Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz - 2010-2060 01Bevölkerung
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01 Bevölkerung 201-1000 Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2010 –2060 Neuchâtel, 2010
Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) herausgegebene Reihe «Statistik der Schweiz» gliedert sich in folgende Fachbereiche: 0 Statistische Grundlagen und Übersichten 1 Bevölkerung 2 Raum und Umwelt 3 Arbeit und Erwerb 4 Volkswirtschaft 5 Preise 6 Industrie und Dienstleistungen 7 Land- und Forstwirtschaft 8 Energie 9 Bau- und Wohnungswesen 10 Tourismus 11 Mobilität und Verkehr 12 Geld, Banken, Versicherungen 13 Soziale Sicherheit 14 Gesundheit 15 Bildung und Wissenschaft 16 Kultur, Medien, Informationsgesellschaft, Sport 17 Politik 18 Öffentliche Verwaltung und Finanzen 19 Kriminalität und Strafrecht 20 Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung 21 Nachhaltige Entwicklung und Disparitäten auf regionaler und internationaler Ebene
Statistik der Schweiz Szenarien zur Bevölkerungs- entwicklung der Schweiz 2010–2060 Bearbeitung Raymond Kohli, Sektion Demografie und Migration Anouk Bläuer Herrmann, Sektion Arbeit und Erwerbsleben Jacques Babel, Sektion Bildungssystem Herausgeber Bundesamt für Statistik (BFS) Office fédéral de la statistique (OFS) Neuchâtel, 2010
IMpressum Herausgeber: Bundesamt für Statistik (BFS) Auskunft: Informationszentrum, Sektion Demografie und Migration Tel. 032 713 60 60 / Fax 032 713 60 61 / E-Mail: order@bfs.admin.ch Realisierung: Sektion Demografie und Migration, BFS Vertrieb: Bundesamt für Statistik, CH-2010 Neuchâtel Tel. 032 713 60 60 / Fax 032 713 60 61 / E-Mail: order@bfs.admin.ch Bestellnummer: 201-1000 Preis: Fr. 18.– (exkl. MWST) Reihe: Statistik der Schweiz Fachbereich: 1 Bevölkerung Originaltext: Französisch Übersetzung: Sprachdienste BFS Titelgrafik: BFS; Konzept: Netthoevel & Gaberthüel, Biel; Foto: © Bundeskanzlei-Béatrice Devènes, Dominic Büttner Grafik/Layout: BFS Copyright: BFS, Neuchâtel 2010 Abdruck – ausser für kommerzielle Nutzung – unter Angabe der Quelle gestattet ISBN: 978-3-303-01251-2
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 5 3 Ergebnisse der Bevölkerungsszenarien 21 1.1 Die neuen Szenarien zur zukünftigen 3.1 Präsentation der Ergebnisse 21 Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz 5 3.1.1 Das «mittlere» Szenario 21 3.1.2 Das «hohe» Szenario 23 1.2 Szenarien zum Bildungsniveau der Bevölkerung 5 3.1.3 Das «tiefe» Szenario 24 3.1.4 Das Szenario «Verstärkte Alterung» 26 1.3 Szenarien zur Erwerbsbevölkerung 6 3.1.5 Das Szenario «Abgeschwächte Alterung» 26 3.2 Analyse der Ergebnisse 26 2 Grundlagen und Hypothesen der Bevölkerungs- 3.2.1 Bevölkerungsentwicklung 26 szenarien 7 3.2.2 Altersstruktur 27 3.2.3 Die Komponenten der Bevölkerungs- 2.1 Bevölkerungsentwicklung in der Vergangenheit entwicklung 28 und gegenwärtige Situation 7 3.2.4 Eine Analyse des Einflusses der Komponenten 2.1.1 Bevölkerungsstand 7 mit Hilfe der Varianten 29 2.1.2 Geburten 7 2.1.3 Todesfälle 8 2.1.4 Wanderungsbewegungen 9 4 Einige Vergleiche 32 2.1.5 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts 10 4.1 Frühere Serien von Szenarien des BFS 32 2.2 Hypothesen 10 4.1.1 Abweichungen zwischen den beobachteten 2.2.1 Fruchtbarkeit 10 Entwicklungen und den früheren Szenarien 32 2.2.2 Sterblichkeit 11 4.1.2 Unterschiede zwischen den früheren 2.2.3 Internationale Wanderungen 13 und den neuen Szenarien 33 2.2.4 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts 16 4.2 Die Bevölkerung der Schweiz im Vergleich mit 2.3 Szenarien und Varianten 17 der Bevölkerung in den europäischen Ländern 2.3.1 Drei Grundszenarien 17 und weltweit 34 2.3.2 Alternativszenarien 18 4.2.1 Vorausschätzungen anderer Organisationen 2.3.3 Varianten 19 zur Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz 34 4.2.2 Künftige Bevölkerungsentwicklung in Europa und weltweit 35 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 3
Inhaltsverzeichnis 5 Szenarien zur Bildung der Bevölkerung 37 6 Szenarien zur Erwerbsbevölkerung 51 5.1 Einleitung 37 6.1 Definitionen 51 5.1.1 Vergleich mit den Beobachtungen 2009 6.1.1 Erwerbsbevölkerung 51 und Modellierung 38 6.1.2 Erwerbsquote 51 5.2 Hypothesen zur Bildung 38 6.2 Methode zur Vorausschätzung der Erwerbs- 5.2.1 Bestimmung der Niveaus und gemeinsame bevölkerung 51 Hypothesen 38 6.2.1 Grundlage der Vorausschätzung per 31.12.2009 52 5.2.1.1 Übergangsquoten 38 6.2.2 Vorausschätzung der Erwerbsquoten 53 5.2.1.2 Ausgewanderte Bevölkerung 39 5.2.2 Drei Grundszenarien 39 6.3 Hypothesen 53 5.2.2.1 Das «hohe» Szenario 39 6.3.1 Hypothesen zur Bildung 53 5.2.2.2 Das «mittlere» Szenario 40 6.3.2 Hypothesen im Bereich «Arbeit und Familie» 54 5.2.2.3 Das «tiefe» Szenario 41 6.3.3 Hypothesen zum Ruhestand 55 5.2.2.4 Varianten 42 6.3.4 Andere Hypothesen 56 5.2.2.5 Hypothesen zu den Personen in Ausbildung 42 6.4 Szenarien und Varianten 56 5.3 Ergebnisse zum Bildungsniveau 42 5.3.1 Gesamtbevölkerung der Schweiz 42 6.5 Kommentierte Ergebnisse 58 5.3.2 Schweizerische Bevölkerung 44 6.5.1 Entwicklung der Erwerbsquoten 58 5.3.3 Ausländische Bevölkerung 44 6.5.2 Entwicklung der Erwerbsbevölkerung 61 5.3.3.1 Gesamtheit der ausländischen Bevölkerung 44 6.5.3 Entwicklung des Altersquotienten der Erwerbs- 5.3.3.2 In der Schweiz geschulte ausländische bevölkerung 63 Bevölkerung 45 6.5.4 Entwicklung der Erwerbsquoten und der Erwerbs- 5.3.4 Einfluss der Variantenwahl 47 bevölkerung in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) 64 5.4 Ergebnisse für Personen in Ausbildung 48 Anhang 68 5.5 Unsicherheiten und Vergleiche mit den Szenarien A.1 Sechs Teilpopulationen 68 2009–2018 49 A.2 Input und Output 68 A.3 Abkürzungen 69 A.4 Bibliografie 69 A.5 Tabellen im Anhang 71 4 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Einleitung 1 Einleitung Damit sowohl die Änderungen in der Bevölkerungsent- Bevölkerungswachstum begünstigen, während das wicklung als auch jene in Politik, Wirtschaft und Ge- «tiefe» Szenario (C-00-2010) Hypothesen kombiniert, sellschaft berücksichtigt werden können, müssen die Sze- die dem Bevölkerungswachstum weniger förderlich sind. narien zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung der Wie bei den früheren gesamtschweizerischen Szenarien Schweiz regelmässig aktualisiert werden. Vor diesem Hin- befassen sich zwei Alternativszenarien eingehender mit tergrund hat das Bundesamt für Statistik (BFS) neue Sze- der Frage der Alterung der Bevölkerung. Das Szenario narien zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung der «Verstärkte Alterung» (D-00-2010) beruht auf einer Wahl Schweiz in den Jahren 2010 bis 2060 erarbeitet. Die letz- von Hypothesen, bei welcher der Altersquotient – d. h. ten gesamtschweizerischen Szenarien bezogen sich auf das Verhältnis zwischen der Anzahl Personen ab 65 Jah- die Entwicklung von 2005–2050 (BFS, 2006). ren und der Anzahl Personen im erwerbsfähigen Alter Mit diesen neuen Bevölkerungsszenarien wird wiede- (20- bis 64-Jährige) – am stärksten ansteigt. Das Szena- rum die ständige Wohnbevölkerung vorausgeschätzt. rio «Abgeschwächte Alterung» (E-00-2010) geht dem- Diese umfasst die Schweizer Bürgerinnen und Bürger mit gegenüber von Hypothesen aus, welche die geringste Wohnsitz in der Schweiz, die in der Schweiz wohnhaften Zunahme dieses Quotienten zur Folge haben. Schliess- Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthalts- lich zeigen 13 Varianten des «mittleren» Szenarios, oder Niederlassungsbewilligung (einschliesslich der aner- welche Konsequenzen die Änderung einer einzigen Kom- kannten Flüchtlinge) sowie die ausländischen Personen, ponente der Vorausschätzung hätte (Fruchtbarkeit, deren Aufenthalt in der Schweiz durch internationale Ab- Sterblichkeit, Migration), und welche Folgen eintreten, kommen geregelt ist (Diplomatinnen und Diplomaten, wenn «extreme» Hypothesen zu Grunde gelegt werden. Beamtinnen und Beamte). Ausländische Personen, die sich weniger als ein Jahr in der Schweiz aufhalten, und Personen im Asylprozess zählen nicht zur ständigen 1.2 Szenarien zum Bildungsniveau Wohnbevölkerung. Diese Definition der Zielpopulation der Bevölkerung stellt die Kohärenz mit der Statistik des jährlichen Bevöl- kerungsstandes (ESPOP) sicher und berücksichtigt die Das Bildungsniveau ist der gängigste Indikator, um den entsprechenden internationalen Empfehlungen. Die neu- Humankapitalbestand eines Landes zu messen. Seine en Szenarien schätzen zudem wiederum die Entwicklung Entwicklung ist von besonderer Bedeutung in einer Welt, der Erwerbsbevölkerung im gleichen Zeitraum und die die sich schnell verändert, in der das Wissen eine Schlüs- Entwicklung der Bevölkerung nach Bildungsstand der in selrolle für die globale Wettbewerbsfähigkeit spielt und der Schweiz wohnhaften Personen voraus. in der die Gesellschaft immer mehr qualifiziertes Personal benötigt. Die letzten Jahre waren in der Schweiz durch sehr 1.1 Die neuen Szenarien zur zukünftigen starke Veränderungen geprägt, so durch einen markan- Bevölkerungsentwicklung der Schweiz ten Import von Humankapital und eine spürbare Zu- nahme des Anteils von Personen mit einem Tertiärab- Es wurden drei neue Grundszenarien erstellt. Das Re- schluss. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit der aus- ferenzszenario ist das «mittlere» Szenario (A-00-2010), ländischen Bevölkerung, eine Ausbildung der Tertiärstufe das auf der Fortsetzung der Entwicklungen der letzten zu absolvieren, nach wie vor tiefer als jene der Schwei- Jahre beruht. Das «hohe» Szenario (B-00-2010) ba- zerinnen und Schweizer. siert auf einer Kombination von Hypothesen, die das 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 5
Einleitung In dieser Publikation werden mehrere Szenarien zur Im Übrigen wurden auch verschiedene arbeitsmarkt- zukünftigen Entwicklung des Bildungsniveaus vorgestellt. spezifische Varianten berechnet: Soweit dies möglich ist, berücksichtigen sie sowohl bil- Die Varianten A-15-2010 und A-16-2010 basieren dungsrelevante Entwicklungen innerhalb der Schweiz als zwar auf den Bevölkerungshypothesen des «mittleren» auch den migrationsbedingten «Humankapitalfluss». Szenarios, stützen sich aber auf die günstigsten bezie- hungsweise die ungünstigsten Hypothesen in Bezug auf die Beteiligung am Arbeitsmarkt. 1.3 Szenarien zur Erwerbsbevölkerung Die Varianten B-01-2010 und C-01-2010 kombinie- ren die Hypothesen, die zu den grössten beziehungs- Die Vorausschätzungen zur Erwerbsbevölkerung sind weise zu den kleinsten Bevölkerungsbeständen führen, eng mit den Vorausschätzungen zur Bevölkerungsent- mit den mittleren Hypothesen zur Beteiligung am Ar- wicklung und jenen zur Erwerbsquote verbunden, die beitsmarkt. Die Variante B-02-2010 schliesslich verbin- Teil der Projektion sind. det die Hypothesen, welche die grössten Bevölkerungs- Berechnet wurde die Erwerbsbevölkerung gemäss bestände ergeben, mit den schwächsten Hypothesen den neuen Grundszenarien und demografischen Varian- zur Beteiligung am Arbeitsmarkt, während Variante ten, die in Kapitel 1.1 beschrieben sind. Das «mittlere» C-02-2010 die Hypothesen, die zu den kleinsten Bevöl- Szenario A-00-2010 basiert auf der am wahrscheinlichs- kerungsbeständen führen, mit den günstigsten Hypothe- ten erscheinenden Kombination von Hypothesen zum sen zur Beteiligung am Arbeitsplatz kombiniert. Arbeitsmarkt. Das «hohe» Szenario (B-00-2010) geht Eine Übersichtstabelle zu den Hypothesen der Szena- von den Hypothesen aus, die einen maximalen Effekt rien und Varianten für die Erwerbsbevölkerung ist in Ka- auf die Erwerbsbevölkerung haben, das «tiefe» Szenario pitel 6 zu finden. (C-00-2010) von denjenigen, deren Einfluss auf die Er- werbsbevölkerung minimal ist. Für die 13 demografi- schen Varianten wurden die Hypothesen zum Arbeits- markt des «mittleren» Szenarios herangezogen. 6 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien 2 Grundlagen und Hypothesen der Bevölkerungsszenarien 2.1 Bevölkerungsentwicklung in der Die Altersstruktur der Schweizer Bevölkerung hat sich Vergangenheit und gegenwärtige in den letzten Jahrzehnten beträchtlich verändert (vgl. Situation Grafik G02). Während der Anteil der Personen ab 65 Jahren im Jahr 1960 bei 10,3% lag, betrug er 2008 be- 2.1.1 Bevölkerungsstand reits 16,6%. Umgekehrt sank der Anteil der Personen unter 20 Jahren im Zeitraum 1960 bis 2008 von 31,8% 1960 umfasste die Bevölkerung 5,4 Millionen Personen auf 21,2%. Der Anteil der Personen im erwerbsfähigen mit ständigem Aufenthalt in der Schweiz (vgl. Grafik G01). Alter (20–64 Jahre) an der Gesamtbevölkerung belief Damals wurde ein sehr hohes Bevölkerungswachstum sich 2008 auf 62,2%, womit die in den Jahren 1991 und verzeichnet. Ab 1946 lag die jährliche Zuwachsrate im- 1992 verzeichneten historischen Höchstwerte überschrit- mer über 1%. 1961 belief sich dieser Anstieg sogar auf ten wurden (57,9% im Jahr 1960). knapp 3%. Die Ursachen dieser ausserordentlichen Zu- nahme waren zum einen der Baby-Boom und zum ande- ren die starke Zuwanderung von ausländischen Arbeits- kräften im Zusammenhang mit der damaligen Hochkun- Aufteilung der Bevölkerung in die verschiedenen Altersklassen G 02 junktur. In den 1970er-Jahren schwächte sich das Bevöl- kerungswachstum stark ab. 1975 und 1976 erfolgte auf- 100% grund eines rezessionsbedingten Auswanderungsüber- 90% schusses sogar ein geringfügiger Bevölkerungsrückgang. 80% Diese Abnahme war jedoch lediglich vorübergehender 70% Natur. Seit Beginn der 1980er-Jahre ist die Einwohner- 60% 50% zahl wieder im Steigen begriffen. In den Jahren 2007 40% und 2008 lag die jährliche Zuwachsrate infolge eines 30% deutlichen Zuwanderungsüberschusses erneut über 1%. 20% 10% 0% 60 65 70 75 80 85 90 95 00 05 Bevölkerung von 1960 bis 2008 G 01 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 % 65 Jahre und mehr 8 000 3,0 % 20–64 Jahre % 0–19 Jahre 7 000 2,5 Anzahl Personen in Tausenden Quelle: BFS/ESPOP © BFS 6 000 2,0 Veränderung in % 5 000 1,5 4 000 1,0 3 000 0,5 2.1.2 Geburten 2 000 0,0 1964 betrug die zusammengefasste Geburtenziffer 1 000 -0,5 2,68 Kinder pro Frau. Von da an ging sie zurück. Erst 1978 0 -1,0 stabilisierte sie sich im Bereich von 1,5. Anschliessend 0 65 70 5 80 85 90 95 00 05 10 pendelte sie zwischen 1,4 und 1,6 Kindern pro Frau. Im 6 7 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 Bevölkerung Veränderung Jahr 2003 betrug sie 1,39. Seither ist sie wieder leicht im Quelle: BFS/ESPOP © BFS Zunehmen begriffen. Gegenwärtig liegt sie bei ungefähr 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 7
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien 1,48 Kindern pro Frau (vgl. Grafik G03). Diese sehr nied- Lebendgeburten G 04 rigen Werte sind nicht nur Ausdruck eines Aufschubs der 120 000 Familiengründung durch die Frauen, sondern auch eines tatsächlichen Rückgangs der durchschnittlichen Anzahl 100 000 Kinder pro Frau. Die Geburtenrate der über 30-jährigen 80 000 Frauen steigt zwar an, doch mit diesem Anstieg wird die Abnahme der Geburtenziffer ebendieser Frauen, als sie 60 000 noch jünger waren, nicht kompensiert. Daraus resultiert 40 000 für zahlreiche Frauengenerationen ein Rückgang der endgültigen Nachkommenschaft. 20 000 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau (ZGZ) G 03 Quelle: BFS/BEVNAT © BFS 3,0 2,5 2.1.3 Todesfälle 2,0 Die Anzahl Todesfälle nimmt seit 1960 zu, während 1,5 gleichzeitig die Lebenserwartung rasch ansteigt. Diese Entwicklung, die paradox erscheinen mag, ist auf das Be- 1,0 völkerungswachstum während des gesamten 20. Jahr- 0,5 hunderts zurückzuführen. Aufgrund dieses Bevölke- rungsanstiegs nahm auch die Zahl der älteren Personen 0,0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 zu. Diese erreichen ein höheres Alter, in dem auch ein höheres Sterblichkeitsrisiko besteht. Vor diesem Hinter- Quelle: BFS/BEVNAT © BFS grund steigt die Anzahl Todesfälle an. Die durchschnittli- che Lebenserwartung bei der Geburt betrug im Jahr 1960 bei den Frauen 74,1 Jahre und bei den Männern 68,7 Jah- 1964 wurde mit 112’900 Geburten der bisherige re. Im Jahr 2008 belief sich der entsprechende Wert Höchstwert verzeichnet. Nach einer Abnahme bis 1978 auf 84,4 Jahre bei den Frauen und 79,7 Jahre bei den auf 71’000 Geburten, einem Anstieg bis 1992 auf Männern, was für beide Geschlechter einer Zunahme um 87’000 Geburten und einem erneuten Rückgang bis über zehn Lebensjahre entspricht (vgl. Grafik G05). 2003 auf 72’000 Geburten ist seit fünf Jahren wieder eine leichte Zunahme zu beobachten. Im Jahr 2008 wur- den rund 76’700 Neugeborene gezählt (vgl. Grafik G04). Lebenserwartung bei Geburt nach Geschlecht G 05 90 85 80 75 70 65 60 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Männer Frauen Quelle: BFS/BEVNAT © BFS 8 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien Dieser Anstieg der Lebenserwartung bei der Geburt 2.1.4 Wanderungsbewegungen ist hauptsächlich auf den Rückgang der Sterblichkeit bei Seit 1960 schwankt der Wanderungssaldo stark (vgl. Gra- den älteren Personen zurückzuführen. So konnte eine fik G08). 1961 wurde ein Wanderungsüberschuss von 65-jährige Frau im Jahr 1960 durchschnittlich mit weite- über 100’000 verzeichnet, während der Saldo im Jahr ren 15,1 Lebensjahren und im Jahr 2008 mit weiteren 1965 leicht negativ ausfiel. Anschliessend lag er bei etwa 22,0 Lebensjahren rechnen. Bei den Männern betrugen null und erreichte schliesslich gegen 1975 ein Minimum die entsprechenden Werte 12,9 Jahre im Jahr 1960 und von ungefähr 58’000. Bis 1979 blieb der Saldo negativ. 18,7 Jahre im Jahr 2008 (vgl. Grafik G06). In der Folge stieg er unregelmässig an und erreichte im Jahr 1991 einen Spitzenwert von 61’000. Anschliessend nahm er wieder ab und wurde 1996 negativ. Im Jahr Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren 1997 lag der Wanderungssaldo bei etwa 7000. Ab die- nach Geschlecht G 06 sem Jahr stieg er bis zum Jahr 2002 auf 49’000 an und 30 stabilisierte sich in den folgenden Jahren bei Werten zwi- schen 35’000 und 45’000. Im Jahr 2007 nahm er wieder 25 rasch zu und erreichte im Jahr 2008 einen Wert von 20 98’000. Der Wanderungssaldo 2008 war das Ergebnis von 184’000 Einwanderungen und 86’000 Auswande- 15 rungen (vgl. Grafik G09). 10 5 G 08 Wanderungssaldo 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 120 000 100 000 Männer Frauen 80 000 Quelle: BFS/BEVNAT © BFS 60 000 40 000 20 000 0 -20 000 Die Anzahl Todesfälle nahm von gut 51’000 im Jahr -40 000 -60 000 1961 auf knapp 60’000 im Jahr 1981 zu. Anschliessend -80 000 lag sie zwischen 58’000 und 64’000. Im Jahr 2008 wur- -100 000 den in der Schweiz 61’690 Todesfälle registriert (vgl. -120 000 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Grafik G07). Quelle: BFS/ESPOP © BFS Todesfälle G 07 Ein- und Auswanderung G 09 120 000 200 000 150 000 100 000 100 000 80 000 50 000 60 000 0 -50 000 40 000 -100 000 20 000 -150 000 0 -200 000 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 04 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 06 08 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 19 Quelle: BFS/BEVNAT © BFS Einwanderung Auswanderung Quelle: BFS/ESPOP © BFS 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 9
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien 2.1.5 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts der Fruchtbarkeit endgültig vereitelt (Leridon H., 2008). Es trifft zwar zu, dass in letzter Zeit die durchschnittliche Zwischen 1960 und 1992 wurden nur in den Jahren 1978 Anzahl Kinder pro Frau in der Schweiz wie in den meis- und 1979 mehr als 20’000 Personen verzeichnet, die das ten europäischen Ländern zugenommen hat. Doch die- Schweizer Bürgerrecht erwarben. Dieser vorübergehende ser Anstieg der zusammengefassten Geburtenziffer be- Anstieg der Einbürgerungen stand im Zusammenhang deutet wahrscheinlich nicht, dass die Frauen bzw. Paare mit der nachträglichen Zuerkennung des Schweizer Bür- mehr Kinder als früher bekommen. Die Zunahme ist gerrechts an Kinder von Schweizer Frauen, die mit einem wohl eher auf eine Stabilisierung der zeitlichen Planung ausländischen Staatsbürger verheiratet waren. Im Jahr der Mutterschaften zurückzuführen. Die Frauen bekom- 1992 trat eine Revision des Bürgerrechtsgesetzes in Kraft. men ihre Kinder heute in einem höheren Alter. Dieser Seither können sich ausländische Ehegatten einer Schweiz- Aufschub der Mutterschaft bewirkte zunächst einen erin oder eines Schweizers erleichtert einbürgern lassen. Rückgang der Geburten, gefolgt vom derzeitigen An- Diese Gesetzesänderung und eine Vereinfachung der üb- stieg (G. Pison, 2009). rigen Verfahren für den Erwerb des Schweizer Bürger- In den nächsten Jahrzehnten wird die Fruchtbarkeit rechts führten zu einer Zunahme der Einbürgerungen. in der Schweiz unter Umständen durch mehrere politi- Diese stiegen von jährlich 11’000 auf knapp 47’000 im sche, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Fak- Jahr 2006 an und stabilisierten sich anschliessend auf ei- toren positiv beeinflusst: Zunahme der Arbeitsplätze, in nem Niveau von rund 44’000 (vgl. Grafik G10). deren Rahmen Frauen und Männer Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können, Vereinheitli- chung der Familienzulagen in der ganzen Schweiz, Wei- Erwerb des Schweizer Bürgerrechts G 10 terführung der finanziellen Unterstützung des Bundes für 60 000 Kinderkrippen usw. Umgekehrt werden einige Faktoren gegebenenfalls eine Stagnation oder gar Abnahme der 50 000 Fruchtbarkeitsziffer zur Folge haben: Beibehaltung des 40 000 Status quo im Bereich der Familien- und Geschlechterpo- litik, Weiterbestehen der in der Schweizer Gesellschaft 30 000 verbreiteten Auffassung, die Familie sei in erster Linie 20 000 Privatsache, Unterschätzung der gesellschaftlichen Di- mension der Kinder und der Elternrolle, vermehrter Zu- 10 000 gang zu Ausbildungsgängen der Tertiärstufe und zu 0 hoch qualifizierten, gut bezahlten Positionen und damit 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 verbunden eine stärkere Konkurrenz zwischen berufli- Quelle: BFS/PETRA © BFS cher Tätigkeit und Familienleben usw. Für die Bevölkerungsszenarien 2010–2060 basieren die verschiedenen Hypothesen auf den folgenden An- 2.2 Hypothesen nahmen. 2.2.1 Fruchtbarkeit • Mittlere Hypothese: In der Schweiz wohnhafte Frauen und Männer, die sich Die Fruchtbarkeit aller in der Schweiz wohnhaften Frau- in einem Alter befinden, in dem man normalerweise eine en stabilisiert sich auf einem Niveau von gut 1,5 Kindern Familie gründet, wünschen sich in der Regel Kinder. pro Frau. Die zusammengefasste Geburtenziffer (ZGZ) Doch vielfach werden sie durch Ungewissheiten im Zu- der Schweizerinnen steigt von 1,37 im Jahr 2008 auf sammenhang mit ihrer Lebensweise, ihren finanziellen 1,45 im Jahr 2060. Ihr Durchschnittsalter bei der Geburt Möglichkeiten und ihrer beruflichen Karriere veranlasst, des Kindes bleibt stabil bei 31,5 Jahren (31,6 im Jahr die Familiengründung aufzuschieben oder sogar ganz 2008). Die ZGZ der Ausländerinnen aus dem Europäi- darauf zu verzichten (Schubert R. et al, 2009). Das Auf- schen Wirtschaftsraum (EWR) erhöht sich nur leicht schieben der Geburt des ersten Kindes ist jedoch mit von 1,51 im Jahr 2008 auf 1,55 im Jahr 2060, und das gewissen Konsequenzen verbunden. Der Kinderwunsch Durchschnittsalter dieser Frauen bei der Geburt des Kin- wird unter Umständen durch die biologischen Grenzen des stagniert bei 31,0 Jahren. Die ZGZ der Ausländerin- 10 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien nen aus dem Nicht-EWR-Raum geht von 2,15 im Jahr Durchschnittsalter der Mutter bei der Geburt 2008 auf 2,10 im Jahr 2060 leicht zurück, während sich des Kindes gemäss der drei Grundhypothesen, ihr Durchschnittsalter von 28,7 im Jahr 2008 zu 29,0 im Schweizer Nationalität G 12 Jahr 2060 nur unwesentlich verändert. 35 • Hohe Hypothese: 34 33 Die Fruchtbarkeit nimmt beträchtlich zu und erreicht 32 einen Wert von knapp 1,8 Kindern pro Frau. Die ZGZ 31 der Schweizerinnen erhöht sich auf 1,7 im Jahr 2060. Ihr 30 Durchschnittsalter bei der Geburt des Kindes sinkt auf 29 30,5 Jahre. Die ZGZ der Frauen aus dem EWR-Raum 28 27 steigt auf 1,8 im Jahr 2060, und ihr Durchschnittsalter 26 geht auf 30,0 Jahre zurück. Die ZGZ der Frauen aus dem 25 Nicht-EWR-Raum steigt auf 2,4, und ihr Durchschnitts- 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 alter verringert sich leicht auf 28,0 Jahre. Beobachtungen Hohe Hypothese • Tiefe Hypothese: Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese Die Fruchtbarkeit sinkt weiter auf 1,3 Kinder pro Frau. Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS Die ZGZ der Schweizerinnen nimmt auf 1,2 ab, und ihr Durchschnittsalter bei der Geburt des Kindes steigt bis im Jahr 2060 auf 32,5 Jahre. Die ZGZ der Frauen aus dem 2.2.2 Sterblichkeit EWR-Raum geht auf 1,3 zurück, und ihr Durchschnitts- Die zukünftige Entwicklung der Sterblichkeit ist unter alter erhöht sich auf 32,0 Jahre. Die ZGZ der Frauen aus den Experten nach wie vor umstritten (Seematter- dem Nicht-EWR-Raum sinkt bis auf 1,8, und ihr Durch- Bagnoud L. et al, 2008). Gewisse Fragmente dieser Ent- schnittsalter steigt auf 30,0 Jahre. wicklung scheinen sich indessen klar abzuzeichnen. So geht aus mehreren Studien hervor, dass Personen mit ei- nem hohen Bildungsstand (Bopp M., 2003) bzw. Perso- nen, die Berufe ohne körperliche Anstrengungen ausüben (Villiger S., 2009), im Allgemeinen eine höhere Lebens- Durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau gemäss den drei Grundhypothesen, Schweizer Nationalität G 11 erwartung haben. In der Schweiz wird der Anteil der Per- sonen, die im Tertiärsektor tätig sind und einen hohen 2,0 Bildungsstand aufweisen, immer grösser. Ihr Anteil an 1,8 der Gesamtbevölkerung steigt kontinuierlich an. Infolge 1,6 dieser Veränderungen innerhalb der Bevölkerungsstruk- 1,4 tur sollte die Sterblichkeit bei den älteren Personen wei- 1,2 1,0 ter zurückgehen. Eine andere Entwicklung wird sich in 0,8 den nächsten 50 Jahren voraussichtlich ebenfalls fortset- 0,6 zen: die Abnahme des Unterschieds bei der Lebenser- 0,4 wartung von Frauen und Männern. Da sich die gesund- 0,2 heitsrelevanten Verhaltensweisen zwischen den beiden 0,0 Geschlechtern immer mehr angleichen, dürfte sich dieser 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Unterschied noch weiter verringern. Schliesslich ist da- 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Beobachtungen Hohe Hypothese von auszugehen, dass die Kindersterblichkeit schon bald Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese nicht mehr weiter zurückgehen wird. Der Grund hierfür Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS besteht darin, dass die Sterblichkeitsrate in bestimmten Alterskategorien nahe bei null liegt. In diesem Zusam- menhang ist darauf hinzuweisen, dass in den letzten Jah- ren gewisse Alterskategorien keinen einzigen Todesfall von Mädchen verzeichneten. 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 11
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien Zahlreiche Faktoren können sich positiv auf die Sterb- • Hypothese mittlere Lebenserwartung bei der Geburt: lichkeit in der Schweiz auswirken (BFS, 2005b). Die Was die Schweizerinnen und Schweizer anbelangt, be- Fortschritte auf dem Gebiet der Medizinaltechnologie trägt im Jahr 2060 die Lebenserwartung bei der Geburt und die neuen Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere 86,0 Jahre bei den Männern und 90,0 Jahre bei den Frau- im Bereich der Geriatrie, könnten unter Umständen vie- en. Bei den in der Schweiz wohnhaften Staatsangehörigen len Personen eine höhere Lebenserwartung bescheren. eines EWR-Landes beträgt im Jahr 2060 die Lebenser- Die biomedizinische Forschung kann zu Ergebnissen füh- wartung bei der Geburt 87,0 Jahre bei den Männern und ren, deren Auswirkungen auf die künftige Lebenserwar- 91,0 Jahre bei den Frauen. Bei den in der Schweiz wohn- tung sich gegenwärtig nur schwer abschätzen lassen. Im haften Personen aus dem Nicht-EWR-Raum betragen Rahmen der Prävention lässt sich unter Umständen mit die entsprechenden Werte 87,5 Jahre und 91,5 Jahre. Im Hilfe von Impfungen, Präventivuntersuchungen und In- Alter von 65 Jahren haben die in der Schweiz wohnhaf- formationskampagnen das Risiko von vorzeitigen Todes- ten Männer im Jahr 2060 im Schnitt noch 23,6 und die fällen reduzieren. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung in der Schweiz lebenden Frauen noch 26,7 Lebensjahre könnte auf eine gesündere Lebensführung achten. Mit vor sich. einer gesünderen Ernährung, der Einschränkung ihres Al- koholkonsums und des Verzichts auf den Konsum von • Hypothese hohe Lebenserwartung bei der Geburt: gesundheitsschädigenden Substanzen (Tabak, Betäu- Im Jahr 2060 beträgt die Lebenserwartung bei der Ge- bungsmittel usw.) könnten diese Personen länger und burt 89,0 Jahre für die Schweizer Männer und 92,5 Jahre bei besserer Gesundheit leben. für die Schweizer Frauen. Was die in der Schweiz wohn- Andere Faktoren dagegen können die Fortschritte bei haften Personen aus dem EWR-Raum anbelangt, beträgt der Lebenserwartung behindern oder die gegenwärtige die Lebenserwartung bei der Geburt 90,0 Jahre bei den Entwicklung sogar umkehren. Wenn ein grosser Teil der Männern und 93,5 Jahre bei den Frauen. Bei den Män- Bevölkerung seine Ernährungsgewohnheiten nicht än- nern und Frauen aus dem Nicht-EWR-Raum betragen dert, könnte die Zahl der Übergewichtigen in den nächs- die entsprechenden Werte 90,5 bzw. 94,0 Jahre. Im Alter ten Jahrzehnten stark ansteigen. Mit zunehmendem Al- von 65 Jahren haben die in der Schweiz wohnhaften ter könnte sich der Gesundheitszustand dieser Personen Männer im Jahr 2060 durchschnittlich noch 26,1 und verschlechtern, und ihre Lebenserwartung könnte sich die in der Schweiz lebenden gleichaltrigen Frauen noch damit verringern. Negative Auswirkungen können auch 28,8 Lebensjahre vor sich. andere gesundheitsrelevante Verhaltensweisen haben • Hypothese tiefe Lebenserwartung bei der Geburt: (Bewegungsmangel, Tabakkonsum, Konsum von Betäu- bungsmitteln usw.). Eine schwierige berufliche Situation Im Jahr 2060 beträgt die Lebenserwartung bei der Ge- (gefährdeter Arbeitsplatz, Erwerbslosigkeit usw.) oder burt 83,0 Jahre für die Schweizer Männer und 87,5 Jahre eine Krise innerhalb der Familie (Scheidung, konfliktbela- für die Schweizer Frauen. Was die in der Schweiz wohn- dene Beziehungen zwischen den Generationen usw.) haften Personen aus dem EWR-Raum anbelangt, beträgt können die psychische Gesundheit der betroffenen Per- die Lebenserwartung bei der Geburt 84,0 Jahre bei den sonen beeinträchtigen und längerfristig zu einem höhe- Männern und 88,5 Jahre bei den Frauen. Bei den Män- ren Risiko von vorzeitigen Todesfällen führen (Suizid, nern und Frauen aus dem Nicht-EWR-Raum betragen Demenz usw.). Nicht zu vernachlässigen ist schliesslich die entsprechenden Werte 84,5 bzw. 89,0 Jahre. Im Alter auch die Möglichkeit des Auftretens oder des erneuten von 65 Jahren haben die in der Schweiz wohnhaften Aufflammens von Infektionskrankheiten, für die keine Männer im Jahr 2060 durchschnittlich noch 21,3 und Behandlung verfügbar ist (SARS, Vogelgrippe, …). die in der Schweiz lebenden gleichaltrigen Frauen noch 24,6 Lebensjahre vor sich. Für die Bevölkerungsszenarien 2010–2060 basieren die verschiedenen Hypothesen auf den folgenden An- nahmen. 12 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien Lebenserwartung bei Geburt gemäss den drei durchgeführt, so dass nun immer zuverlässigere Informa- Grundhypothesen, nach Geschlecht, Schweizer tionen dazu verfügbar sind (IOM, 2008). Vor diesem Nationalität G 13 Hintergrund lässt sich eine Liste möglicher Faktoren er- 100 stellen, die im Verlauf der nächsten Jahrzehnte die Mig- ration in die reichen Länder mit hoher Wahrscheinlichkeit 95 beeinflussen werden: wirtschaftliche Faktoren, demogra- 90 fische Faktoren, Netzwerkeffekte, Faktoren im Zusam- menhang mit dem Arbeitsmarkt, der Bildung, der Ge- 85 sundheit und dem langfristigen Pflegebedarf sowie 80 schliesslich weitere Faktoren, die hauptsächlich mit der Integration zusammenhängen (B. L. Lowell, 2009). 75 Die Faktoren, die sich auf die Wanderungsbewegun- 70 gen in die Schweiz auswirken, können abhängig vom Beweggrund für die Einwanderung sehr unterschiedlich 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Beobachtungen - Männer Beobachtungen - Frauen sein. Aus diesem Grund ist es interessant, die verschiede- Mittlere Hypothese - Männer Mittlere Hypothese - Frauen nen Beweggründe getrennt voneinander zu betrachten. Hohe Hypothese - Männer Hohe Hypothese - Frauen Der wichtigste Beweggrund für eine Einwanderung in Tiefe Hypothese - Männer Tiefe Hypothese - Frauen die Schweiz sind gegenwärtig die Arbeitsmöglichkeiten. Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS Die Wanderungsbewegungen im Zusammenhang mit ei- ner Erwerbstätigkeit hängen in erster Linie von der Kon- junkturlage in der Schweiz ab (Wirtschaftskrise oder star- Lebenserwartung mit 65 Jahren gemäss kes Wachstum, Mangel an qualifizierten Arbeitskräften den drei Grundhypothesen, nach Geschlecht G 14 usw.). Ausschlaggebend für diese Art der Migration ist selbstverständlich auch die sozioökonomische Situation 30 in den Herkunftsländern (hohe Arbeitslosigkeit, grosse 25 Unterschiede beim Lohnniveau zwischen der Schweiz und dem betreffenden Land, Mangel an offenen Stellen 20 in einem bestimmten Bereich usw.). Einige Faktoren kön- 15 nen diese Art von Migration begünstigen: familiäre Bin- 10 dungen oder Bekanntschaften bzw. nachbarschaftliche Beziehungen (Familienangehörige oder Bekannte, die 5 bereits in der Schweiz wohnhaft sind), Informationen 0 über die Konjunkturlage in der Schweiz (Medien, Stellen- vermittlungsagenturen usw.), geografische Nähe des be- 90 95 00 05 10 30 15 20 25 35 40 45 50 55 60 19 20 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 treffenden Landes zur Schweiz (Deutschland, Frankreich, Beobachtungen Männer Beobachtungen Frauen Mittlere Hypothese Männer Mittlere Hypothese Frauen Italien, Österreich, Liechtenstein), eine gewisse Migrati- Hohe Hypothese Männer Hohe Hypothese Frauen onstradition zwischen einem Land und der Schweiz (Por- Tiefe Hypothese Männer Tiefe Hypothese Frauen tugal, Spanien, Ex-Jugoslawien, Türkei usw.). Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS Der zweite Beweggrund für eine Einwanderung in die Schweiz ist der Familiennachzug. Diese Wanderungsbe- wegungen hängen hauptsächlich mit in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländern zusammen, 2.2.3 Internationale Wanderungen die in die Schweiz eingewandert sind, um hier zu arbei- Hinsichtlich der Faktoren, welche die Migration beein- ten, und anschliessend ihre Familie nachkommen lassen. flussen können, bestehen verschiedene Theorien (N. Howe Diese Art von Migration kann aber auch auf Schweize- et al, 2005). Doch bislang konnte die künftige Ent- rinnen und Schweizer zurückzuführen sein, die einen wicklung von Wanderungsbewegungen in ein bestimm- Ausländer oder eine Ausländerin geheiratet haben (bei- tes Land mit keiner dieser Theorien zufriedenstellend spielsweise im Anschluss an eine berufliche Tätigkeit vorausgeschätzt werden. In den letzten Jahren wurden oder einen Ferienaufenthalt im Ausland) und diese Per- zahlreiche Studien zu den Wanderungsbewegungen son und deren Kinder in die Schweiz nachkommen las- 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 13
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien sen. Schliesslich sind auch die Fälle von Familiennachzug Das Ausmass von Wanderungsbewegungen wird anzuführen, bei denen in der Schweiz wohnhafte Aus- durch bestimmte punktuelle Ereignisse unter Umständen länderinnen und Ausländer, die über eine Aufenthaltsbe- stark beeinflusst. So werden die bilateralen Abkommen willigung verfügen oder das Schweizer Bürgerrecht er- zur Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der worben haben, einen Ausländer oder eine Ausländerin Europäischen Union (EU) aller Wahrscheinlichkeit nach aus ihrem Herkunftsland heiraten, der bzw. die nicht in ab 2011 auf die neuen EU-Mitgliedstaaten ausgeweitet. der Schweiz wohnhaft ist. Je nach Konjunkturlage dürfte dies in den kommenden Der dritte Beweggrund für eine Einwanderung in die zwei bis drei Jahrzehnten einen Einfluss auf die Zahl der Schweiz sind die Ausbildung und die Weiterbildung. Immigrantinnen und Immigranten haben. Im gegenwär- Diese Migration hängt in erster Linie damit zusammen, tigen Umfeld, das in den europäischen Ländern durch dass sich ausländische Studentinnen und Studenten an die allgemeine Alterung der Bevölkerung und einen Schweizer Universitäten und Hochschulen immatrikulie- Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen gekennzeichnet ren. Ebenfalls zu dieser Kategorie gehören die Schülerin- ist, verfügt die Schweiz für allfällige Migrantinnen und nen und Schüler in den zahlreichen Schweizer Interna- Migranten über interessante Pluspunkte. Dazu gehören ten. Ein ausschlaggebender Faktor für diese Art von beispielsweise das hohe Lohnniveau und die hohe Quali- Migration sind die hohe Qualität und der gute Ruf dieser tät des sozialen Umfelds sowie die intakte Natur. Doch Bildungsinstitutionen. Diese Art von Migration, die im langfristig gesehen dürfte die Schweiz aufgrund einer so- Übrigen vielfach nur vorübergehenden Charakter hat, zioökonomischen Konvergenz mit den europäischen wird unter Umständen durch die geografische Nähe des Ländern an Attraktivität verlieren. Herkunftslandes zur Schweiz und durch kulturelle Bin- Infolge der Migrationspolitik der Schweiz wird die le- dungen (Sprachen) begünstigt. gale Einwanderung von Staatsangehörigen aus Nicht- Der vierte Beweggrund für eine Einwanderung in die EWR-Ländern in den nächsten Jahrzehnten hauptsäch- Schweiz ist die Einreichung eines Asylgesuchs. Die Wan- lich aus hoch qualifizierten, mobilen Personen und ihren derungsbewegungen von Asylsuchenden sind auf Kon- Familien bestehen (abgesehen selbstverständlich von flikte in bestimmten Ländern (Bürgerkriege, kriegerische den ausländischen Studentinnen und Studenten und den Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen, ausländischen Ehegattinnen und Ehegatten von Schwei- politische Instabilität mit daraus resultierenden Gewalttä- zer Bürgerinnen und Bürgern). Gleichzeitig besteht je- tigkeiten usw.) und auf eine systematische (politische, re- doch in zahlreichen Ländern ausserhalb Europas nach ligiöse, ethnische usw.) Diskriminierung eines Teils der wie vor ein starkes Bevölkerungswachstum. Daraus Bevölkerung von bestimmten Ländern durch die betref- dürfte in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich ein fende Regierung zurückzuführen. Naturkatastrophen immer stärkerer Migrationsdruck resultieren (vgl. Kapitel oder die endemische Armut in einigen Regionen können 4.2.2). Die potenzielle Zunahme der Armut in diesen Menschen ebenfalls veranlassen, in Ländern wie der Ländern in Kombination mit einem hohen Anteil von Schweiz um Asyl zu bitten. Personen unter 20 Jahren könnte eine immer grössere Mögliche Gründe für die Rückkehr ins Herkunftsland Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Regionen sind der Übertritt in den Ruhestand, der Verlust des Ar- veranlassen, in ein europäisches Land wie beispielsweise beitsplatzes (Krise, Umstrukturierung, Dezentralisierung) in die Schweiz auszuwandern. Ausserdem könnten auch oder die Verbesserung der wirtschaftlichen oder politi- klimatische Veränderungen einen Teil der Personen, die schen Lage im Herkunftsland (insbesondere bei Flücht- in den betroffenen Regionen wohnhaft sind, bewegen, lingen), welche die betreffenden Personen zur Rückkehr ihr Heil in Ländern wie die Schweiz zu suchen. Wenn der veranlasst. Vor dem gleichen Hintergrund kann die wirt- Bund seine Migrationspolitik nicht anpasst, könnte dies schaftliche Konvergenz zwischen der Schweiz und eini- zu vermehrten illegalen Einwanderungen und zu einer gen Herkunftsländern der Immigrantinnen und Immig- höheren Zahl von Asylgesuchen führen. ranten eine gewisse Zahl dieser Personen veranlassen, die Schweiz wieder zu verlassen (weil die Schweiz infolge der Für die Bevölkerungsszenarien 2010–2060 basieren geringeren Lohnunterschiede für sie weniger attraktiv ist). die verschiedenen Hypothesen auf den folgenden An- nahmen. 14 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien • Hypothese mittlerer Wanderungssaldo: Wanderungssaldo der EWR-Staatsangehörigen gemäss den drei Grundhypothesen G 15 Von 2008 bis 2030 geht der Gesamtwanderungssaldo von 98’000 auf 22’500 zurück. Der letztere Wert ent- 80 000 spricht ungefähr dem Durchschnitt der Wanderungssaldi, 70 000 die in den letzten 50 Jahren verzeichnet wurden. Ab dem 60 000 50 000 Jahr 2030 wird sich der Wanderungssaldo auf diesem 40 000 Wert stabilisieren. 30 000 Im Vergleich mit den ausserordentlich hohen Wande- 20 000 rungssaldi, die in den Jahren 2007 und 2008 festgestellt 10 000 wurden, nimmt der Wanderungssaldo der in der Schweiz 0 wohnhaften Personen aus dem EWR-Raum rasch ab. -10 000 Nach zwei nicht sehr hohen Spitzenwerten in den Jahren -20 000 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 2012 und 2017, die mit der vorgesehenen Erweiterung 19 20 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 der Personenfreizügigkeit zusammenhängen, sinkt der Beobachtungen Hohe Hypothese Wanderungssaldo ab 2017 und stabilisiert sich im Jahr Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese 2030 bei einem Durchschnittswert von 15’000. Der Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS Wanderungssaldo der Personen aus dem Nicht-EWR- Raum nimmt ebenfalls bis 2030 ab und verharrt ab die- sem Jahr bei einem Durchschnittswert von 15’000. Der Wanderungssaldo der Nicht-EWR-Staats- Wanderungssaldo der Schweizerinnen und Schweizer angehörigen gemäss den drei Grundhypothesen G 16 sinkt leicht auf -7500 (vgl. Grafiken G15 bis G17). 50 000 • Hypothese hoher Wanderungssaldo: 40 000 Nach einem Spitzenwert von ungefähr 39’000 im Jahr 2012 und einem Anstieg auf knapp 34’000 im Jahr 2017 30 000 geht der Wanderungssaldo der in der Schweiz wohnhaf- 20 000 ten Personen aus dem EWR-Raum erneut zurück und stabilisiert sich im Jahr 2030 bei einem Durchschnittswert 10 000 von 30’000. Der Wanderungssaldo der Nicht-EWR- Staatsangehörigen steigt auf 35’000 und sinkt anschlie- 0 ssend auf 20’000. Ab 2030 bleibt er durchschnittlich bei 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 diesem Wert. Der Wanderungssaldo der Schweizerinnen Beobachtungen Hohe Hypothese und Schweizer bewegt sich weiterhin auf einem Niveau Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese von ungefähr -5000 (vgl. Grafiken G15 bis G17). Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS • Hypothese tiefer Wanderungssaldo: Der Wanderungssaldo der EWR-Staatsangehörigen sinkt unverzüglich und stabilisiert sich ab 2030 bei 0. Ebenso sinkt der Wanderungssaldo der Personen aus dem Nicht- EWR-Raum auf 10’000 und bleibt ab 2030 im Durch- schnitt bei diesem Wert. Der Wanderungssaldo der Schweizerinnen und Schweizer geht auf -10’000 zurück (vgl. Grafiken G15 bis G17). 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 15
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien Wanderungssaldo der Schweizer gemäss den drei ausländischen Staatsangehörigen am Schweizer Bürger- Grundhypothesen G 17 recht angesichts der Personenfreizügigkeit mit der Euro- päischen Union und dem Stimm- und Wahlrecht für 5 000 Ausländerinnen und Ausländer in einigen Kantonen un- 0 ter Umständen nicht allzu gross. -5 000 Für die Bevölkerungsszenarien 2010–2060 basieren die verschiedenen Hypothesen auf den folgenden An- -10 000 nahmen. -15 000 • Mittlere Hypothese: -20 000 Die Zahl der jährlichen Einbürgerungen von EWR-Staats- angehörigen geht kontinuierlich auf einen Durchschnitts- 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Beobachtungen Hohe Hypothese wert von 10’000 ab dem Jahr 2030 zurück. Die Einbür- Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese gerungen von Staatsangehörigen aus dem Nicht-EWR- Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS Raum nehmen von 30’000 auf 25’000 im Jahr 2030 ab und stabilisieren sich anschliessend bei diesem Wert (vgl. Grafiken G18 und G19). 2.2.4 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts • Hohe Hypothese: Was veranlasst Ausländerinnen und Ausländer zum Er- Die Zahl der jährlichen Einbürgerungen von EWR-Staats- werb des Schweizer Bürgerrechts? Bei Kindern und Ju- angehörigen stabilisiert sich rasch bei einem Durch- gendlichen, die seit ihrer Geburt in der Schweiz leben, schnittswert von 15’000. Diejenige der Einbürgerungen und bei Personen, die seit langer Zeit in unserem Land von Staatsangehörigen aus dem Nicht-EWR-Raum steigt wohnhaft sind, ist es zweifellos das Gefühl, Schweizer auf über 35’000, geht anschliessend wieder zurück und bzw. Schweizerin zu sein. Bei gewissen Nicht-EWR- stabilisiert sich schliesslich ab 2030 bei 30’000 (vgl. Gra- Staatsangehörigen kann der Beweggrund auch ein Si- fiken G18 und G19). cherheitsbedürfnis (Möglichkeit, nach einer Ausreise • Tiefe Hypothese: wieder in die Schweiz zurückzukommen) oder die Mög- Die Zahl der jährlichen Einbürgerungen von EWR-Staats- lichkeit sein, innerhalb von Europa einfacher herumreisen angehörigen sinkt bis auf einen Durchschnittswert von zu können. 5000 ab dem Jahr 2030. Diejenige der Staatsangehöri- Somit kann eine lange Aufenthaltsdauer in der gen aus Nicht-EWR-Staaten sinkt bis 2030 auf 20’000 Schweiz eine Person veranlassen, das Schweizer Bürger- und verharrt anschliessend bei diesem Wert (vgl. Grafi- recht zu beantragen. Der Wunsch, Schweizerin oder ken G18 und G19). Schweizer zu werden, kann auch mit der Tatsache zu- sammenhängen, dass jemand der zweiten oder dritten Ausländergeneration in der Schweiz angehört. Ebenso haben ausländische Staatsangehörige, die seit fünf Jah- ren oder länger mit einem Schweizer oder einer Schwei- zerin verheiratet sind, häufig den Wunsch, das Schweizer Bürgerrecht zu erwerben. Die in der Schweiz wohnhaf- ten Staatsangehörigen zahlreicher Länder haben die Möglichkeit, über eine doppelte Staatsbürgerschaft zu verfügen. Dies bewegt diese Personen unter Umständen ebenfalls dazu, das Schweizer Bürgerrecht zu beantragen (Italienerinnen und Italiener, Deutsche usw.). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Behörden nur über begrenzte Kapazitäten verfügen und deshalb nicht unbedingt in der Lage sind, alle Gesuche rasch zu bearbeiten. Ausserdem ist das Interesse von bestimmten 16 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien Erwerb des Schweizer Bürgerrechts gemäss den Sie entsprechen nicht Extremwerten. Durch ihre Kombi- drei Grundhypothesen, EWR-Staatsangehörige G 18 nation werden ein Maximum und ein Minimum festge- legt, die ebenfalls «plausible» Werte darstellen. Das 20 000 «mittlere» Szenario dient als Referenzszenario für diese neue Serie von Vorausschätzungen. Es beschreibt die 15 000 Entwicklung, die für die kommenden Jahrzehnte am plausibelsten erscheint. Das «hohe» und das «tiefe» Sze- 10 000 nario geben ihrerseits die plausible Bandbreite der zu- künftigen Bevölkerungsentwicklung an. 5 000 Je nach Entwicklung der Schweizer Gesellschaft könnte jedes Szenario Wirklichkeit werden. Im Folgen- 0 den wird der jeweilige sozioökonomische Rahmen erläu- tert, in dem die drei verschiedenen Bevölkerungsszena- 90 95 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 rien Realität werden könnten. Beobachtungen Hohe Hypothese Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese Das «mittlere» Szenario könnte eintreten, wenn die Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS sozioökonomischen Trends der letzten Jahrzehnte in den nächsten Jahren anhalten. Durch den vermehrten Zu- gang zu Ausbildungsgängen der Tertiärstufe und zu hoch qualifizierten, gut bezahlten Positionen wird so- Erwerb des Schweizer Bürgerrechts gemäss den drei wohl bei Männern als auch bei Frauen die Konkurrenz Grundhypothesen, Nicht-EWR-Staatsangehörige G 19 zwischen beruflicher Tätigkeit und Familienleben ver- 40 000 stärkt. Für Paare ist es zum Teil schwierig, Beruf und Fa- milie zu vereinbaren. Es wurden zwar verschiedene 35 000 Massnahmen zur Unterstützung von Familien realisiert 30 000 (Kinderkrippen, Erhöhung der Familienzulagen usw.), 25 000 doch diese reichen nicht aus, um eine nachhaltige Stei- 20 000 gerung der Fruchtbarkeit sicherzustellen. Aufgrund von 15 000 gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen (ungesunde 10 000 Ernährung, Tabakkonsum, Bewegungsmangel, …) 5 000 nimmt der Anteil der Personen mit gesundheitlichen Pro- 0 blemen kaum ab. Der medizinische Fortschritt verhilft dagegen einer grösseren Zahl von Personen zu einer hö- 95 90 00 05 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Beobachtungen Hohe Hypothese heren Lebenserwartung. Die Sterblichkeit nimmt somit Mittlere Hypothese Tiefe Hypothese weiter ab, doch in einem langsameren Rhythmus als in Quelle: BFS/SZENARIEN © BFS den letzten Jahren. Die Schweiz setzt weiterhin auf den bilateralen Weg. Das Inkrafttreten der beiden Erweite- rungen der Personenfreizügigkeit hat auf die Einwande- rung der Staatsangehörigen aus den neuen EU-Staaten nur vorübergehende Auswirkungen. Aufgrund einer ge- 2.3 Szenarien und Varianten wissen sozioökonomischen Konvergenz mit den europäi- schen Ländern verliert die Schweiz an Attraktivität. Aus 2.3.1 Drei Grundszenarien den Nicht-EWR-Ländern immigrieren nur hoch qualifi- Die Kombination der mittleren Hypothesen ergibt das zierte Personen in die Schweiz. Diese sind sehr mobil und «mittlere» Szenario A-00-2010, die Kombination der ho- bleiben in der Regel nur einige Jahre in der Schweiz. hen Hypothesen das «hohe» Szenario B-00-2010 und Das «hohe» Szenario könnte im Umfeld einer dyna- die Kombination der tiefen Hypothesen das «tiefe» Sze- mischen Schweizer Gesellschaft Wirklichkeit werden, die nario C-00-2010 (vgl. Tabelle T1). den demografischen Druck auf die Umwelt effizient un- Die drei Hypothesen, die für die verschiedenen ter Kontrolle halten kann. Die Familienzulagen werden in Komponenten mit dem Zeithorizont 2060 gewählt wur- der ganzen Schweiz erhöht. Da der Bund seine finanzi- den, liegen alle innerhalb von plausiblen Bereichen. elle Unterstützung von Kinderkrippen weiterführt, werden 2010 BFS Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 17
Grundlagen und hypothesen der Bevölkerungsszenarien zusätzliche Einrichtungen dieser Art angeboten. Es werden Um eine Vorstellung von der Möglichkeit zu geben, zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen oder angepasst, um dass die einzelnen Grundszenarien Wirklichkeit werden, den Frauen und Männern die Möglichkeit zu geben, ihre wird im Folgenden deren Eintretenswahrscheinlichkeit Berufstätigkeit mit dem Familienleben zu vereinbaren. geschätzt. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich Paare können so viele Kinder haben, wie sie möchten, um subjektive Werte handelt, da sie auf den Meinungen ohne dass sie einen tieferen Lebensstandard hinnehmen von Experten beruhen. Ausserdem ist festzuhalten, dass müssen. Auf dieser Grundlage steigt die Geburtenrate die Eintretenswahrscheinlichkeit eines bestimmten Sze- weiter an. Dank einer wirksamen Prävention und des narios mathematisch gesehen bei null liegt. Denn es gibt medizinischen Fortschritts leben die in der Schweiz wohn- eine unendlich hohe Zahl von möglichen Entwicklungen, haften Personen länger und bei besserer Gesundheit. Die so dass jede einzelne Entwicklung wenig wahrscheinlich Sterblichkeit geht insbesondere bei den älteren Personen ist. Die angenäherte Eintretenswahrscheinlichkeit eines weiter zurück. Die Schweiz baut ihre Beziehungen mit Szenarios entspricht somit der Wahrscheinlichkeit, dass der EU weiter aus. Die Tertiärisierung der Schweizer Wirt- die Bevölkerungsentwicklung, die in Zukunft tatsächlich schaft setzt sich fort. Vor diesem Hintergrund werden verzeichnet wird, näher bei der Entwicklung dieses Sze- zahlreiche Stellen für Personen mit einem hohen Bildungs- narios als bei den Entwicklungen der beiden anderen stand geschaffen. Aufgrund der hohen Attraktivität des Szenarien liegt. Die angegebenen Werte bringen folglich Wirtschaftsstandortes Schweiz kommen zahlreiche Staats- das Ausmass des Vertrauens zum Ausdruck, das wir in angehörige aus EU-Ländern und viele hoch qualifizierte Bezug auf eines der drei Grundszenarien haben können. Personen aus Nicht-EWR-Ländern in die Schweiz, um Für das «mittlere» Szenario veranschlagen wir eine an- hier einer Berufstätigkeit nachzugehen und sich definitiv genäherte Eintretenswahrscheinlichkeit von 50%, für das in unserem Land niederzulassen. «hohe» Szenario von 37,5% und für das «tiefe» Szena- Das «tiefe» Szenario könnte Realität werden, wenn rio von 12,5%. die Schweiz den Alleingang wählt und ihre Unabhängig- keit um jeden Preis bewahren will. Die in der Schweizer 2.3.2 Alternativszenarien Gesellschaft verbreitete Auffassung, die Familie sei in er- Zusätzlich zu diesen drei Grundszenarien werden zwei ster Linie Privatsache, besteht weiterhin. Die in den letz- Alternativszenarien berechnet: das Szenario D-00-2010 ten Jahren aufgegleiste Familienpolitik wird daher Schritt «Verstärkte Alterung» und das Szenario E-00-2010 «Ab- für Schritt aufgegeben. Sowohl die Männer als auch die geschwächte Alterung». Diese beiden Szenarien unter- Frauen räumen der beruflichen Karriere auf Kosten des scheiden sich von den tiefen und hohen Szenarien ledig- Familienlebens Priorität ein. Gesundheitsschädigende Ver- lich durch unterschiedliche Annahmen in Bezug auf die haltensweisen nehmen in der Gesellschaft weiter zu (un- Sterblichkeit, wobei das erste die Hypothese «Hohe Le- gesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Tabakkonsum, benserwartung bei der Geburt» und das zweite die Hy- Konsum von Betäubungsmitteln usw.). Die Zahl der Über- pothese «Niedrige Lebenserwartung bei der Geburt» zu- gewichtigen steigt rasch an. Der Gesundheitszustand grunde legt (vgl. Tabelle T1). Diese beiden Szenarien dieser Personen verschlechtert sich zusehends, und ihre ermöglichen die Ermittlung der plausiblen Höchst- und Lebenserwartung nimmt kontinuierlich ab. Zahlreiche Tiefstwerte des Altersquotienten. Personen sind mit einer schwierigen beruflichen Situation (gefährdeter Arbeitsplatz, Erwerbslosigkeit usw.) oder mit einer Krise innerhalb der Familie (Scheidung, konflikt- beladene Beziehungen zwischen den Generationen usw.) konfrontiert. Ihre psychische Gesundheit verschlechtert sich, was zu Fällen von Suizid und Demenz führt. Auf- grund der hohen Gesundheitskosten ist der Zugang zu gewissen medizinischen Behandlungen eingeschränkt. Der Rückgang der Sterblichkeit verlangsamt sich. Die Schweiz schränkt ihre Beziehungen mit der EU ein. Die sozioökonomische Attraktivität der Schweiz nimmt ab, was einen raschen Rückgang der Einwanderung von Staatsangehörigen aus den EWR-Ländern und von Personen aus dem Nicht-EWR-Raum zur Folge hat. 18 Szenarien zur bevölkerungsentwicklung der schweiz 2010–2060 BFS 2010
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