DIAGNOSTIK IM DIALOG DER ROCHE DIAGNOSTICS DEUTSCHLAND GMBH - SARS-COV-2 SONDERAUSGABE
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Diagnostik im Dialog Ausgabe 64 • 10/2020 der Roche Diagnostics Deutschland GmbH SARS-CoV-2 Sonderausgabe
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, nach wie vor hat uns die Corona-Pandemie Gesichter von COVID-19 und gehen auf Inter- fest im Griff: SARS-CoV-2 beeinflusst unseren ventionsmöglichkeiten ein. Wir stellen Ihnen Arbeitsalltag genauso wie unser Privatleben. eine digitale Lösung für das Corona-Manage- Und es wird immer deutlicher, dass wir uns ment vor und widmen uns der Frage, inwiefern wohl noch lange mit dem Virus arrangieren die Pandemie die Nutzung von Künstlicher müssen. Gleichzeitig lernen wir den Krank- Intelligenz im Gesundheitswesen beeinflusst. heitserreger, seine Pathomechanismen und die klinischen Verläufe aber auch besser ver- Vielleicht vermissen Sie an dieser Stelle das stehen. Mehr denn je wird in diesen Tagen Portrait unserer Chefredakteurin Ute Reimann, aber noch eines deutlich: Der Wert der Diag- die „Diagnostik im Dialog“ über viele Jahre nostik und somit auch der Wert Ihrer Arbeit. betreut hat. Frau Reimann hat sich im Juli die- Maren Schulz An dieser Stelle möchten wir unseren Dank ses Jahres in den wohlverdienten Ruhestand Leitung Kommunikation an Sie alle aussprechen, denn Sie sind es, die verabschiedet. Wir möchten uns hiermit ganz Roche Diagnostik Deutschland GmbH aktuell Tag und Nacht damit beschäftigt sind, offiziell für ihre engagierte und kompetente zu testen und möglichst schnell Ergebnisse Arbeit bedanken und werden das Magazin mit zu liefern, die helfen, die Pandemie in Schach unserem neu aufgestellten Team in gewohnter zu halten. Qualität weiterführen. In dieser Ausgabe unseres Magazins „Dia- Eine angenehme Lektüre wünscht Ihnen gnostik im Dialog“ beleuchten wir die vielen Ihre Maren Schulz Inhalt 3 [Medizin] Die vielen Gesichter von COVID-19 – Eine komplex verlaufende Erkrankung 7 [Medizin] Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei schweren COVID-19-Erkrankungen 12 [Medizin – Für Sie gelesen] Diagnostik und Therapie von COVID-19 14 [Medizin von morgen] Digitalisierungstreiber in der Krise – KI im Corona-Management 17 [Produkte & Services] Besser informiert mit CoVive – Digitale Plattform für das COVID-19-Management 19 [Produkte & Services] Produktnews Veranstaltungen und Kongresse Link zur Website: www.roche.de/diagnostics-veranstaltungen Impressum Herausgeber Redaktion V.i.S.d.P. (Chefredaktion) Roche Diagnostics Deutschland GmbH Elke Matuschek Maren Schulz Geschäftsführer Christian Paetzke KOMPASS Gesundheitskommunikation Leitung Kommunikation Frank Gast Roche Diagnostik Deutschland GmbH Sandhofer Straße 116, 68305 Mannheim Leitung Medical & Scientific Affairs Telefon +49 621 759 0 Roche Diagnostik Deutschland GmbH Telefax +49 621 759 2890 Satz und Gestaltung Registergericht AG Mannheim HRB 708167 Melanie Welk USt.Nr. DE268638091 dabo design – Büro für visuelle Kommunikation © 2020 Roche Diagnostics. Alle Rechte vorbehalten. COBAS, ELECSYS, AVENIO sind Marken von Roche. Andere Marken sind Marken der jeweiligen Eigentümer. Bildquelle Titel: AdobeStock/Robert Kneschke
Medizin | Die vielen Gesichter von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Die vielen Gesichter von COVID-19 Eine komplex verlaufende Erkrankung Laut RKI zeigen ca. 5 % der diagnostizierten Personen einen kritischen Krankheitsverlauf. AdobeStock/ Kiryl Lis Schritt für Schritt gelingt es, COVID-19 bes- 14 % einen schwereren und etwa 5 % einen geprägte Lymphozytopenie und die Erhö- ser zu verstehen. Während die vom SARS- kritischen Krankheitsverlauf.1 hung der Biomarker CRP, D-Dimer, LDH CoV-2-Erreger verursachte Infektionskrank- und Troponin.2 Auch die Blutgruppe ist mit heit noch im März als Lungenerkrankung Das Risiko für eine schwere Erkrankung der Schwere des Verlaufs assoziiert, Blut- galt, ist inzwischen klar: Das Krankheitsbild steigt ab etwa 50 Jahren stetig an. Der Alters- gruppe A birgt offenbar ein höheres Risiko ist weitaus komplexer. durchschnitt der Verstorbenen liegt bei 82 für Atemwegsprobleme.3 Jahren – über 85 % der Todesfälle waren 70 Zu den häufigsten Symptomen von COVID- Jahre alt oder älter. Pathogenese und Manifestation 19 zählen Husten, Fieber, Schnupfen sowie Um in die Zelle zu gelangen, nutzt SARS- Geruchs- und Geschmacksverlust. Aller- Vorerkrankungen wie Herz-Kreislaufer- CoV-2 ein Glykoprotein: „Spike“. Dieses dings kann man nicht von einem typischen krankungen, Diabetes mellitus, Adiposi- bindet an den Wirtszellenrezeptor ACE-2 Krankheitsbild sprechen. Symptomatik und tas, Krebs, chronische Leber- und Lungen- (Angiotensin-converting-enzyme-2) und Schwere von COVID-19 sind individuell krankheiten und bestimmte Formen der ermöglicht so den Zelleintritt.5 Neben dem unterschiedlich – sie reichen von symptom- Immunsuppression sowie Rauchen gehören ACE-2-Rezeptor werden verschiedene losen Verläufen bis hin zu tödlichen Kom- ebenso zu den Risikofaktoren wie das Alter andere Proteine als Mediatoren für den plikationen. Laut RKI zeigen 81 % der dia- und männliches Geschlecht. Prädiktoren Zelleintritt des Pathogens diskutiert, unter gnostizierten Personen einen milden, etwa für einen schweren Verlauf sind eine aus- anderem TMPRSS2, CD147 sowie Sialin- 3
Medizin | Die vielen Gesichter von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Neben dem Alter gehören Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf- erkrankungen zu den wichtigsten Risikofaktoren für einen AdobeStock/nito AdobeStock/GordonGrand schwereren COVID-19-Verlauf. säurerezeptoren. Auch Kathepsin B und L 2-Rezeptor-Expression eine Schlüsselrolle enten signifikant häufiger vaskuläre Schädi- sind offenbar an der Pathogenese beteiligt.4 bei der Pathogenese von COVID-19 und gungen, wie beispielsweise schwere Endo- der Manifestation in den unterschiedlichen thelverletzungen und Schädigungen der Es werden eine Reihe unterschiedlicher Organen spielen.4 Zellmembran, nach. Histologische Unter- pathogenetischer Ursachen im Zusammen- suchungen offenbarten Thrombosen in hang mit der Entstehung von COVID-19 Teilweise schwere Endothelverletzungen den Blutgefäßen und Mikroangiopathien. beschrieben. Neben direkten zytopathischen in der Lunge Auffällig häufig beobachteten die Wissen- Effekten sind überschießende Immunreak- Aus einer COVID-19-assoziierten Atem- schaftler eine spezielle Form der Gefäßneu- tionen bis hin zum Zytokinsturm (also der wegsinfektion kann sich – meist in der zwei- bildung, die „intussuszeptive Angiogenese“. Überproduktion inflammatorischer Zyto- ten Krankheitswoche – eine Pneumonie ent- Sie wird durch T-Zellen vermittelt und kine wie IL-6) zu beobachten. Häufig findet wickeln, die sich zum beatmungspflichtigen, man auch Durchblutungsstörungen in Folge akuten Lungenversagen (Acute Respiratory einer Hyperkoagulopathie.1,4,12 Distress Syndrome, ARDS) verschlechtern Empfehlungen zur VTE*-Prophylaxe kann. In einigen Fällen ist sogar eine extra- bei ambulanten und stationären Sehr häufig betrifft SARS-CoV-2 die Lunge, korporale Membranoxygenierung (ECMO) Patienten mit SARS-CoV-2 Infektion daneben kann es aber auch andere Organ- erforderlich.1 (COVID-19) systeme wie Herz, Nieren und das Zent- gibt die Gesellschaft für Thrombose- rale Nervensystem (ZNS) schädigen.1,4 Die Im Mai dieses Jahres lieferte eine Wupper- und Hämostaseforschung e. V. (GTH) in Manifestationsorte sind unter anderem von taler Forschergruppe Erklärungsansätze für einem Rundschreiben vom 21.04.2020.9 der Dichte der ACE-2-Rezeptoren in den die teils sehr schweren Krankheitsverläufe. Geweben abhängig – der Eintrittspforte für In einer kleineren Autosiestudie vergli- das Virus in die Zelle. Zwar ist in der Lunge chen die Wissenschaftler die Lungen von eine besonders hohe Dichte an ACE-2 zu an COVID-19 verstorbenen Personen mit finden doch ist der ACE-2-Rezeptor auch den Lungen von Personen, die an ARDS in anderen Geweben vorhanden.1,4 Es wird infolge der Influenza A(H1N1) verstorben vermutet, dass Endothelzellen mit ACE- waren. Sie wiesen bei den COVID-19-Pati- 4
Medizin | Die vielen Gesichter von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Eine ausgeprägte Lymphozyto- penie und die Erhöhung der Biomarker CRP, D-Dimer, LDH und Troponin sind Prädiktoren für potentielle Komplikationen. AdobeStock/Yakobchuk Olena hat bestimmte Entzündungsprozesse zur Neutrophilen- und Lymphozyteninfiltration Folge.7 Medizinisch sei dieser Ablauf ver- in fibröse Thromben und zur Bildung von Hinweise zu Erkennung, Diagnos- gleichbar mit einer starken Abstoßungsre- NETs (neutrophil extracellular traps). Mul- tik und Therapie von Patienten mit aktion nach Organtransplantation, wie in tiple thrombo-inflammatorische Prozesse COVID-19 einer Pressemitteilung der Helios Univer- scheinen dabei zusammenzuwirken.8 sitätsklinikums Wuppertal vom 22.05.2020 Der „Ständige Arbeitskreis der Kom- zu lesen ist.8 Mehrere antithrombotische Therapien sind in petenz- und Behandlungszentren für der Diskussion, unter anderem direkte anti- Krankheiten durch hochpathogene Erreger" am Robert Koch-Institut (STA- Die Wissenschaftler um PD Dr. Ackermann thrombotische Therapien, Faktor-Xa-Inhibi- KOB) veröffentlichte am 22. Juli 2020 fanden in den Lungen von Patienten mit toren und Kontaktaktivierungsinhibitoren.8 unter Mitwirkung von DGI, DGPI, COVID-19 und Influenza deutlich mehr DGP, BfArM und PEI Hinweise zum ACE-2-positive Endothelzellen als in nicht- Der „Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- Umgang mit COViD-19.2 infizierten Kontrollen. Zudem war eine und Behandlungszentren für Krankheiten Änderung in der Morphologie der Endo- durch hochpathogene Erreger" am Robert Die Hinweise sind unter folgendem thelzellen zu beobachten. Koch-Institut (STAKOB) warnte Anfang Juli Link zu finden: vor einem gehäuften Auftreten thromboem- www.rki.de/covid-19-therapie-stakob Thrombosen und Entzündungen bolischer Ereignisse auch bei jungen Patien- Ein intaktes vaskuläres Endothel ist eine ten ohne Risikofaktoren und Vorerkrankun- potente antithrombotische und antient- gen. Hohe bzw. steigende D-Dimer-Werte zündliche Barriere. In einem Review von könnten auf thromboembolische Komplika- Mitchel8 wird der Verlust der Schutzfunk- tionen hinweisen. Sie sind mit einer deutlich tion des Endotheliums bei COVID-19 als erhöhten Sterblichkeit assoziiert.2 Auslöser für Thrombosen und Entzün- dungsvorgänge („Thrombo-Inflammation“) Kardiale Komplikationen häufig beschrieben, der zum akuten Lungenversa- Immer wieder hört man im Zusam- gen führen kann. Demnach kommt es zur menhang mit COVID-19 von kardialen 5
Medizin | Die vielen Gesichter von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Komplikationen. Andererseits gelten kar- Nierenbeteiligung – Frühwarnsystem inzwischen gelöst werden, viele Fragen sind diovaskuläre Vorerkrankungen als Risiko- für schwere Verläufe? jedoch noch offen. Dass es sich bei COVID- faktor für einen schweren Verlauf. Bisher Eine Nierenbeteiligung wird mit rund 40 % 19 um eine nicht zu unterschätzende und sind die Pathomechanismen, die dieser der Klinikeinweisungen ebenfalls häufig äußerst komplexe Multiorganerkrankung Beobachtung zugrunde liegen, nicht ein- beobachtet und reicht von einer milden Pro- handelt – daran dürften nach dem heuti- deutig identifiziert. Es wird vermutet, teinurie bis hin zum fortschreitenden aku- gen Stand der Wissenschaft allerdings kaum dass COVID-19 eine direkte Schädi- ten Nierenverssagen ("Acute Kidney Injury", mehr Zweifel bestehen. gung der Kardiomyozyten, systemische AKI). Das betrifft in Europa und den USA Entzündungsprozesse, Fibrose, Interfe- rund 20–40 % der Patienten, die eine inten- * VTE-Prophylaxe: Prophylaxe der venösen Thromboembolie ron- und Zytokin-vermittelte Immun- sivmedizinische Versorgung benötigen. Da antworten verursacht und zur Destabilisie- es bei COVID-19 oft sehr früh zu einer rung von Plaques führt. Wie in der Lunge, Nierenbeteiligung kommt, könnten Nieren- so spielen auch bei COVID-19-induzierten parameter dazu beitragen, den Verlauf der Herzschädigungen ACE-2-Rezeptoren eine Erkrankung vorherzusagen.13 zentrale Rolle.10 Die Pathophysiologie hinter den renalen Forscherinnen und Forscher des Universi- Effekten ist komplex. So wurden im rena- tätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) len Endothel Viruspartikel nachgewiesen, Literatur wiesen nach, dass sich SARS-CoV-2 auch was darauf hindeutet, dass eine Virämie 1 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_ Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText6. im Herzgewebe vermehrt. Die Arbeits- die Endothelschädigung verursacht und Stand 10.07.2020. Zugriff am 22.07.2020. 2 STAKOB. Stand 04.07.2020. DOI 10.25646/6539.11; gruppe vermutet, dass das Virus nicht die (Mit)-Auslöser renaler Komplikationen www.rki.de/covid-19-therapie-stakob. Zugriff am 23.07.2020 Kardiomyocyten selbst, sondern intersti- sein könnte. Das Virus scheint über ACE- 3 Ellinghaus et al. 2020. New Engl J Med. DOI: 10.1056/ tielle Zellen oder Makrophagen infiziert.11 2-Rezeptoren aber auch direkt in die Nieren- NEJMoa2020283 4 Sardu et al. 2020. J. Clin. Med.: 9(5);417. Die Wissenschaftler untersuchten dazu 39 zellen einzudringen und dort verschiedene https://doi.org/10.3390/jcm9051417 5 Letko, M. et al.. 2020. Nat. Microbiol.: 5; 562–569. Patienten. In 24 der 39 untersuchten Pati- pathophysiologische Prozesse in Gang zu 6 Varga et al. Lancet 2020. Endothelial cell infection and endotheliitis in COVID-19. 395:10234;1417-1418. enten wiesen die Wissenschaftler das Virus setzen. Ein weiterer Mechanismus, der im 7 Ackermann et al. N Engl J Med 2020.383:120-128. DOI: nach, in 16 Fällen in klinisch relevanten Zusammenhang mit der Nierenbeteiligung 10.1056/NEJMoa2015432 8 Mitchel 2020. Pediatric Respiratory Reviews. Article in Mengen (von der Arbeitsgruppe definiert diskutiert wird, ist der Zytokinsturm.13 Press., https://doi.org/10.1016/j.prrv.2020.06.004. Zugriff am 22.07.2020. als > 1000 Kopien pro µg RNA). Bei den 9 GTH. http://gth-online.org/wp-content/uploads/2020/04/ Aktualisierte-GTH-Empfehlungen-COVID-19-1.pdf 5 Patienten mit den höchsten Viruslas- Auch das Zentrale Nervensystem kann 10 Turshudzhyan 2020. Cureus 12(6):e8543. DOI: 10.7759/ ten wiesen sie sowohl den Plus- als auch betroffen sein cureus.8543 11 D. Lindner et al. 2020. JAMA Cardiol. Published online Minus-Strang des Erbguts nach – ein Zei- Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass July 27, 2020. doi:10.1001/jamacardio.2020.3551 12 Shi S. et al 2020.JAMA Cardiol. ;5(7):802-810. chen für die Vermehrungsfähigkeit des sich SARS-CoV-2 unter bestimmten Umstän- doi:10.1001/jamacardio.2020.0950 13 Ronco et al. Lancet Respir Med 2020; 8: 738–42. Virus.11 den auch Zugang zum ZNS verschaffen kann. https://doi.org/10.1016/ Wan et al. J. Virol 2020: DOI: 10.1128/JVI.00127-20 Ob bzw. wie das Virus dabei die Blut-Hirn- 14 Alam et al. Eur. J. Neurol. 2020. Online verfügbar unter: Kardiale Komplikationen erhöhen die Sterb- Schranke überwindet, ist noch unklar. Ver- https://doi.org/10.1111/ene.14442. Zugriff am 24.07.2020. lichkeit, wie eine Untersuchung von Shi et schiedene Mechanismen werden diskutiert al.12 zeigt. Die Wissenschaftler untersuchten – darunter die Schädigung der Blut-Hirn- 416 Patienten mit COVID-19, von denen schranke selbst oder die Infektion von peri- 19,7 % an myokardialen Erkrankungen lit- pheren Nerven, entlang deren Strukturen das ten. Sie fanden in der Gruppe der Vorer- Virus in das ZNS gelangen könnte.14 krankten eine signifikant höhere Sterblich- Dr. Frank Gast keitsrate (51,2 %) gegenüber der Gruppe von Fazit Leitung Medical & Patienten, die keine Herz-Vorerkrankungen Einige Rätsel um die neuartige Corona- Scientific Affairs frank.gast@roche.com aufwiesen.12 virus-Erkrankung COVID-19 konnten 6
Medizin | Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei schweren COVID-19-Erkrankungen Prof. Dr. Rudolf Gruber, Institut für Labormedizin, Mikrobiologie und Krankenhaushygiene und Dr. Stefan Großmann, Klinik für Pneumologie und konservative Intensivmedizin – Krankenhaus Barmherzige Brüder, Regensburg Steigen Biomarker wie Kreatinin, GPT, Troponin und CK an, kann das ein Ausdruck einer Organ- AdobeStock/Robert Kneschke beteiligung bis hin zum Organversagen sein. Die Mehrzahl der Infektionen mit SARS- sich eine Lymphopenie (0,8/nl), ein moderat gen. Im Rachenabstrich lässt sich mittels CoV-2 verlaufen mild oder gar ohne Symp- erhöhtes CRP (85 mg/l) sowie IL-6 (30 pg/ PCR SARS-CoV-2 nachweisen. tome. Doch in einigen Fällen kann COVID- ml) und PCT (0,31 ng/ml), die LDH liegt bei 19 auch einen schweren klinischen Verlauf 485 U/l, die D-Dimere sind im Normbereich. Initial wird der Patient über Nasenbrille nehmen und zu Lungen- oder Multiorgan- Im CT-Thorax (Abb. 1) zeigen sich zentral beziehungsweise Gesichtsmaske mit Sauer- versagen führen. Ein Fallbeispiel aus dem und peripher ubiquitäre Milchglaskonsoli- stoff versorgt. Durch diese Maßnahme lässt Krankenhaus Barmherzige Brüder Regens- dierungen mit zusätzlichen, relativ dichten sich eine ausreichende Oxygenierung errei- burg zeigt, wie rasch die Erkrankung fort- peribronchialen, sternförmigen Ausziehun- chen. Das PaCO2 (arterieller Kohlendioxid- schreiten kann und welche Interventionspa- rameter sich bewährt haben. Fallbeispiel Am 10. April 2020 wurde ein 39-jähriger Pati- ent ohne nennenswerte Vorerkrankungen und insbesondere ohne Hinweise auf Immunsup- pression in der Klinik Barmherzige Brüder Regensburg stationär aufgenommen. Der Patient berichtete über Fieber bis 39°C, das seit einer Woche bestehe, sowie über Hals- schmerzen und Husten. Eine Störung des Geschmacksinnes sei ihm nicht aufgefallen. Seit den letzten Tagen bestehe auch fortschrei- tende Kurzatmigkeit, vor allem bei Belastung. Tag 1: Bei Aufnahme zeigt sich eine Sau- erstoff-Sättigung von 92 % unter Raumluft, eine Atemfrequenz von 22/min und eine Abb. 1: CT-Thorax am Aufnahmetag. Es zeigen sich zentral und peripher ubiquitäre Milchglaskonsoli- Herzfrequenz von 120/min. Im Labor findet dierungen mit zusätzlichen, relativ dichten peribronchialen, sternförmigen Ausziehungen. 7
Medizin | Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 partialdruck) liegt als Ausdruck eines mode- in den begleitenden Laboruntersuchungen Klinik und Pathophysiologie raten "Respiratory drive" um 36 mmHg. ein deutlicher Anstieg des CRP (maximal Verschiedene klinische Faktoren spielen eine 653 mg/l an Tag 6) und des IL-6 (Maximum große Rolle für die Morbidität und Mortalität Tag 3: Trotz Wechsel auf High-Flow-Sauer- bereits an Tag 4 mit 525,2 pg/ml). Das PCT der SARS-CoV-2-Infektion. Allem voran das stoff (High Flow Nasal Canula, HFNC) mit steigt nur moderat an (bis 0,64 ng/ml). Alter und bestimmte Komorbiditäten sind einem Flow von 40 l/min entwickelt sich am entscheidend für die Mortalität bei COVID- dritten stationären Tag eine zunehmende Die D-Dimere bleiben bei dem Patienten, 19-Patienten. Komorbiditäten nehmen mit Oxygenierungsstörung. Die Atemfrequenz eher überraschend für den schweren klini- dem Alter zu, sind aber auch unabhängig vom steigt an, der Patient empfindet progrediente schen Verlauf, konstant im nahezu norm- Alter Risikofaktoren. So wiesen in einer gro- Dyspnoe und setzt vermehrt seine Atem- wertigen Bereich. Dazu passend lassen sich ßen Kohortenstudie an über 10.000 Patienten hilfsmuskulatur ein. weder in den KM-CT-Untersuchungen des in deutschen Kliniken nur 23 % der 18- bis Thorax Lungenembolien oder duplexsono- 59-jährigen Patienten, die nicht beatmet wer- In der Blutgasanalyse zeigt sich unter einem graphisch tiefe Beinvenenthrombosen nach- den mussten, eine arterielle Hypertonie auf, FiO2 (inspiratorische Sauerstofffraktion) von weisen. Erst nach Anlage der ECMO (extra- aber 46 % derselben Altersgruppe, die beat- 70 % ein PaO2 (arterieller Sauerstoffpartial- korporale Membranoxygenierung) kommt met wurden. Ähnliches fand sich bei Diabetes druck) von 55 mmHg. Der Horovitz-Quotient es erwartungsgemäß durch Gerinnungsak- mellitus und Herzrhythmusstörungen. errechnet sich auf 78 mmHg. In Zusammen- tivierung im extrakorporalen Kreislauf zu schau der klinischen Befunde und der gemes- einem signifikanten Anstieg. Mit der Notwendigkeit der Beatmung steigt senen Parameter in der BGA ergibt sich die die Mortalität erheblich. Während 16 % der Indikation zur invasiven Beatmung. Weiterer Verlauf: In der Folge entwickelt nichtbeatmeten Patienten verstarben, stieg der Patient eine sekundäre pulmonale die Mortalität bei den beatmeten Patienten Tag 6: Im CT-Thorax am sechsten Tag nach Infektion mit Staphylokokkus aureus. Erst auf 52,5 %.1 Aufnahme (Abb. 2) zeigen sich radiologische nach insgesamt 46 Tagen kann der Patient Kriterien eines schweren ARDS (Acute Res- vom Respirator entwöhnt werden und nach Zytokinsturm / Komplementaktivierung / piratory Distress Syndrome) mit deutlicher knapp drei Monaten stationärem Aufent- Endotheliitis Progression der Konsolidierungen. halt in bereits gut gebessertem körperlichen Die Mehrzahl der Infektionen mit SARS- und neurologischen Allgemeinzustand in CoV-2 verlaufen mild oder gar ohne Sym- Parallel zur klinischen und radiologischen eine weiterführende Rehabilitationsklinik ptome. 10–20% der Infizierten entwickeln Verschlechterung des Patienten zeigt sich verlegt werden. jedoch im Verlauf der COVID-19-Erkran- kung eine Lungenentzündung mit zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen. Die Ursachen dieser schweren Verläufe sind immer noch nicht ausreichend geklärt. Hohe Entzündungswerte bei Patienten mit schweren Verläufen sprechen eigentlich für eine starke Immunreaktion, die klinischen Befunde sprechen dagegen eher für eine fehlgesteuerte Immunantwort. Möglicher- weise führt die Immunantwort bei schwe- ren Krankheitsverläufen von COVID-19 zu einer Dauerschleife aus Aktivierung und Hemmung.2 Trotz einer starken Immunant- wort, die sich auch in hohen Antiköpertitern zeigt, kommt es zu schweren Verläufen mit Lungen- und Multiorganversagen. Ähnliche Mechanismen sind bei Patienten mit Sepsis bekannt. Häufig finden sich dabei stark erhöhte Zytokine, was als „Zytokinsturm“ bezeichnet wird. Abb. 2: CT-Thorax sechs Tage nach Krankenhausaufnahme. Es zeigen sich radiologische Kriterien eines schweren ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) 8
Medizin | Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Hyperkoagulabilität Dyspnoe ist normalerweise ein PaO2 Die alveolo-arterielle Sauerstoffdifferenz Neben der starken Immunaktivierung spielt < 60 mmHg. Es ist möglich, dass das nimmt deutlich zu. Diese lässt sich aus auch die Aktivierung des Gerinnungssys- SARS-CoV-2 über Bindung an Rezep- dem FiO2, dem PaCO2 und dem PaO2 tems, also ein Zustand einer Hyperkoagula- toren am Glomus caroticum dessen berechnen:5 bilität, eine wichtige Rolle in der Pathophy- Ansprechen vermindert. A-aO2-Gradient = [ (FiO2 × 713 mmHg - siologie der COVID-19-Infektion. Bereits O Im Alter und bei Patienten mit Diabe- (PaCO2/0.8) ] - PaO2 in frühen Untersuchungen der Patienten tes-Folgeschäden nimmt zusätzlich die in China zeigten sich Auffälligkeiten bei Empfindlichkeit des Atemzentrums für Trotz Ausbildung von bilateralen Kon- Gerinnungsparametern. Deutlich erhöhte Hypoxie ab. Dabei ist Atemnot immer solidierungen ("Milchglasinfiltrate") ist D-Dimer-Werte waren mit sehr hoher Mor- eine subjektiv empfundene Erfahrung dabei die Compliance (Dehnbarkeit) der talität assoziiert. Weitere Untersuchungen, und das Ausmaß der Dyspnoe korreliert Lungen hoch.6 Der Patient muss noch auch nach Autopsien, zeigten erhebliche nicht streng mit gemessenen pathologi- keine vermehrte Atemarbeit leisten, die Fibrinablagerungen in den Alveolen und schen Parametern. Atempumpe ist nicht erschöpft und das Mikrothromben in den Lungengefäßen. O Das Atemzentrum ist höchstempfind- pCO2 bleibt im Normbereich. Interessanterweise fanden sich auch Zei- lich für CO2-Anstiege im Blut. Bei chen einer Endotheliitis und Hinweise auf Patienten mit COVID-19 finden die In dieser Phase ist es möglich, unter eng- eine Aktivierung des Komplementsystems. pulmonalen Läsionen primär am Endo- maschiger klinischer Kontrolle und Moni- thel statt. Die Hypoxämie ist zu diesem toring der Blutgasparameter durch nicht- Labor Zeitpunkt ursächlich bedingt durch invasive Maßnahmen die respiratorische Blutgasanalyse (BGA) ein Ventilations-/Perfusionsmissmatch Situation kompensiert zu halten. Neben der Für die Indikation zur Verlegung eines Pati- (verminderte hypoxisch bedingte Vaso- konventionellen Sauerstoffgabe, kann über enten auf die Intensivstation und gegebenen- konstriktion, gestörter Euler-Liljestrand High-Flow-Sauerstofftherapie (HFNC) bis falls maschinelle Beatmung spielen auf Seiten Reflex). zur nicht-invasiven druckkontrollierten der Labordiagnostik vor allem die Ergebnisse der Blutgasanalyse eine wichtige Rolle. PaO2 ≤ 55 mmHg bzw. ≤ 7 kPa bei Raumluft In der Point-of-care-Untersuchung der Blut- Atemfrequenz ≥ 30/min gase lässt sich die Ventilation als Funktion der Atempumpe (pCO2, Kohlendioxidpar- tialdruck) abschätzen beziehungsweise die High-Flow- Sauerstofftherapie/O2* Oxygenierung des arteriellen Blutes messen. Die Pulsoximetrie als indirekte Methode nein SaO2 < 92 % [
Medizin | Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Beatmung eskaliert werden. In der Blutgas- trolle der Blutgasparameter überwacht eine wichtige Rolle bei der Verlaufskon- analyse zu messende Erfolgskriterien wären werden. trolle von schweren COVID-19-Erkran- eine Besserung der Sauerstoffsättigung, eine kungen (Tab. 1; Abb. 4). Einige typische Normokapnie und Laktatwerte im Normbe- Dabei spielt der Horovitz-Quotient PaO2/ Veränderungen von Laborparametern bei reich als Ausdruck einer ausreichenden Sau- FiO2 als Verlaufsparameter eine zentrale COVID-19 können bereits in einer frühen erstoffversorgung der Zielorgane ohne Hin- Rolle. Ein weiterer Parameter, der klinische Phase der Erkrankung, in der die Patien- weis auf ein (septisches) Schockgeschehen. Zeichen mit Blutgasanalysewerten ver- ten klinisch noch keine gravierende Sym- gleicht, wäre der ROX-Index = Sauerstoffsät- ptomatik aufweisen, wichtige Hinweise auf Bei Zunahme der pulmonalen Pathologie tigung/FiO2 geteilt durch die Atemfrequenz. die Prognose geben. Dies hat auch ent- kann es zu einem Übergang in ein Stadium Bei Werten unter 3,85 ist ein Versagen des scheidenden Einfluss auf das weitere Vor- mit zunehmenden Konsolidierungen mit HFNC-Konzeptes wahrscheinlich. 6 Ein gehen bei der Versorgung der Patienten. niedriger Compliance und hohem rechts/ möglicher Algorithmus zur Differential- Kann man den Patienten in die häusliche links-Shunt kommen. 7 Dieser Übergang therapie findet sich im Positionspapier der Quarantäne und hausärztliche Betreuung kann durch eine vermehrte inspiratorische Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.8 entlassen? Muss der Patient in die Klinik Anstrengung seitens des Patienten ungüns- Auch hier sind Labordaten aus der Blut- aufgenommen werden? Auf die Intensivsta- tig verstärkt werden ("Self inflicted lung gasanalyse mit klinischen Parametern zur tion? Besteht ein relevantes Risiko, dass der injury"). Hier kann das fehlende subjektive Entscheidungsfindung verknüpft. (Empfeh- Patient maschinell beatmet werden muss? Dyspnoempfinden des Patienten sich als lungen zur Beatmungstherapie s. Abb. 3). kontraproduktiv erweisen. In dieser Phase Typisch für einen schweren Verlauf ist muss daher der Patient sowohl klinisch Weitere Laboruntersuchungen eine Lymphopenie und ein hohes IL-6 – in (Beurteilung der Atemanstrengungen) als Entsprechend den pathophysiologischen gewisser Weise ein Ausdruck einer Dys- auch apparativ mittels engmaschiger Kon- Abläufen spielen einige Laborparameter balance der Immunantwort. Weiter ist ein Prognose Organ-Beteiligung Immunaktivierung / Laborparameter Bemerkungen Schweregrad / Komplikationen Koagulopathie Basisparameter LDH +++ + Bei schweren Verläufen, pulmonaler Beteiligung und Multiorgan- schädigung erhöht; häufig Abfall nach > 14 Tagen, weiterer Anstieg: Hinweis auf schlechten Verlauf Kreatinin ++ +++ Anstieg – typischerweise ca. 10 Tage nach Krankheitsbeginn – prognostisch ungünstiges Zeichen GPT (+) +++ Hinweis auf Leberschaden Troponin + +++ Hinweis auf Myokardbeteiligung; bei ungünstigem Verlauf häufig bereits früh erhöht CK +++ Hinweis auf Rhabdomyolyse Ferritin +++ Exzessive Erhöhung (> 1000 µg/L) bei schweren Verläufen Gerinnungswerte D-Dimer +++ +++ In den ersten Krankheitstagen stark ansteigendes D-Dimer (>500 µg/L) mit schweren Verläufen assoziiert Immunsystem IL-6 +++ +++ Starke Erhöhung gibt Hinweis auf schlechte Prognose, ggf. mit Zytokinsturm CRP +++ ++ Bei Aufnahme bei etwa 90% der Patienten erhöht, oft 20–80 mg/L PCT +++ (+) Eher nicht erhöht bei reiner COVID-19-Pneumonie; starker Hinweis auf bakterielle Superinfektion, Sepsis Lymphozyten ++ +++ Lymphopenie (< 1/nl) ist typisch für COVID-19-Patienten (80 %); Abfall < 0,8 /nl ungünstiges Zeichen Neutrophile + ++ Im Verlauf ansteigende Neutrophile geben Hinweis auf Superinfektion; prognostisch ungünstiges Zeichen Tab. 1: Laborparameter für die Beurteilung der COVID-19-Erkrankung (in Anlehnung an 11) 10
Medizin | Intensivmedizinisches Parameterportfolio bei COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 hohes D-Dimer ein Zeichen der Hyperko- agulabilität. Hohes bis sehr hohes Ferri- A B Überlebende Lymphozytenzahl (x10 9 / L) 48 2,0 tin ist ebenfalls typisch in einem Teil der Nicht-Überlebende 42,2 1,8 42 D-Dimer (µg/ml) schweren Verläufe . Hier könnte eine starke 1,6 36 1,4 1,20 1,41 1,42 Aktivierung der Makrophagen, vergleichbar 30 35,6 1,18 1,43 1,2 1,08 0,97 beispielsweise mit der hämophagozytischen 24 1,0 0,91 23,8 Lymphohistiozytose, ursächlich sein. 18 14,4 0,8 16,7 0,6 0,54 0,49 0,54 12 2,6 0,42 0,4 0,60 0,67 0,52 0,44 Steigen organspezifische Biomarker wie Kre- 6 1,5 0,2 0,3 0,5 0,6 0,6 0,7 1,0 0,5 atinin, GPT, Troponin und CK an, kann das 0 0,0 ein Ausdruck einer Organbeteiligung bis hin 4 7 10 13 16 19 22 4 7 10 13 16 19 22 25 Tage nach Krankheitsbeginn Tage nach Krankheitsbeginn zum Organversagen sein. Hinweise auf Kom- C D plikationen, wie zum Beispiel eine bakteri- 30 2500 elle Superinfektion oder Sepsis, ergeben sich 26,4 Serumferritin (µg/L) 2000 2000 beispielsweise durch den Anstieg von CRP, 24 2000 IL-6 (pg/ml) PCT und der Neutrophilenzahl (Tab. 1). Als 18 1646 1645 1698 1500 Konsequenz ergibt sich die Indikation zur 17,2 12,0 12 9,5 10,7 1000 (erweiterten) Antibiotikatherapie. 11,7 1025 635 6 500 447 6,8 6,6 6,1 6,3 7,0 531 546 Therapie 5,5 393 432 0 0 Hinter einigen gemessenen Veränderungen 4 7 10 13 16 19 4 7 10 13 16 19 von Biomarkern stehen, wie bereits beschrie- Tage nach Krankheitsbeginn Tage nach Krankheitsbeginn ben, pathophysiologische Abläufe. Daraus Hochsensitives kardiales Troponin (pg/ml) E F ergeben sich Ansätze für Therapiestudien, 350 600 590 aber auch Therapieindikationen für den Lactatdehydrogenase (U/L) 550 300 290,6 528 individuellen Patienten. Zur Gegensteue- 500 rung der Immunaktivierung und dem häufig 250 450 fatal endenden Zytokinsturm laufen einige 400 390 397 413 200 388 Studien mit anti-IL-6-Antikörpern und 350 332 150 300 323 301 anderen Immunsuppressiva. Stark erhöhte 134,5 302 250 240 IL-6 Konzentrationen können auch jetzt 100 236 243 217 198 55,7 200 schon Anlass einer intensivierten immun- 22,0 57,6 200 50 150 suppressiven Therapie sein. Bei erhöhten 8,8 24,7 2,5 3,3 4,1 4,4 2,5 2,5 3,8 D-Dimer-Werten gibt es Ansätze, durch eine 0 0 4 7 10 13 16 19 22 4 7 10 13 16 19 22 25 verstärke Antikoagulation gegenzusteuern, Tage nach Krankheitsbeginn Tage nach Krankheitsbeginn um das Risiko von Thrombosen und Embo- lien zu vermindern. Allerdings gibt es bisher Abb. 4: Laborparameter von Überlebenden und Nicht-Überlebenden (mod. nach 10) noch nicht ausreichend Daten, zum Beispiel aus Interventionsstudien, um anhand von Korrespondenzadressen Laborveränderungen bestimmte Medika- mente gezielt und individuell einzusetzen. Literatur 1 Karagiannidis et al. 28. Juli 2020, https://doi. org/10.1016/S2213–2600(20)30316–7 2 Couzin-Frankel, J. Science 2020. 368(6490):455–456 3 Schulte-Schrepping et al. CELL 2020. DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.001 4 Tobin et al. In Comprehensive Physiology, R. Terjung, Editor, 2012. 2871–2921 5 Dhont et al. Respir Res 2020. 21(1):198 Prof. Dr. Rudolf Gruber Dr. Stefan Großmann 6 Marini und Gattinoni. JAMA 2020. 323(22):2329-2330 7 Gattinoni et al. 2020. 46(6):1099–1102 Institut für Labormedizin, Mikrobiologie und Klinik für Pneumologie und konservative 8 Roca et al. Am J Respir Crit Care Med 2019. Krankenhaushygiene Intensivmedizin 199(11):1368–1376 9 Pfeifer et al. Pneumologie 2020. 74(06):337-357 Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg 10 Zhou F et al. Lancet 2020.395:1054–62 Prüfeninger Straße 86 Prüfeninger Straße 86 11 Lippi G und Plebani M. Clin Chem Lab Med 2020. 58(7): 93049 Regensburg 93049 Regensburg 1131–1134 11
Medizin | Diagnostik und Therapie von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Für Sie gelesen Diagnostik und Therapie von COVID-19 Der STAKOB bietet Hinweise zu Therapiemöglichkeiten bei COVID-19- Erkrankungen an. AdobeStock/satyrenko Der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- für eine bakterielle Infektion sein kann. und Behandlungszentren für Krankheiten O Troponin-Erhöhungen sind wahrschein- Wichtiger Hinweis durch hochpathogene Erreger am Robert lich häufig Ausdruck einer COVID-19- Dieser „Für Sie gelesen“-Beitrag basiert Koch-Institut (STAKOB) stellt in seinen assoziierten Kardiomyopathie, seltener auf den Hinweisen des STAKOB vom „Hinweisen zur Erkennung, Diagnostik und eines Myokardinfarktes, und mit einer 6. August 2020. Es sollte immer das Therapie von COVID-19-Patienten“ aktuelle schlechteren Prognose assoziiert. Original-Dokument des STAKOB – zu Informationen zur Versorgung bei COVID- O Anhaltende oder zunehmende Erhö- finden auf den Internetseiten des RKI1 19 zusammen. Das Dokument bündelt außer- hungen der D-Dimere können ein Hin- – in seiner aktuellsten Fassung Anwen- dem weiterführende Literatur, um eine Über- weis auf relevante thromboembolische dung finden. sicht über den aktuellen Stand im Umgang Ereignisse sein. CAVE: Es besteht ein Das RKI hält auf seiner Website Hin- mit COVID-19 zu geben. Im Folgenden haben gehäuftes Auftreten thromboembolischer weise zum ambulanten und stationä- wir die wichtigsten Informationen aus diesem Ereignisse in unterschiedlichen Schwere- ren Management von Patienten mit Dokument für Sie zusammengefasst. graden, zu unterschiedlichen Zeitpunk- COVID-19 bereit: ten der Erkrankung und auch bei jungen Diagnostik von COVID-19 Patienten ohne Risikofaktoren oder Vor- www.rki.de/covid-19-ambulant Die folgenden Hinweise beziehen sich vor erkrankungen. und allem auf Patienten im stationären Verlauf. www.rki.de/covid-19- patientenversorgung O Neben der Virusdiagnostik können ver- Therapie von COVID-19: Allgemeine schiedene serologische Tests im Laufe Maßnahmen bei stationärer Behandlung Hinweise zu notwendigen Schutzmaß- der Erkrankung als zusätzliche Informa- O Flüssigkeitstherapie und Ernährungs- nahmen sind hier zu finden: tion nützlich sein. optimierung www.rki.de/covid-19-hygiene O Häufig treten eine Leukozytopenie mit O Überwachung der Vitalparameter Lympho- und Thrombozytopenie, sowie O Thromboseprophylaxe, ggf. therapeuti- CRP-, Transaminasen (GOT/GPT)- und sche Antikoagulation O Kontrolle von Entzündungsparametern LDH-Wert-Erhöhungen auf. O B erücksichtigung von Komorbiditäten (CRP, IL-6), Nierenfunktion, Leberwerte O Seltener und dann meistens gering aus- O Nach Bedarf Sauerstoffgabe und Gerinnung (inkl. D-Dimer) geprägt ist eine Procalcitonin-Erhöhung (https://www.who.int/publications/i/ O Bildgebende Verfahren können sinnvoll zu beobachten, die ggf. hinweisgebend item/clinical-management-of-covid-19) sein 12
Medizin | Diagnostik und Therapie von COVID-19 | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 O Koinfektionen, Sekundärinfektionen Therapie oder nicht-invasiver Beatmung sind zu berücksichtigen war der Effekt weniger ausgeprägt, O Ggf. Abnahme von mehreren Blut- jedoch konnte auch hier eine signifi- kultur-Sets kante Reduktion der Mortalität gezeigt O Respiratorische Materialien je werden. In der Gruppe der Patienten nach klinischem Verlauf (E+R, SARS- ohne Sauerstoff-Therapie zeigte sich kein CoV-2-PCR, respiratorische Viren, Benefit. (www.nejm.org/doi/10.1056/ HSV), gemäß WHO-Empfehlung alle NEJMoa2021436 ) 2–4 Tage Diagnostik bzgl. COVID-19 O Kombinierte Therapie zur Atmungs- unterstützung: AdboeStock/Henrik Dolle Bei schweren und kritischen Verläufen sind Dexamethason mit Remdesivir: Es folgende Punkte zu reevaluieren: wird geraten, Remdesivir zeitlich vor O Frühzeitige Gabe von Sauerstoff, sofern Dexamethason zu verabreichen. (Bitte möglich bereits Bauchlagerung bei unbedingt die Informationen im Origi- wachen Patienten („awake proning“), naldokument sowie die jeweilige Fachin- ggf. nasale „High-Flow“-Sauerstoff- formation beachten.) therapie, nicht-invasive oder invasive des BfArM über „bedingte Zulassung“). O Antibiotika-Therapie: Beatmung Weitere Informationen finden sich auf Bei Verdacht auf eine bakterielle Super- O Bei Bedarf ECMO, frühzeitige Kon- der Seite der EMA: www.ema.europa.eu/ infektion und/oder Sepsis sollte eine taktaufnahme mit regionalem ECMO- en/human-regulatory/overview/public- antibiotische Therapie unmittelbar Zentrum zur Beratung bei schwierigen health-threats/coronavirusdisease- leitliniengerecht eingeleitet werden, bei Beatmungssituationen covid-19/treatments-vaccines-covid- Sepsis innerhalb einer Stunde. Wenn O Mögliche Komplikationen frühzeitig 19#remdesivir-section. kein Erregernachweis vorliegt, sollte die erkennen und behandeln, insbesondere O Blockade des Interleukin-6 (IL-6)- Antibiose innerhalb von 48 Stunden wie- auch Hinweise für Thromboembolien Rezeptors: der beendet werden. O Prävention von Sekundärinfektionen Ein Teil der Patienten entwickelt im Ver- O Sepsis-Therapie nach aktueller deutscher lauf der Erkrankung einen Zytokinsturm Die oben angegebenen Therapieansätze stel- S3-Leitlinie2 mit massiver Inflammation, hohem Fie- len die nach derzeitigem Kenntnisstand rele- ber und meist deutlich erhöhte IL-6 und vantesten Maßnahmen dar. Daneben sind in Therapie von COVID-19: Ferritin-Spiegel. Als möglicher Therapie- den Hinweisen des STAKOB1 einige weitere Spezifische Maßnahmen ansatz wird die Blockade des Interleu- Therapieansätze, Off-label-Anwendungen O Antivirale Therapie: kin-6 (IL-6) -Rezeptors diskutiert. und individuelle Heilversuche mit noch Unter bestimmten Umständen kann Auch bei Verläufen mit Pneumonie nicht zugelassenen Substanzen nachzulesen. eine antivirale Therapie sinnvoll sein. und eingeschränkter PaO2 wird aktuell Am 03. Juli 2020 hat die Europäische die Wirksamkeit einer Blockade des Literatur Kommission die bedingte Zulassung für IL-6-Signalweges untersucht. 1 STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpatho- den viralen RNA-Polymerase-Inhibitor O Immunmodulatorische Therapie mit gene Erreger am Robert Koch-Institut). Hinweise zu Remdesivir (Veklury®) erteilt. Die Kortikosteroiden: Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19. Stand 6. August 2020. Online verfügbar unter: bedingte Zulassung gilt für die Behand- Bisher wird keine routinemäßige Kor- https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Stakob/ Stellungnahmen/Stellungnahme-Covid-19_Therapie_ lung von COVID-19 bei Pneumonie tikosteroid-Gabe ohne eindeutige Indi- Diagnose.pdf?__blob=publicationFile. mit Sauerstoffbedarf (Patienten ab 12 kation empfohlen. Studien zum Einsatz 2 https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/079-001.html Jahren) und ist an Auflagen geknüpft. von Kortikosteroiden bei COVID-19 Der Zulassungsinhaber muss beispiels- laufen, erste Zwischenergebnisse wurden weise bestimmte Studien einleiten oder kürzlich veröffentlicht. So konnte unter abschließen, um nachzuweisen, dass Dexamethason-Therapie insgesamt eine das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv Reduzierung der 28-Tage-Mortalität ist, und um offene Fragen zu Qualität, gezeigt werden. Der Effekt war am Dr. Frank Gast Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des stärksten ausgeprägt in der Gruppe der Leitung Medical & Arzneimittels zu beantworten (weitere Patienten mit invasiver Beatmung. In Scientific Affairs frank.gast@roche.com Informationen finden sich auf der Seite der Gruppe der Patienten mit Sauerstoff- 13
Medizin von morgen | KI im Corona-Management | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Digitalisierungstreiber in der Krise KI im Corona-Management KI versus Corona: Wer pusht wen? AdobeStock/ DIgilife Immer häufiger werden innovative Ansätze Münchner Kreis zusammen mit der Bertels- tung der Daten gab Blue Dot bereits am aus den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) mann Stiftung die "Zukunftsstudie: Leben, 31. Dezember 2019 eine Reisewarnung an im Kampf gegen die Corona-Pandemie einge- Arbeit, Bildung 2035+" heraus. Im Rahmen seine Kunden. Das KI-System durchsuchte setzt. Sie können helfen, die Verbreitung von der Untersuchung führten die Herausgeber dazu regionale Nachrichten in 65 Sprachen, COVID-19 einzudämmen, Risikogruppen eine Online-Befragung mit 211 Expertin- unterschied mit Hilfe von Techniken des zu identifizieren, Erkrankungen schneller nen und Experten zum Thema Techno- maschinellen Lernens und der automati- zu diagnostizieren und Wirkstoffe gegen das logieentwicklung, Digitalisierung und KI Coronavirus zu finden. Mit KI gegen Corona durch, von denen 85 Prozent davon aus- – aber umgekehrt scheint die Corona-Krise gingen, dass Corona zu einem steigenden auch dem Einsatz von KI in der Gesundheits- Einsatz von KI-Technologien im Gesund- COVID-19-Challenge wirtschaft einen Schub zu verpassen. heitssektor führen wird.5 In dem Ende März gestarteten Wett- bewerb arbeiten Ärzte, KI-Spezialisten Vor rund zwei Jahren verabschiedete das Die Einsatzmöglichkeiten von KI im und Entwickler zusammen daran, CT- Bundeskabinett die Eckpunkte für eine Zusammenhang mit COVID-19 sind viel- Bilder mit Hilfe von KI zu analysieren, KI-Strategie – mit Gesundheit als einem fältig, das Potenzial ist groß. Das offenbarte um COVID-19 besser zu verstehen. der wichtigsten Anwendungsgebiete.1 "KI sich bereits ganz zu Anfang der Pandemie: Hinter dem Projekt stehen Vertreter – made in Germany" sollte zum weltweit Eine Woche bevor sich die Weltgesund- der Münchner Universitäten und einige anerkannten Gütesiegel werden.2 Viele hiel- heitsbehörde WHO erstmals mit dem Technologiefirmen. Das Projekt wird außerdem vom European Institute of ten das Papier für einen Schnellschuss, eini- Virus beschäftigte, warnte die kanadi- Innovation and Technology (EIT) der ges blieb zunächst vage.3 Inzwischen steigt sche Firma Blue Dot vor dem Ausbruch EU gefördert. die Akzeptanz von KI im Gesundheitswe- einer neuen Krankheit im chinesischen sen4 und die Corona-Pandemie – so der Wuhan: Mithilfe von Künstlicher Intelli- Website: Eindruck – scheint diesen Trend noch zu genz konnte sie Aussagen zum weiteren www.covid19challenge.eu befeuern. Im Juni dieses Jahres gaben der Verbreitungsweg machen. Nach Auswer- 14
Medizin von morgen | KI im Corona-Management | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Mithilfe von Deep Learning können KI-Systeme eine Corona- Infektion anhand von CT- Aufnahmen mit einer sehr hohen Genauigkeit nachweisen. AdobeStock/ pickup sierten Spracherkennung (Natural Lange Dann sinkt nämlich die Erkennungsrate, wie zur Verfügung. Das High-Speed-System Processing; NLP) menschliche Sprache eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 zeigt.8 unterstütze bei der Virussequenzierung, und konnte dadurch Hinweise auf unge- der Erforschung und Entwicklung neuer wöhnliche Ereignisse wie SARS-C oV-2- Eine Studie, die Anfang Juni veröffentlicht Wirkstoffe und dem Proteinscreening.10,11 Ausbrüche erkennen.6 wurde und bei der 191 Patienten mit Ver- Ein weiteres chinesisches IT-Unternehmen, dacht auf COVID-19 standardisiert mit Baidu, machte seinen Algorithmus zur Vor- KI in der COVID-19-Diagnostik Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und hersage der RNA-Sekundärstruktur kurze Um SARS-CoV-2 in Schach zu halten, gilt Niedrigdosis-(ND-)Thorax-CT untersucht Zeit später zur Open Source.12 Damit sei es, Infektionsherde so schnell wie möglich wurden, empfiehlt den Einsatz beider Tests. es laut einer Firmenmeldung nun möglich, zu erkennen. Hierbei kann die KI-gestützte "Für den parallelen Einsatz von ND-CT die Prädiktionszeit von 55 Minuten auf 27 Auswertung computertomografischer (CT-) und Abstrich/PCR spricht, dass die ND-CT Sekunden zu reduzieren.13 Aufnahmen helfen. Schon Anfang März falsch-negative Abstrichergebnisse korri- berichtete Alibaba, der größte IT-Konzern gieren kann, ihre Ergebnisse weit schneller Chinas, dass es die Viruserkrankung in CT- verfügbar sind und für die Behandlungspla- Aufnahmen der Lunge mit einer Genauig- nung hilfreiche zusätzliche diagnostische CoVive – keit von 96 Prozent nachweisen kann – und Informationen liefern", lautet die Schluss- KI-basierte Corona-Anwendung das in nur etwa 20 Sekunden.7 Die Grund- folgerung der Arbeitsgruppe.9 lage dafür bilden KI-Techniken – genauer Auch die digitale Corona-Lösung gesagt: Techniken des so genannten "Deep Chance für die Impf- und „CoVive“ (siehe Seite 17) basiert auf Learnings". Die Methode wird im Laufe Wirkstoffsuche einem KI-System, das Gesundheitsda- der Zeit immer besser. Je mehr Bilder der Auch im Wettlauf um Impfstoffe und Medi- ten interpretiert und dem Nutzer leicht zugrundeliegende Algorithmus "zu sehen kamente gegen COVID-19 könnte sich KI verständlich erklärt sowie aus Test- bekommt", umso genauer wird er. Schwä- als "Pace-Maker" erweisen. Der chinesische ergebnissen Gesundheitsrisiken und chen zeigen solche KI-gestützten Methoden Technologiekonzern Alibaba stellte öffentli- Verhaltensempfehlungen ableitet. allerdings offenbar, wenn es darum geht, chen Forschungseinrichtungen schon Ende sie auf externe Institutionen zu übertragen: Januar seine KI-basierte Cloud-Plattform 15
Medizin von morgen | KI im Corona-Management | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Apps zum Einsatz, wobei nicht alle so stren- Plattform lernende Systeme gen Datenschutzrichtlinien folgen wie die in Deutschland am 16. Juni eingeführte Um den verantwortungsvollen Nutzen Corona-Warn-App. Diese arbeitet dezent- lernender Systeme zu erarbeiten und ral und gibt keine sensiblen Daten heraus. juristische, ethische und gesellschaft- liche Frage zu erörtern, hat das Bun- Andere Länder wie China beispielsweise desforschungsministerium BMBF die erstellen mithilfe zentral gespeicherter Plattform "Lernende Systeme – Die Daten und Algorithmen Bewegungsprofile Plattform für Künstliche Intelligenz" ihrer Nutzer anhand von GPS-Signalen.14 initiiert. Die deutsche Corona-Warn-App gewähr- In der Rubrik "KI versus Corona" finden leistet ein hohes Maß an Datenschutz. Das sich aktuelle Anwendungen, Ideenwett- schließt den Einsatz von KI beim Pandemie- bewerbe, Initiativen und Forschungs- projekte rund um die Anwendung von Tracing aber nicht aus, wie Informatiker künstlicher Intelligenz im Kampf gegen der Universität Lübeck sagen. Mit "Privacy- das Coronavirus. Preserving Federated Learning" – eine Art von maschinellem Lernen aus dezentral Quelle: gespeicherten, datenschutzfreundlichen www.plattform-lernende-systeme.de/ Daten – wollen sie Methoden entwickeln, die corona.html die Funktionen der Corona-Apps sinnvoll erweitern könnten.15 Literatur 1 https://www.bmbf.de/files/180718%20Eckpunkte_KI- Auch Innophore, ein Spin-off der Universität Eine Win-win-Situation? Strategie%20final%20Layout.pdf 2 https://www.aerztezeitung.de/Politik/Deutsche-Strategie- Graz, setzt bei der Medikamentenentwicklung Die genannten Beispiele zeigen: Das zur-Kuenstlichen-Intelligenz-230264.html auf KI. Die Firma gehörte zu den weltweit ers- Anwendungsgebiet von KI im Pandemie- 3 https://netzpolitik.org/2018/ki-strategie-der-regierung-so- will-deutschland-international-aufholen ten, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz management, der Diagnostik und Therapie 4 https://healthcare-in-europe.com/de/news/nutzung- 3D-Strukturen in bereits zugelassenen the- von COViD-19 ist breit und spiegelt das akzeptanz-von-ki-im-gesundheitswesen-steigt.html 5 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_ rapeutisch wirksamen Proteinen untersuch- enorme Potenzial der Künstlichen Intel- upload/2020_Zukunftsstudie_MK_Band_VIII_Publikation. ten. Ziel ist es, Wirkstoffe zu identifizieren, ligenz im gesamten Gesundheitswesen pdf 6 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/109037/Kuenst- die aufgrund ihrer Struktur und bestimmter wider. Umgekehrt hat die Digitalisierung liche-Intelligenz-sagte-Krankheitsausbruch-in-Wuhan- voraus weitere Eigenschaften als antivirale Medika- der Gesundheitsindustrie während der 7 https://thenextweb.com/neural/2020/03/02/alibabas- mente gegen SARS-CoV-2 in Frage kommen. Pandemie ebenfalls einen riesigen Enwick- new-ai-system-can-detect-coronavirus-in-seconds-with- 96-accuracy/ "Wir freuen uns, dass wir bereits eine Reihe lungsschub erhalten und damit haben sich 8 Zech et al. Plos Med. 2018. 15(11):e1002683. an potenziellen Wirkstoffkandidaten iden- auch die Anwendungsmöglichkeiten der KI https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002683 tifizieren konnten", verriet Innophore-CEO vergrößert. Eine Win-win-Situation? Klar 9 Schulz-Hagen et al. Dtsch Arztebl Int 2020; 117:389-95; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0389 Christian Gruber Ende Juni in einer Presse- ist, dass der Einsatz smarter Maschinen die 10 https://www.alibabacloud.com/solutions/genome-sequen- cing meldung. Aktuell werden diese Substanzen Gesundheitswirtschaft vor ganz neue Her- 11 https://syncedreview.com/2020/02/08/battling-the-coro- an der Universität Graz verschiedenen In- ausforderungen bezüglich Zuverlässigkeit, navirus-alibaba-and-baidu-ai-accelerate-vaccine-and- drug-rd/ vitro-Tests unterzogen, um ihre Eignung für Transparenz und Datenschutz stellt. Das 12 https://www.dfki.de/fileadmin/user_upload/import/10809_ spätere klinische Studien abzuklären. größte Problem sehen Experten nicht in der corona2.pages.pdf 13 https://syncedreview.com/2020/02/04/baidu-open-sour- Frage, ob KI-Methoden per se einen Nutzen ces-rna-prediction-algorithm-for-2019-novel-coronavirus/ Intelligentes Pandemiemanagement haben, sondern wie sie sich sinnvoll in die 14 https://www.dfki.de/fileadmin/user_upload/import/10809_ corona2.pages.pdf Die wohl bekannteste Anwendung Künstli- Patientenversorgung integrieren lassen. So 15 https://www.uni-luebeck.de/forschung/aktuelles-zur- cher Intelligenz in der Coronakrise ist das wird es mit der verstärkten Nutzung von forschung/aktuelles-zur-forschung/artikel/umfangreiche- datenauswertung-auch-bei-dezentraler-corona-app.html Pandemiemanagement. Weltweit kommen Künstlicher Intelligenz in Zukunft vermehrt 16 Davenport T. und Kalakota R. Future Healthc J. 2019 Jun; derzeit zahlreiche unterschiedliche Corona- nötig sein, sich ethischen Fragen zu stellen. 6(2):94–98. doi: 10.7861/futurehosp.6-2-94 16
Produkte & Services | Besser informiert mit CoVive | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 64 • 10/2020 Besser informiert mit CoVive Digitale Plattform für das COVID-19-Management CoVive – die umfassende digitale COVID-19-Lösung Die modular aufgebaute CoVive-Plattform bietet ihren Anwendern zahlreiche Funk- tionalitäten und die Flexibilität, diese für künftige Anwendungen noch zu erweitern. Merkmale von CoVive: O Risikoabschätzung, sich mit SARS-CoV-2 angesteckt zu haben O Unterstützung bei der Testbuchung O Interpretation von Testergebnissen O Monitoring: Erfassung und Überwachung eines breiten Spektrums hochwertiger medizinischer Daten zur frühzeitigen Erkennung möglicher Komplikationen Roche Im April brachte "Medicus AI" in Partner- unterscheidet sich CoVive von den anderen schnell und einfach in vorhandene Infra- schaft mit Roche eine der ersten als Medi- Anbietern, die eine reine Befundübermitt- strukturen integrieren. Der Endanwender zinprodukt zertifizierten digitalen Corona- lung anbieten. Dabei ist die Plattform so kon- kann sich die CoVive-App einfach aufs Lösungen, CoVive, in die Appstores. CoVive zipiert, dass sie modular einsetzbar ist. Das Handy herunterladen und erhält damit ein ist eine Nutzer-zentrierte Plattform zur Risi- heißt je nach Bedürfnis des Labors oder der Tool zur Selbsteinschätzung, Information kostratifizierung, Testanforderung, Interpre- kooperierenden Institution kann die gesamte und Überwachung. Aber der Einsatz von tation und Monitoring von Symptomen und Lösung oder nur einzelne Funktionalitä- CoVive ist auch in vielen anderen Einrich- Vitalparametern. Was CoVive kann, wie es ten genutzt werden. Zudem wird die Platt- tungen sinnvoll, zum Beispiel in Unterneh- Diagnostiklabore beim Testen unterstützt form kontinuierlich an die sich wandelnden men, Seniorenheimen, Flughäfen, Flugge- und wie es zur Partnerschaft zwischen Roche Bedürfnisse in der Pandemie angepasst und sellschaften, Hotels und Restaurants. Gerade und Medicus AI kam, darüber sprachen um Funktionalitäten erweitert. Beispielsweise bei Superspread-Ereignissen könnte die Patrick Kammer, Product Manager Digital erwarten wir im Herbst neben einer zweiten Anwendung von CoVive helfen, das wahre Diagnostics der Roche Diagnostics Deutsch- COVID-19-Welle auch ein erhöhtes Infek- Ausmaß des Ausbruches frühzeitig zu erken- land GmbH, und Rafael Vartian, Head of tionsrisiko für Influenza. Viele Menschen nen und angemessen darauf zu reagieren. Business Development DACH bei Medicus werden sich bei Grippe-Symptomen fragen: AI, im Interview mit der DiD-Redaktion. "Was habe ich denn jetzt? Corona? Influenza? DiD: Wovon profitieren Diagnostiklabore, Oder eine normale Erkältung?". Hier kann die CoVive einsetzen? DiD: Herr Vartian, was kann CoVive und CoVive dazu beitragen, die Unsicherheit der Kammer: Diagnostiklabore profitieren auf inwiefern leistet die Plattform einen Bei- Patienten zu reduzieren, indem es Menschen zwei Ebenen, weil sie sowohl die Kunden- trag zum COVID-19-Management? hilft ihr Infektionsrisiko einzuschätzen, ihre erfahrung verbessern, also die ihrer Einsen- Vartian: Wir haben CoVive entwickelt, damit Testergebnisse besser zu verstehen und mög- der und Patienten, als auch die logistischen Patienten in der Zeit der Corona-Pandemie liche Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Herausforderungen effizienter lösen. Mit besser informieren werden. CoVive schätzt Damit leistet die Lösung durch Aufklärung CoVive können Testergebnisse zum Bei- das Infektionsrisiko des Benutzers ein. Besteht und Risikostratifizierung einen Beitrag zur spiel direkt vom LIS des Labors an den Arzt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion, Entlastung der Gesundheitssysteme. beziehungsweise den Patienten geschickt empfiehlt die App die Durchführung eines werden. Das macht den Prozess weniger Tests. Wenn der Test durchgeführt wurde, DiD: Wer sollte CoVive in das COVID- fehleranfällig als eine manuelle Übertra- bekommt der Anwender den Befund über 19-Management integrieren? gung. Vor allem aber werden sämtliche CoVive zurückgespielt. Das Testergebnis wird Vartian: Wir wenden uns mit CoVive in ers- Testergebnisse in Verbindung mit einer basierend auf dem individuellen Profil des ter Linie an Diagnostiklabore, die Corona- personalisierten Interpretation übermit- Benutzers personalisiert interpretiert – darin tests durchführen. Die Plattform lässt sich telt. Das heißt: Der Patient wird befähigt, 17
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