Predigt zu Markus 8, 31-38 am 27.2.2022 von Pfarrer Stefan Engelhart
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1 Liebe Gemeindeglieder, unsere Gottesdienste an diesem Sonntag sind um 9.30 Uhr in Übrigshausen und um 10.30 Uhr in Untermünkheim. Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten Sonntag – Pfarrer Stefan Engelhart (Bitte beachten: Am kommenden Sonntag, den 06.03., bekommen Sie wg. der Faschingsferien keine Predigt nach Hause. Am übernächsten Sonntag (13.03.) ist dann wieder alles wie üblich. Danke für Ihr Verständnis.) Predigt zu Markus 8, 31-38 am 27.2.2022 von Pfarrer Stefan Engelhart 31 Und Jesus fing an, die Jünger zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. 34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. 36 Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele? Sein Kreuz auf sich nehmen – sich selbst verleugnen – sein Leben verlieren, um es zu gewinnen. Die großen Themen der Passionszeit. Heute ist der letzte Sonntag vor der Passionszeit, und wäre nicht Corona-Zeit, dann würde jetzt in den Faschingshochburgen noch einmal richtig gefeiert, gelacht und getanzt. Aber der Aschermittwoch wirft schon seine Schatten voraus. Die Ankündigung des Leidens setzt die Passionsgeschichte in Gang. Dieser Bibeltext ist in der Lutherbibel überschrieben mit „Die erste Leidensankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung“. Drei davon gibt es jeweils in den Evangelien. Die Evangelisten haben nicht nur die Geschichte von Jesu Leiden, seinem Sterben und seiner Auferstehung aufgeschrieben. Sie haben auch notiert, wie die Menschen um Jesus mit diesem Leiden und Sterben umgegangen sind, wie sie es erlebt haben – und wie sich die Gespräche verändert haben zwischen Jesus und seinen Jüngern, als es plötzlich um Tod und Abschied ging.
2 Kann ich über so einen Bibeltext eigentlich predigen – während ich mich auf ein paar Urlaubstage im Gebirge freue? Kann ich darüber predigen, dass man sein Kreuz auf sich nehmen soll, und gleichzeitig mein ganz normales Leben führen? Wie passt das zusammen? Unsere kleinen und größeren Wünsche – und der Weg von Jesus, hinauf nach Jerusalem? Sind das nicht völlig andere Welten? Jesus verzichtet auf Freude, er wählt den schweren Weg hinauf nach Jerusalem, dem Kreuz entgegen. Im Hebräerbrief heißt es (Hebr. 12,2): „Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete …“. Ist der schwerere immer der bessere Weg? Die mittelalterliche Leidensmystik hat das behauptet und zur allgemeinen Lehre gemacht: Leiden ist besser als fröhlich sein; Verzicht besser als Besitzen; Schwachsein besser als Stärke. Man kann diese Gedanken auch umdrehen und als Vorwurf gegen die Bibel richten. Viele Menschen empfinden das so, dass im Christentum die Freude am Leben schlechtgemacht wird, dass das Leiden als das Gute angesehen wird und Glück, Erfolg und Lebenslust eher weniger gut wegkommen. Für Jesus selbst passt das allerdings nicht so recht. Oft berichtet die Bibel, dass Jesus Lebensfreude verbreitet hat: Durch seine Heilungen, durch Überwindung von Leid – und bei der Hochzeit in Kana hat er für Weinnachschub gesorgt. Von fröhlichen Festen mit Zöllnern und Sündern wird berichtet – und dass seine Gegner Jesus einmal „Fresser und Weinsäufer“ nannten. Er war niemand, der Traurigkeit grundsätzlich edler fand als glücklich zu sein. Er war niemand, der lieber gelitten hat, als sich am Geschenk des Lebens zu freuen. Vielleicht sind die Jünger gerade deshalb so geschockt, als Jesus das auf einmal frei heraus sagt: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete das Wort frei und offen. Auch das macht wohl einen Teil des Schreckens aus: Dieses offene Wort. Was gesagt ist, ist gesagt. Etwas laut und klar und deutlich, offen und frei auszusprechen, macht eine Sache erst wirklich. Wir haben darum eine tiefe Scheu davor, bedrohliche Dinge offen beim Namen zu
3 nennen: Eine Krankheit, einen Konflikt oder jetzt den Krieg in Osteuropa. In unserem Bibeltext ist es Petrus, der Jesus ganz schnell beiseite nimmt und anfängt, „ihm zu wehren“. Petrus – für diesen Jünger können wir wirklich dankbar sein. Denn oft, auch hier, verkörpert er diese menschliche Seite in uns, die nicht leiden will und es schlecht ertragen kann, wenn auch nur davon gesprochen wird. Petrus will nichts von der dunklen Seite des Lebens wissen. Mir ist das sehr sympathisch, weil ich das so gut von mir kenne. Petrus hat schnell begriffen, wie ernst es Jesus mit seiner Leidensankündigung ist. Dass nichts mehr sein wird wie bisher. „Meister“, nimmt er Jesus beiseite, „Meister, sag doch so was nicht. Es war doch gut, so, wie es bisher war! Durch Galiläa ziehen, predigen, heilen – das war doch prima. Lass es doch so!“ Aber Jesus weiß, dass das nicht geht: Wenn er einfach alles so lässt, wie es ist, dann würde er seinem Auftrag untreu. Dass er nicht zum Heiland werden kann, wenn er einfach nur weitermacht als Prediger und Heiler. Und Petrus muss mühsam lernen, dass er „seinen“ Christus erst verlieren muss, damit ihm der „Christus für ihn“ erhalten bleibt. Es ist nicht die Lust am Leiden, die Jesus nach Jerusalem aufbrechen lässt, sondern einzig die Treue zu seinem himmlischen Vater – und die Treue zu uns, um so für alle Menschen der Christus, der Retter zu werden. Und so weiß er: Jetzt ist etwas anderes an der Reihe als das, was bisher gut und richtig war. Nirgends lehrt Jesus Leiden als Prinzip. Er gönnt uns unsere Freude: Das Skifahren, das gute Mittagessen, vielleicht nachher bei einigen Kaffee und Kuchen und ein guter Mittagsschlaf. Aber manchmal merken wir: Jetzt ist eine Auseinandersetzung und Klärung dran – auch wenn ich eigentlich Konflikten lieber aus dem Weg gehe. Wenn ich das jetzt nicht wage, dann bleibt das Leben stehen. Und was bisher gut war, ist dann nicht mehr gut. Nirgends lehrt Jesus den schweren, unangenehmen Weg als Prinzip. Aber manchmal merken wir: Jetzt ist Widerspruch nötig, auch wenn mir das gar nicht liegt. Und ein Bekenntnis zu meinem Glauben, sonst verrate ich ihn. Nicht Leiden und der schwere Weg und Konflikte aus Prinzip. Aber manchmal ist etwas dran, das uns schwerfällt! Und hoffentlich sind wir dann auch bereit, wenn es nötig ist, zu Verzicht und Anstrengung und Gefahr. So wie die Einwohner
4 von Dieulefit, einem kleinen südfranzösischen Ort, etwas abseits gelegen in der Voralpenregion. 3.000 Menschen leben dort, es gibt eine Schule und ein Rathaus, eine Kirche und einen Polizeiposten. Heute ist es ein Luftkurort, und sicher lies es sich auch vor 80 Jahren dort ganz gut leben. Aber als es darauf ankam, riskierten viele der Einwohner ihr Leben, um mehr als 1.500 Flüchtlingen das Leben zu retten: Kindern und Erwachsenen, viele davon Juden. Die Sekretärin des Bürgermeisters fälschte Ausweise, der Ortspfarrer nahm jüdische Kinder in die Kommuniongruppe auf, sogar in der Verwandtschaft des eigentlich Nazi-treuen Bürger- meisters hatten manche Familien auf einmal ein oder zwei Kinder mehr: Jüdische Kinder, die eigentlich den deutschen Besatzern zu übergeben waren zur Fahrt ins Vernichtungslager. Es waren normale Menschen in Dieulefit, sie haben das Leben geliebt, sie haben die Gefahr nicht gesucht. Aber als es darauf ankam, da haben sie alles riskiert. Jesus gönnt uns alles Glück dieses Lebens. Freut sich mit an unserer Freude, leidet mit an unserem Leid. Und er will, dass wir ehrlich fragen, ob wir noch auf dem Weg mit ihm sind – oder ob unsere kleinen und großen Wünsche dazu nicht mehr passen. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele? Wo nimmt meine Seele Schaden, weil meine Ziele alles andere überdecken, oder weil Bequemlichkeit mich beherrscht? Bin ich gleichgültig geworden, hochmütig, feige? Ich glaube, dass das eine gute Frage ist, die Jesus uns mitgibt: „Achte darauf, wo deine Seele Schaden nimmt – und dann kehr um, zurück zu mir. Ich will dich retten.“ Die Rettungsgeschichte in Dieulefit begann 1941, als die Schuldirektorin ins Rathaus kam und die Sekretärin um Ausweise für Menschen bat, die sich vor den Nazis verstecken mussten. Die Sekretärin war jung, 23 Jahre alt, sie hatte noch nie gegen eine Vorschrift verstoßen. Hin und hergerissen zwischen dem Wunsch zu helfen und ihrem Pflichtgefühl ging sie zu ihrem Pastor und bat ihn um Rat. „Folge deinem Gewissen“ sagte der, und seine Frau meinte: „Schlag die Bibel auf, irgendwo. Und tu, was dort steht.“ Zu Hause öffnete sie ihre Bibel und landete beim Propheten Hesekiel: „Sorge für die elenden und Fremden – und teile mit den Hungrigen dein Brot“, so las sie dort – und kannte fortan ihren Weg. Denn: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und doch Schaden nähme an seiner Seele? Amen
5 Fürbitten Gott des Friedens, mit Erschrecken schauen wir nach Osteuropa, besonders in die Ukraine und nach Russland. Wir bitten dich für die Menschen in der Ukraine, die den Angriffen ausgeliefert oder auf der Flucht sind. Steh ihnen bei in ihrer Angst. Lass sie Schutz finden und Menschen, die ihre Not lindern. Wir rufen zu Dir: „Kyrie eleison“ (EG 178.9) Wir bitten dich für alle, die politischen Einfluss haben: Lass sie Wege aus der Eskalation finden, die dem Töten ein Ende setzen. Lass das Recht und die Achtung vor dem Leben über Willkür siegen. Wandle die Ohnmacht zur Kraft des Friedens. Wir bitten dich für alle, die in die politischen und diplomatischen Verhandlungen eingebunden sind: Gib ihnen Weisheit, Geduld und den unbeirrbaren Willen zum Frieden. Wir rufen zu Dir: „Kyrie eleison“ (EG 178.9) Wir bitten dich für die christlichen Kirchen in der Region: Dass sie den Menschen aus der Kraft des Evangeliums beistehen und zur Versöhnung beitragen. Lass sie besonders für die Menschen da sein, die bereits durch Kämpfe im Osten der Ukraine traumatisiert sind. Wir bitten dich für sie um Heilung an Leib und Seele. Wir rufen zu Dir: „Kyrie eleison“ (EG 178.9) Wir bitten dich für die Kirchen in Europa: Stärke ihre Gemeinschaft in deinem Geist. Lass sie miteinander Kontakt halten, füreinander beten und einander als Schwestern und Brüder helfen. Mach unsere europäischen Kirchen zu Friedenstiftern! Wir bitten dich für uns alle: Verleih uns Frieden gnädiglich! Wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu: Vater unser
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