Personen mit und ohne Spitalzusatz-versicherung - OBSAN

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Personen mit und
                                                              ohne Spitalzusatz-
                                                              versicherung
STANDPUNKT
                                                              Vergleich der soziodemografischen Merkmale,
Das vorliegende Obsan-Bulletin liefert Informationen zum      des Gesundheitszustands und der Inanspruch-
Profil der Personen mit Spitalzusatzversicherung, die an-     nahme von Versorgungsleistungen
sonsten kaum öffentlich zu finden sind. Zusatzversicherte
sind tendenziell älter, besser gebildet, einkommensstärker    2017 verfügten rund 29% der Schweizer Bevölkerung über eine
und in einem besseren Gesundheitszustand als Allge-           Spitalzusatzversicherung. Im vorliegenden Bulletin werden die
meinversicherte.                                              soziodemografischen Merkmale, der Gesundheitszustand und
    Die Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung        die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen zwischen
zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit einer Spital-     Personen mit einer Spitalzusatzversicherung und Personen, die
zusatzversicherung insgesamt nicht häufiger hospitali-        lediglich über eine medizinische Grundversicherung verfügen,
siert werden. Gemäss einer Studie des Bundesamtes für         verglichen. Die Publikation enthält zudem Informationen zum
Gesundheit (BAG) aus dem Jahr 2016 werden sie jedoch          Profil der Versicherten mit Spitalzusatzversicherung, die in
in gewissen Bereichen – nicht zuletzt aufgrund finanziel-     der Regel für die breite Öffentlichkeit schwer zugänglich sind.
ler Anreize – signifikant häufiger operiert, insbesondere     Der Vergleich des Gesundheitszustands zwischen den beiden
bei orthopädischen Eingriffen (Peters et al. 2016). Wenn      Populationen dient als Grundlage für detaillierte Analysen der
dadurch zusatzversicherte Patientinnen und Patienten          Gesundheitsversorgung. Mehrere Untersuchungen haben sich
überversorgt werden und medizinisch nicht notwendige          bisher mit der Frage beschäftigt, ob Versicherte mit einer Spital-
Leistungen erbracht werden, ist dies unerwünscht – ins-       zusatzversicherung häufiger hospitalisiert werden als Personen,
besondere, weil die obligatorische Krankenpflegeversiche-     die lediglich über eine Grundversicherung verfügen (Peters et al.
rung (OKP) die stationären Spitalaufenthalte mitfinanziert.   2016 ; Busato et al. 2011).
    Eine finanziell tragbare Gesundheitsversorgung gehört
zu den Hauptzielen der bundesrätlichen Strategie «Ge-
sundheit2030». Der Bundesrat hat dem Parlament eine           Wichtigste Ergebnisse
Reihe Massnahmen vorgeschlagen, mit denen das Kos-
tenwachstum und der Prämienanstieg für die Versicher-         –	2017 waren rund 29% der Schweizer Bevölkerung (halb)privat
ten im OKP-Bereich gedämpft werden sollen. Die Mass-             versichert. Dieser Anteil ist seit 1992 stark gesunken.
nahmen zielen insbesondere darauf ab, die medizinisch         –	Spitalzusatzversicherungen für die (halb)private Abteilung
nicht begründbare Mengenausweitung zu reduzieren.                sind in finanziell bessergestellten Schichten stärker verbreitet.
    Ein interessantes Resultat der Obsan-Analyse ist aus-     –	(Halb)privat Versicherte haben den gleichen oder einen
serdem, dass Personen mit einer Spitalzusatzversiche-            besseren selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand als
rung öfter als Allgemeinversicherte eine Ärztin oder einen       Allgemeinversicherte (auch bei gleichem Alter und sozioöko-
Arzt im praxisambulanten Bereich aufsuchen. Das BAG              nomischem Status).
teilt die Einschätzung des Obsan, dass hierzu weitere,        –	(Halb)privat Versicherte nehmen nicht häufiger Spitalleistun-
vertiefte Analysen der Inanspruchnahme sinnvoll wären.           gen in Anspruch als Allgemeinversicherte.
Mit dem vorliegenden Bulletin wurde dafür eine wichtige       In dieser Publikation werden Personen mit einer Spitalzusatzver-
Grundlage geschaffen.                                         sicherung als «(halb)privat Versicherte» bezeichnet, Personen
                                                              mit ausschliesslich einer Grundversicherung als «Allgemeinver-
Thomas Christen                                               sicherte».
Vizedirektor, Leiter des Direktionsbereichs Kranken- und
­Unfallversicherung, Bundesamt für Gesundheit

OBSAN BULLETIN 02/2021
OBSAN BULLETIN 02/2021

                                                                                       Würde die gleiche Methodik auf die zweite Datenquelle, das
    Kasten 1: Spitalzusatzversicherung                                              SHP 4, angewendet, beliefe sich der Anteil (halb)privat Versicherter
    Seit Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes (KVG)                       auf 31,3%. Die Differenzen je nach herbeigezogener Datenquelle
    im Jahr 1996 setzt sich die Krankenversicherung aus zwei                        sind auf die unterschiedliche Erhebungsmethodik und Einteilung
    sich ergänzenden Regimes zusammen: der obligatorischen                          der Altersklassen zurückzuführen. Zudem ist davon auszugehen,
    Grundversicherung gemäss KVG und der fakultativen Zu-                           dass der Anteil (halb)privat Versicherter in den höheren Alters-
    satzversicherung gemäss Versicherungsvertragsgesetz                             klassen überschätzt wird, weil die in Alters- und Pflegeheimen
    (VVG). Im Fall einer Hospitalisierung deckt die Grundver-                       lebenden Personen ausgeschlossen sind (Details im Kapitel zu
    sicherung sämtliche Leistungen, «die der Diagnose oder                          den soziodemografischen Merkmalen).
    Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen» und
    «dem Standard der allgemeinen Abteilung» entsprechen
    (Art. 25 KVG). Eine Spitalzusatzversicherung erlaubt unter                      Verteilung der Bevölkerung nach Spitalversicherung,
    anderem die freie Arztwahl im Spital sowie den Aufenthalt                       2017                                                G1
    in einem Zweibett- (halbprivat) bzw. Einzelzimmer (privat).
    Nebst den Optionen für die (halb)private Versicherung gibt                                                                                  allgemeine Abteilung
                                                                                                       9,7%
    es weitere Versicherungsmodelle.                                                                                                            halbprivate Abteilung
                                                                                                1,4%
       Der Entscheid, eine Spitalzusatzversicherung abzuschlies-                           6,4%
                                                                                                                                                private Abteilung
    sen, erfolgt nicht einseitig : Die Versicherer verlangen in der                                                                             anderes Modell
                                                                                                                                                weiss nicht
    Regel, dass ein Gesundheitsfragebogen ausgefüllt wird, und
    können auf dieser Basis das Versicherungsgesuch ablehnen
                                                                                        19,3%
    oder die Deckung bestimmter Krankheiten im Versiche-                                                                  63,2%
    rungsvertrag ausschliessen. Die Höhe der Prämien hängt
    zudem vom Alter ab.

    Die Analysen in diesem Bulletin basieren auf drei Datenquel-
len (Kasten 2). Die Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)
ist die Hauptquelle für dieses Bulletin, während das Schweizer                      Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)                   © Obsan 2021

Haushalt-Panel (SHP) für eine Kreuzvalidierung der SGB-Resul-
tate sowie für ergänzende Analysen zu Aspekten, die von der SGB
nicht abgedeckt werden, herbeigezogen wird. Die dritte Quelle,                      Immer weniger (halb)privat Versicherte
die Medizinische Statistik der Krankenhäuser (MS), dient der
Beschreibung der Merkmale von hospitalisierten Personen nach                        Der Anteil (halb)privat Versicherter hat seit der ersten SGB-Erhe-
Abteilung.                                                                          bung 1992 stark abgenommen. Damals belief er sich auf 52,5%,
                                                                                    2017 waren es noch 28,9%5. Seit 2007 ist der Anteil relativ stabil
                                                                                    bei rund 29%.
Rund 29% der Bevölkerung verfügen über eine Spitalzusatz-                              Die zeitliche Entwicklung nach Altersklasse ist von einem
versicherung für die (halb)private Abteilung                                        starken Kohorteneffekt geprägt. Vor dem Inkrafttreten des
                                                                                    KVG im Jahr 1996 und der Einführung einer Grunddeckung für
Von allen Teilnehmenden an der SGB 2017 gaben 6,4% an, pri-                         die gesamte Bevölkerung waren Spitalzusatzversicherungen
vat, 19,3% halbprivat und 63,2% allgemein versichert zu sein.                       stärker verbreitet als heute, insbesondere bei Erwerbspersonen.
1,4% hatten nach eigenen Angaben ein anderes Versicherungs-                         Personen, die bereits über eine solche Versicherung verfügten,
modell 1 und die übrigen 9,7% wussten nicht, wie sie versichert                     behielten diese häufig auch nach dem Inkrafttreten des KVG.
sind2 (G1). Im Folgenden wird von der Hypothese ausgegangen,                        20 Jahre später befinden sich diese Personen tendenziell in den
dass sich Letztere sowie die Kategorie der Personen mit einem                       oberen Altersklassen, weshalb die Zahl der (halb)privat Versicher-
anderen Versicherungsmodell gleich auf die allgemeine und die                       ten bei älteren Personen vergleichsweise hoch ist. Wird dieser
(halb)private Abteilung verteilen wie die validen Beobachtungen.                    Kohorteneffekt berücksichtigt, kann die Zunahme der (halb)privat
Auf Basis der SGB wird folglich der Anteil Versicherter in der                      Versicherten mit dem Alter besser interpretiert werden.
(halb)privaten Abteilung auf 28,9% geschätzt 3.

1
    Diese Mischkategorie (vgl. Kasten 1), die sich weder der allgemeinen noch der
    (halb)privaten Abteilung zuordnen lässt, wurde für dieses Bulletin aufgrund
    der geringen Fallzahl nicht im Detail analysiert.
2
    Bei Personen, die mit «weiss nicht» geantwortet haben, handelt es sich          4
                                                                                         Im SHP 2017 beläuft sich der Anteil Personen, die mit «weiss nicht» geantwor-
    mehrheitlich um Jugendliche, für deren Versicherung vermutlich die Eltern            tet haben, auf weniger als 3%. Teilnehmende, die über ihre Zusatzversicherun-
    zuständig sind. Etwas mehr als 50% dieser Kategorie sind unter 25 Jahre alt.         gen nicht Bescheid wissen, können ein anderes Haushaltsmitglied fragen.
3
    gemäss der aufgestellten Hypothese zur Aufteilung der «Weiss nicht»-            5
                                                                                         Die Frage und die Antwortmöglichkeiten haben sich im Lauf der verschiede-
    Kategorie. Der Anteil bewegt sich zwischen 25,7% (wenn niemand [halb]privat          nen Erhebungen verändert. Daher sollte beim Vergleich eher der allgemein
    versichert wäre) und 35,5% (wenn alle [halb]privat versichert wären).                abnehmende Trend betrachtet werden als die effektiven Werte.

2
OBSAN BULLETIN 02/2021

Soziodemografische Merkmale                                                       Spitalversicherung nach Bildungsniveau,
                                                                                  Personen ab 25 Jahren, 2017                                                          G2
(Halb)privat Versicherte sind älter als Allgemeinversicherte
                                                                                  100%
                                                                                                      14,6
                                                                                                                                26,8
Gemäss der SGB 2017 nimmt der Anteil (halb)privat Versicherter                     80%                                                                     37,9
mit dem Alter zu. Er beläuft sich bei den 15- bis 34-Jährigen auf
21%, bei den 35- bis 64-Jährigen auf 28% und bei den Personen                      60%
ab 65 Jahren auf nahezu 40%6. Diese Feststellung widerspiegelt
                                                                                   40%                85,4
den oben erläuterten Kohorteneffekt. Da die SGB ausschliesslich                                                                 73,2
                                                                                                                                                           62,1
Personen in Privathaushalten berücksichtigt, wird der Anteil der
                                                                                   20%
(halb)privat Versicherten bei den Personen ab 65 Jahren über-
schätzt. Viele Personen kündigen ihre Zusatzversicherung beim                          0%
Eintritt in ein Alters- und Pflegeheim, da sie Leistungen abdeckt,                           obligatorische Schule       Sekundarstufe II               Tertiärstufe
die von der Institution angeboten werden. Es fehlen somit eine                              allgemeine Abteilung              (halb)private Abteilung
erhebliche Anzahl Personen7, die potenziell über keine Zusatzver-
sicherung verfügen.                                                               Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)                     © Obsan 2021

                                                                                       Kasten 2 : Daten10
Keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern                                         Schweizerische Gesundheitsbefragung, BFS
                                                                                       Die SGB des Bundesamtes für Statistik (BFS) liefert Infor-
Frauen sind gleich häufig (halb)privat versichert wie Männer.                          mationen zum Gesundheitszustand, zur Inanspruchnahme
In der SGB 2017 beliefen sich die Anteile auf 28,3% bzw. 29,6%.                        der Gesundheitsdienste und zu den Versicherungsverhält-
Seit 2007 ist der Frauenanteil bei den (halb)privat Versicherten                       nissen der Wohnbevölkerung in der Schweiz. Die Erhebung
leicht von 31,8% auf 28,3% gesunken, jener der Männer ist stabil                       wird seit 1992 alle fünf Jahre bei der ständigen Wohnbe-
geblieben.                                                                             völkerung ab 15 Jahren in Privathaushalten durchgeführt.
                                                                                       Personen, die in einer Institution leben (z. B. in Alters- und
                                                                                       Pflegeheimen), werden in der SGB nicht berücksichtigt.
(Halb)privat Versicherte sind besser ausgebildet                                       		 Informationen zur Versicherung werden anhand der fol-
und haben ein höheres Einkommen                                                        genden Frage erhoben: «Wie sind Sie versichert, wenn Sie
                                                                                       ins Spital gehen müssen?»
In der Bevölkerung ab 25 Jahren 8 nimmt der Anteil (halb)privat
Versicherter mit steigendem Bildungsniveau kontinuierlich zu :                         Schweizer Haushalt-Panel, FORS11
Gemäss der SGB 2017 (sowie tendenziell auch dem SHP 2017)                              Das SHP ist eine umfassende Längsschnitterhebung, die
beträgt er bei den Personen ohne nachobligatorische Ausbildung                         jährlich bei den Privathaushalten in der Schweiz durchge-
14,6%, bei jenen mit Abschluss auf Sekundarstufe II 26,8% und                          führt wird. Alle Haushaltsmitglieder werden befragt. Die Da-
bei den Personen mit Tertiärabschluss 37,9% (G 2).                                     tenerhebung begann 1999 mit einer ersten Stichprobe, die
    Dieser soziale Gradient ist auch je nach Einkommen sehr aus-                       2004 von einer zweiten und ab 2013 von einer dritten Welle
geprägt : Personen mit einem hohen Einkommen sind deutlich                             abgelöst wurde. Seit 2017 wird den Personen ab 19 Jahren
häufiger (halb)privat versichert als Personen mit einem tiefen Ein-                    folgende Frage gestellt : «Wie sind Sie versichert, wenn Sie
kommen. Gemäss den Daten des SHP 2017 beläuft sich der An-                             ins Spital gehen müssen?»
teil (halb)privat Versicherter bei den Personen mit einem standar-
                                                                                       Medizinische Statistik der Krankenhäuser (MS), BFS
disierten Haushaltseinkommen9 von mehr als 100 000 Franken
                                                                                       Die MS erfasst jedes Jahr alle Hospitalisierungen in der
pro Jahr auf 55%, bei jenen mit einem Einkommen von weniger
                                                                                       Schweiz. Zur Erarbeitung dieses Bulletins wurden die Infor-
als 50 000 Franken auf knapp 20%.
                                                                                       mationen zum Alter und zum Geschlecht der Patientinnen
                                                                                       und Patienten, zur Aufenthaltsdauer sowie zur Abteilung
                                                                                       herangezogen. Die Variable «Spitalabteilung» entspricht
                                                                                       nicht genau der Variable «Versicherung» in der SGB oder im
                                                                                       SHP. Patientinnen und Patienten können für einen Aufpreis
                                                                                       in der (halb)privaten Abteilung behandelt werden, obwohl sie
                                                                                       keine Versicherung dafür haben. Im vorliegenden Fall wer-
                                                                                       den sie gemäss SGB der allgemeinen und gemäss MS der
                                                                                       (halb)privaten Abteilung zugeordnet.
6
    Die Daten des SHP bestätigen diesen Trend.
7
    Die Personen in Alters- und Pflegeheimen machen 5,5% der Altersgruppe der
    Personen ab 65 Jahren und rund 20% bei den Personen ab 80 Jahren aus          10
                                                                                       Alle in diesem Bulletin präsentierten Zahlen basieren auf Gewichtungen, die für
    (Quelle : https ://www.obsan.admin.ch/de/indikatoren/betreuungsrate-alters-        die Erhebung berechnet wurden, um die Repräsentativität der Stichprobe zu
    und-pflegeheimen).                                                                 gewährleisten und die Verzerrung durch Antwortausfälle zu berücksichtigen.
8
    Entsprechend den Empfehlungen des BFS wird die Variable «Bildungsniveau»           Diese Gewichtungen wurden auch in den multivariaten Analysen verwendet.
    lediglich auf die Bevölkerung ab 25 Jahren angewendet.                        11
                                                                                       Dieses Bulletin basiert teilweise auf den Daten des SHP des Schweizer Kom-
9
    Es handelt sich um das standardisierte jährliche Nettoeinkommen nach Haus-         petenzzentrums Sozialwissenschaften (FORS). Es wird vom Schweizerischen
    haltszusammensetzung (OECD-Methode).                                               Nationalfonds unterstützt.

                                                                                                                                                                        3
OBSAN BULLETIN 02/2021

Viele (halb)privat Versicherte leben in städtischen Gebieten                                                                   Gesundheitszustand

Die Verteilung der Personen auf die verschiedenen Spitalversi-                                                                 Der Gesundheitszustand ist für den Vergleich zwischen den Ver-
cherungen unterscheidet sich je nach Grossregion. Gemäss SGB                                                                   sicherten für die (halb)private Abteilung und den Allgemeinversi-
fällt der Anteil (halb)privat Versicherter im Espace Mittelland am                                                             cherten eine wichtige Dimension. Die Differenzen beim Gesund-
tiefsten (24,8%) und in Zürich am höchsten (33,9%) aus (G 3).                                                                  heitszustand zwischen den beiden Populationen zeigen, inwiefern
    Diese regionalen Differenzen sind weitgehend auf die räumli-                                                               bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen oder bei
che Struktur der Schweiz zurückzuführen. In städtischen Gebie-                                                                 Spitalaufenthalten ein unterschiedlicher Bedarf vorhanden ist.
ten beläuft sich der Anteil der (halb)privat Versicherten auf 31,3%,
in den intermediären (dichter periurbaner Raum und ländliche                                                                   Hypothesen
Zentren) und ländlichen Gebieten auf 27,5% bzw. 21,6%.                                                                         Der durchschnittliche Gesundheitszustand der beiden Teilpopu-
                                                                                                                               lationen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Der Ge-
                                                                                                                               sundheitsfragebogen, der beim Abschluss einer Spitalzusatzver-
Verteilung der Spitalversicherungen                                                                                            sicherung ausgefüllt werden muss (vgl. Kasten 1), garantiert den
nach Grossregion, 2017                                                                                                   G3    Versicherern, dass eine Person bei der Vertragsunterzeichnung
                                                                                                                               bei guter Gesundheit ist. Obwohl sich der Gesundheitszustand
100%
                                                                                                                               anschliessend mit dem Alter verschlechtern kann, kann davon
                               24,8                27,1                          25,1          29,6
    80%
             32,7                                                     33,9                                          31,0       ausgegangen werden, dass die Personen mit einer Zusatzversi-
                                                                                                                               cherung bei besserer Gesundheit sind als die übrige Bevölkerung.
    60%                                                                                                                            Wie weiter oben erwähnt, weisen die beiden Populationen
                                                                                                                               unterschiedliche Merkmale auf. Die (halb)privat Versicherten
    40%                        75,2                                              74,9                                          sind im Schnitt älter und sozioökonomisch bessergestellt (Bil-
             67,3                                  72,9                                        70,4                 69,0
                                                                      66,1
                                                                                                                               dungsniveau und Einkommen). Das Alter korreliert negativ mit
    20%
                                                                                                                               dem Gesundheitszustand (je älter man wird, desto schlechter
     0%                                                                                                                        wird tendenziell der Gesundheitszustand), die sozioökonomische
                                                                                                                               Stellung positiv (je höher die Stellung, desto besser ist tendenziell
             Genferseeregion

                               Espace Mittelland

                                                   Nordwestschweiz

                                                                      Zürich

                                                                                 Ostschweiz

                                                                                               Zentralschweiz

                                                                                                                    Tessin

                                                                                                                               der Gesundheitszustand). Folglich werden drei Einflussfaktoren
                                                                                                                               analysiert. Zwei davon – Selektion günstiger Risiken und hohe
                                                                                                                               sozioökonomische Stellung – weisen darauf hin, dass der Ge-
                                                                                                                               sundheitszustand der Teilpopulation mit einer Spitalzusatzversi-
          allgemeine Abteilung                                       (halb)private Abteilung                                   cherung im Schnitt besser ist, einer – das höhere Alter – impli-
                                                                                                                               ziert einen schlechteren Gesundheitszustand. Ihre Auswirkungen
Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)                                                         © Obsan 2021
                                                                                                                               wurden mithilfe statistischer Tests gemessen.

                                                                                                                               Vorgehen
Spitalzusatzversicherungen werden hauptsächlich                                                                                Der Gesundheitszustand der Versicherten wird zunächst auf Ba-
von jungen Personen erneuert oder gekündigt                                                                                    sis sämtlicher Daten dargestellt, wobei Unterschiede zwischen
                                                                                                                               den beiden Teilpopulationen nach Alter und sozioökonomischer
Anhand der SHP-Daten lassen sich die Antworten der Befragten                                                                   Stellung noch ausgeblendet werden. In einem zweiten Schritt
im Zeitverlauf nachverfolgen. So kann ermittelt werden, welche                                                                 werden diese Ergebnisse anhand einer multivariaten Analyse
Personen ihre Spitalzusatzversicherung kündigen (oder nicht                                                                    verfeinert. So lässt sich der Einfluss der demografischen und
erneuern) und welche eine neue Versicherung abschliessen12.                                                                    sozioökonomischen Faktoren kontrollieren.
   Änderungen der Spitalzusatzversicherung hängen stark
vom Alter ab. Von den Personen mit einer Versicherung für die                                                                  Analysiert werden zwei Indikatoren für den Gesundheitszustand :
(halb)private Abteilung im Jahr 2017 haben 11% ihren Vertrag                                                                   –	der selbst wahrgenommene Gesundheitszustand, eine subjek-
im Folgejahr gekündigt (oder nicht erneuert). Die meisten davon                                                                   tive Einschätzung der physischen und psychischen Gesund-
waren junge Versicherte : Bei den 19- bis 24-Jährigen belief sich                                                                 heit ;
der entsprechende Anteil auf 41%, bei den 25- bis 34-Jährigen auf                                                              –	das Vorhandensein einer chronischen Krankheit und/oder
26% und bei den Personen ab 35 Jahren lediglich auf 8%.                                                                           eines dauerhaften Gesundheitsproblems, eine konkrete Mes-
   Von den Personen, die 2017 nicht (halb)privat versichert wa-                                                                   sung gesundheitlicher Beeinträchtigungen – jedoch ohne
ren, verfügten 5% im Folgejahr über eine entsprechende Deckung.                                                                   medizinische Diagnose.
Die im Jahr 2018 neu Versicherten waren ebenfalls relativ jung :
Ihr Anteil lag bei den Personen zwischen 19 und 44 Jahren auf                                                                  Deskriptive Analyse
einem relativ hohen Niveau (7%), bei den Personen ab 45 Jahren                                                                 Auf deskriptiver Ebene fällt der selbst wahrgenommene Gesund-
belief er sich auf rund 3%.                                                                                                    heitszustand bei den Personen mit Spitalzusatzversicherung
                                                                                                                               besser aus. Der anhand der chronischen Krankheiten bzw. dauer-
12
     Die Teilnehmenden werden lediglich gefragt, ob sie versichert sind oder nicht.
     Wechsel des Versicherers von einem Jahr zum nächsten sind somit nicht
                                                                                                                               haften Gesundheitsprobleme gemessene Gesundheitszustand ist
     ersichtlich.                                                                                                              mit jenem der Allgemeinversicherten vergleichbar (G 4). Auch die

4
OBSAN BULLETIN 02/2021

Gesundheitsindikatoren nach Spitalversicherung,                                           Odds Ratios von (halb)privat Versicherten Personen
Personen ab 25 Jahren, 2017                                                        G4     ab 25 Jahren, 2017                                T1

                                                                                                                             (Sehr) guter selbst            Fehlen einer chroni-
chronische Krankheit                             35,9                                                                        wahrgenommener                 schen Krankheit oder
    oder dauerhaftes                                                                                                         Gesundheitszustand             eines dauerhaften
Gesundheitsproblem                               35,7
                                                                                                                                                            Gesundheitsproblems

                                                                                           Erklärende Variablen                    SGB            SHP              SGB           SHP
   (sehr) guter selbst                                                        87,3         Versicherung                     1,45 (***)     1,11 (n.s.)      0,99 (n.s.)   0,88    (*)
   wahrgenommener
 Gesundheitszustand                                                         82,6
                                                                                           Versicherung, Alter
                                                                                                                            1,77 (***)     1,30 (***)       1,13   (**)   1,01 (n.s.)
                                                                                           und Geschlecht
                         0%         20%         40%       60%         80%          100%
                                                                                           Versicherung, Alter,
       allgemeine Abteilung                 (halb)private Abteilung                        Geschlecht und                   1,46 (***)     1,17       (*)   1,08 (n.s.)   1,02 (n.s.)
                                                                                           Bildungsniveau
        Vertrauensintervall (95%)
                                                                                           Versicherung, Alter,
Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)                 © Obsan 2021       Geschlecht und                                  1,11 (n.s.)                    1,05 (n.s.)
                                                                                           Haushaltseinkommen

                                                                                          Anmerkungen : Eine Odds Ratio über (unter) 1 bedeutet, dass die (halb)privat
                                                                                          Versicherten einen besseren (schlechteren) Gesundheitszustand haben als die
Daten des SHP 2017 (in der Grafik nicht präsentiert) zeigen beim                          Allgemeinversicherten. Die Odds Ratios der anderen erklärenden Variablen (Alter,
selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand bei den (halb)pri-                               Geschlecht, Ausbildung und standardisiertes Haushaltseinkommen) werden aus
                                                                                          Einfachheitsgründen nicht dargestellt. Statistische Signifikanz : ***, **, * statistisch
vat Versicherten ein besseres Resultat (85,2% gegenüber 83,8%),                           signifikant bei 0,1%, 1%, 5%, n.s. nicht signifikant. n (SGB) = 15 358 ; n (SHP) = 7698
doch die Differenz ist statistisch nicht signifikant. (Halb)privat
                                                                                          Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB);                       © Obsan 2021
Versicherte leiden indessen signifikant häufiger an einer chroni-                                  FORS – Schweizer Haushalt-Panel 
schen Krankheit oder einem dauerhaften Gesundheitsproblem als
Allgemeinversicherte (40,0% gegenüber 36,9%).
   Die Ergebnisse variieren folglich auf deskriptiver Ebene je nach
Datenquelle sowie nach gewähltem Gesundheitsindikator und
erlauben daher keine Schlussfolgerungen.                                                     Kasten 3: Multivariate Analysen
                                                                                             Um den Einfluss individueller Merkmale auf den Gesund-
                                                                                             heitszustand und die Inanspruchnahme von Versorgungs-
Multivariate Analyse                                                                         leistungen abzubilden, wurden anhand der SGB- und SHP-
Die multivariate Analyse untersucht den Gesundheitszustand                                   Daten multivariate Analysen durchgeführt. Dabei handelt es
der Versicherten mit und ohne Spitalzusatzversicherung bei                                   sich um logistische Regressionen, mit denen das Auftreten
gleichem Alter, Geschlecht und sozioökonomischem Status.                                     eines Ereignisses dank verschiedener Variablen erklärt
Die Methode, eine multivariate logistische Regression, wird im                               werden kann. Das Ziel besteht darin, zu ermitteln, wie sich
Kasten 3 erläutert.                                                                          die Versicherung ([halb]privat oder allgemein) bei ansonsten
   Tabelle T 1 enthält eine Übersicht über die Ergebnisse zum Ge-                            unveränderten Bedingungen auf das modellierte Ereignis,
sundheitszustand. Die erste Zeile der Tabelle T 1 zeigt die Quoten-                          den Gesundheitszustand oder die Inanspruchnahme von
verhältnisse (Odds Ratio) der (halb)privat Versicherten verglichen                           Versorgungsleistungen auswirkt. Dabei kann bei konstant
mit den Allgemeinversicherten, wenn lediglich die Versicherung                               gehaltenem Alter, Geschlecht und sozioökonomischem
berücksichtigt wird. Wie in der deskriptiven Analyse fallen die                              Status der Zusammenhang zwischen der Versicherung und
Ergebnisse je nach Datenquelle und gewähltem Gesundheitsin-                                  den modellierten Ereignissen gemessen werden.
dikator unterschiedlich aus (Odds Ratios zwischen 1,45 und 0,88).                                Die modellierten Ereignisse sind ein guter oder sehr
   Die übrigen Zeilen zeigen dieselben Odds Ratios bei konstant                              guter selbst wahrgenommener Gesundheitszustand, das
gehaltenem Alter, Geschlecht und sozioökonomischem Status                                    Fehlen einer chronischen Krankheit oder eines dauerhaften
(Ausbildung und Einkommen). Wird der Gesundheitszustand bei                                  Gesundheitsproblems, eine Hospitalisierung in den zwölf
konstant gehaltenem Alter und Geschlecht betrachtet, zeigt sich,                             Monaten vor der Erhebung sowie ein Arztbesuch im selben
dass sich (halb)privat Versicherte häufiger als gesund bezeich-                              Zeitraum.
nen als Allgemeinversicherte (Odds Ratios 1,77 gemäss SGB bzw.                                   Die erklärenden Variablen sind die Versicherung (zwei
1,30 gemäss SHP). Gemäss der SGB sind erstere auch seltener                                  Kategorien), das Alter (vier Kategorien), das Geschlecht
von chronischen Krankheiten oder dauerhaften Gesundheitspro-                                 (zwei Kategorien) und die sozioökonomische Stellung
blemen betroffen (1,33), während es gemäss dem SHP keinen                                    (Bildungsniveau gemäss SGB und SHP in drei Kategorien;
Unterschied zwischen den beiden Populationen gibt (1,01).                                    standardisiertes Nettohaushaltseinkommen gemäss SHP
   Wird die sozioökonomische Stellung berücksichtigt, verrin-                                in sieben Kategorien).
gert sich der gesundheitsbezogene Unterschied zwischen den                                       Hauptvariable ist die Versicherung; die anderen Variablen
(halb)privat und den allgemein Versicherten. Unter Einbezug des                              sind sogenannte Kontrollvariablen.
Bildungsniveaus oder Einkommens in die Modellierung reduzieren

                                                                                                                                                                                        5
OBSAN BULLETIN 02/2021

sich die Odds Ratios. Sie bleiben jedoch höher als 1 oder liegen               Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen
bei 1. Dies bedeutet, dass der Gesundheitszustand von (halb)pri-               nach Spitalversicherung, Personen ab 25 Jahren,
vat Versicherten bei ansonsten konstanten Bedingungen besser                   2017                                                                                   G5
oder gleich gut ist wie jener von Allgemeinversicherten.
   Abschliessend lässt sich sagen, dass je nach Quelle und ver-                                                    12,6
                                                                                     Hospitalisierung
wendetem Indikator zwischen der Spitalzusatzversicherung und                                                       12,9

dem Gesundheitszustand nicht systematisch ein Zusammen-                                  ambulante                            32,1
                                                                                Behandlung im Spital                          32,8
hang besteht. Dennoch lässt sich aus der Analyse schliessen,
                                                                                 Konsultation(en) bei
dass der Gesundheitszustand von (halb)privat Versicherten                           einer Fachärztin
                                                                                                                                         50,0
                                                                                                                                     42,9
besser oder gleich gut ist wie jener von Allgemeinversicherten.                 oder einem Facharzt
                                                                                 Konsultation(en) bei
Dies gilt sowohl insgesamt als auch unter Berücksichtigung der                      einer Hausärztin
                                                                                                                                                      72,6
                                                                                                                                                     70,6
                                                                                oder einem Hausarzt
individuellen Merkmale der beiden Populationen.
                                                                                 Konsultation(en) bei                                                          85,1
                                                                                         einer Ärztin
                                                                                                                                                             81,1
                                                                                     oder einem Arzt
                                                                                                        0%         20%         40%        60%         80%         100%
Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen
                                                                                       allgemeine Abteilung                (halb)private Abteilung

Mit der Analyse der Inanspruchnahme von Versorgungsleis-                               Vertrauensintervall (95%)
tungen wird der Vergleich zwischen (halb)privat und allge-
                                                                               Quelle: BFS – Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB)                   © Obsan 2021
mein Versicherten vervollständigt. Es stellt sich die Frage, ob
(halb)privat Versicherte häufiger hospitalisiert werden und ob
sie das Gesundheitssystem insgesamt anders nutzen. Hierzu ist
anzumerken, dass Arztbesuche mit der Spitalzusatzversicherung                  Merkmale hospitalisierter Personen
für die (halb)private Abteilung nichts zu tun haben. Die Ergebnisse
sind aber insofern interessant, als sie einen Vergleich des Verhal-            Anhand der MS-Daten können die Merkmale hospitalisierter
tens dieser beiden Populationen bezüglich der Inanspruchnahme                  Personen je nach Spitalabteilung verglichen werden. Im Ge-
von Versorgungsleistungen ermöglichen.                                         gensatz zu den bisher behandelten Aspekten konzentriert sich
    Gemäss der SGB 2017 gibt es bezüglich der Häufigkeit der                   diese Analyse auf die spezifische Untergruppe der im Jahr 2017
Inanspruchnahme keinen Unterschied zwischen den Versicherten                   in der Akutsomatik hospitalisierten Bevölkerung. Werden sämt-
ab 25 Jahren in der (halb)privaten Abteilung und jenen in der all-             liche stationären Spitalaufenthalte in der Akutsomatik von 2017
gemeinen Abteilung, und zwar weder bei einer stationären (12,9%                betrachtet, beläuft sich der Anteil der Hospitalisierungen in der
gegenüber 12,6%)13 noch einer ambulanten Behandlung im Spital                  (halb)privaten Abteilung auf 22,6%. Dieser fällt somit tiefer aus
(32,8% gegenüber 32,1% ; G5).                                                  als die oben erwähnten Schätzungen für die Gesamtbevölkerung.
    Indessen suchten (halb)privat Versicherte in den zwölf Mona-                   Wie erwartet sind die Patientinnen und Patienten in der
ten vor der Erhebung häufiger eine Ärztin oder einen Arzt auf als              (halb)privaten Abteilung älter als jene in der allgemeinen Abteilung
Allgemeinversicherte (85,1% gegenüber 81,1%)14. Dies gilt für Be-              (durchschnittlich 61,6 Jahre gegenüber 48,9 Jahre ; Tabelle T 2).
suche bei der Hausärztin bzw. beim Hausarzt (72,6% gegenüber                   Dies lässt sich damit erklären, dass Spitalzusatzversicherungen
70,6%) und in noch stärkerem Ausmass für Facharztbesuche                       bei älteren Personen stärker verbreitet sind. Aufgrund dieses ab-
(50,0% gegenüber 42,9%). Die Unterschiede treten namentlich bei                weichenden Durchschnittsalters haben die beiden Patientengrup-
der ersten Konsultation auf, d. h. Allgemeinversicherte sehen sel-             pen vermutlich einen unterschiedlichen Bedarf bezüglich Versor-
tener die Notwendigkeit eines Arztbesuchs bzw. verzichten häufi-               gung und stationäre Behandlungen. Deshalb zeigt die Tabelle T 2
ger darauf. Umgekehrt ist die durchschnittliche Anzahl Besuche                 die wichtigsten Merkmale der hospitalisierten Personen nach
pro Patientin bzw. Patient mit mindestens einem Arztbesuch bei                 Altersklasse (Aufenthaltsdauer ; PCCL17 ; relativer Schweregrad,
den (halb)privat Versicherten geringer (3,0 gegenüber 3,4 Haus-                dargestellt durch das Fallgewicht).
arztbesuchen15 und 3,3 gegenüber 3,7 Facharztbesuchen16).                          Die Aufenthaltsdauer ist bei (halb)privaten Aufenthalten kürzer.
    Die multivariaten Analysen mit Berücksichtigung von Alter, Ge-             Dies trifft auf alle Altersklassen mit Ausnahme der 15- bis 34-Jäh-
schlecht und sozioökonomischem Status (vgl. Methode in Kas-                    rigen zu. Die insgesamt längere Aufenthaltsdauer (5,7 gegenüber
ten 3) zeigen bezüglich der Inanspruchnahme von Versorgungs-                   5,4 Tagen) lässt sich mit dem höheren Durchschnittsalter der Pa-
leistungen die gleichen Trends : Bei gleichem Alter, Geschlecht                tientinnen und Patienten in der (halb)privaten Abteilung erklären.
und sozioökonomischem Status suchen (halb)privat Versicherte                       Der PCCL ist bei Patientinnen und Patienten in der
pro Jahr häufiger eine Ärztin oder einen Arzt auf als Allgemeinver-            (halb)privaten Abteilung tiefer. Dies trifft auf alle Altersklassen
sicherte, während bezüglich Hospitalisierungen und ambulanten                  mit Ausnahme der 0- bis 14-Jährigen zu. Patientinnen und Pati-
Behandlungen im Spital kein Unterschied festzustellen ist.                     enten in der (halb)privaten Abteilung haben folglich weniger an-
                                                                               dere ­Erkrankungen nebst jenen, für die sie hospitalisiert werden
13
     Auch gemäss SHP 2017 besteht bezüglich Hospitalisierungen kein Unter-
     schied. Die Inanspruchnahme von ambulanten Behandlungen im Spital wurde   (z. B. Bluthochdruck, Diabetes usw.).
     hingegen im Fragebogen nicht thematisiert.
14
     Der gleiche Trend ist auch bei den SHP-Daten festzustellen.
15
     Differenz signifikant bei 5%                                              17
                                                                                    PCCL ist die Abkürzung für Patient Clinical Complexity Level, also der patien-
16
     Differenz nicht signifikant bei 5%                                             tenbezogene Gesamtschweregrad.

6
OBSAN BULLETIN 02/2021

   Beim Fallgewicht, d. h. dem relativen Gewicht der erbrachten                              Gemäss den Analysen ist der Gesundheitszustand dieser Perso-
Versorgungsleistungen und verwendeten medizinischen Res-                                     nen bei gleichen soziodemografischen Merkmalen vergleichbar
sourcen, ist kein klarer Trend festzustellen. Das Fallgewicht von                            oder besser als jener der Allgemeinversicherten.
Patientinnen und Patienten in der (halb)privaten Abteilung ist bei                               Was die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen be-
den 35- bis 74-Jährigen tiefer, in den anderen Altersklassen höher.                          trifft, haben die (halb)privat Versicherten in den letzten zwölf Mo-
                                                                                             naten vor der Erhebung häufiger mindestens einmal eine Ärztin
                                                                                             oder einen Arzt aufgesucht, während die Anzahl Arztbesuche pro
Merkmale (Durchschnitt) der in der Akutsomatik                                               Patientin bzw. Patient bei den Allgemeinversicherten höher ist.
­hospitalisierten Personen nach Abteilung, 2017                                     T2      Bezüglich Hospitalisierungen zeigen die Daten der SGB und des
                                                                                             SHP dagegen keine Unterschiede zwischen den (halb)privat und
 Merkmale                               Alters-    Allgemeine    (Halb)private       Sig.    den allgemein Versicherten.
                                       klassen      Abteilung       Abteilung                    Bei Betrachtung der Merkmale hospitalisierter Personen wird
                                                                                             deutlich, dass die Patientinnen und Patienten in der (halb)privaten
 Alter (Jahre)                                            48,9             61,6      ***
                                                                                             Abteilung deutlich älter sind als jene in der allgemeinen Abteilung.
                                          Total           5,40            5,66       ***
                                                                                             Gemäss den Analysen nach Altersklasse sind die Patientinnen
                                          0–14            4,12            3,55       ***     und Patienten in der (halb)privaten Abteilung tendenziell weniger
  Aufenthaltsdauer
                                                                                             lange hospitalisiert und weisen einen geringeren PCCL auf als
                                        15–34             3,56            3,57       n.s.
  (in Tagen, Definition                                                                      Personen in der allgemeinen Abteilung. Die Fallgewichte sind
 ­gemäss DRG)                           35–54             4,23            3,76       ***
                                                                                             dagegen bei beiden Populationen mehr oder weniger gleich.
                                         55–74            6,04            5,47       ***         Diese Ergebnisse liefern einige Diskussionspunkte. Der starke
                                                                                             Zusammenhang zwischen der Versicherung und der sozioöko-
                                            75+           8,08             7,79      ***
                                                                                             nomischen Stellung lässt folgern, dass die Spitalzusatzversi-
                                          Total           1,11            1,09       ***
                                                                                             cherung als Luxusgut zu betrachten ist, d. h. als ein Gut, dessen
                                          0–14            0,36            0,40       ***     Konsum überproportional zum Einkommen ansteigt. Aktuell pro-
                                        15–34             0,60            0,40       ***
                                                                                             fitieren hauptsächlich gut ausgebildete Personen und Haushalte
  Komplexitäts- und
                                                                                             mit einem hohen Einkommen von einer solchen Versicherung.
 ­Komorbitätslevel (PCCL)
                                        35–54             0,79            0,49       ***
                                                                                             Diese Feststellung wird durch die Tatsache untermauert, dass
                                         55–74            1,34            1,02       ***     die junge – oft weniger wohlhabende – Bevölkerung solche
                                            75+           2,01             1,79      ***
                                                                                             Versicherungen am häufigsten kündigt bzw. nicht erneuert. Eu-
                                                                                             ropäische Studien zeigen ebenfalls, dass Spitalzusatzversiche-
                                          Total           1,05             1,15      ***
                                                                                             rungen hauptsächlich wohlhabenderen Schichten vorbehalten
                                          0–14            0,64            0,67          *    sind (Lange et al. 2017; Jones et al. 2006). In der Schweiz sind
                                        15–34             0,80            0,82        **
                                                                                             Spitalzusatzversicherungen dagegen aus historischen Grün-
 Bruttofallgewicht                                                                           den insbesondere bei Personen ab 65 Jahren stark verbreitet.
                                        35–54             1,01            0,95       ***
                                                                                             Sie hatten vor der Einführung des aktuellen Krankenversiche-
                                         55–74            1,30            1,26       ***     rungssystems (vgl. Kasten 1) bereits eine Versicherung für die
                                            75+           1,26            1,29       ***
                                                                                             (halb)private Abteilung, die sie seither nicht gekündigt haben.
                                                                                                 (Halb)privat Versicherte weisen bei gleichem Alter, Geschlecht
statistische Signifikanz : ***, **, * statistisch signifikant bei 0,1%, 1%, 5%, n.s. nicht
                                                                                             und sozioökonomischem Status einen vergleichbaren oder bes-
signifikant.
n (allgemein) = 984 242 ; n ([halb]privat) = 287 178                                         seren Gesundheitszustand auf als Allgemeinversicherte. Durch
                                                                                             die vorgängige Abklärung des Gesundheitszustands – Gesund-
Quelle: BFS – Medizinische Statistik der Krankenhäuser                      © Obsan 2021
                                                                                             heitsfragebogen vor Vertragsabschluss – können die Versiche-
                                                                                             rer Personen mit guter Gesundheit gewinnen. Folglich werden
                                                                                             Wirtschaftstheorien, die davon ausgehen, dass Personen mit
Diskussion                                                                                   einem schlechteren Gesundheitszustand häufiger eine Spitalzu-
                                                                                             satzversicherung abschliessen, weil sie ein höheres Hospitalisie-
In diesem Bulletin wurden die Personen mit einer Versicherung                                rungsrisiko haben, hier nicht bestätigt.
für die (halb)private Abteilung und diejenigen mit ausschliesslich                               Betreffend die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems
der Grundversicherung nach soziodemografischen Merkmalen,                                    lässt sich feststellen, dass der Anteil Personen mit mindestens
Gesundheitszustand und Inanspruchnahme von Versorgungsleis-                                  einem Arztbesuch in den letzten zwölf Monaten vor der Erhebung
tungen verglichen. Zudem wurden die Merkmale von hospitali-                                  bei den (halb)privat Versicherten höher ist. Dieser Unterschied
sierten Personen untersucht.                                                                 ist insbesondere bei den Facharztbesuchen markant. Dabei
   Die Ergebnisse zeigen grosse soziodemografische Unter-                                    stellt sich wiederum die Frage, ob es finanzielle Barrieren bei der
schiede zwischen den beiden Populationen. Insgesamt sind die                                 Inanspruchnahme sowie Unterschiede bei den Gesundheitskom-
(halb)privat Versicherten älter, haben ein höheres Ausbildungsni-                            petenzen gibt (Erziehung, Gesundheitsverhalten usw.).
veau und Einkommen und leben häufiger in städtischen Gebieten.

                                                                                                                                                               7
OBSAN BULLETIN 02/2021

   In Bezug auf die Hospitalisierungen und die ambulanten
Behandlungen im Spital zeigen die Daten keinen Unterschied                                 Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan)
zwischen (halb)privat und allgemein Versicherten. Diese Feststel-                          ist eine von Bund und Kantonen getragene Institution. Das
lung gilt auch bei konstanten soziodemografischen Merkmalen.                               Obsan analysiert die vorhandenen Gesundheitsinforma­
Andere Studien (Domenighetti et al. 1996 ; Busato et al. 2011;                             tionen in der Schweiz. Es unterstützt Bund, Kantone und
Peters et al. 2016) haben gezeigt, dass (halb)privat Versicherte                           weitere ­Institutionen im Gesundheitswesen bei ihrer Pla-
für ausgewählte stationäre Behandlungen tendenziell übermäs-                               nung, ihrer Entscheidfindung und in i­hrem Handeln. Weitere
sig häufig hospitalisiert werden, was vermutlich auf finanzielle                           Informationen sind unter www.obsan.ch zu finden.
Anreize zurückzuführen ist. Um zu untersuchen, inwiefern
(halb)privat Versicherte für bestimmte Behandlungen übermässig
oft hospitalisiert werden, sollten weiterführende Analysen durch-
                                                                                        Impressum
geführt werden, die Unterschiede nach Gesundheitszustand oder
Schweregrad des Hospitalisierungsgrunds berücksichtigen. Inte-                          Herausgeber
                                                                                        Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan)
ressant wäre in Bezug auf diese Frage auch eine Analyse der am-
                                                                                        Autorinnen/Autoren
bulanten Gesundheitsversorgung der beiden Populationen. Dabei
                                                                                        Sacha Roth, Jonathan Zufferey, Sonia Pellegrini, Obsan
könnte nicht nur in Erfahrung gebracht werden, ob die Versicher-
                                                                                        Zitierweise
ten übermässig oft hospitalisiert werden, sondern auch, ob sie                          Roth, S., Zufferey, J. & Pellegrini, S. (2021). Personen mit und ohne Spital-
anstelle einer ambulanten eine stationäre Behandlung erhalten.                          zusatzversicherung. Vergleich der soziodemografischen Merkmale, des Gesund-
                                                                                        heitszustands und der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen (Obsan
                                                                                        Bulletin 2/2021). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium.
                                                                                        Auskünfte / Informationen
                                                                                        Schweizerisches Gesundheitsobservatorium
    Literaturverzeichnis                                                                Espace de l’Europe 10, CH-2010 Neuchâtel, Tel. 058 463 60 45,
                                                                                        obsan@bfs.admin.ch, www.obsan.ch
    Busato, A., Widmer, M. & Matter, P. (2011). Variation in in-
                                                                                        Originaltext
    cidence of orthopaedic surgery between populations with
                                                                                        Französich, diese Publikation ist auch auf Französisch verfügbar
    basic or basic plus supplementary health insurance in Swit-                         (BFS-Nummer: 1034-2102).
    zerland. Swiss Medical Weekly. 141:w13152.                                          Übersetzung
                                                                                        Sprachdienste BFS
    Domenighetti G., Bisig B., Zaccheo A., Gutzwiller F., Lecomte
                                                                                        Layout/Grafiken
    F., Mizrahi A. & Mizrahi Ar. (1996). Consommation chirurgicale
                                                                                        Bundesamt für Statistik (BFS), Sektion DIAM, Prepress / Print
    en Suisse et comparaison avec la France. Lausanne : Réalités
                                                                                        Online
    sociales.                                                                           www.obsan.ch R Publikationen
    Jones, A. M., Koolman, X. & Van Doorslaer, E. (2006). The                           Print
                                                                                        www.obsan.ch R Publikationen
    impact of having supplementary private health insurance on
                                                                                        Bundesamt für Statistik, CH-2010 Neuchâtel,
    the use of specialists. Annales d’Economie et de Statistique,                       order@bfs.admin.ch, Tel. 058 463 60 60
    251–275.                                                                            Druck in der Schweiz
                                                                                        BFS-Nummer
     ange, R., Schiller, J. & Steinorth, P. (2017). Demand and
    L
                                                                                        1033-2102
    selection effects in supplemental health insurance in Ger-
    many. The Geneva Papers on Risk and Insurance-Issues and                            © Obsan 2021
    Practice, 42(1), 5–30.
    Peters, O., Vuffray, C. & Haslebacher, K. (2016). Überhang in
    der stationären Leistungserbringung zu Gunsten der Zusatzver-
    sicherten Bern: Bundesamt für Gesundheit.

            Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) ist eine gemeinsame Institution von Bund und Kantonen.
            L’Observatoire suisse de la santé (Obsan) est une institution commune de la Confédération et des cantons.
            L’Osservatorio svizzero della salute (Obsan) è un’istituzione comune della Confederazione e dei Cantoni.

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