Position Eckpunkte zur Neuausrichtung der EU-Strukturförderung - 2021-2027 in Thüringen

 
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Position Eckpunkte zur Neuausrichtung der EU-Strukturförderung - 2021-2027 in Thüringen
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Eckpunkte zur Neuausrichtung
der EU-Strukturförderung
2021-2027 in Thüringen

DGB-Bezirk Hessen-Thüringen | Abteilung Strukturpolitik | September 2019 | position
Position Eckpunkte zur Neuausrichtung der EU-Strukturförderung - 2021-2027 in Thüringen
Impressum

Das vorliegende Positionspapier wurde durch den DGB-Bezirksvorstand im September 2019
beschlossen.

Herausgeber:

DGB-Bezirk Hessen-Thüringen

Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77

60329 Frankfurt

www.hessen-thueringen.de

verantwortlich: Michael Rudolph, Vorsitzender

Layout: Anja Peschke

Titelbild: DGB/Steinborn

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Liv Dizinger | Abteilung Strukturpolitik | Tel. 069 273 005 46 | E-Mail Liv.Dizinger@dgb.de

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Inhalt

1.   Einleitung                                                                                      4

2.   Die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds 2021-2027                                      5

3.   Gewerkschaftliche Eckpunkte zur inhaltlichen Ausgestaltung und Umsetzung der
     Operationellen Programme für die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds                   7
     3.1. Grundsätzliche Anmerkungen                                                                 7
     3.2. Gewerkschaftliche Eckpunkte                                                                8
          3.2.1. Beschäftigte im beschleunigten Strukturwandel unterstützen                          8
          3.2.2. EU-Förderung an Kriterien „Gute Arbeit“ binden                                      9
          3.2.3. Soziale Aspekte bei Innovationen beachten.                                          9
          3.2.4. Kürzungen bei Landesförderung kompensieren                                      10
          3.2.5. Partnerschaftsprinzip stärken                                                   10
          3.2.6. Geschlechtergerechtigkeit und Diversität verankern                              11
          3.2.7. Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit gewährleisten                      11
          3.2.8. Für Tariflöhne und Gute Arbeit bei Trägern sorgen                               12
          3.2.9. Kontinuität sichern                                                             12

4.   Die Zukunft des ESF+ in Thüringen                                                           13
     4.1. Thüringer Spezifika                                                                    13
     4.2. Anliegen der gewerkschaftlichen Einrichtungen an den ESF+                              13
          4.2.1. Gewerkschaftliche Anliegen in Förderrichtlinien verankern                       13
          4.2.2. Instrumentenweiterfürung                                                        14
          4.2.3. Brüche vermeiden                                                                14
          4.2.4. Förderkonditionen                                                               15
          4.2.5. Fördercontrolling                                                               15

5.   Zusammenfassung und Ausblick                                                                16

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1. Einleitung
Aktuell wird in der Europäischen Union über die Neuausrichtung der EU-Strukturförderung ab 2021 bera-
ten. Die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ist eines der wesentli-
chen Ziele der EU. Die EU strebt insbesondere an, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiede-
nen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern. Die
Verwirklichung dieser Ziele soll durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds erreicht werden.

Ab 2021 beginnt eine neue EU-Förderperiode, die bis 2027 dauert. Die Diskussion über die inhaltliche
Ausgestaltung und Umsetzung der Operationellen Programme in Thüringen hat bereits begonnen. Die
Operationellen Programme geben über die Verwendung der Mittel auf der regionalen Ebene Auskunft. In
ihnen werden die Förderschwerpunkte, die Investitionsprioritäten sowie konkrete Zielvorgaben und Indi-
katoren zur Überprüfung des Fortschritts bei der Ziel-Erreichung festgelegt. Hierbei gilt das Partnerschafts-
prinzip, das die Einbindung der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in den Mitgliedstaaten, der
Wirtschafts- und Sozialpartner sowie weiterer Akteure in die Vorbereitung, Durchführung, Begleitung und
Bewertung der Programme gewährleistet.

Mit den folgenden Eckpunkten legt der DGB-Bezirk Hessen-Thüringen gewerkschaftliche Anforderungen
an die inhaltliche Ausgestaltung und die Umsetzung der Operationellen Programme in der neuen Förder-
periode vor.1 Der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds
Plus (ESF+) stehen hierbei im Fokus. Die Forderungen lassen sich grundsätzlich auch auf den Europäi-
schen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) übertragen. Wir erwarten,
dass der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften gemäß des Partnerschaftsprinzips auf Augenhöhe wäh-
rend des gesamten Programmprozesses beteiligt werden.

Die gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen führten bzw. führen mehrere Projekte im Rahmen des ESF
in Thüringen durch. Schwerpunktmäßig ging bzw. geht es hierbei um die Themen Qualifizierung, Fach-
kräfteentwicklung, „Gute Arbeit“ und die Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung und Sozialpartner-
schaft. Um Beschäftigte im beschleunigten Strukturwandel insbesondere durch Qualifizierung zu unter-
stützen, Arbeitsplätze zu sichern und „Gute Arbeit“ zu fördern, bedarf es auch in Zukunft der Förderung
aus dem Fonds. Die Thüringer Spezifika und die Anliegen der gewerkschaftlichen Bildungsträger hinsicht-
lich des ESF+ werden in dem vorliegenden Papier als eigener Schwerpunkt behandelt.

Aus Anlass der Europawahl hatte der DGB unter dem Motto „Europa. Jetzt aber richtig!“ zu einem sozia-
leren Europa aufgerufen. Der DGB setzt sich dafür ein, dass faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen für
alle Beschäftigten in Europa gesichert werden. Das für Thüringen vorgesehene Fördervolumen der Europä-
ischen Struktur- und Investitionsfonds wird in der neuen Förderperiode merklich zurückgehen. Die Landes-
regierung ist aufgefordert, sich auf der europäischen und nationalen Ebene gegen die geplanten Kürzun-
gen einzusetzen und ggf. eigene Landesmittel und -programme zur Kompensation bereitzustellen. Damit
die EU-Fonds im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verwendet werden, sollten die Forderun-
gen aus dem vorliegenden Eckpunktepapier aufgegriffen und umgesetzt werden.

1
  Die vorliegenden Eckpunkte wurden auf Basis der folgenden Stellungnahmen des DGB angefertigt:
- DGB-Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027
[https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++4fd46f5e-cafe-11e8-9647-52540088cada]

- DGB-Stellungnahme zur europäischen Strukturpolitik ab 2021 im Kontext der Debatte um den Mehrjährigen Finanzrahmen
[https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++21d74de0-2141-11e8-95c4-52540088cada]

- DGB-Stellungnahme zum Europäischen Sozialfonds Plus
[https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++9679c5ca-9aee-11e8-8e10-52540088cada]

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2. Die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds 2021-2027
Auf der europäischen Ebene wird aktuell über den Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 und das Le-
gislativpaket mit den Verordnungsentwürfen für die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds beraten.
In Zukunft muss mit einer deutlichen Kürzung des EU-Budgets (u.a. aufgrund des Austritts Großbritanni-
ens) und einer Verschiebung der Ausgabenschwerpunkte gerechnet werden. Deutliche Einschnitte werden
im Bereich der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds erwartet.

Gemäß Artikel 174 Vertrag über die Arbeitsweise der EU verfolgt diese mit den Europäischen Struktur-
und Investitionsfonds das Ziel, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken
und die Entwicklung der EU als harmonisches Ganzes zu fördern. Insbesondere sollen die Unterschiede im
Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und der Rückstand der am stärksten benachteiligten Ge-
biete verringert werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den ländlichen Gebieten, den vom industriellen
Wandel betroffenen Gebieten und den Gebieten mit schweren und dauerhaften natürlichen oder demo-
grafischen Nachteilen. Aus den Fonds werden Investitionen in Wachstum und Beschäftigung in ganz Eu-
ropa finanziert. Gemäß der Agenda 2030 wird angestrebt, intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum zu fördern.

Die Kommission hat im Mai 2018 Vorschläge zur Neuregelung der Europäischen Struktur- und Investiti-
onsfonds vorgelegt. Danach sollen für den EFRE und ESF+ gemeinsame Bestimmungen gelten. Der ELER
soll nicht mehr unter die gemeinsamen Bestimmungen fallen.

Nach den Vorschlägen der Kommission soll die Förderung aus dem EFRE auf die folgenden Ziele kon-
zentriert werden: Ein intelligentes Europa durch Innovation, Digitalisierung, wirtschaftlichen Wandel und
die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie ein grüneres CO2-freies Europa, das das Pariser
Abkommen umsetzt und in die Energiewende, erneuerbare Energien und in den Kampf gegen den Klima-
wandel investiert.

Die Förderung aus dem ESF+ soll auf das Ziel eines sozialeren Europas konzentriert werden, um die euro-
päische Säule sozialer Rechte umzusetzen. Gefördert werden sollen hochwertige Arbeitsplätze, Bildung,
Kompetenzen, soziale Inklusion und Gleichheit beim Zugang zu medizinischer Versorgung. In dem neuen
ESF+ sollen fünf bereits bestehende Fonds und Programme gebündelt werden: der bestehende ESF, die
Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (YEI), der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten be-
nachteiligten Personen (EHAP), das Programm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) und das
EU-Gesundheitsprogramm.

Als weitere Ziele werden genannt: Ein stärker vernetztes Europa mit strategischen Verkehrs- und Digital-
netzen sowie ein bürgernäheres Europa durch Unterstützung lokaler Entwicklungsstrategien und nachhal-
tiger Stadtentwicklung in der gesamten EU. Technische Hilfe als Instrument zur Umsetzung des EFRE und
ESF+ soll weiterhin finanziert werden. Das Partnerschaftsprinzip soll auch zukünftig gelten. Allerdings ist
noch offen, wie die Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner konkret umgesetzt werden soll.

Die Kommission schlägt vor, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und den Aufwand zu verringern.
Als Reaktion auf die zunehmende Bürokratiekritik wurde ein Handbuch vorgelegt, das 80 Vereinfachun-
gen empfiehlt. Das relative Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll das wichtigste Kriterium für die Mit-
telzuweisung bleiben. Zusätzlich sollen weitere Kriterien berücksichtigt werden.

Nach den Vorschlägen der Kommission ist eine engere Verknüpfung der Förderung mit dem Europäischen
Semester geplant. Die Förderung soll an die Umsetzung der an die Mitgliedstaaten gerichteten länderspe-
zifischen Empfehlungen geknüpft und stärker wachstumspolitisch ausgerichtet werden.

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Insgesamt ist mit einer deutlichen Kürzung bei den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu rech-
nen. In der Förderperiode 2014-2020 stehen Thüringen, das zu den Übergangsregionen zählt, etwa 1,6
Mrd. Euro aus dem EFRE und dem ESF zur Verfügung. In Zukunft wird Thüringen von deutlichen Kürzun-
gen betroffen sein. Allerdings ist die genaue Höhe der Kürzungen noch unklar. Für Deutschland insgesamt
wird eine Mittelkürzung beim ESF+ in Höhe von 29 % und beim EFRE in Höhe von 8 % erwartet. Dies
würde einer Mittelkürzung in Höhe von insgesamt rund 21 % entsprechen.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Verordnungen befinden sich aktuell im Gesetzgebungsverfah-
ren. Hierbei kann das Europäische Parlament gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden. Bis Ende 2020
muss ein Konsens über die Neuregelungen gefunden werden. Ziel der Kommission sind genehmigungsfä-
hige Partnerschaftsvereinbarungen und Operationelle Programme bis Ende 2020. Die Förderung soll ab
2021 beginnen.

6 DGBposition
3. Gewerkschaftliche Eckpunkte zur inhaltlichen Ausgestaltung
und Umsetzung der Operationellen Programme für die Europäi-
schen Struktur- und Investitionsfonds

3.1 Grundsätzliche Anmerkungen
Die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds sind nach Auffassung des DGB zur Stärkung des wirt-
schaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in der EU unverzichtbar. Sie tragen maßgeblich
dazu bei, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am
stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern. Die Fonds spielen eine herausragende Rolle, um Investiti-
onen in Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa voranzutreiben. Sie erbringen einen europäischen
Mehrwert, indem wirtschaftliches Wachstum angekurbelt wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Zu-
gleich sind sie Ausdruck gelebter europäischer Solidarität. Die Vorhaben, die aus den Fonds gefördert
werden, machen Europa für die Menschen vor Ort erfahrbar und sind damit ein wichtiges Instrument ge-
gen das Anwachsen der Europaskepsis und rechtspopulistischer Parteien.

Die Kürzungen bei EFRE und ESF+ werden vom DGB mit Nachdruck abgelehnt. Die wirtschaftliche und
soziale Ungleichheit ist in der EU in den letzten Jahren angestiegen und hat sich verfestigt. Angesichts
dessen muss die EU verstärkt politisch dort intervenieren, wo Markt und Wettbewerb versagen, um
gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen Europas herzustellen. Mittelkürzungen sind nach An-
sicht des DGB das absolut falsche Signal.

Der ESF+ zielt direkt auf ein sozialeres Europa und die Umsetzung der Europäischen Säule sozialer
Rechte. Durch die Förderung von Qualifizierung unterstützt er die Schaffung und Sicherung hochwertiger
Beschäftigung, ermöglicht die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Er ist das einzige Instru-
ment, das sich auf Investitionen in Menschen, ihre Kompetenzen, Fähigkeiten und Möglichkeiten kon-
zentriert. Die geplanten Kürzungen beim ESF+ sind für uns nicht akzeptabel. Eine weitere Beschneidung
des ESF+ zu Gunsten des EFRE und anderer Finanzierungsinstrumente lehnen wir ab.

Der DGB spricht sich dafür aus, dass weiterhin alle Regionen aus den Europäischen Struktur- und Investiti-
onsfonds gefördert werden sollen. In einer Bund-Länder-Stellungnahme heißt es, dass künftig alle Regio-
nen innerhalb der EU „differenziert nach ihrer strukturellen Entwicklung und entsprechend ihrer regiona-
len Bedürfnisse“ berücksichtigt werden sollten. Dies gilt insbesondere für Übergangsregionen wie
Thüringen. Der Strukturwandel, die industrielle Transformation und künftige Herausforderungen (wie z.B.
Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel, Fachkräftelücke) sind in Thüringen besonders
stark spürbar. Thüringen muss aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds stärker unterstützt
werden, um den Strukturwandel, die industrielle Transformation und künftige Herausforderungen bewälti-
gen zu können.

Die von der Kommission vorgeschlagene Verknüpfung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds
mit dem Europäischen Semester und die Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen lehnt der DGB ab.
Dies würde dazu führen, dass die Förderung an die Umsetzung von – zumeist neoliberalen und beschäf-
tigtenfeindlichen – Strukturreformen in den Mitgliedstaaten gebunden wird. Die makroökonomischen
Konditionalitäten sind abzuschaffen. Die Fonds sollten nicht als Druckmittel zu Lasten von Regionen und
Beschäftigten eingesetzt werden, um die Umsetzung von Strukturreformen zu erzwingen, sondern gezielt
für ein sozialeres Europa verwendet werden.

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Der DGB lehnt die Stärkung von der Kommission selbst verwalteter Instrumente ab, zu denen z.B. der Eu-
ropäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) gehört, weil diesen die demokratische Legitimation
fehlt.

Der DGB kritisiert, dass der ELER nach den Vorschlägen der Kommission nicht mehr unter die gemeinsa-
men Bestimmungen fällt. Der ELER sollte auch in Zukunft auf Ebene der Bundesländer programmiert wer-
den. Überlegungen, den ELER nur auf der Bundesebene zu programmieren, lehnt der DGB ab.

3.2 Gewerkschaftliche Eckpunkte

3.2.1 Beschäftigte im beschleunigten Strukturwandel unterstützen
Für die Förderperiode 2021-2027 wird damit gerechnet, dass Thüringen deutlich weniger Mittel aus dem
EFRE und ESF+ zur Verfügung stehen werden. Der DGB spricht sich daher für eine fondsübergreifende
Strategie aus, mit der der Fördermitteleinsatz konzentriert wird und klare Prioritäten gesetzt werden.

Künftige Herausforderungen wie etwa Globalisierung und Protektionismus, Demografie/Fachkräfteent-
wicklung, Digitalisierung und Klimaschutz haben massive Veränderungen für die Beschäftigten zur Folge.
Der Strukturwandel und die industrielle Transformation werden die Wertschöpfungsketten und die Be-
schäftigung der Zukunft massiv verändern. Für die Gewerkschaften kommt es darauf an, dass der Wandel
der Arbeitswelt gezielt und aktiv gestaltet wird. Der Förderfokus muss darin bestehen, Beschäf-
tigte im beschleunigten Strukturwandel insbesondere durch Qualifizierung zu unterstützen,
Arbeitsplätze zu sichern und „Gute Arbeit“ zu fördern.

Zu den künftigen Herausforderungen gehört es, die Klimaschutzziele und die angestrebte Energie- und
Mobilitätswende umzusetzen. Das Thüringer Klimaschutzgesetz strebt eine Verringerung der Treibhau-
semmissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 % an. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn die erneuerba-
ren Energien ausgebaut, die Energieeffizienz gesteigert und die Mobilität nachhaltig gefördert werden.

Die Arbeitswelt wird sich in den nächsten Jahren massiv verändern. Schon heute wandeln sich Tätigkeiten
durch die Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien in Produktions- oder Dienstleistungsberei-
chen. In den nächsten Jahren werden einige Berufe verschwinden und gleichzeitig neue entstehen. Dieser
Wandel muss aktiv begleitet und gestaltet werden. Dies gilt insbesondere für die in Thüringen beschäfti-
gungspolitisch äußerst relevante Automobil- und Zuliefererindustrie mit rund 50.000 Beschäftigten, bei
der neben den großen Produktionsstandorten auch die vielen oftmals kleinen mittelständischen Zulieferer
aus unterschiedlichen Branchen in den Blick zu nehmen sind. Durch alternative Antriebstechnologien und
autonomes Fahren wird sich diese Wertschöpfungskette fundamental verändern.

Die zentrale Herausforderung wird es sein, diesen Wandlungsprozess geschlechtergerecht und beteili-
gungsorientiert ohne einen neuen Anstieg an Arbeitslosigkeit und sozialer Exklusion zu bewältigen und
zugleich einen ausreichenden sozialen Schutz zu gewähren, prekäre Beschäftigungsformen zu bekämpfen
und dem Gesundheitsschutz durch „Gute Arbeit“ gerecht zu werden.

Der DGB fordert, dass die Transformation demokratisch, sozial und ökologisch gestaltet wird. Technologi-
scher Fortschritt, wirtschaftlicher Wohlstand und „Gute Arbeit“ müssen miteinander verbunden werden.
Zukunftsinvestitionen zur Erreichung der Klimaschutzziele und zur Umsetzung der Energie- und Verkehrs-
wende müssen mit der Sicherung von Arbeitsplätzen, der Ausweitung von Aus- und Weiterbildung sowie
der Stärkung von Tarifbindung, Mitbestimmung und sozialer Absicherung verbunden werden.

8 DGBposition
Für die verschiedenen Fonds muss eine größere Komplementarität und Kohärenz hergestellt werden.
EFRE, ESF+ und ELER müssen sich mit ihren Fördermaßnahmen ergänzen. Beispielsweise sollten Investiti-
onen in Wachstum aus dem EFRE stärker mit Investitionen in Beschäftigung aus dem ESF+ verbunden
werden. Um Schnittstellenprobleme zu vermeiden, ist eine deutlich engere Abstimmung und Koordination
erforderlich. Dies kann über regionale Entwicklungskonzepte, Branchendialoge oder branchenübergrei-
fende Dialoge sowie der Beteiligung regionaler Akteure, wie etwa den Regionalbeiräten, realisiert wer-
den.

3.2.2 EU-Förderung an Kriterien „Guter Arbeit“ binden
Der DGB fordert, dass Kriterien „Guter Arbeit“ in den Operationellen Programmen für die
Europäischen Struktur- und Investitionsfonds verankert werden. Die Qualität der Arbeit muss
eine größere Rolle spielen als bislang. Dies gilt sowohl für die neu geschaffenen Arbeitsplätze als auch für
die Begünstigten.

Der DGB fordert, dass soziale Kriterien in das Operationelle Programm für den EFRE aufgenommen wer-
den. Es sollten nur solche Unternehmen begünstigt werden, die Tarifverträge einhalten, prekäre Arbeit
(Befristungen, Leiharbeit, Minijobs und Werkverträge) vermeiden und Mitbestimmung durch Betriebs- und
Personalräte ermöglichen. Die Einhaltung der Kriterien muss wirksam kontrolliert, ggf. mit einem Bonus
belohnt und bei Verstößen mit Sanktionen geahndet werden. Aus rechtlicher Sicht ist die Verankerung
sozialer Kriterien in der Wirtschaftsförderung problemlos möglich, wie ein rechtswissenschaftliches Gut-
achten von Professor Wolfhard Kohte (2012) aufzeigt.2 Es muss verhindert werden, dass mit den Europäi-
schen Struktur- und Investitionsfonds Lohnunterbietung und inhumane Arbeitsbedingungen unterstützt
werden. Darüber hinaus dürfen nur solche Unternehmen gefördert werden, die mindestens zehn Jahre an
einem Standort bleiben und Zusagen zur Sicherung und Schaffung dauerhafter und hochwertiger Beschäf-
tigung erfüllen. Die Einhaltung der Kriterien „Guter Arbeit“ sollte kontrolliert und bei Verstößen geahndet
werden.

3.2.3 Soziale Aspekte bei Innovationen beachten
Der DGB spricht sich für einen ganzheitlichen Innovationsbegriff aus, der nicht nur techno-
logische und wirtschaftliche Interessen, sondern soziale Aspekte mitberücksichtigt. Bei der
Forschungsförderung ist ein ganzheitlicher Ansatz EFRE- und ESF-übergreifend gefordert. Statt einer ein-
seitig technikzentrierten FuE-Förderung fordert der DGB ein Programm zur sozialen Gestaltung der Trans-
formation von Arbeit und Technik auf den Weg zu bringen.

Die Partizipation der Beschäftigten und Interessenvertretungen ist eine zentrale Voraussetzung für Innova-
tionen. Beschäftigte, Betriebs- und Personalräte sind zentrale Akteure im Innovationsprozess, indem sie
dazu beitragen, die Produkte und Prozesse nicht nur ökonomisch effizienter, sondern auch sozialer und
ökologischer zu machen. Bei betrieblichen und überbetrieblichen Veränderungsprozessen setzen sich Be-
triebs- und Personalräte dafür ein, dass innovative Alternativen zu möglichen Standortverlagerungen, Um-
strukturierungen, Personalabbau und Einschnitten bei den Arbeitsbedingungen entwickelt und umgesetzt
werden.

1
 Kohte, Wolfhard (2012): Die Umsetzung nachhaltiger und sozialer Wirtschaftsförderung auf Landesebene am
Beispiel Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Hannover. Download unter:
https://niedersachsen.dgb.de/themen/++co++5b6053f6-524a-11e1-5ee5-00188b4dc422

                                                                                                 9 DGBposition
Dadurch werden Neuerungen zu Lasten der Beschäftigten verhindert. Betriebs- und Personalräte tragen
außerdem dazu bei, dass Benachteiligungen bestimmter Personen (etwa aufgrund von Rasse, Herkunft,
Alter, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Identität) verhindert oder
beseitigt werden. Die Beteiligung der Beschäftigten und Interessenvertretungen ist wichtig, damit Innova-
tionsprozesse aktiv gestaltet und sozial gerecht umgesetzt werden. Um die Innovationskraft der Beschäf-
tigten und betrieblichen Interessenvertretungen zu stärken, ist die langfristige Förderung von Netzwerken
und professioneller Beratungsstrukturen zu ihrer Unterstützung notwendig.

3.2.4 Kürzungen durch Landesförderung kompensieren
Die geplanten Kürzungen bei den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds müssen
durch Mittel des Bundes und des Landes kompensiert werden. Die angestrebte Reduzierung des
EU-Kofinanzierungssatzes auf 55 % in Übergangsregionen ist nicht akzeptabel und gefährdet die Realisie-
rung von Projekten. Sollte es tatsächlich zu niedrigeren EU-Kofinanzierungssätzen kommen, müssen Bund
und Land mit eigenen Mitteln die Reduzierungen kompensieren. Sollte dies nicht grundsätzlich gelingen,
sind mit fachlicher Begründung für bestimmte Träger und Unternehmen sowie für wirtschafts- und struk-
turpolitisch besonders bedeutsame Maßnahmen höhere Fördersätze zu gewährleisten.

3.2.5 Partnerschaftsprinzip stärken
Das Partnerschaftsprinzip muss in der neuen Förderperiode gestärkt werden. Dieses sieht
vor, dass die Wirtschafts- und Sozialpartner in die Vorbereitung, Umsetzung, Begleitung
und Bewertung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds eingebunden werden. Ins-
besondere in der Phase der Programmaufstellung muss der DGB als Sozialpartner frühzeitig und umfas-
send auf Augenhöhe beteiligt werden. In der letzten Förderperiode war der DGB mit jeweils einem Mit-
glied und einer Stellvertretung im Begleitausschuss vertreten, der die Durchführung der Operationellen
Programme überwacht. Die Beteiligung darf sich jedoch nicht nur auf die Beteiligung im Rahmen des Be-
gleitausschusses begrenzen. Vielmehr müssen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nicht nur in
die inhaltliche Aufstellung und Umsetzung der Operationellen Programme, sondern auch – wie es beim
Arbeitsministerium bereits geltende Praxis ist – in die Entwicklung der Förderrichtlinien und bei der Pro-
jektauswahl gleichberechtigt eingebunden werden.

Die technische Hilfe zur Umsetzung der Programme soll auch dem DGB und den Gewerkschaften die
Möglichkeit bieten, arbeitsorientierte Projekte zu generieren. Hierfür ist eine zielgruppenspezifische Infor-
mation, Beratung und Bildung erforderlich. Auch kleinere Projektträger benötigen professionelle Unter-
stützung für die Beantragung und Durchführung von Projekten. Mit der technischen Hilfe muss der soziale
Dialog gestärkt werden, um mehr gemeinsame Projekte der Wirtschafts- und Sozialpartner zu generieren.
Den Wirtschafts- und Sozialpartnern sollten finanzielle Mittel zum Kapazitätsaufbau einer Kontakt und
Beratungsstelle zur Verfügung gestellt werden.

Über den gesamten Programmprozess hinweg muss eine größtmögliche Transparenz hergestellt werden.
Der DGB spricht sich dafür aus, dass die Transparenzlisten über die Begünstigten weiterhin der Öffentlich-
keit zugänglich gemacht werden.

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3.2.6 Geschlechtergerechtigkeit und Diversität verankern
Geschlechtergerechtigkeit und Diversität müssen in den Operationellen Programmen für
die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds als Querschnittsziel verankert und darüber
hinaus gezielt gefördert werden. Der DGB fordert, dass fondsübergreifend Gender Mainstreaming
und Gender Budgeting angewandt werden, um eine gerechte Verteilung der Fördermittel zu erreichen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern muss stärker gefördert werden. Im Falle einer Mittelverwen-
dung zuungunsten von Frauen sollten Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Aus gewerkschaftlicher
Sicht sind die folgenden Themen von besonderer Bedeutung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Reduzie-
rung der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männer, Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeits-
platz sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein integriertes Diversitätsmanagement
sollte als Instrument eingesetzt werden, um die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstüt-
zen.

3.2.7 Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit gewährleisten:
Ökologische Nachhaltigkeit ist als Querschnittsziel aller Fonds, aber auch mittels geeigne-
ter Maßnahmen zu fördern.

Die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und die ökologische Nachhaltigkeit müssen in der Förderpoli-
tik in viel größerem Maße berücksichtigt werden. Die aktuelle Förderpolitik – dies gilt insbesondere für
den ELER – führt dazu, dass die Biodiversität dramatisch sinkt, Böden devastieren, noch vorhandene
Landschaftselemente wie Hecken und Einzelbäume vernichtet werden, die natürlichen Gewässer belastet
oder zerstört und ökologische Grenzen nicht beachtet werden. Landwirtinnen und Landwirte werden
durch einen unsinnig hohen Dokumentationsaufwand und finanzielle Einbußen dafür bestraft, wenn sie
natürliche Landschaftsstrukturen in ihren Flächen erhalten. Dies führt dazu, dass die nachfolgenden Gene-
rationen mit einer ökologisch verarmten Umwelt und erheblichen Kosten z. B. für die Verhinderung von
Bodenverwehungen und Trinkwasseraufbereitung belastet werden.

Die Gewerkschaften fordern eine Abkehr von der flächenbezogenen Förderung hin zu einer Förderung der
nachhaltigen Landwirtschaft, die auch kleinere Betriebe und die Bereitstellung von landwirtschaftlichen
Arbeitsplätzen belohnt. Faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen müssen in der Landwirtschaft gewähr-
leistet werden.

Der DGB kritisiert die geplanten Mittelkürzungen des EFRE im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung. In
den Städten Erfurt, Jena und zum Teil in Weimar fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Und die Mieten
steigen stark an. Immer mehr Menschen können sich dort eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes
nicht mehr leisten und müssen lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. Der Wohnungsnot in den Städten
steht Leerstand im ländlichen Raum gegenüber. Um der Abwanderung entgegen zu wirken, müssen der
Öffentliche Personennahverkehr, Schulen, Kindertagesstätten, medizinische Versorgung, Breitband sowie
Freizeit- und Kultureinrichtungen im ländlichen Raum erhalten und hochwertig ausgebaut sowie Arbeits-
plätze gesichert und geschaffen werden. Es ist zu prüfen, wie besonders benachteiligte periphere Regio-
nen besonders gefördert werden können. Der ländliche Raum darf nicht weiter abgehängt werden. Der
DGB setzt sich für gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in Stadt und Land ein.

3.2.8 Für Tariflöhne und „Gute Arbeit“ bei Trägern sorgen
In der letzten Förderperiode kam es zu erheblichen Verzögerungen, was den Förderbeginn, die Bewilligun-
gen und Auszahlungen der Förderung anbelangt. Die Abrechnungszeiträume waren viel zu lang. Dadurch

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mussten einzelne Projektträger übergangsweise hohe Kredite – inklusive Bereitstellungskosten und
Zinsen – aufnehmen, um die Projekte vorzufinanzieren. Es muss gewährleistet werden, dass die Liquidität
der Projektträger nicht durch solche Verzögerungen gefährdet wird, weil diese sonst in ihrer Existenz be-
droht werden.

Vereinfachte Kostenoptionen sind grundsätzlich zu begrüßen, allerdings müssen sie gut gemacht sein.
Pauschalierungen dürfen nicht dazu führen, dass es zu Schlechterstellungen bei der Bezahlung und den
Arbeitsbedingungen kommt. Durch die Pauschalen müssen vielmehr Anreize für tarifvertragliche Entloh-
nung und gute Arbeitsbedingungen im Rahmen von ESF+-Projekten geschaffen werden. Dazu gehört
auch die Vermeidung von Befristungen. Träger, die Dumpinglohne zahlen, inhumane Arbeitsbe-
dingungen aufweisen und prekäre Arbeit anbieten, müssen von der Förderung ausgeschlos-
sen werden.

Der DGB lehnt verpflichtende leistungsabhängige Zahlungen ab, weil diese zu großen Risiken führen.

3.2.9 Kontinuität sichern
Der angestrebte Zeitplan der EU, nach dem die Förderung aus den EU-Fonds ab Januar 2021 beginnen
soll erscheint wenig realistisch. Vielmehr wird – wie schon in der letzten Förderperiode – mit einer deutli-
chen Verzögerung von mindestens 1 bis 1,5 Jahren gerechnet. Der DGB fordert, sich bereits jetzt Gedan-
ken über einen reibungslosen Übergang und die Gewährleistung von Planbarkeit zu machen. Die Konti-
nuität in den Programmen und Projekten ist existenziell und muss daher gesichert werden.

12 DGBposition
4. Die Zukunft des ESF+ in Thüringen

4.1 Thüringer Spezifika
Der Transformationsprozess der Arbeitswelt in Thüringen (Beispielhaft Digitalisierung, Demografie, Struk-
turwandel) findet schon jetzt – durch eine Vielzahl ESF-geförderter Projekte begleitet – statt. Gewerk-
schaften, Betriebsräte und Beschäftigte sind in diesem Prozess sowohl Akteure als auch Betroffene. Der
ESF unterstützt diese dabei über Projekte und Einzelförderung in den Bereichen Qualifizierung, Gute Ar-
beit und Stärkung der Mitbestimmung.

Mit Ende der aktuellen Förderperiode endet aber der Transformationsprozess nicht. Vielmehr bedarf
dieser – gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung Thüringens einerseits (mit einer einhergehen-
den Fachkräftelücke trotz einer gleichzeitig zunehmenden Zuwanderung von Arbeitskräften insbesondere
aus anderen EU-Ländern) sowie auf den beginnenden strukturellen Wandel durch Digitalisierung, Elektro-
mobilität und Dekarbonisierung andererseits – weiterhin der Unterstützung des zukünftigen ESF+. Anders
können die Maßstäbe für Gute und Gesunde Arbeit in Thüringen nicht dauerhaft verankert werden.

Dabei ist zu beachten, dass der Wandel der Arbeitswelt das Risiko einer deutlichen Schwächung des Sozi-
alschutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit sich bringt, dem durch eine gestärkte Mitbe-
stimmung und den weiteren Aufbau sozialpartnerschaftlicher Strukturen Rechnung getragen werden
sollte. Nachhaltige Veränderungen in Betrieben sind kein „Selbstläufer“, sondern erfordern aktive und
kontinuierliche Unterstützungsleistungen.

Auch mit Blick auf die kleinteilige Unternehmensstruktur in Thüringen („Nur knapp 250 von rund 90.000
Unternehmen im Freistaat haben mehr als 250 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter“ – Trendatlas
Endbericht; Freistaat Thüringen, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie; Thüringen, März
2011, S. 32) steht der ESF+ zukünftig vor qualitativen und quantitativen Herausforderungen, einen Bei-
trag zur Standortentwicklung und Fachkräfteentwicklung zu leisten. Unternehmen, Beschäftigte und Inte-
ressenvertretung müssen langfristig in die Lage versetzt werden, die Anforderungen des technologischen
Wandel zu bewältigen.

4.2 Anliegen der gewerkschaftlichen Einrichtungen an den ESF+
In dem folgenden Abschnitt haben die gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen ihre Anliegen hinsicht-
lich des ESF+ formuliert.

4.2.1 Gewerkschaftliche Anliegen in Förderrichtlinien verankern
Vor allem in den immer häufiger zum Einsatz kommenden Wettbewerben und Konzeptauswahlverfahren
sollte den Themenstellungen „Gute Arbeit“, Mitbestimmung und Diversität ein zentraler Stellenwert ein-
geräumt werden.

Die Erfahrung zeigt, dass die ausschließliche Verankerung von Themenstellungen wie beispielsweise
Gleichstellung und Diversität in Form von Querschnittszielen nicht ausreichend ist. Es ist zu prüfen, inwie-

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fern die Indikatorengestützte Verankerung zur Messung und Überprüfung der Fortschritte bei der Ziel-Er-
reichung verbessert werden kann. Zudem sollte über einen eigenen Förderschwerpunkt Diversität nachge-
dacht werden, der den oben beschriebenen Veränderungen in der Beschäftigtenstruktur in den Thüringer
Unternehmen insbesondere auch aus Beschäftigtensicht Rechnung trägt.

4.2.2 Instrumentenweiterführung
Generell sehen die gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen im Rahmen der drei Kernbereiche der ESF-
Förderung (Arbeitslose, Fachkräfteentwicklung und Armutsprävention) im Themenbereich der Fachkräfte-
entwicklung ihr bisheriges und zukünftiges Haupthandlungsfeld im ESF+. Projekte wie:

        Thüringer Qualifizierungsentwicklung: Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung zur Fachkräfte-
         entwicklung und Förderung der Chancengleichheit;
        Faire Mobilität in Thüringen bzw. Faire Integration in Thüringen: Anlaufstelle für (mobile) EU-
         Beschäftigte bzw. für Geflüchtete zur Sicherung Guter Arbeit und Verhinderung von ausbeuteri-
         schen Beschäftigungsbedingungen;
        DigQu on Demand – den digitalen Wandel durch Qualifizierung stärken: Arbeitnehmerinnen-
         und Arbeitnehmerorientierte Mitgestaltung der digitalen Transformation durch Stärkung der
         Mitbestimmung;
        Arbeit Mitbestimmen – Zukunft Gestalten: Verdichtung und Ausbau von Kommunikationsstruk-
         turen zwischen Betriebsräten, Gewerkschaften und Ministerien sowie Stärkung der Mitbestim-
         mungskultur;
        Sozialpartnerschaftliche Perspektiven in Thüringen: Sozialpartnerschaftliche Entwicklung zu-
         kunftsorientierter Lösungsstrategien zur Förderung Guter Arbeit;
        SKA: Sozialkompetenzentwicklung von Auszubildenden in der dualen Berufsausbildung

befassen sich inhaltlich mit dem Förderfokus der Begleitung von „Beschäftigten im beschleunigten Struk-
turwandel“ durch Qualifizierung, Arbeitsplatzsicherung und Förderung Guter Arbeit. Die Orientierung auf
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Fokussierung auf besondere Personengruppen am Ar-
beitsmarkt (Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnisse, mit Migrationshintergrund oder Behinde-
rungen) stellen dabei ein Herausstellungsmerkmal gewerkschaftsnaher Bildungseinrichtungen dar. Diese
Projekte benötigen Förderkontinuität, um einerseits nachhaltige Wirksamkeit zu entfalten und anderer-
seits etablierte Strukturen, denen ein beharrlicher Entwicklungsprozess vorausging, zu sichern.

Zudem stehen diese Projekte für eine positive Begleitung der Politik der Landesregierung im Bereich der
Arbeitsmarktpolitik, im Speziellen der an betrieblichen Kontexten orientierten Fachkräfteentwicklungsstra-
tegie.

4.2.3 Brüche vermeiden
Die zeitlich nahtlose Weiterführung der oben genannten Projekte über die Förderperioden hinweg stellt
somit einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.

Die Förderung dieser Projekte mit ihren spezifischen Zielen, Zielgruppen und inhaltlichen Anliegen sind
nicht nur für die Gewerkschaften eine zentrale Forderung, die in einer langen Tradition auch über Regie-
rungswechsel hinaus, einen Anerkennungsstatus erreicht, der wesentlich aus der fachlichen Expertise und

14 DGBposition
dem Engagement der Beschäftigten in diesen Projekten resultiert. Brüche in den Fördermittelflüssen be-
deuten, dass langjährig einschlägig qualifiziertes Personal nicht weiterbeschäftigt werden kann und Kom-
petenzen nicht nur den Einrichtungen, sondern auch dem Freistaat perspektivisch verloren gehen.

4.2.4 Förderkonditionen
Eine Absenkung der generellen Fördersätze auf 55 %, auch bei Beibehaltung des Status Thüringens als
„Übergangsregion“, hätte zur Folge, dass die gewerkschaftsnahen Bildungseinrichtungen, die bisherigen
– auch politisch gemeinsam gewollten – Projekte nicht weiterführen können. Das hat viel damit zu tun,
dass gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtungen nicht gewinnorientiert operieren und im Gegensatz zu
Kammern und Beratungseinrichtungen der Wirtschaft, Förderinstrumente nicht zur betriebswirtschaftli-
chen Ertragssteigerung einsetzen wollen. Es ist deshalb wichtig, dass für die oben genannten Instrumente
und Projekte der Eigenanteil deutlich niedriger ausfallen muss. Dies kann dadurch geschehen, dass für
diese Vorhaben generell höhere Fördersätze in Ansatz gebracht werden, oder durch eine Kofinanzierung
aus Landesmitteln der bisherige Eigenanteil erhalten bleibt.

Das Prinzip der zeitnahen Liquiditätszuführung muss beibehalten werden; Projekt- und Verwendungs-
nachweisprüfungen dürfen nicht – derzeit eine gängige Praxis – erst Jahre nach Projektende abschließend
ergehen.

Weiterhin ist zu gewährleisten, dass gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtungen über Projektmittel für die
gesamte Förderperiode verfügen, um Betriebs- und Personalräte, Einzelbeschäftigte und Belegschaften bei
der Antragstellung und Umsetzung von beschäftigungs-, gesundheits- und qualifizierungsorientierten Pro-
jekten zu orientieren und zu begleiten. Die langjährigen Erfahrungen aus den o.g. Projekten und die Be-
darfe der Nachfrageseite zeigen, dass für die Vermeidung von Friktionen in der an den Interessen der Be-
schäftigten orientierten Beratung und Begleitung von beschäftigungs-, gesundheits- und
qualifizierungsorientierten Projekten eine kontinuierliche Förderung zwingend erforderlich ist.

4.2.5 Fördercontrolling
Bislang haben notwendige Kontrollinstrumente des ESF häufig dazu geführt, dass die Projektverwaltung
und -Nachweisführung mit erheblichen bürokratischen Hindernissen versehen wurden, die zusätzlichen
Aufwand und Kosten verursachten (bspw. KMU-Nachweisführung im Projekt Thüringer Qualifizierungs-
entwicklung bis 2018).

Darüber hinaus ist hinsichtlich der Datenerhebung von der Erhebung nicht relevanter Daten abzusehen.

Aus Sicht der gewerkschaftlichen Einrichtungen scheint es sinnvoll, statt der bisher grundsätzlich formal
orientierten Projektabrechnung, Nachweisführungen stärker an qualitativen Erfolgsindikatoren und die
Einhaltung und Umsetzung von Qualitätsstandards im Projekt auszurichten (Wirksamkeit, Prozesssteue-
rung, Risikomanagement, Nachhaltigkeit), um mögliche Mitnahmeeffekte in der Förderlandschaft zu ver-
meiden.

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5. Zusammenfassung und Ausblick
Nach der Europawahl, der Konstituierung des Parlaments und der Entscheidung über den Kommissions-
vorsitz und die Kommissionsmitglieder werden die Beratungen über das EU-Budget und die Neuausrich-
tung der EU-Strukturförderung ab 2021 auf der europäischen Ebene fortgesetzt. Wann der Mehrjährige
Finanzrahmen und das Legislativpaket mit den Verordnungsentwürfen für die Europäischen Struktur- und
Investitionsfonds beschlossen werden, ist noch nicht klar. Auf der nationalen Ebene finden bereits Ver-
handlungen über die Partnerschaftsvereinbarung statt. Auch auf der regionalen Ebene hat die Diskussion
um die inhaltliche Aufstellung und die Umsetzung der Operationellen Programme bereits begonnen. Der
DGB und die Gewerkschaften im DGB-Bezirk Hessen-Thüringen haben mit dem vorliegenden Eckpunkte-
papier ihre Anforderungen an die neue EU-Förderperiode aufgezeigt. Diese lauten in Kurzform:

1.       Klare Prioritäten setzen: Beschäftigten im beschleunigten Strukturwandel unterstützen;
2.       EU-Förderung an Kriterien „Guter Arbeit“ binden;
3.       Soziale Aspekte bei Innovationen beachten;
4.       Kürzungen durch Landesförderung kompensieren;
5.       Partnerschaftsprinzip stärken;
6.       Geschlechtergerechtigkeit und Diversität verankern;
7.       Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit gewährleisten;
8.       Für Tariflöhne und „Gute Arbeit“ bei Trägern sorgen;
9.       Kontinuität sichern.
In dem vorliegenden Papier bilden die Thüringer Spezifika und die Stellungnahme der gewerkschaftlichen
Einrichtungen hinsichtlich des ESF+ einen eigenen Schwerpunkt. Die gewerkschaftlichen Bildungseinrich-
tungen weisen eine jahrelange Expertise in der Durchführung ESF+-geförderter Projekte auf. In dem vor-
liegenden Papier haben sie ihre Anliegen hinsichtlich der Programme, Richtlinien, Konditionen, der Ver-
waltungsverfahren, Abläufe und der Kontrolle formuliert, um auch in Zukunft arbeitnehmerorientierte
Projekte durchführen zu können.

DGB und Gewerkschaften erwarten, dass in Thüringen ein Dialog-Prozess über die konkrete Ausgestal-
tung und Umsetzung der Operationellen Programme initiiert wird, im Rahmen dessen gewerkschaftliche
Akteure gleichberechtigt beteiligt werden. Allerdings darf die Beteiligung nicht bei den Operationellen
Programmen stehen bleiben. Vielmehr müssen der DGB und seine Gewerkschaften auch bei der konkre-
ten Ausgestaltung der Richtlinien, der Festlegung der Projektauswahlkriterien und der Auswahl der Pro-
jekte beteiligt werden.

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