PRESS REVIEW Thursday, December 17, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of

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PRESS REVIEW Thursday, December 17, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

      Thursday, December 17, 2020
PRESS REVIEW Thursday, December 17, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW                                                Thursday, December 17, 2020

DW, DIVAN, DB
Daniel Barenboim dirigiert Beethoven-Jubiläum

General-Anzeiger, DIVAN, DB
Entspannt mit Beethoven. Daniel Barenboim probt in der Bonner Oper

Süddeutsche Zeitung, DIVAN, DB
Beethoven komponierte in einer Zeit, die den Halt verlor. Das hört man

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Taufgedächtnis für Beethoven

Die Welt
Sie wissen alles über Beethoven? Von wegen!

Berliner Morgenpost
Das Humboldt Forum ist am Mittwoch teilweise eröffnet worden – bleibt für das Publikum zunächst
aber nur virtuell erfahrbar

Die Zeit
Der leere Saal als Schwarzes Loch? Die Opernhäuser in München, Zürich und Berlin streamen ihre
Dezember-Premieren

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die Capella de la Torre hat eine eigene Streaming-Plattform gegründet: „Studio4culture“ ist interaktiv

Süddeutsche Zeitung
Eigentlich wäre ich jetzt auf Tour. 28 Konzerte. Stattdessen beobachte ich die Vögel, zum ersten Mal
seit meiner Kindheit
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Internet
Quelle:    Deutsche Welle Online (de) vom 16.12.2020 (Internet-Publikation, Bonn)

                                            AÄW:            5.766€
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                    Daniel Barenboim dirigiert Beethoven-Jubiläum
                   Der Höhepunkt des Beethoven-Jubiläumsjahres? Nein, der Mittelpunkt: Das
                   Jubiläum wurde wegen der Corona-Pandemie verlängert. Das meiste findet online
                   statt.

                   Es sollte Höhepunkt und Abschluss des Beethoven-Jubiläumsjahres sein. Nun rücken mit dem ver­
                   längerten Beethoven-Jahr die BeethovenNacht am 16. Dezember und das Festakt-Jubiläumskon­
                   zert mit dem West-Östlichen Divan Orchester unter der Leitung von Daniel Barenboim am 17. De­
                   zember in den Mittelpunkt.
                   "Für mich ist es eine große Ehre, dass ich hier, in der Geburtsstadt Beethovens, zelebrieren darf",
                   sagte Barenboim am 16. Dezember nach der Probe mit seinem Orchester aus arabischen und isra­
                   elischen Musikern in Bonn.
                   "Seit dem Auftakt vor einem Jahr sind rund 6000 Zeitungsartikel zu Ludwig van Beethoven erschie­
                   nen," sagte Ralf Birkner, Kaufmännischer Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums Gesellschaft
                   am 9. Dezember. "Es wurde ein Publikum von 3,5 Milliarden Menschen erreicht." Hinzugekommen
                   sind unzählige Fernseh- und Rundfunkprogramme, Onlineangebote und Konzerte, in denen der
                   Komponist, der die ersten 22 Jahre seines Lebens in Bonn verbrachte, im Mittelpunkt stand und
                   steht.
                   Beethovens Stimme ist unglaublich stark
                   Warum ist die Faszination für den Komponisten so groß? "In Beethovens Musik steckt eine Kraft
                   und eine Innigkeit, die mit Werken anderer Komponisten nicht vergleichbar ist", formulierte es Dani­
                   el Barenboim. "Bei Beethoven gibt es alles, was die Musik ausdrücken kann. Er hat eine unglaub­
                   lich starke Stimme, fast gewaltig in der Intensität. Wenn wir noch in 50 Jahren ein musikalisches
                   Leben haben, werden wir bestimmt Beethoven spielen", sagte er.

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Quelle:        General-Anzeiger, Bonn, Hardtberg, Beul (G 3201) vom 17.12.2020, S.13 (Tageszeitung/ täglich ausser Sonntag, Bonn)
Auch in:       5 weiteren Quellen »                                                                                                       0enetol allmeiaet
Auflage:       28.325                           Reichweite:    60.899

           Entspannt mit Beethoven
           Daniel Barenboim probt in der Bonner Oper
           von Guido Krawinkel                                 und Barenboim "Es ist jetzt 21 Jahre                  nem Orchester gespielt und 25 Pro­

           I  n der Oper geht es zur Sache. Die                her. 1999 habe ich das erste Konzert                  zent hatte noch nie eins gehört!"
              Bühne ist voll besetzt, das West-                mit dem West-Eastern Divan Orchest­                      Derzeit spielen unter anderem Mit­
           Eastern Divan Orchestra ist angereist               ra in Weimar gespielt, unter anderem                  glieder aus Palästina, Israel, der Tür­
           und probt gerade Beethoven - was                    mit der siebten Sinfonie von Beetho­                  kei, Syrien, dem Libanon und dem
           sonst? Das offizielle Festkonzert zum               ven", so Barenboim. Dort war Boecker                  Iran zusammen, ein humanistisches
           250. Geburtstag des Meisters steht an               seinerzeit für das Kunstfest tätig. Nun               Projekt, auf das sogar Politiker nei­
           diesem Donnerstag, dem Tauftag                      treffen sich die beiden beim Beetho­                  disch sind, wie Barenboim verriet;
           Beethovens, an, und kein geringerer                 ven-Jubiläum in Bonn wieder.                          denn die wiirden Menschen aus all
           als Daniel Barenboim wird es leiten                    "Es sind schwere Zeiten", fährt Ba­                diesen Ländern nie an einen Tisch be­
           und als Solist Beethovens drittes Kla-              renboim fort. "Alle sprechen erstens                  kommen. Ein mutiger Schritt, den Ba­
           vierkonzert spielen. Auf Gäste wird                 über Corona und zweitens über die                     renboim da vor 21 Jahren mit diesem
           verzichtet, selbst Bundespräsident                  Wirtschaft. Danach wird es nebulös.                   Orchester gegangen ist, Mut, der sich
           Frank Walter Steinmeier wird seine                  Was ist mit der Kultur?" Außerdem                     auch in Beethovens Musik spielt, wie
           Grußbotschaft nur per Video aus Ber-                konstatiert er "Spannungen und einen                  er meint: "Die Musik Beethovens hat
           lin senden können. Corona hat auch                  Mangel an Heiterkeit. Umso wichtiger                  mit Mut zu tun", sagt Barenboim und
           hier verhindert, dass ein großes Fest               ist dieses Konzert für mich persön­                   wird sehr energisch. "Beethoven hat
           gefeiert wird. Bei den Proben geht Ba-              lieh."                                                seine Musik nicht nur für seine Zeit
           renboim energisch zur Sache, fordert                   Ohnehin ist Beethoven nicht nur                    geschrieben, sondern für die Ewigkeit.
           den jugendlichen Musikerinnen und                   für Barenboim eine Konstante in sei­                  Diese Musik ist zeitlos."
           Musikern alles ab. Er probt unerbitt-               nem Leben. "Es ist sehr wichtig für                      Auf dem Programm stehen Beetho­
           lieh, lässt erst locker, wenn die Stelle            die musikalische Kultur, sich mit                     vens 3. Klavierkonzert in c-Moll op.
           sitzt.                                              Beethoven im Detail zu beschäftigen.                  37 sowie die Sinfonie Nr. 5 in c-Moll
               Danach, beim Pressegespräch ist er              Bei Beethoven gibt es alles, was die                  op. 67. Das Konzert wird an diesem
           ganz entspannt. Kaum hat ihn Malte                  Musik ausdrücken kann." Das hält er                   Donnerstag ab 20.15 Uhr live im Ra­
           Boecker, Direktor des Beethoven-                    auch mit seinem Orchester so, auch                    dio (WDR 3) und im Fernsehen (3sat)
           Hauses und künstlerischer Geschäfts-                wenn es eine harte Schule ist. "Bei                   sowie auf diversen Streamingkanälen
           führer der BTHVN2020-Jubiläums                      Gründung des Orchesters hatten 60                     übertragen.
           GmbH begrüßt, legt er los. Boecker                  Prozent der Mitglieder noch nie in ei-
           Alle weiteren Quellen: General-Anzeiger - Bad Godesberger Nachrichten• General-Anzeiger - Bonner
           Stadtanzeiger Königswinter• General-Anzeiger - Rhein-Ahr-Zeitung• General-Anzeiger - Rhein-Sieg­
           Zeitung Rhein & Sieg• General-Anzeiger - Rhein-Sieg-Zeitung Voreifel
           zum Anfang dieses Artikels                                                      zum Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                                                               8
17.12.2020                                        https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/10

        Weil nichts mehr sicher ist

        Beet ho ven kom po nier te in ei ner Zeit, die den Halt ver lor. Das hört man

        An die sem Don ners tag vor 250 Jah ren wurde Ludwig van Beet hoven in Bonn ge tauft, das Ereig nis feiert Di ri gent Da -
        niel Ba ren boim zu sam men mit sei nem East Wes tern Divan Orches ter in der Oper Bonn, 3sat über trägt das Kon zert
        von 20.15 Uhr an. Wann Beet hoven ge bo ren wurde, weiß kein Mensch. Er selbst hielt sich für oder mach te sich ein
        Jahr, spä ter so gar zwei Jah re jün ger. Das war aber nicht nur Ei tel keit. Es ver weist auf ein da mals neues und bald al le
        Le bens be reiche be tref fen des Phä no men der Jah re vor der Fran zö si schen Revo lu tion. Ein Phä no men, das sich seit her
        noch verstärk te und auch das Heu te noch ein schnei dend prägt.

        Denn mit Beet hoven kam die Un sicher heit als exis ten ziell be stim men der Fak tor in die Welt. Un sicher heit präg te
        sein Œuvre, wie auch das der bei den eben falls im Jahr 1770 ge bo re nen Ju bi la re, des Dich ters Fried rich Höl derlin und
        des Phi lo so phen Ge org Fried rich He gel. Doch oh ne die Seuche, die der zeit die Welt ver wüs tet und auch die Klas sik-
        sze ne zum Erlie gen bringt, wä re die ses Phä no men Un sicher heit, das zen tral ist für Beet hovens Kom po nie ren, kaum
        ins Bewusst sein ge tre ten.

        Mit der Un sicher heit kor re spon diert bei Beet hoven das Zer bre chen von Sicher hei ten und For men. Das ist un über-
        seh bar beim Ver gleich der Klavier trios op.1 und den Klavierso na ten op.2 mit den letz ten So na ten und Streich quar-
        tet ten. An fangs füllt Beet hoven, so wie noch al le Kom po nis ten vor ihm, ei ne ge ge be ne Form. In den spä ten Stücken
        sind die For men nur mehr als vom Kom po nis ten zer bro che ne Ge spins te aus zu ma chen. Das bei ihm oft bru ta le Zer-
        bre chen, Durch bre chen, Stauchen und Überla den al ter und aus ge dien ter For men zeigt ei nen Kom po nis ten, der auf
        die Zer falls erschei nun gen in Po li tik, Re li gion, Phi lo so phie, Ge sell schaft re agiert. Weil Beet hovens Welt nach und
        nach je den re li giö sen, me ta physi schen und phi lo so phi schen Halt ein büßte, wird schon bei ihm und nicht erst bei Ri-
        chard Wag ner die Mu sik zu ei nem Sur ro gat, zu ei ner Ersatz re li gion.

        Ei ne So na te Beet hovens be deu tet des halb für Kom po nist wie Hö rer mehr als ei ne von Wolf gang A. Mo zart. Spie gel te
        Mo zarts Mu sik noch ei ne sta bi le Welt, in der sich wie im „Don Giovan ni“ kom men de Um brüche nur als Ah nun gen
        ab zeich ne ten, so trägt je des Beet hoven-Stück ein trot zi ges Jetzt-erst-recht in sich, das die Mu sik verän dert und zer-
        setzt. Beet hoven ist ein Trauern der. Er hät te gern die Unversehrt heit der Welt zu rück, in der sich Mo zart noch ge -
        bor gen fühl te. Die Zerstö run gen der Fran zö si schen Revo lu tion, vor be rei tet durch die Auf klä rung, aber lie ßen kein
        naives Le ben mehr zu. Re li gion, Lie be und Ge sell schafts ord nung wa ren an ge zählt. Beet hoven konn te nur durch
        kom po si to ri sche Gewalt ak te und ge gen bes se res Wis sen ih re Unversehrt heit be haup ten. Zeu gen die ses spä ter als
        idea lis tisch ver klär ten Rin gens sind die Oper „Fi de lio“, die Mis sa so lem nis und die Neun te Sin fo nie, al le samt Rie -
        sen un ter neh mun gen, de ren Zwang haf tig keit In ter pre ten, Mu si ker wie Phi lo so phen vor un lös ba re Pro ble me stel len.
        Die se Stücke über wäl ti gen durch Kraft und ge ben ei ne idea li sier te Wirk lich keit als re al aus. Ein Hauch von kom po -
        si to ri scher Falsch mün ze rei ist un über hör bar.

        Schon Wald stein-So na te und Ap pas sio na ta, zwei der be lieb tes ten Klavier wer ke des knapp 35-Jäh ri gen Sturm-und-
        Drang-Kom po nis ten, don nern lei den schaft lich, trot zig und ver zwei felt ge gen das Zer bre chen al ler Sicher hei ten an.
        Aber die Lei den schaft kann nicht über tün chen, dass in die sen So na ten et was Un er füll tes steckt, das seit her je der
        Kunst zu ei gen ist. Es ist ein Ma kel, den Su san Son tag in ih rem Es say über den Apho ris ti ker Emil Cioran (1911–1997)
        in der His to ri sie rung veror tet, die sich im frü hen 19. Jahr hun dert ma ni fes tiert. Son tag spricht von „ei ner raub tierar-
        ti gen Um ar mung“, von ei ner un er müd lichen Selbst bevor mun dung des Men schen, weil der Mensch nun mehr all sei-
        ne Pro duk tion bloß als ei ne Ent wick lung und Mo de versteht. Da durch konn te „un be streit bar das Kraft volls te, Dich -
        tes te, Sub tils te, das durchweg In teres san te und Wah re in der ge sam ten Ge schich te des Men schen ge schlechts“ ge -
        schaf fen werden. Doch da mit kop pelt sich das „Emp fin den, auf den Rui nen des Den kens und knapp vor den Rui nen
        der Ge schich te und des Men schen selbst zu ste hen“. Die se bei den sich be un ru hi gend be krie gen den Ge füh le löst
        auch Beet hovens cis-Moll-Quar tett im Hö rer aus: Es gibt kein kraft vol le res, dich te res, sub ti le res und wah re res
        Stück in der Mu sik ge schich te, das aus den Rui nen des Einst und zu dem am Ab grund des Da seins ge schaf fen wurde.
        Die ser Ge gen satz ist das gro ße und schwie ri ge Ver mächt nis Beet hovens, der nicht ganz leicht aus zu hal ten ist, we der
        emo tio nal noch in tel lek tuell.

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/10                                                                              1/2
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        Die spä ten Quar tet te ha ben mit ih rer her me ti schen Rät sel haf tig keit nicht nur Mu si ker vor den Kopf ge sto ßen und
        in spi riert, son dern auch Dich ter. Die spä ten So net te Stépha ne Mall armés las sen sich mit Beet hoven im Kopf er hel-
        lend leich ter le sen. Der Phi lo soph José Or te ga y Gas set be rich tet von ei ner Ge denk feier 1923 zu Mall armés 25. To -
        des tag, zu der er ei ni ge Künst ler in Ma drids Bo ta ni schen Gar ten ein lud, gleich ne ben dem Pra do. Da bei soll ten kei ne
        Re den ge hal ten, son dern es soll te fünf Mi nu ten ge schwie gen werden: „Fünf Mi nu ten Schwei gen sind viel. Es bangt
        ei nem davor, sie wort los durch schwim men zu müs sen.“ Kaum dass das Schwei gen be ginnt, bricht sich in Or te ga ein
        in ne rer Mo no log Bahn, in dem er all das aus spricht, was er bei sei ner nicht ge hal te nen Ge denk re de auf den Dich ter
        ge sagt hät te. Er gip felt in ei ner Be haup tung, die Su san Son tags The se ein sei tig ra di ka li siert: „Ich bin schon seit ge -
        rau mer Zeit der Über zeu gung, dass die Poe sie sich erschöpft hat. Was heu te noch zu stan de kommt, ist nichts als das
        Rö cheln ei ner ab ster ben den Kunst.“ Zu letzt phi lo so phiert er noch kurz über „das aus ge spro che ne und un aus ge spro -
        che ne Den ken“. Und der Le ser, noch ganz im Ban ne Beet hovens, be schließt, es Or te ga gleich zu tun und am heu ti gen
        Tauf tag Beet hovens fünf Mi nu ten lang schwei gend zu ge den ken. Wer weiß, was das Schwei gen für Un ge heuer, für
        Pa ra die se ge biert.Rein hard J. Brem beck

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/10                                                                                2/2
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        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                   Donnerstag, 17.12.2020

                                   Taufgedächtnis für Beethoven

        Heute vor 250 Jahren wurde Ludwig van Beethoven in der alten Remigiuskirche in
        Bonn durch den Pfarrer Cornelius Metternich getauft. Die Kirche brannte im Jahr
        1800 nach einem Blitzschlag nieder. Der Taufstein jedoch blieb erhalten. Er steht
        jetzt in der neuen Remigiuskirche, der ehemaligen Klosterkirche St. Ludwig. Dort
        findet heute um 16 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst zur Erinnerung an Beetho-
        vens Taufe statt. Es wird viel Musik dabei geben. Liturgen sind der Stadtdechant
        Wolfgang Picken und der Superintendent Dietmar Pistorius. Als Livestream ist der
        Gottesdienst über www.bthvn2020.de zu verfolgen.jbm.

https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466085/13                                                                             1/1
FEUILLETON
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Armin Mueller-Stahl
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Unser Mann in Hollywood
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    wird 90 Jahre alt Seite 22
DIE WELT        DONNERSTAG, 17. DEZEMBER 2020                      SEITE 21

ERNÜCHTERNDES                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Beethovens sehr enge Lebensmenschen

                                                             Sie wissen alles über Beethoven?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      schreibt und seine These, dass Beetho-
In Beethovens angeblichem Bonner Ge-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  ven seine Naturerlebnisse als (romanti-
burtszimmer steht keine Gipsbüste mit                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 sche?) Inspiration zum Komponieren in-
Lorbeerkranz mehr. Stattdessen eine                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   folge der Ertaubung durch ein Hören
zeitgenössische, technisch raffinierte                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                nach Innen und auf andere ersetzt, wie
Neoninstallation. In diesem von Coro-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 seinen bedeutendsten Schüler, den öster-
na beinahe verhinderten Beethoven-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    reichischen Erzherzog Rudolph.
Jahr, ohne allzu viel live gespielter Beet-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      SCHRIFTLICHES

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            GETTY IMAGES/ UNIVERSALIMAGESGROUP; BEARBEITUNG: PHILIPPE KRUEGER/ WELT
hoven-Musik, ist die längst historisch
gewordene Figur angenehm auf Augen-
höhe geschrumpft. Weggefegt scheint                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Uff!! 19.300 von Ludwig van Beethoven
der Titan, der Revoluzzer, der Reforma-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               eigenhändig beschriebene, bekritzelte,
tor, der Wüterich, der Eigenbrötler.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  verschmierte, verkratzte, Mühe und
Beethoven ist endgültig im 21. Jahrhun-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Ethos dieses Werks in jedem Federstrich
dert angekommen. Er ist modernisiert                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  erkennbar werden lassende Notensei-
worden, aber das war gar nicht so                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     ten. Plus weitere 10.000 Blätter hand-
schwer. Und trotzdem hat er seine Grö-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                schriftlicher Konversationen, Briefe und
ße und Singularität behalten. Neben                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   andere Dokumente, ergänzt durch 965
Kant, Goethe, Bach und Wagner bleibt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Erst- und Frühdrucke seiner Werke so-
er eine der Landmarken der geistigen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  wie Teile seiner Handbibliothek. Das al-
Nation der Deutschen. An der man sich                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 lein ist die Beethoven-Sammlung der
künftig viel besser reiben oder messen                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Berliner Staatsbibliothek. Dieser gewal-
mag. Oder die man einfach nur lieben                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  tige Materialhaufen ist online recher-
kann.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 chierbar und kann in hoher Auflösung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      betrachtet werden. Man sollte das tun.
ÜBERFLÜSSIGES                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Denn die Komponistenkrux ist ja im-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      mer: Man muss ihre Werke hören. Bei
Ganz ist es wohl noch nicht weg. Das al-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Beethoven sprechen aber, wie bei weni-
lerschlimmste aller schlimmen Jubilä-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 gen anderen, schon die Noten und oft
umslogos: „BTHVN2020“. Diese – aus-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   die Zettel, selbst die Einkaufsliste für
gerechnet bei einem Musiker – vokallos                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                die Haushälterin. Seine Aufzeichnungen
verstolperte Marketingverirrung. Samt                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 entfalteten immerhin, reichlich und im
ihrer überquellenden Termin- und Akti-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Original, ihre Faszination in den Aus-
onsagenda. Denn das 250. Geburtsjahr,                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 stellungen in Bonn, Berlin, Wien. Dort
vor dessen geldsattem Überaktivismus                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  vor den Vitrinen verbiss sich immer
uns Corona einigermaßen bewahrt hat,                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  mehr der Blick in die Noten, saugte sich
es wird leider 2021 zumindest mit ge-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 fest an dieser schnellen, ungeduldigen
bremster Kraft noch ein wenig weiter-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Handschrift, die über Blätter huscht, an-
laufen. Antragssteller müssen schließ-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                dere verletzt, zersticht, zerfetzt, nicht
lich ihre Etatposten abarbeiten. Schon                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                selten ein kaum mehr entzifferbares
heute, am einzig sicher dingfest zu ma-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Schlachtfeld von Partitur hinterlässt.

                                                      Heute vor 250 Jahren kam in Bonn Ludwig van Beethoven zur Welt. Langweilig wurde das
chenden Tauftag, ploppt da online wie-
der viel zu viel Wichtigtuerisches auf                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                UNGREIFBARES

                                                   Jubiläumsjahr trotz Corona nicht. Es brachte unerwartete Erkenntnisse. Zum Beispiel diese neun,
(inklusive Liveübertragung des ökume-

                                                                            mit denen man Beethoven ganz anders hört
nischen Gottesdienstes vor dem Tauf-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Ludwig van Beethoven wurde 2020
stein). Wir aber können uns gewiss sein:                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              selbst durch die historische Entfernung
Beethoven kommt auch ohne jeden                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       und die Covid-Ausbremsung einigerma-
Schmus zu uns. Er ist nah-, vor allem ist                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             ßen nahbar. Denn jeder, der wollte,
er hörbar. Einfach so. Egal, ob mit ei-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               musste sich mit seinem Beethoven be-
nem Deutschen Tanz oder der kompli-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   fassen. Und trotzdem ist er nicht greif-
zierten letzten Klaviersonate. Man            Dabei konnte man sich einer gewissen        Schubert und Wolfgang Rihm einrahmt,                                                                       TRIVIALES                                                                                                        Wissenschaften und sogar mit einem re-                                                                          bar. Denn jeder hat einen anderen Beet-
muss nur wollen.                              spirituellen Tröstung nicht verschlie-      kontrastiert, tröstet. Ganz nah und ein-                                                                                                                                                                                    konstruierten mechanischen Mälzel-                                                                              hoven. Von der verehrten Gipsbüste auf
                                              ßen. „Er hat die Überforderung förm-        fach, zerbrechlich und sehnsuchtsvoll                                                                      Wir haben uns angewöhnt, bei Beetho-                                                                             Trompeter (alpha).                                                                                              dem Klavier, wie beim „Peanuts“-Linus,
ÜBERGROSSES                                   lich hineinkomponiert, hoffte, dass spä-    tönt das.                                                                                                  ven nur das Große zu sehen, die noten-                                                                                                                                                                                           über die Beethoven-Gummiente (auch
                                              tere Generationen sie realisieren kön-                                                                                                                 umtosten Gipfelstürmereien, die klin-                                                                            VERWANDTSCHAFTLICHES                                                                                            im Bonner Beethovenhaus-Shop ein
Auch wenn sie pandemiebedingt nicht           nen“, sagt Riccardo Muti, der die Missa     VARIANTENREICHES                                                                                           genden Sternstunden der Menschheit.                                                                                                                                                                                              Renner) bis zur gleich mehrfachen Gra-
oft (Chöre und Aerosole!) zu hören war:       zu seinem 80. Geburtstag im kommen-                                                                                                                    Sei es drum. Viele seine prägnantesten                                                                           2020 könnte immerhin, wenn auch viel                                                                            phic Novel. Der Ludwig-van-Comic und
Die Missa Solemnis, gerne weggescho-          den Jahr erstmals dirigieren wird.          Es geht auch ohne „e“. Oder gleich so:                                                                     Einfälle und Themen sind von genialer                                                                            für Beethoven Geplantes nichts wurde,                                                                           der hehre „Kuss der ganzen Welt“. Gar
ben als nicht nur Soprane killender                                                       Bethovn. Oder Bethowen. Oder Bet-                                                                          Einfachheit. Und auch Beethoven, die                                                                             als das Jahr gelten, an dem man sich lang-                                                                      keine so weite Geschmacksspanne. Ei-
Größenwahn zum Lobe des (aber wel-            LIEDHAFTES                                  hofn. Es gab damals schließlich keine                                                                      Werkfülle lässt das zu, hat Missliches,                                                                          sam doch damit abfindet, dass die die                                                                           gentlich. Irgendwo dazwischen be-
ches eigentlich?) Herren, sie erfuhr eine                                                 verbindliche Rechtschreibung. Und der                                                                      Mediokres oder einfach nur Mist kompo-                                                                           Adressatin jenes 1812 nie abgeschickten,                                                                        kommt jetzt Patti Smith den mit 10.000
neue, gerechtere Einordnung. Der kluge        Keine neue Erkenntnis: Auch kleine          Name, er bedeutet „vom Rübengarten“,                                                                       niert. Die vollständigen Beethoven-Bo-                                                                           unscheinbar mit Bleistift dahingekritzel-                                                                       Euro dotierten Internationalen Beetho-
Jan Assmann widmete ihr ein noch klü-         Dingen können uns entzücken. In die-        liegt sowieso im flandrisch Nebulösen.                                                                     xen (Naxos, Warner, vor allem Deutsche                                                                           ten Briefs an „die unsterbliche Geliebte“                                                                       ven-Preis für Menschenrechte, Frieden,
geres Buch: „Kult und Kunst. Beetho-          sem konzertsaallosen Beethoven-Jahr         Albrecht Selge hat daraus „Beethvn“ ge-                                                                    Grammophon) erlauben da das Stöbern.                                                                             mit ziemlicher Sicherheit Gräfin Josephi-                                                                       Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklu-
vens Missa Solemnis als Gottesdienst“         waren das die Lieder. Die gingen selbst     macht (Rowohlt Berlin, 240 Seiten, 22                                                                      So findet sich Galantes wie die Serenade                                                                         ne Brunsvik verwitwete Gräfin Deym,                                                                             sion. Die Sängerin, Autorin und Aktivis-
(C. H. Beck, 272 Seiten, 28 Euro). Da         in der kleinsten Musizierhütte. So lern-    Euro) Dabei handelt es sich um das ver-                                                                    für Flöte, Violine und Viola Op. 25, die                                                                         wiederverheiratete Baronin von Stackel-                                                                         tin, die uns kurz vor dem Beethoven-
dürfen wir, ein wenig widerständig zum        te man etwa die – nur in feinen Dosen       blichene Genre des biografischen Ro-                                                                       gerade Emmanuel Pahud neu eingespielt                                                                            berg gewesen ist. Die neuere Literatur                                                                          Jahr noch in der Mailänder Scala bei ei-
Zeitgeist, wieder glauben, auch wenn          konsumierbare – Fülle der Auftragsbe-       mans. Das der Autor, aus der Fülle der                                                                     hat (Warner). Oder Triviales wie die bei-                                                                        lässt das meist gelten, Ulrich Drüner hat                                                                       ner Puccini-Premiere begegnet ist, sagt
der Komponist selbst zeitlebens mit di-       arbeitungen englischer, schottischer,       Jubiläumsliteratur ausbrechend, origi-                                                                     den frühen Habsburger-Huldigungskan-                                                                             in seiner genauen Biografie „Die zwei Le-                                                                       als bekennende Beethoven-Verehrerin,
versen Theismen schwanger ging. Wäh-          walisischer und irischer Lieder wertzu-     nell variiert, indem er hier mehrere,                                                                      taten, die freilich Nikolaus Harnoncourt                                                                         ben des Ludwig van Beethoven“ (Bles-                                                                            die Leidenschaft des Komponisten sei
rend die Musikwissenschaft das Mons-          schätzen. Und natürlich den berühmten       auch geisterhafte Stimmen über Beet-                                                                       zu vergolden wusste. Und natürlich ist                                                                           sing, 528 Seiten, 24 Euro) im von der                                                                           ihr stets ein Vorbild für das eigene mu-
terwerk gern als artistisch geformte Er-      Zyklus „An die ferne Geliebte“. Mat-        hoven sprechen lässt: einen Bewunde-                                                                       da der notorische Fehltritt, das sinfoni-                                                                        Nachwelt schwer zensierten Briefwech-                                                                           sikalische Schaffen gewesen.
kenntnis von Bedingungen ansieht, von         thias Goerne und Ian Bostridge haben        rer, eine seiner Vorfahrinnen, die ver-                                                                    sche Kriegsgemälde „Wellingtons Sieg                                                                             sel immerhin fünf Belegstellen gefunden.                                                                           Bleibt also nur noch eines für 2021 an-
denen sich die Menschheit und selbst          ihn neu eingespielt. Und kurz vor Tor-      brannt wurde, die unsterbliche Gelieb-                                                                     oder die Schlacht bei Vittoria“, freilich                                                                        Und so könnte vermutlich auch deren                                                                             zumerken: „Roll over Beethoven. And
Beethoven nicht freimachen konnten,           schluss auch noch der schräge, stimmi-      te, Grillparzer, den Geiger Ignaz Schup-                                                                   der heimliche Hit beim Wiener Kongress                                                                           1813 geborene Tochter Theresia Cornelia,                                                                        dig to these rhythm and blues.“ 2027 ist
ist Assmann von der Metaphysik der            ge, absolut ins verzweifelt Schwarze        panzigh, eine Grabennymphe (vulgo:                                                                         und auch finanziell äußerst lukrativ.                                                                            genannt Minona, das Kind Beethovens                                                                             übrigens schon wieder das nächste
reinen Musik nicht wirklich überzeugt.        treffende Georg Nigl. „Vanitas“ nennt       Prostituierte), den Neffen Karl. Das ist                                                                   Martin Haselböck hat das ganz angstfrei                                                                          gewesen sein. Ändert das aber etwas?                                                                            Beethoven-Gedenkjahr. 200. Todestag.
Covid-19 warf uns auf das wiederholte         er seine Sammlung (alpha), die die          skurril und einfühlsam. Braucht aber                                                                       lärmig neu aufgenommen – am Urauf-                                                                               Sentimental ja, objektiv nicht. Weit span-                                                                      Die ersten neuen Sinfonieboxen sind
Zuhören im stillen Kämmerlein zurück.         sechs Lieder mit Werken von Franz           Vorwissen für den vollen Genuss.                                                                           führungsort der Wiener Akademie der                                                                              nender ist hingegen, wie Drüner über                                                                            schon in Planung.

Hier klopft kein Schicksal an die Pforten, sondern der Geist der Freiheit

N
Niki Stein hatte es nicht leicht, sein Beethoven-Biopic in der ARD durchzukriegen. Er hat es geschafft – mit einem der besten Komponisten-Filme überhaupt
        un haben wirs ja bald hinter          was man mit dem Medium kann und wie         gentlichen Titanenjahre, den Rausch,                                                                       was er wert ist, weiß, dass er niemals ein                                                                       garantiert Kenntnis. Es ist nun aller-                                                                          an den rasch aufleuchtenden Gesichtern
        uns. Sinfoniker können andere         man mit den Redaktionen und Inten-          den Erfolg. Beinahe alle herumstehen-                                                                      finanziell derart Getriebener, Ausbren-                                                                          dings so schön erfunden, dass es – nicht                                                                        ablesen und dem Aufrauschen der Parti-
        Sinfonien spielen, Pianisten an-      danzen umgehen muss, dass man das           den Klischee-Fettnäpfchen, in denen                                                                        nender werden will wie das andere Ge-                                                                            nur das teilt Steins „Louis“ mit „The                                                                           turen in den Lautsprechern abhören.
dere Sonaten. Wir müssen keine Bilder         auch können darf.                           man als Jubelfilmer Beethovens nahezu                                                                      nie seiner Zeit, zu dem er 1787 in die                                                                           Crown“ – ziemlich wahr wirkt.                                                                                   Das Unverständliche, Rätselhafte dieser
mehr zeigen vom griesgrämigen Tita-              Mit Beethoven hat er sich zwanzig        unweigerlich landet (und die sind Legi-                                                                    Lehre geschickt wird – Mozart.                                                                                      Wie der ganze Rest des Films ein                                                                             Musik für Beethovens Zeitgenossen da-
nen, nichts mehr hören über Taubheit          Jahre lang auseinandergesetzt. Das          on), lässt er unbetreten stehen. Dass                                                                         Ob der Louis überhaupt sein Vorbild                                                                           Höchstmaß an Authentizität atmet. Die                                                                           mals und für die meisten Zeitgenossen
und ihre Folgen, und das Schicksal, das       wollte er unbedingt in einem Film un-       der Soundtrack (frühe Klaviersonaten,                                                                      traf, ist unbewiesen. Dass er sein Kopist                                                                        Räume der Beethovens sind angemes-                                                                              heute wird verständlich.
immer und überall an die Pforte klopft,       terbringen. Da hatte er eine Idee. In den   späte Streichquartette, Große Fuge) oh-                                                                    für „Don Giovanni“ war, nahezu ausge-                                                                            sen elend. Die Räume des Adels im Um-                                                                              Alles Relevante findet statt – die Lie-
kann endlich seine gichtigen Knöchel          Sendern klopfte er lange beinahe so tra-    ne Smash-Hits, ohne Fünfte, fast ohne                                                                      schlossen. Von dem fürstlich veranstal-                                                                          bau begriffen. Das Barocktheater von                                                                            be, die Frauen, von denen keine ihm in
heilen lassen. Bis vielleicht in sieben       gisch vergeblich an wie das Schicksal an    Neunte, keine Helene-Fischer-Ver-                                                                          teten Klavierduell zwischen dem 16-jäh-                                                                          ȁeský Krumlov an der Moldau ist ein                                                                            seine Welt folgen mochte, der Neffe
Jahren, dann ist wieder Beethoven-Jahr,       die Pforte. „Beethoven!“ wurde da, geht     kaufszahlen erreichen würde, war ihm                                                                       rigen und dem 31-jährigen, vom „Figa-                                                                            prima Double für das Bonner Hofthea-                                                                            Karl, den Beethoven in seiner höllenvä-
dann geht der ganze Rummel und dies-          die Sage, geseufzt. Den kennt ja keiner     gerade egal. Es ging ihm um die Freiheit                                                                   ro“-Erfolg beflügelten, eigentlich fast                                                                          ter. Alles wirkt so eng, dass Anselm                                                                            terlichen Liebeshärte beinahe in den
mal tatsächlich vor Publikum wieder           mehr. Was man da alles erklären muss.       und die Wahrheit. Um eine Figur, die                                                                       schon todkranken Genie hätten wir,                                                                               Bresgott als juveniler Beethoven mit                                                                            Suizidversuch trieb, der Alkoholismus
von vorne los.                                Ein Rex-Gildo-Biopic wäre wahrschein-       heute so aktuell ist wie schon lange                                                                       hätte es so wie bei Stein stattgefunden,                                                                         seinen rudernden Arm- und Denkbewe-                                                                             (die Weinflasche ist Morettis ständiger
                                              lich leichter durch die Gremien ge-         nicht mehr.                                                                                                                                                                                                                 gungen immer überall anecken muss.                                                                              Begleiter), das Elend der am Ende doch
           VON ELMAR KREKELER                 bracht worden.                                 Wir sind am kurfürstlichen Hof zu                                                                                                                                                                                           Die Musik – während des Drehs einge-                                                                         abhängigen Musikerexistenz, die Geld-
                                                 Aber wir wollen uns ja nicht aufregen.   Bonn. Man spricht rheinisch in der Fa-                                                                                                                                                                                      spielt – klingt so authentisch wie noch                                                                         feilscherei, die Pläne für eine Zehnte in
   Nun sollte man ja meinen, wenn es          Es ist noch einmal gut gegangen. „Louis     milie Beethoven. Der Vater will aus                                                                                                                                                                                         nie eine in einem Klassik-Biopic. Für je-                                                                       c-Moll, extrem teuer verkauft nach Lon-
                                                                                                                                                                                                                                                                                  ARD DEGETO/ WDR/ ORF/ EIKON MEDIA

überhaupt neben Mozart einen klassi-          van Beethoven“, Steins zweistündige         Louis, dem veritablen Wunderkind, ein                                                                                                                                                                                       de Episodenzeit wurden die passgenau-                                                                           don, das Soziopathische, Verzweifelte,
schen Komponisten gibt, dessen Leben          Exkursion durch die Künstler- und           virtuoses Fürstenäffchen in mozart-                                                                                                                                                                                         en Klaviernachbauten bereitgestellt. Der                                                                        das Unverstanden-, das Gefangensein in
das gebührenfinanzierte deutsche Fern-        Menschwerdung des politisch wie musi-       scher Manier machen. Der will das aber                                                                                                                                                                                      13-jährige Colin Pütz (der ganz junge                                                                           sich selbst und seinem Schicksal.
sehen, geradezu begeistert darüber,           kalisch möglicherweise wichtigsten          bald gar nicht mehr. Der hat sich im                                                                                                                                                                                        Louis), ein exzellenter Pianist, spielt                                                                            Kann hinterher keiner mehr sagen, er
endlich seinem Bildungsauftrag nach-          Komponisten des Abendlandes kommt           Theater, in der Künstlerkneipe anste-                                                                                                                                                                                       tatsächlich das, was man sieht. Tobias                                                                          habe ihn nicht gekannt, diesen Beetho-
kommen zu dürfen, mit der größten Be-         pünktlich zum 200. Geburtstag, und          cken lassen vom Geist der Freiheit und                                                                                                                                                                                      Moretti muss das alles nicht mehr, er                                                                           ven. Und seufzen darf auch keiner
reitwilligkeit verfilmt, dann Beethoven.      passt perfekt in die Zeit.                  vom Kampf für die Gleichheit und Un-                                                                                                                                                                                        sitzt im Salon, hört Schuppanzighs                                                                              mehr. Bis Januar 2027.
Das dachte sich auch Niki Stein. Der ist         Wagemutig ist er noch dazu. Stein        abhängigkeit. Er hat gesehen, welche                                                                                                                                                                                        Streichquartett zu. Wie das geklungen
einer der maßgeblichen deutschen              umkreist das Leben Beethovens von           Folgen das hat, dass man seine Existenz                                                                                                                                                                                     haben mag, im Kopf von Beethoven,                                                                               T Louis van Beethoven: ARD Media-
Fernsehregisseure und -drehbuchauto-          den Rändern her, vom Anfang her und         dafür verlieren kann, vielleicht sein Le-                                                                  Nie hat ein Komponistendarsteller besser                                                                         wird perfekt suggeriert. Wie man Musik                                                                          thek, am 25. Dezember um 20.15 Uhr
ren. Der weiß, was das Medium kann,           vom Ende, lässt das Zentrum aus, die ei-    ben, aber er brennt dafür. Und er weiß,                                                                    gespielt: Colin Pütz ist Louis van Beethoven                                                                     hört, während man sie liest, kann man                                                                           im Fernsehen

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             KULTUR                                                                                   SEITE 19 | DONNERSTAG 17. DEZEMBER 2020

             „Das ist ein Geschenk an die Stadt“
             Das Humboldt Forum ist am Mittwoch teilweise eröffnet worden – bleibt für das Publikum zunächst aber
             nur virtuell erfahrbar

             Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält nach der Eröffnung des Humboldt Forums ein Glasmodell des
             Hauses in den Händen. Reto Klar/ffs

             Felix Müller
             Man kann wohl sagen, dass es sich alle Beteiligten anders gewünscht hätten. Die
             Eröffnung des Humboldt Forums in Berlins historischer Mitte konnte nach fast
             elfjähriger Planungs- und Bauzeit aufgrund der Pandemie kein rauschendes
             Bürgerfest werden, es musste schlicht zugehen und vor allem: mit Abstand. Und so
             wechselten sich vor den Barockfassaden des Schlüterhofs in sicherer Distanz die
             Redner ab, nach einer halben Stunde war es vorbei – am Abend sollte das
             interessierte Publikum zumindest an den heimischen Rechnern das Gebäude virtuell
             betreten können. Man kann es auch positiv wenden: Vielleicht passt die bislang
             ungewöhnlichste Einweihung einer Großeinrichtung besonders gut zu einem Haus
             für Kultur, Wissenschaft und Bildung, das es in dieser Form in Deutschland noch nie
             gegeben hat.
             Das Dachrestaurant ist noch nicht fertig

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             Dass es dieses auch in bautechnischer Hinsicht ist, machte Hans-Dieter Hegner,
             Vorstand für den Baubereich der Stiftung Humboldt Forum, in seiner Ansprache
             klar, in der er eine eindrucksvolle Zahlenreihe präsentierte: Das für 677 Millionen
             Euro rekonstruierte Berliner Schloss hat eine Bruttogeschossfläche von 100.000
             Quadratmetern bei mehr als 40.0000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, es verfügt
             über 750 Meter barocker Fassade mit 2800 figürlichen Darstellungen. Im Humboldt
             Forum weitgehend fertiggestellt ist die mit 750 Quadratmetern kleinste Ausstellung
             der Humboldt-Universität an der Lustgartenseite, die 4000 Quadratmeter
             umfassende Berlin-Ausstellung, die erste Wechselausstellung für Kinder, die über
             das ganze Haus verteilten Installationen zur Geschichte des Ortes, die Schau zu
             Alexander von Humboldt, der Schlosskeller und und einiges andere mehr. In den
             kommenden Monaten wird es darum gehen, mit 140 Lkw-Ladungen das
             Ausstellungsgut des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische
             Kunst zum Humboldt Forum zu bringen, in dessen Ostflügel sie im zweiten und
             dritten Obergeschoss zu sehen sein werden. Auch das Dachrestaurant harrt noch der
             Fertigstellung.
             Mit Blick auf das umstrittene museale Konzept des Hauses, Zeugnisse kolonialer
             Herkunft auszustellen, erinnerte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an
             die Namensgeber Wilhelm und Alexander von Humboldt: „Das Vermächtnis der
             Humboldt-Brüder, sich die Welt mit eigenen Augen anzuschauen, dem Fremden zu
             begegnen statt es abzuwehren und abzuwerten, ist heute aktueller denn je. Gerade
             für den Umgang mit Kulturgütern aus kolonialen Kontexten sollte das Humboldt
             Forum in Deutschland Maßstab und Vorbild sein. Nicht unsere eigene
             Weltanschauung stellen wir hier in den Mittelpunkt, sondern die der Kulturen
             Afrikas, Amerikas, Asiens und Ozeaniens.“

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             Ob diese multiperspektivische Zusammenschau gelingen kann, werden die
             kommenden Monate zeigen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller
             (SPD) ging auch auf die Bedeutung des Neubaus für das Stadtbild ein: „Das
             Humboldt Forum und die Schlossfassade haben große Symbolik für die
             Berlinerinnen und Berliner, 30 Jahre nach der Einheit. Das Gesicht Berlins bekommt
             jetzt eine neue und gleichzeitig historische Facette, das ist ein Geschenk an die
             Stadt.“ Für dieses „Stück neues Berlin“ dankte Müller auch dem Engagement des
             Fördervereins Berliner Schloss und dessen Geschäftsführer Wilhelm von Boddien,
             der seit 2002 insgesamt 105 Millionen Euro für die Rekonstruktion der
             Barockfassaden eingesammelt hatte. Generalintendant Hartmut Dorgerloh verwies
             darauf, dass das Haus erst nach seiner vollständigen Öffnung seinen Charme
             entfalten und ein „lebendiger Ort der Begegnung und der Vielstimmigkeit“ werden
             könne. Und Architekt Franco Stella machte im Schlusswort darauf aufmerksam, dass
             das Ensemble um den Lustgarten erst jetzt, wo mit dem Schloss „der einstige
             Stadtregisseur als Lehrer der Stadtgeschichte zurückkehre“, wieder einen
             städtebaulichen Sinn stifte.
             Am Donnerstag fällt der Bauzaun, dann sind der Uferweg an der Spree, die
             Spreeterrassen, der Baumhain und die Terrasse zugänglich. Wann auch das Gebäude
             betreten werden kann, ist offen.

             Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2020 - Alle Rechte vorbehalten.

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        Feuilleton · Christine Lemke-Matwey                                                                              Lesezeit: 4 Min.

        Mattscheibenblues
        Der leere Saal als Schwarzes Loch? Die Opernhäuser in München, Zürich und Berlin strea-
        men ihre Dezember-Premieren VON CHRISTINE LEMKE-MATWEY

        Schwarze Löcher erzeugen einen Effekt, den die Astrophysik »Spaghettisierung« oder auch
        »Spaghettifizierung« nennt: Ein Mensch, der in die Nähe eines Schwarzen Lochs geriete,
        würde sehr lang und sehr dünn werden, da auf seine Füße andere Kräfte wirkten als auf
        seinen Kopf. Nun stellt weder der gute alte Fernseher ein Gravitationszentrum dar noch
        das Internet; die Vorstellung aber, das Betrachten von Mattscheiben würde, wenn nicht
        Verformungen aller Arten provozieren, so doch gravierende (sic!) Folgen haben, sie ist nicht
        ohne Reiz. Zumal wenn es sich beim Gezeigten um etwas so Mattscheibenuntaugliches wie
        eine große Opernpremiere handelt.

        Die Musik- und Theaterwelt mit Corona, das bedeutet im Dezember: Premieren wie Verdis
        Falstaff in München, sein Simon Boccanegra in Zürich oder Wagners Lohengrin an der Ber-
        liner Staatsoper finden statt. Allerdings »nur« als Livestream oder als TV-Übertragung und
        garantiert ohne Publikum, dafür termingerecht. Man sieht Dirigenten mit Gesichtsmasken
        in Orchestergräben huschen, als hätten sie dort wie Walt Disneys Panzerknacker Übles zu
        verrichten; man hört laut Stühle rücken und Füße scharren, wenn die Musiker sich zur Be-
        grüßung erheben, während man sich selbst gerade wider jedes Ritual die Sofadecke unters
        Kinn zieht; man sieht, wie Sängerinnen und Sänger sich beim Verbeugen gegenseitig Beifall
        spenden. Es ist ja sonst keiner da, dies zu tun, nach der Schwerstarbeit, die die Kameras
        notgedrungen mit einfangen, die pulsierenden Halsschlagadern, flatternden Gaumensegel,
        zuckenden Wimpern und zerlaufene Schminke. Das Klatschen zählbarer Hände ist gewiss
        der einsamste, verlorenste aller verlorenen Momente.

        Sind gestreamte Premieren nun besser als keine Premieren? Das kommt darauf an. Wem es
        um musikalische Belange geht, der hat’s nicht leicht. Wohl werden an den drei Häusern
        Unterschiede hörbar, Akustik und technisches Equipment vertragen sich nicht überall
        gleich gut. Und grundsätzlich gilt: Die Mikrofonierung eines Operngeschehens ist keine
        Kleinigkeit (von der Qualität der jeweiligen Endgeräte einmal abgesehen). Wie kann sich
        im Lohengrin-Vorspiel silbrig-sphärischer Zauber einstellen, wenn die Mikros hauptsäch-
        lich die E-Saiten der ersten Geigen einfangen? Wie soll man an Falstaffs Lüsternheit glau-

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        ben oder an die Bigotterie der Gesellschaft, wenn alles gleich laut klingt, jedes Parlando, je-
        des Kichern, jede Kantilene, jedes Auf-die-Pauke-Hauen? Und überhaupt: Wie kommt der
        Raum, das Musizieren über räumliche Distanzen in die heimischen Lautsprecher?

        Gewisse Pauschalisierungen mögen auch den Interpreten zuzuschreiben sein, und dass
        man als Sofa-Zuschauerin nicht recht beurteilen kann, an wem oder woran es liegt, schürt
        nicht gerade das Zutrauen zum Experiment »Oper online«. Matthias Pintschers Lohengrin-
        Dirigat an der Berliner Lindenoper besticht durch Schnörkellosigkeit, so viel lässt sich sa-
        gen, und Falstaff hat man in München wahrscheinlich schon eloquenter gehört, federnder,
        bissiger (Leitung Michele Mariotti). Da bieten Fabio Luisi, der Chor des Zürcher Opernhau-
        ses und die Philharmonia Zürich mit Simon Boccanegra eine weitaus differenziertere, idio-
        matischere Leistung. Ausgerechnet die Zürcher, möchte man ausrufen, die aus Gründen
        des Pandemieschutzes im etwa 1000 Meter entfernten Probensaal des Orchesters singen
        und spielen und live ins Opernhaus übertragen werden. Oder ist es genau das, was dem
        Musiktheater in Corona-Zeiten abverlangt wird: sich in seine Einzelteile zu zerlegen, um
        weiter existieren zu können – so wie der Mensch auch ohne soziale Gepflogenheiten in ge-
        wisser Weise Mensch bleibt?

        Luisi ist Verdi-Spezialist, und dass ihm mit dem Bariton Christian Gerhaher ein Rollende-
        bütant zur Seite steht, der die Partie zwar nicht sonderlich italienisch angeht, dafür aber
        tief schürft, macht die Aufführung interessant. Sein Boccanegra zerbricht am klassischen
        Verdi-Widerspruch zwischen Macht und Liebe – und unweigerlich auch an der Einsamkeit
        des Sängers vor leeren Rängen. Der Regisseur Andreas Homoki macht aus dieser Not eine
        Tugend, indem er nicht vorrangig die Bühnentotale bedient, sondern Nahaufnahmen mit-
        reflektiert, Close-ups und Fragen des Bildschnitts. Wie es aussieht, wenn Kamera-Ästhetik
        und Opernsitte ungebremst aufeinanderprallen, zeigt der Berliner Lohengrin. René Papes
        hysterische Grimassen jedenfalls als (ansonsten profunder) König Heinrich wären auch in
        Reihe 27 noch gut zu erkennen, und dass der Heerrufer (Adam Kutny) mit Joker-Maske die
        Fäden des albtraumatischen Geschehens zieht, ist so wenig überraschend wie die Tatsache,
        dass Roberto Alagnas Schwanenritter-Debüt erstens laut und zweitens belcantistisch aus-
        fällt, mit Schleifern und Schluchzern aller Art. Das Piano auf »Taube« in der Gralserzählung
        klingt trotzdem schön. Und die litauische Sopranistin Vida Miknevičiūtė ist für ihr beherz-
        tes Einspringen als Elsa nur zu bewundern.

        Alle drei Inszenierungen werden von betont kalten Räumen beherrscht, von Türen und Tri-
        bünen, die nichts anderes verheißen als noch mehr Türen und Tribünen. In München lässt
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        die Regisseurin Mateja Koležnik mit der Schlussfuge des Falstaff jede Livemusik ersterben.
        Die Fuge scheppert weiter vom Band, Sängerinnen und Sänger grüßen in Alltagsklamotten
        via Zoom-Bildschirm, um dann zu »tutti gabbati« (»lauter Betrogene«) leibhaftig, aber
        stumm und mit Mund-Nasen-Schutz an die Rampe zu treten. Der leere Saal, in den die Ka-
        mera nun schwenkt, als Sinnbild für ein Schwarzes Loch? Die neuen Dimensionen fragen
        nicht lange, ob wir sie denken wollen. Das Zeitalter der Spaghettisierung aber hat begon-
        nen.

        »Simon Boccanegra« und »Lohengrin« finden sich bis Anfang Januar kostenfrei in der Ar-
        te- Mediathek, »Falstaff« läuft unter operlive.de

        www.zeit.de/audio Foto: Monika Rittershaus
        Wer ist hier die Braut? Szene aus Calixto Bieitos Berliner »Lohengrin«-Inszenierung mit
        Ekaterina Gubanova als Ortrud (links) und Vida Miknevičiūtė als Elsa

https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/939203/60                                                               3/3
17.12.2020                                               https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466085/14

        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                       Donnerstag, 17.12.2020

                                   Viel mehr als Weihnachtskaraoke
             Die Capella de la Torre hat eine eigene Streaming-Plattform gegründet: „Studio4culture“ ist
                                                       interaktiv

        Die Angst, wie es weitergehe in den kommenden Monaten, sei jetzt eigentlich größer als
        während des ersten Lockdowns, meint die Oboistin und Schalmeienspielerin Katharina Bäuml.
        Wann wird ein halbwegs normaler Konzertbetrieb wieder möglich sein? Kann ihr Ensemble,
        die auf Alte Musik spezialisierte Capella de la Torre, überleben? Die freie Szene trifft es hart.
        Konzerte entfallen, die damit verbundenen Einnahmen ebenso. „Wir dürfen klagen“, sagt
        Bäuml „aber wir müssen auch selbst etwas tun.“ Sie hat eine neue Streaming-Plattform initi-
        iert, die im September freigeschaltet wurde.

        Keine reine Corona-Idee: Bäuml hatte sich schon vor der Pandemie-Zeit gefragt, wie ein direk-
        teres Zusammentreffen mit dem Publikum möglich sein könnte. Die Nöte der konzertfreien
        Zeit beförderten den Planungsprozess. Auftritte kostenlos über soziale Medien zu streamen
        kam für die Ensembleleiterin aus Prinzip nicht in Frage: Als freier Musiker sollte man nicht
        auch noch aktiv zum Werteverfall der eigenen Leistung beitragen. Ein Streaming-Portal mit
        Bezahlschranke also, wobei derzeit ein fester Betrag noch entfällt und stattdessen um Spenden
        gebeten wird.

        Die Plattform soll offen sein für weitere Ensembles, weshalb ein eher neutraler Name gewählt
        wurde: Bei „Studio4culture“ soll Platz sein nicht nur für Alte Musik, sondern auch für zeitge-
        nössische Musik oder Jazz, ähnlich wie es die Capella de la Torre auch schon in ihren Konzer-
        ten erprobt.

        Der Rias-Kammerchor als befreundetes Ensemble ist bereits mit im Boot. Zwei Konzerte des
        Chores lassen sich bislang in der Mediathek abrufen neben den Auftritten der Capella. Ähnlich
        wie in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker gibt es Begleitprogramm: erläu-
        ternde Interviews mit den Künstlern etwa und Informationen zum Programm in wählbarer
        Länge. Gar der Blick in die Partitur, die die Musikerinnen und Musiker der Capella meist selbst
        aus den Originalquellen erstellen, wird ermöglicht. Nach dem gestreamten Konzert stehen die
        Protagonisten eine weitere halbe Stunde vor der Kamera, die Zuschauer können per Chat
        Fragen stellen. Eine Art der direkten Zuschauerbeteiligung, wie sie in Talkshows im Fernsehen
        mittlerweile üblich ist, im Bereich des Klassik-Streamings aber durchaus neu.

        Was die Beteiligung des Publikums angeht hat Katharina Bäuml, die nicht müde wird zu beto-
        nen, dass Streaming kein Ersatz für ein echtes Konzerterlebnis sein kann, einen weiteren
        Versuchsballon gestartet und lädt in chorfeindlichen Zeiten zur „Winterkaraoke“ ein: Sänger
        des Rias-Kammerchores und Instrumentalisten der Capella de la Torre haben Advents- und
        Weihnachtslieder aufgenommen und laden zum Mitsingen ein. Texte und Noten werden
        bereitgestellt, singfrohe User können ihre Heimvideos einsenden.
https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466085/14                                                                                 1/2
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        Bei der Finanzierung der Plattform helfen neben Spenden vor allem Mittel aus dem Rettungs-
        programm, das die Kulturstaatsministerin für die freie Szene aufgelegt hat. Doch kostet die
        Realisierung eines Streamings wie die Betreuung der Homepage viel Geld: Techniker und
        Programmierer arbeiten selten zu Tagessätzen, wie sie freie Musiker gewohnt sind. Etwa
        doppelt so teuer werde ein Konzertauftritt durch das Streaming, sagt Bäuml. Gelder, die auf
        lange Sicht erst einmal bereitgestellt werden müssen. Gleichwohl glaubt die Ensembleleiterin
        an die Zukunft des Projekts. Weitere Ensembles, die gerne über die neue Plattform senden
        würden, haben bereits Interesse angemeldet. Derweil ist der Capella de la Torre eine Präsenz
        im Internet sicher, während die Konzerthäuser geschlossen sind: Am 16. Dezember wurde
        bereits ein Weihnachtskonzert freigeschaltet, am 23. Dezember wird ein nächstes folgen, weite-
        re sind bereits aufgenommen worden. Katharina Bäumls Jahresbilanz fällt derweil deutlich
        aus: Sie habe noch nie so viel gearbeitet wie in diesem Jahr. Weniger im musikalischen Bereich
        als bei der Beschäftigung mit technischen und rechtlichen Fragen. Clemens Haustein

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17.12.2020                                         https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/9

        Das Jahr der Mauersegler

        Ei gent lich wä re ich jetzt auf Tour. 28 Kon zer te. Statt des sen be ob ach te ich die Vö gel, zum ers ten Mal
        seit mei ner Kind heit. Von Nils Land gren

        Im ver gan ge nen März, als deut lich wurde, wie ernst die Be dro hung der Men schen durch das Co ro navi rus tat säch lich
        ist, ver häng te der NDR ei ne Verord nung für al le bei die sem Sen der be schäf tig ten Mu si ker: Vor Blech blä sern, so hieß
        es, müs se beim Mu si zie ren ein Raum von zwölf Me tern Län ge frei ge hal ten werden. Zu den Nach barn rechts und
        links sei ein Ab stand von drei Me tern zu wah ren.

        Ich bin da mals tief erschro cken, nicht nur, weil die Forde rung so ra di kal, son dern auch, weil sie so ab surd war. Hin
        und wie der ha be ich es pro biert: Ei ne Po sau ne kann laut sein, aber es ist nicht mög lich, da mit auch nur ei ne Ker ze
        aus zu bla sen. Das ei gent liche Blas rohr ist schmal, es geht nicht viel Luft hin durch. Die Verord nung wurde bald zu-
        rück ge nom men. Aber da nach wuss te ich, dass die kom men den Wo chen, viel leicht Mo na te schwie rig werden würden,
        nicht nur, weil die Seuche so ge fährlich ist, son dern auch, weil sie so viel Un be re chen ba res, ja Fan tas ti sches her vor-
        bringt.

        Ei gent lich hät te ich jetzt im De zem ber in Deutsch land auf Tour nee sein sol len. 28 Kon zer te wa ren für „Christ mas
        with my Friends“ ge bucht, für die Mat thä us kirche in Mün chen zum Bei spiel oder für den Berli ner Dom. Es wä re das
        sieb te Mal gewe sen, dass wir mit ei ner eher stil len, vom Ge sang ge präg ten Mu sik un ter wegs gewe sen wä ren.

        Ich moch te die se Rei sen im mer sehr. Zum ei nen, weil mir an Weih nach ten et was liegt, an der Freund lich keit, die zu
        die sem Fest ge hört, an der Ru he, die es dann für ein paar Ta ge gibt, ge gen Brat wurst und Glühwein ha be ich auch
        nichts. Zum an de ren, weil wir auf die sen Rei sen tat säch lich im mer in ei ner Grup pe von Freun den un ter wegs wa ren,
        zu de nen dann oft noch ein paar Le bens ge fähr ten und Kin der hin zu stie ßen. Der Bus mit den In stru men ten und den
        Verstär keran la gen fuhr voran, wir be setz ten ei nen hal ben Groß raumwa gen im Zug, ei ne gro ße Ge mein schaft. Jetzt
        sit ze ich zu Hau se und ord ne al te Fo to gra fien, zu sam men mit Bea, mei ner Frau. Ei ni ge wer fen wir weg, die miss ra te -
        nen Bil der und sol che, bei de nen wir nicht mehr wis sen, wel che Men schen darauf zu se hen sind.

        Im mer hin konn ten wir nun noch das Al bum zur Tour nee veröf fent lichen. Ein Trost, aber kein gro ßer. Seit mehr als
        vier zig Jah ren bin ich Be rufs mu si ker. In all die ser Zeit bin ich sel ten mal ei ne Wo che an nur ei nem Ort gewe sen. Ich
        war auch sel ten län ger mit Bea zu sam men, ich mei ne: in ein- und dem sel ben Haus. Mei ne Frau ist Schau spie le rin
        und hat ih re ei ge nen Ter mi ne.

        Am 13. März kam ich aus Ham burg zu rück, mit dem letz ten Flug zeug nach Ko pen ha gen, bevor Dä ne mark die Gren -
        zen schloss. Am Tag darauf reis te Bea aus Stock holm an. Wir ver mu ten, dass sie sich un ter wegs mit dem Vi rus in fi-
        zier te. Die Wo chen da nach ver brach ten wir haupt säch lich lie gend.

        Jetzt le ben wir seit acht Mo na ten un ter ei nem Dach, mit nur we ni gen und stets kur zen Un ter bre chun gen, wir ko -
        chen, räu men auf, ge hen spa zie ren. Viel leicht soll te ich mich dar über wun dern: Aber es ist gut so, wie es ist. Wir le -
        ben in ei nem klei nen Haus, nicht weit vom Meer im äu ßers ten Sü den Schwe dens. Das Haus ist alt, die Mauern be ste -
        hen aus un ge brann ten Zie geln, und wenn der Ost wind drückt, reicht die Hei zung nicht aus, und wir müs sen den Ka -
        min an ma chen. Wenn wir un se re täg liche Run de ge hen, prü fen wir erst mal, wo her es bläst. Bei star kem West wind
        ge hen wir zuerst in Rich tung Ystad, am Meer ent lang, weil es dort Wind schat ten gibt, und dann durch den Wald.

        Mehr als hun dert Auf trit te ha be ich verlo ren. Selbst verständ lich ist das ein gro ßer öko no mi scher Verlust. Aber ich
        weiß, dass die verlo re nen Kon zer te für an de re Mu si ker viel schwe rer wie gen. Und es geht nicht nur ums Geld.

        Mu si zie ren ist ein so zia ler Be ruf. Es macht mir Freu de zu erle ben, wenn ein Pu bli kum mit geht. Es spielt sich dann
        leich ter und auch bes ser. Au ßerdem gleicht die Mu sik in vie lerlei Hin sicht dem Sport. All das verlangt Kraft, und das
        Pu bli kum sorgt da für, dass die se Kraft auch ge fordert wird. Ich glau be ge ra de zu spü ren, dass die Mus ku la tur mei-
        ner Lun gen schwä cher wird, oder dass es mir schwe rer fällt, Lip pen und Wan gen in Span nung zu hal ten. Die Fein -

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/9                                                                             1/3
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        hei ten ge hen verlo ren, viel leicht auch das Ge fühl, et was Au ßerordent liches er reichen zu kön nen. Ich übe je den Tag,
        ei ne Stun de, manch mal zwei Stun den, hin ter dem Haus, in ei nem Schup pen, der ge nau so groß ist, dass ich dar in die
        Po sau ne zur Gän ze aus zie hen kann. Ich ha be nicht das Ge fühl, dass die se Übun gen aus reichen.

        Wenn man nicht mehr rei sen kann, scheint die Zeit schnel ler zu ver ge hen. Merk würdig. Zu ei nem Teil geht die se nur
        schein ba re Be schleu ni gung ver mut lich darauf zu rück, dass Rou ti nen ent ste hen, die es in ei nem Wan derle ben nicht
        ge ben kann. Zum an de ren versucht man, Verlo re nes aus zu gleichen. Ich weiß nicht, wie vie le Vi deo bot schaf ten ich in
        den ver gan ge nen Mo na ten verschickt ha be, klei ne, auf mun tern de Nach rich ten mit ein biss chen Po sau ne, oft zur
        Un terstüt zung von verscho be nen Pro jek ten.

        Au ßerdem ent wickelt man Tech ni ken, die man zuvor für un mög lich ge hal ten hat te. Ei gent lich hät te die Funk Unit ,
        mei ne äl tes te und ver mut lich auch er folg reichs te Band, in die sem Jahr ein neues Al bum ein spie len sol len, in ei nem
        Stu dio auf Mal lorca. Daraus wurde nichts. Dann woll ten wir in ein Stu dio in Bad Mein berg aus weichen. Auch das
        ging nicht. Schließ lich ha ben wir uns in Stock holm ge trof fen, in ei nem al ten Stu dio, das nach ver gilb tem Kie fern -
        holz und ab gewetz tem Tep pich bo den roch. Dort ent stand das Fun da ment des Al bums.

        Seit dem schicken wir uns die ein zel nen Tracks per Da ten lei tung zu, um sie zu ver voll stän di gen. Der ei ne Mu si ker
        fuhr in den ver gan ge nen Mo na ten Le bens mit tel aus, um sei nen Le bens un ter halt zu verdie nen, der an de re ar bei te te
        als Elek tri ker. Das Al bum ent steht trotz dem.

        Auch dar in liegt nur ein klei ner Trost.

        In den ver gan ge nen Mo na ten ist un end lich viel Gu tes und Schö nes verlo ren ge gan gen, we ni ger ver mut lich für die
        be kann tes ten Mu si ker als für die halb be kann ten und kaum be kann ten. Aber oh ne sie gä be es die se Kul tur nicht. Im
        ver gan ge nen Som mer ge lang es, die „Jazz Bal tica“, das Mu sik fes tival in Schles wig-Hol stein, des sen künst le ri scher
        Lei ter ich bin, als Veran stal tung nur für das Fern se hen zu er hal ten. Im mer hin wurden bei die ser Ge le gen heit fast 50
        000 Eu ro ein ge sam melt, zur Un terstüt zung der Mu si ker, die hät ten auf tre ten sol len, es aber nicht konn ten.

        Es gin gen un terdes sen, nur zum Bei spiel, verlo ren: die Urauf füh rung ei nes Werks des schwe di schen Kom po nis ten
        Sven-David Sand ström für Po sau ne und ge misch ten Chor in Kiel oder ein Kon zert für Po sau ne und sym pho ni sches
        Blas orches ter, das in Heil bronn hät te statt fin den sol len. Man mag sol che Ereig nis se für Klei nig kei ten hal ten an ge -
        sichts der gro ßen Verlus te, die in den be rühm ten Häu sern und mit den be rühm tes ten Mu si kern ein ge tre ten sind.
        Aber es ist ein Irr tum zu glau ben, dass sich Kul tur über ih re größten Spek ta kel de fi niert.

        Kul tur, das heißt zuerst: Reich tum an In itia tiven, an Ge le gen hei ten und an Mög lich kei ten.

        In die sem Jahr ha ben wir erlebt, wie die Mauerseg ler in un ser Dorf ein zo gen, und wir wa ren da bei, als sie wie der
        nach Sü den verschwan den, nicht al le auf ein mal, son dern in ein zel nen Grup pen und nach ein an der. An fang Ok to ber
        sa hen wir, wie die Kra niche nach Sü den flo gen, Rich tung Born holm oder Vor pom mern oder Spa nien, wo hin auch im -
        mer. In mei ner Kind heit ha be ich sol che Ereig nis se von ei nem fes ten Ort aus erlebt, seit dem nicht mehr. Wir er war-
        ten, dass die Vö gel zu rück keh ren werden, im kom men den Jahr. Dann, so heißt es, werden die meis ten Kon zer te
        statt fin den, die in die sem Jahr hät ten dar ge bo ten werden sol len und verscho ben wurden. Hin zu kom men al le Kon -
        zer te, die von vorn herein für das Jahr 2021 ge plant wa ren.

        Das wird ein Ge tö se ge ben.

        Mein nächs tes Kon zert soll ich an geb lich im Fe bru ar ge ben, in der nor we gi schen Klein stadt Bodø, knapp nörd lich
        des Po lar krei ses, mit ei ner Kom po si tion, die Vin ce Men do za für mich schrieb, der Mann, der für Elvis Co s tel lo ar-
        ran gier te und der für sei ne Ar beit mit Jo ni Mit chell ei nen Gram my be kam. Wenn wir Glück ha ben, werden wir dort
        sein. Im Grau ei ner lan gen Win ter nacht. Wenn wir Pech ha ben, werden wir auf das Früh jahr war ten müs sen. Oder
        auf den Som mer.

        Der Po sau nist Nils Land gren ist ei ner der er folg reichs ten eu ro päi schen Jazz mu si ker. Er wurde 1956 im schwe di-
        schen De ger fors ge bo ren. Zu letzt erschien von ihm „Christ mas With My Friends VII“.

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/800141/9                                                                             2/3
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