhn, um mit ihm über das letzte sie verrät, wie Behzod Abduraimov tickt. Alles bei ihm er. Also ein musikalischer Botschafter seiner Heimat? Behzod Abduraimov fühlt sich im romantischen Repertoire pudel- von ihm selbst gemalte Bild von Caspar David Friedrich zu fachsim- dreht sich um Musik. So weit wie möglich, so tief wie »Das wäre ich gern, ja«. wohl, vor allem in der russischen Musik. Tschaikowsky, Prokofjew, peln. möglich. Rachmaninow, Mussorgsky, Schostakowitsch – das sind Komponis- Helge Schneider macht möglich, dass wir nicht nur lachen, sondern Noch gilt Behzod Abduraimov, der 2009 als 18-Jäh- ten, die ihm liegen, deren Botschaften er mit spielerischer Sicherheit dass sich unser Herz zu einem saftigen Steak weitet, wenn er uns Er spricht mit tiefer Stimme, sein Englisch wirkt manch- riger überraschend den Klavier-Wettbewerb »Lon- zu vermitteln weiß. Gerade bei Prokofjew gelingt es Abduraimov im- die Katze Orangutanklaus vorstellt samt ihrer rührenden Lebens- Susanne Imhoff mal ein wenig verschluckt. Umso deutlicher klingt don International« gewinnen konnte, hierzulande als mer wieder, Motorik und Herbheit, Präzision und Erzählfluss, Humor geschichte. Seit über 40 Jahren auf der Bühne zuhause hat Helge er, wenn er Töne sprechen lässt. Dann gewinnt sein Geheimtipp. Kein Wunder, der Mann ist noch keine und Strenge in eine gelungene Balance zu bringen. Schneider es zur ausgereiften Pflaume gebracht. Ausdruck eine eigene Plastizität, für alle verständlich, 30! Seine Auftritte im Rahmen der »Junge Wilde«- Lyrik, Poesie, Jazz, Kunst, Quatsch, all das bietet uns ein aus der Haut ermöglichen. Den jungen auch in großen Sälen. Seit seinem fünften Lebensjahr Konzerte in Dortmund haben ihn zumindest in NRW Als er einmal nach den beeindruckendsten Künstlern (außerhalb der gefahrener Endsechziger an seiner wimmernden Hammondorgel. Pianisten fühlen wir uns auf ganz besondere Weise ver- sitzt er am Klavier. Abduraimov stammt aus Taschkent stärker bekannt gemacht. Nun gastiert Abduraimov Musik) gefragt wurde, nannte er zwei Namen: den Maler Delacroix Mit Riesenschritten tritt der Künstler ins Rampenlicht des Lebens, bunden. in Usbekistan. »Dort haben wir eine großartige Schule erstmals in der Kölner Philharmonie. und den Schriftsteller Dante. Behzod Abduraimov blickt über den Tel- bist du dabei? Klar! Hier noch eine Zeitungskritik: »... und entwickelt Ich weiß, wenn ich dieses – und eine enge Verbindung zur russischen Musikaus- lerrand hinaus. Daher möchte er auf die berühmte einsame Insel auch plötzlichen Heißhunger, als ihm der Duft von gebratenen Würstchen Jahr am 11. März in der Kölner bildung. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Sein Spiel hat etwas Fesselndes, Perkussives. Das ver- unbedingt ein Tablet mitnehmen – mit vielen Partituren und mit vie- in die Nase steigt.« Philharmonie sitze und das Konservatorium im damaligen Leningrad evakuiert rät eine gewisse Geradlinigkeit. Denn halbe Sachen len Büchern … Christoph Vratz Klavierrecital von Behzod Abduraimov genießen darf, und nach Taschkent ausgelagert.« Eine Reihe von sind nicht seins. Als er Ende Januar bei einem Klavier- Konzerttermin bin ich meinem Vater beson- namhaften Musikern blieb anschließend in Taschkent, abend in München Liszts h-Moll-Sonate spielte, hieß Freitag 01.03.2019 20:00 ders nah.« Samstag 02.03.2019 20:00 weil es ihnen dort so gut gefiel. Das hat den Nährbo- es anschließend in der Presse: »Wie kräftig er sich der den für die Ausbildung der neuen Generationen be- Klaviatur entgegenneigt, schnauft und schnaubt, wie Konzerttermin Sonntag 03.03.2019 20:00 Ordnung muss sein! reitet. »Wir haben neben dem Konservatorium zwei dezidiert muskulär er spielt, dient gewiss nicht dem Montag 11.03.2019 20:00 Helge Schneider Showmaster besondere Musikschulen«, erzählt Abduraimov. Er körperlich heilsamen Spannungsabbau. Doch wirkt Hans Imhoff Konzert Henrik Freischlader Blues-Gitarre selbst war Schüler am staatlichen Uspenski-Musik- diese vollgriffige Herangehensweise bei Abduraimov Behzod Abduraimov Klavier Ira Coleman Kontrabass Susanne Imhoff, Peter »Petze« Thoms Beat und Jazz-Schlagzeug Vorstandsvorsitzende der gymnasium von Taschkent, bevor er am International authentisch. Sein Ton ist satt, die Interpretation in den Werke von Franz Liszt, Modest Mussorgsky und Sergej Prokofjew Carlos Boes Saxophon Imhoff Stiftung Center for Music at Park University, Kansas City, seine Effekten energisch, die sukzessive Gestaltung dyna- 19:00 Einführung in das Konzert durch Christoph Vratz Sergeij Gleithmann Body-Dance 24 Das Magazin Das Magazin 25
Sie können auch lesen