Persistente Organische Schadstoffe in Muttermilch - ein Risiko für den Säugling?
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Persistente Organische Schadstoffe in Muttermilch – ein Risiko für den Säugling? Markus Zennegg Empa, Abteilung Advanced Analytical Technologies 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 1 Tausende organische Chemikalien Mehrere zehntausend organische chemische Substanzen werden produziert und in verschiedenen Anwendungen (z.B. Konsumgüter) eingesetzt Etwa 4‘600 von >100'000 organischen Chemikalien werden in Mengen von mehr als 1'000 t/a produziert (HPVC = High Production Volume Chemicals, OECD 2007) Die Risikobewertung dieser Chemikalien ist schwer durchführbar Die Freisetzung vieler Substanzen während ihrem Gebrauch und Recycling ist nur unzureichend untersucht 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 2
Schadstoffe – eine lange und fast endlose Liste Schwermetalle (As, Cr, Cd, Cu, Ni, Zn, Hg etc.) Dioxine (PCDD/Fs) Polyhalogenierte Dibenzodioxine bzw. Dibenzofurane Polychlorierten Biphenyle (PCBs) Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) Chlorierte Flammschutzmittel (CFRs) Bromierte Flammschutzmittel (BFRs) Organophosphor Flammschutzmittel (PFRs) Perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs) Chlorierte Paraffine (CPs) Pestizide (Insektizide, Fungizide, Herbizide) Weichmacher (Phthalate, Adipate und Ersatzprodukte) Zinnorganiche Verbindungen (TBT, Antifouling v.a. Schiffsanstrichen) Holzschutzmittel (z.B. Pentachlorphenol CH Verbot seit 1989) Kunststoffe und Kunststoffadditive (Mikroplastik und Makroplastik) Pharmazeutika (Hormone, Entzündungshemmer, Röntgenkontrastmittel) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn UNEP 2019, 700 Seiten 3 Stockholm Konvention über persistente organische Schadstoffe (POPs) Das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe ist ein globaler Vertrag zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor Chemikalien, die über lange Zeiträume in der Umwelt verbleiben, geografisch weit verbreitet sind, sich im Fettgewebe von Menschen und Wildtieren anreichern und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben POP Charakteristika: Persistent Ubiquitär Bioakkumulierend Toxisch Konvention wurde 22. Mai 2001 angenommen und trat am Long Range Atmospheric Transport 17. Mai 2004 in Kraft. Anzahl Parteien 184. http://chm.pops.int/Home/tabid/2121/Default.aspx 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 4
Ziele der Stockholm Konvention Einstellung der Produktion, der Verwendung, des Handels, der Freisetzung und der Lagerung von verbotenen POPs Erstellung eines POP‐Inventars (Bestände, kontaminierte Standorte, kontaminierte Materialien usw.) Umweltverträgliche Bewirtschaftung des oben genannten Inventars Einsatz der besten Technologien zur Vernichtung der POPs Verringerung der unbeabsichtigten Freisetzung von POP aus anthropogenen Quellen wie Verbrennung, Verbrennung von Siedlungsabfällen (MWI), offene Verbrennung usw. Schrittweise Einführung der besten verfügbaren Techniken (BAT) und der besten Umweltpraktiken (BEP) Weltweite Ziele des PCB Elimination Network (PEN) 2015 2025 2028 2010 100 Jahre PCB Bestandsaufnahmen PCB haltige Geräte Umweltfreundlich PCB Inventare abgeschlossen aus dem Verkehr Entsorgt Geschichte 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 5 Die ursprünglichen 12 POPs – ein altes Erbe http://chm.pops.int/Home/tabid/2121/Default.aspx 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 6
Hochchlorierte Pestizide Cl Cl Cl CH3 Cl Cl Cl6-9 CH3 Cl Cl Cl CH2 Heptachlor Chlordan Chlorden Mirex Toxaphen Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl Cl O Aldrin Dieldrin Endrin Hexachlorbenzol 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 7 DDT und sein Fingerabdruck Sehr effektives Insektizid 1 ng/g Fliege (10‐9 g/g = 10‐12 g/mg ) Cl Cl Cl Geringe akute Toxizität bei Mensch und Säugern DDT Metabolit p,p’‐DDE reduzierte Ca‐Aufnahme bei Vögeln dünnere Schalen weniger Schlupf Populationen brechen Cl p,p'-DDT Cl H2 ein Stummer Frühling -HCl HCl Aufstieg von Umweltbewegungen und Umweltchemie H Gründung der US Umweltbehörde (EPA) Cl Cl Cl Cl Abbau von DDT 1970er Jahre Verbot von DDT und weiteren Pestiziden in industrialisierten Ländern Weltproduktion ca. 2’000’000 t (Vgl. PCB) Cl p,p'-DDE Cl Cl p,p'-DDD Cl Heute: ca. 6’000 t/a zur Malariabekämpfung eingesetzt Hauptabbauprodukt -HCl Cl H Heute noch ein prominenter POP in Muttermilch Cl Cl Rachel Carson 1907‐1964 p,p'-DDMU 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 8
PCB und «Dioxine» zwei POPs Industrie‐Chemikalie • Unbeabsichtigt hergestellte Chemikalie Produziert von • Nebenprodukt der Verbrennung (KVA, Brand) 1929 – 1993 • Nebenprodukt von chlorierten Chemikalien • z.B. Chlorphenole, Insektizide (HCH, Lindan) 3' 2' 2 3 • Herbizide (Agent Orange, 2,4,5‐T und 2,4‐D) 4' 4 9 1 9 1 O 8 2 Cly Clx 8 2 5' 6' 6 5 7 3 7 3 PCB O O Cly 6 4 Clx Cly 6 4 Clx Polychlorierte Biphenyle x + y = 1 bis 10 PCDD PCDF 209 Kongenere Polychlorierte Polychlorierte Dibenzo-p-dioxine Dibenzofurane x + y = 1 bis 8 x + y = 1 bis 8 6 Indikator PCB 75 Kongenere 135 Kongenere (i‐PCB oder non‐dioxine‐like PCB) 12 dioxin‐like PCB (dl‐PCB) 17 Kongenere mit problematischer 2,3,7,8‐substitution 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 9 Neue Stockholm Konvention POPs 16 neue POP alles halogenierte Verbindungen (Brom, Chlor, Fluor) http://chm.pops.int/Home/tabid/2121/Default.aspx 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 10
Wie viele POP sind zu erwarten? ETH Studie von 2012 untersuchte (QSAR) 93'144 Chemikalien auf die vier Kriterien: Persistenz / Bioakkumulation / Toxizität / LRAT‐Potenzial 510 Chemikalien überschritten alle 4 Kriterien potenzielle POPs 98% waren halogenierte Chemikalien Zehn Stoffe sind HPV‐Chemikalien 249 in der EU vorregistriert (REACH) Untere und obere Grenze nach Anwendung von Unsicherheiten 190 – 1'200 Chemikalien Scheringer et al. 2012. Atmospheric Pollution Research 3:383 ‐ 391 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 11 (After Wania & MacKay, 1996; UNEP 2011) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 12
Weber R. et al. (2018) ESPR 25:16325 – 16343 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 13 PCB‐Quellen und Expositionswege 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 14
KVA Emission 1970er – 1990er Jahre ca. >10 ng TEQ/m3 Abgas Heute ca. 0.01 – 0.1 ng TEQ/m3 Abgas Grenzwert LRV 0.1 ng/m3 Abgas Anfahrprozesse eine KVA können problematisch sein Sonntagszeitung 22. August 2021 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 15 PCB: Diffuse und Punktquellen 1 Stadt Zürich emittiert ca. 40 kg PCB pro Jahr Deponie La Pila FR (20 Tonnen PCB) Ein Gastank mit PCB‐haltigem Korrosionsschutz Ein PCB‐Gebäudekomplex 100 – 200 g pro Jahr Metall‐Recycling / Shreddern (Resh) Elektro‐ und Elektronikabfall «E‐Waste» (Kondensatoren) Kompost und Klärschlamm Überschwemmungen Remobilisation kontaminierter Sedimente und Eintrag auf Kulturflächen Korrodierter Kondensator (la Pila) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 16
PCB: Diffuse und Punktquellen 2 Stall mit Wandfarben zum Teil 45 Jahre alt mit PCB Gehalten von 3 bis 16% PULStip Oktober 2000 Zennegg et al. (2004) Organohalogen Compounds Kohler et al. (2005) ES&T Fugendichtungsmasse mit bis 30% PCB 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 17 Hauptaufnahmeweg Dioxine und PCB Empfehlungen der EFSA (2018): Tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI) von 14 pg TEQ/kg KG auf 2 pg TEQ/kg KG zu senken Tägliche Gesamtaufnahme der Schweizer Bevölkerung: 1.75 pg TEQ/kg KG/Tag (WHO: 1 pg TEQ/kg KG/Tag) Reduktion um Faktor 7! 1 pg = 0.000’000’000’001 g (1 billionstel von einem Gramm) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 18
Innenraum und Materialien können eine Rolle spielen Flammschutzmittel in Materialien PBDEs in human blood 50 serum concentration [ng/g lipid] Polybromierte Diphenylether (PBDEs) 40 30 20 10 0 Food - predicted Indoor exposure - Observed predicted Lorber et al., 2008; Sjödin et al., 2008 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 19 Muttermilch im Schadstoff‐Monitoring Muttermilch als fettreiche Matrix gut geeignet für Untersuchung lipophiler Schadstoffe Monitoring der humanen Belastung Beste Matrix POPs sind gut extrahierbar Nichtinvasive Probenahme (Vgl. Blut/Serum) POP Konzentration im Milchfett und Blutfett meist ziemlich ähnlich Körperbelastung (Body Burden) Aufzeigen von zeitlichen Trends retrospektive als auch prospektive Abschätzung Internationale Vergleiche von Trends Länder mit spezifischen Kontaminationsquellen Lösungsansätze zur Reduktion von POP‐Quellen Identifikation von neuen bioakkumulierenden Schadstoffen Aufnahme in POP‐Konvention Nutzen – Risikoabschätzung für das gestillte Kind 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 20
Voraussetzung zur WHO‐Studienteilnahme Pro Land mind. 50 Proben pro 50 Mio. Einwohner Mutter ist erstgebärend Unter 30 Jahre alt In der Schweiz geboren und seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz wohnhaft Mutter und Kind bei guter Gesundheit (nicht HIV positiv) Normale unproblematische Schwangerschaft Keine Zwillinge Milchsammlung 3 – 8 Wochen nach Geburt Swissmom.ch Nicht allzu variables Probenmaterial einigermassen normiert Bessere Vergleichbarkeit mit älteren Studien 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 21 Probenvorbereitung und Analysen Insel Spital Bern n= 3 54 Proben von 5 Spitälern (Ziel waren 100 Proben): Alter zwischen 21.1 und 30.8 Jahre (Durchschnitt 27.2) Spitalzentrum in Biel n = 10 Probensammlung zwischen 3. und 6. Woche post Partum Kantonsspital Fribourg n= 2 Spital in Morges n = 20 Universitätsspital in Basel n = 19 Fettextraktion Einzelproben Spike 13C12 Interne Standards 50 x 50 ml Probenaufreinigung 50 x 40 ml Quantitative Bestimmung mit Pool 50 x 10 ml Analyse hochauflösender GC-MS Einzelproben (Q-Exactive Orbitrap) Pool für EU- 50 ml Referenzlabor Lab. Analyse POPs 450 ml 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn (Thermo Scientific) 22
DDT und HCB – 5. WHO/UNEP Study 2008 – 2009 Summe DDTs und Metaboliten Hexachlorbenzol Verglichen mit DDTs sind die Konzentrationen der anderen POP Pestizide generell gering Malisch et al. Organohalogen Compounds 2010; 72:1766‐1769 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 23 DDTs/DDEs Gehalte 2000 – 2010 Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 24
Dioxine – 4./5. WHO/UNEP Studie 2008 – 2009 2002 – 2009 Dioxine WHO‐TEQ Rückgang um 55% Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 25 PCB – 4./5. WHO/UNEP Studie 2008 – 2009 2002 – 2009 PCB WHO‐TEQ Rückgang um 40% Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 26
Indikator PCB – 4./5. WHO/UNEP Studie 2008 – 2009 Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 27 WHO‐TEQ Dioxine und dl‐PCB 2000 – 2010 Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 28
Lipophile Fremdstoffe in Muttermilch 2008/9 vs. 2002 Polymer Weichmacher Duftstoffe DEHP (Phthalat) Polyzyklische Moschusverbindungen: Celestolide® UV‐Filter Crysolide® Octocrylen Phantolide® 4‐MBC Astralide® Fixolide® Tonalide® Bakterizid Abalide® Triclosan Galaxolide® Nitromoschusverbindungen Moschus Ambrette Bromierte Flammhemmer Moschus Keton HBCD, BTBPE, PBDE Moschus Mosken Moschus Xylol Empa Prüfbericht (2010) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 29 Zeitliche Entwicklung einiger POPs 1970 – 2002 Schmid et al. (2006) Organohalogen Compounds, 68, 1647 - 1648 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 30
Zeitliche Entwicklung Dioxine TEQ (TEF 2005) Muttermilch Niedersachsen 1986 – 2016 (n=16 – 170) ohne dioxin‐ähnliche PCB LAVES Tätigkeitsbericht 2016 Abraham et al. 2018 Bundesgesundheitsblatt 08/2018 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 31 Zeitliche Entwicklung Muttermilch + Kuhmilch Muttermilch Deutschland 1986 – 2009 Kuhmilch CH/D 1980 – 2005 3 600 Switzerland cow's Milk ohne dioxin‐ähnliche PCB 2.5 Germany cow's Milk Switzerland estimated emissions 500 PCDD/F in milk fat [ng I-TEQ/kg] Total emission [g I-TEQ/a] 2 400 1.5 300 1 200 0.5 100 0 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Year BfR Information 011/2011 Schmid et al. (2003) Chemosphere, 53, 129 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 32
Dioxin und PCB Abnahme in Schweden 1972 – 2011 Fang et al. (2013) Env. Int. 60, 224 Sehr schöner Rückgang 1972 ‐ 2011 Gehalte toxischer PCDD und PCDF klar unter 1 pg/g Fett PCB mit etwas höheren Werten Sensitive Analytik ist gefordert 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 33 Zeitliche Entwicklung Muttermilch 2002 – 2009 (CH) Dioxine (PCDD/F) WHO‐TEQ2005 Dioxin‐ähnliche PCB (dl‐PCB) WHO‐TEQ2005 14 13.3 14 12 12 Summe WHO‐TEQ 2005 pg/g lipid Sum WHO‐TEQ 2005 pg/g lipid 10 10 8.73 8 8 6 6 5.03 4.83 3.61 4 3.19 3.23 4 3.17 2.90 2.92 2 2 0 0 2002 Empa 2009 EURL 2017 EURL Empa 2017 pool Empa 2017 2002 Empa 2009 EURL Pool 2017 EURL Pool 2017 Empa Pool 2017 Empa Mittelwert Mittelwert Gute Übereinstimmung zwischen EU‐Referenzlabor und Empa (2017) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 34
Wie lange dauert es bis die Werte um 50% sinken 16 250 Dioxine Indikator PCB dl‐PCB 14 PCDD/F WHO‐TEQ Sum i‐PCB Dl‐PCB WHO‐TEQ y = 12.2283e‐0.1022x y = 181.5298e‐0.1016x y = 8.4877e‐0.0724x 200 12 R² = 0.9584 R² = 0.9787 R² = 0.9908 PCDD/F WHO‐TEQ pg/g lipid t 1/2 = 6.78 years t 1/2 = 6.82 years t 1/2 = 9.57 years Sum i‐PCB ng/g lipid 10 150 8 100 6 4 50 BfR Daten Deutschland Dioxine: 2 t ½ 6.7 Jahre 2002 – 2009 0 0 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Year 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 35 PCDD/F und PCB – Umwelttrends Zeitliche Trends in Sedimenten (Greifensee) Weltweit geschätzte PCB Produktion in kt/Jahr 1972 CH‐Verbot PCB offene Anwendung 1986 CH‐Totalverbot K. Breivik et al. (2002) The Science of the Total Environment Zennegg et al. Chemosphere 67 (2007) 1754‐1761 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 36
Verhältnis Dioxine im Blut – Kind zu Mutter Bestimmung der Dioxine im Blut des Kindes und der Mutter nach 11 Monaten 80 lange gestillte und 5 kurz gestillte Kinder Abraham et al. 2018 Bundesgesundheitsblatt 08/2018 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 37 2,3,7,8‐TCDD in gestillten und ungestillten Kindern Kurven: Modellierte Daten Total‐PCB im Serum µg/L Stillstauts und Alter Kreis: Fettgewebe 0.45 Dreieck: Blut 0.40 0.35 0.30 Achsentitel 0.25 Annäherung nach ca. 15 Jahren 0.20 gestillt 0.15 nicht gestillt 0.10 0.05 0.00 3‐6 7 ‐ 10 11 ‐ 14 15 ‐ 17 Achsentitel Unterlagen Vortrag Andreas Gies UBA Berlin 2008 Kreuzer et al. (1997) Arch Toxicol 71, 383 – 400 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 38
Weitere POP in Muttermilch 2016/17 (CH) 100.00 50 Trotz Verboten und Restriktionen seit den 1970er Jahren sind p,p’‐DDE 36 Hauptabbaustoff (Metabolit) von p,p’‐DDT sowie i‐PCB immer noch in deutlichen Konzentrationen vorhanden 11 Median Konzentrationen in ng/g Fett 10.00 6.7 4.4 1.8 1.6 1.6 1.5 1.1 Die meisten POP Pestizide und PBDE klar unter 1 ng/g Fett 1.00 Oxychlordan p,p'-DDE p,p'-DDT DecaBDE Endrin p,p'-DDD HCB PeCB Mirex/Kepone cis-Chlordan Dicofol HBB trans-Chlordan Triclosan trans-Nonachlor cis-Nonachlor Dieldrin cis-Heptachlorepoxyd PentaBDE o,p'-DDT OctaBDE o,p'-DDE Aldrin o,p'-DDD Heptachlor i-PCB β-HCH β-Endosulfan γ-HCH δ-HCH α-Endosulfan α-HCH 0.10 0.069 0.045 0.029 0.01 0.015 0.013 Zennegg et al. 2019 Poster Präsentation SCS Fall Meeting 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 39 Verteilung der DDT in den Proben 2016/2017 1600 Metabolit p,p’‐DDE: 1400 Median 50 ng/g Fett Mittelwert 100 ng/g Fett umgebungsbedingt? Zwei Proben >1000 ng/g Fett 1200 1000 Summe DDTs ng/g Fett auch erhöhte ß‐HCH Werte p,p'‐DDT o,p'‐DDT 800 p,p'‐DDE o,p'‐DDE p,p'‐DDD 600 o,p'‐DDD 400 Empa Bericht 2018 abrufbar auf BAFU Homepage 200 https://www.bafu.admin.ch/bafu/ de/home/themen/chemikalien/pu blikationen‐studien/studien.html 0 Blindwert 1.01 1.02 1.03 2.01 2.02 2.03 2.04 2.05 2.06 2.07 2.08 2.09 2.10 3.01 3.02 4.01 4.02 4.03 4.04 4.05 4.06 4.07 4.08 4.09 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15 4.16 4.17 4.18 4.19 4.20 9.01 9.02 9.03 9.04 9.05 9.06 9.07 9.08 9.09 9.10 9.11 9.12 9.13 9.14 9.15 9.19 9.20 9.21 9.22 Poolprobe 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 40
Chlorierte Paraffine im Vergleich zu PCB CPs: Produktionsvolumen ca. 1.1 Mio Tonnen pro Jahr PCBs: 1929 – 1993 ca. 1.5 Mio Tonnen total SCCP C10 – C13 AFR Afrika ASI Asien MCCP C14 – C17 CAM Central Amerika LCCP >C17 Krätschmer et al. (2021/08) Env. Health Persp. EUR Europa OCE Australien und Ozeanien SAM Südamerika Tausende Isomere SCCP CH: 25 ng/g (iPCB 39 ng/g ≠ ΣPCB) 18 – 46% des Totalgehaltes an POP in Muttermilch stammt von CPs 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 41 Unterschiedliche Sicherheits‐Standards (TDI, RfD, MRL) Umrechnung auf der Basis von 125 g Milch/kg KG Tag Van den Berg et al. (2017) Arch. Toxicol. 91, 83-96 und 3.5% Fettgehalt (4.375 g Fett/kg KG Tag) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 42
Wievielmal überschreitet die Milch die Safety‐Standards? CH 2016/2017: 6.4 pg TEQ/g Fett 7x – 32x überschritten 2018 Senkung des TWI um Faktor 7 Senkung von 14 pg TEQ/kg KG Woche auf 2 pg TEQ/kg KG Woche 0.29 pg TEQ/kg KG Tag Äquivalent in der Milch: 0.066 pg TEQ/g Fett rund 100x überschritten Bei 150 g Milch/kg KG Tag und 4.4% Fettgehalt (CH Mittelwert) 6.6 g Fett/kg KG Tag Äquivalent in der Milch: 0.044 pg TEQ/g Fett rund 150x überschritten 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 43 Klare Vorteile des Stillens Nutzen für das Kind Nutzen für die Mutter Optimale Ernährung Starke Bindung zum Kind Starke Bindung zur Mutter Schneller Rückkehr zu Gewicht vor Geburt Sichere Milch Schnelleres Schrumpfen der Gebärmutter Gestärktes Immunsystem Reduzierte postpartum Blutungen Reduziertes Risiko für akute Mittelohrenentzündung, Schnelleres Einstellen des Menstruationszyklus Gastroenteritis, untere Atemwegsinfekte und Asthma Reduziertes Risiko für chronische Erkrankungen z.B. Schutz gegen Allergien und Unverträglichkeiten Brustkrebs, Eierstockkrebs, Diabetes Korrekte Entwicklung des Gebisses und der Zähne Höhere Knochendichte, weniger Hüftfrakturen Assoziiert mit höherem IQ und Schulleistung Weniger Depressionen nach der Geburt Reduziertes Risiko für chronische Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Erhöhtes Selbstwertgefühl in der Mutterrolle Hypercholesterinämie, Kindheitsleukämie Zeit‐ und Geldersparnis (Milchvorbereitung, Einkauf, Reduziertes Risiko plötzlicher Kindstod Arztbesuche) Reduziertes Risiko für die Gesamtmorbidität und ‐sterblichkeit Ip S. et al. (2007) Evid Rep Technol Assess 153, 1 – 186 James DC. et al. (2009) J Am Diet Association 109 (11), 1926 – 1942 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 44
POP ein Risiko für den Säugling? – Fazit Kein konsistentes Bild bei älteren Studien, also deutlich höher belasteten Säuglingen als heute Klare Vorteile des Stillen überwiegen mögliche Nachteile durch Schadstoffe wie Dioxine, PCB etc. Heutige Gehalte an POP sind deutlich tiefer als in den 1990er Jahren oder davor Regulierte POP werden auch in Zukunft abnehmende Gehalte in der Muttermilch aufweisen Keine wissenschaftliche Begründung für diese Stoffklassen die gegen ein Langzeitstillen sprechen Neue POP wie z.B. chlorierte Paraffine sind im Auge zu behalten Mögliche Überschreitung von HBM‐I Werten (D) im Plasma für PFOA und PFOS gut möglich Lipophile und schwer abbaubare Stoffe werden sich in der Muttermilch anreichern und nachweisbar sein Regelmässiges Monitoring in diesem Bereich ist sicher sinnvoll um neu Stoffe auch frühzeitig zu erkennen und regulatorische Massnahmen einzuleiten Allgemein muss es das Ziel sein die Exposition gegenüber multiplen Schadstoffen zu reduzieren 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 45 Danksagung Agnes Genewein Tania Känzig Chantal Cripe‐Mamie Donatella Perrone Josef Tremp Olivia Kälin Andreas Buser 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 46
Frühling, stillende Mutter von George Clausen, 1880» (Bild: Keystone) 10. September 2021 Stillkongress 2021 Solothurn 47
Sie können auch lesen