Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen - Global ...

Die Seite wird erstellt Jörn Hesse
 
WEITER LESEN
GCF Report 1/2021

    Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit:
                 Zur Finanzierung
        öffentlicher Zukunftsinvestitionen

                   Carlo C. Jaeger α β  * · Armin Haas α  · Jonas Teitge α

Berlin, 08. September 2021

___________________________________________________________________________
α
  Global Climate Forum
β
  Arizona State University
 Beijing Normal University
 Institute For Advanced Sustainability Studies
* E-mail: carlo.jaeger@globalclimateforum.org
___________________________________________________________________________
GCF Report 1/2021
___________________________________________________________________________

Executive Summary
Aus zwei Gründen wird die Bundesregierung in der Legislaturperiode 2021-2025 und darüber
hinaus die öffentlichen Investitionen massiv steigern müssen:
   •   Die Klimaziele für 2030, die nach der Rüge des Bundesverfassungsgerichts im
       Klimaschutzgesetz 2021 beschlossen wurden, verlangen zusätzliche öffentliche Investitionen in
       den Bereichen Energie, Verkehr und anderen mehr – einschließlich dem Katastrophenschutz.
       Das wird mit weniger als 30 Milliarden pro Jahr nicht zu leisten sein.
   •   Dringende Aufgaben in den Bereichen Digitalisierung, Bildung und Gesundheit werden
       ebenfalls zusätzliche öffentliche Investitionen von mindestens 30 Milliarden pro Jahr erfordern.

Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Neuinvestitionen, ohne die Deutschland nicht in der
Lage sein wird, die Herausforderungen der nahen Zukunft zu meistern. Wir bezeichnen sie als
öffentliche Zukunftsinvestitionen. Sie stellen nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU
und weltweit eine fundamentale Herausforderung dar. Die vorliegende Studie konzentriert sich
auf Deutschland, nicht zuletzt im Hinblick auf die Zäsur, die durch das Ende der Ära Merkel
gesetzt wird. Das Global Climate Forum wird der Finanzierung von Zukunftsinvestitionen im
globalen Rahmen und in der EU in weiteren Studien nachgehen.
Deutschland wird in den kommenden Jahren öffentliche Zukunftsinvestitionen in der Größen-
ordnung von 2% des aktuellen BIP benötigen (zum Anteil der Klimainvestitionen daran vgl.
Krebs und Steitz 2021). Die Größe der Aufgabe wird deutlich, wenn man bedenkt, dass seit
zwei Jahrzehnten in Deutschland die öffentlichen Nettoinvestitionen pro Jahr gerade einmal
0.1% des BIP ausmachen.
Die vorliegende Studie zeigt, dass diese öffentlichen Zukunftsinvestitionen ohne wirtschaftli-
che oder politische Verwerfungen finanziert werden können. Dazu gilt es, drei Arten der Fi-
nanzierung zu kombinieren.
  1) Finanzierung durch Steuern, Abgaben und Umlagen:
  Zu diesem Bereich gehören die Mehrwert- und Einkommenssteuer, die Einnahmen aus dem Verkauf
  von Emissionszertifikaten und aus dem neu 2021 eingeführten CO2-Preis, sowie die EEG-Umlage
  zur Förderung der erneuerbaren Energie auf der Einnahmeseite, aber auch bestimmte Subventionen
  auf der Ausgabenseite. Steuerliche Maßnahmen wie die Erhöhung von Abgabesätzen oder die Re-
  duktion klimaschädlicher Subventionen werden nötig sein und zumindest teilweise realisiert werden.
  Jedoch ist von den jeweils betroffenen Stakeholdern mit politischem Widerstand zu rechnen, weshalb
  davon auszugehen ist, dass nur ein bestimmter Anteil der bis 2030 nötigen öffentlichen Zukunftsin-
  vestitionen auf diesem Wege finanziert werden kann.
  2) Finanzierung durch Kredite im Rahmen der Grenzen, die in Deutschland und der EU durch
     Regulierungen für Staatsschulden gesetzt sind:
  Angesichts der Corona-Krise wurden in Deutschland und der EU Ausnahmen von den Regulierungen
  für Staatsschulden aktiviert, wodurch die nötigen Zukunftsinvestitionen kurzfristig finanzierbar sind.
  Sollten diese Ausnahmen jedoch in der Legislaturperiode 2021-2025 ersatzlos zurückgenommen
  werden, würden die aktuellen Regulierungen keinerlei Spielraum für Zukunftsinvestitionen übrig-
  lassen. Vielmehr würde der dann zwingend vorgeschriebene schnelle Abbau der Staatsverschuldung
  eine weitere Erosion des öffentlichen Kapitalstocks bewirken.
  Es ist jedoch möglich, die aktuellen Schuldenregulierungen an die Notwendigkeit öffentlicher Zu-
  kunftsinvestitionen anzupassen. Für die deutschen Regulierungen bedarf es dazu keiner Änderung
  des Grundgesetzes. Es genügt, Regulierungen, die auf Gesetzes- und Verordnungsebene definiert
  sind, anzupassen, etwa indem die Berechnung des Produktionspotentials realistischer ausgestaltet
  wird, wodurch sich der Spielraum der zulässigen Kreditaufnahme vergrößert.
GCF Report 1/2021
___________________________________________________________________________

  Spielräume für Zukunftsinvestitionen entstehen jedoch nur, wenn nicht nur die deutschen, sondern
  auch die europäischen Schuldenregulierungen angepasst werden. Die EU-Kommission unterzieht
  gegenwärtig diese Regulierungen besonders vor dem Hintergrund des großen Bedarfs öffentlicher
  Zukunftsinvestitionen für den European Green Deal und für die EU-weite wirtschaftliche Kohäsion
  einer Evaluation, die zu wichtigen Veränderungen führen kann. Hierzu bedarf es ebenfalls keiner
  Änderung des Grundgesetzes, sondern nur einer Anpassung der relevanten Regulierungen der EU,
  und auch keiner Änderung der europäischen Verträge, sondern leichter zu realisierende Neufassun-
  gen von Bestimmungen zu deren Implementation.
  3) Finanzierung durch Kredite, die von öffentlichen Zweckgesellschaften (ÖZG) wie der KfW
     eingesetzt werden, um Zukunftsinvestitionen zu tätigen:
  Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurde nach dem zweiten Weltkrieg gegründet, um den
  Wiederaufbau Deutschlands zu unterstützen; sie ist seitdem durch ihre erfolgreiche Tätigkeit zur
  weltweit drittgrößten nationalen Förderbank geworden (außerhalb Chinas ist keine größer als die
  KfW). In der Transformation der deutschen Wirtschaft, die das Zusammentreffen von Klimawandel,
  Digitalisierung und weiteren globalen Herausforderungen dringend verlangt, wird die KfW eine tra-
  gende Rolle spielen. Dabei ist von großer Bedeutung, dass Kredite, die der Bund an den internatio-
  nalen Finanzmärkten aufnimmt und an eine öffentliche Zweckgesellschaft wie die KfW weitergibt,
  ebenso wie Kredite, die die KfW selber aufnimmt, nicht Gegenstand der deutschen und europäischen
  Regulierungen für Staatsschulden sind. Das ist sinnvoll, weil die KfW mit ihren Krediten Sachwerte
  schafft und das entsprechende Geld verzinst zurückerhält (Zuschüsse, mit denen der Bund für KfW-
  Kredite günstige Konditionen ermöglicht, fallen jedoch gemäß den europäischen Regulierungen bei
  der Berechnung der Staatsschuld ins Gewicht).
Der Einsatz von ÖZG wie der KfW ist wesentlich, weil er die Finanzierung öffentlicher Zu-
kunftsinvestitionen in großem Umfang möglich macht, und auch, weil die KfW und verwandte
Einrichtungen – einschließlich der Landesförderbanken – über das Personal und das Knowhow
verfügen, um in konkreten Spezialgebieten Investitionsmöglichkeiten besser beurteilen und re-
alisieren zu können als das der staatlichen Verwaltung mit ihrem viel breiteren Auftrag möglich
ist. Öffentliche Zweckgesellschaften würden deshalb für die Finanzierung von Zukunftsinves-
titionen auch dann unentbehrlich sein, wenn eine Revision der Schuldenregulierungen in
Deutschland und der EU die entsprechende Kreditaufnahme restlos ermöglichen würde.
In der Diskussion um öffentliche Klima- und andere Zukunftsinvestitionen spielt die Kreditfi-
nanzierung über die KfW und andere ÖZG bis jetzt eine untergeordnete Rolle. Das ist ein Man-
gel, den es zu beheben gilt. Diesem Zweck dient die vorliegende Studie. Dazu ist als erstes zu
klären, welche existierenden ÖZG hier relevant sind. Dazu gehören die Landesförderbanken,
die für den ländlichen Raum wichtige Landwirtschaftliche Rentenbank ebenso wie die Deut-
sche Bahn AG.
Es kann jedoch nicht jede ÖZG zur Finanzierung von öffentlichen Zukunftsinvestitionen in
gleichem Maße beitragen. Die aufgenommenen Kredite der Autobahn AG werden zum Beispiel
von der EU als Teil der Staatsschuld behandelt. Der vorliegende Bericht erläutert die entspre-
chenden Bedingungen im Detail. Das ist auch deshalb wichtig, weil es an manchen Stellen
zielführend sein wird, zur Finanzierung solcher Investitionen neue ÖZG zu gründen, welche im
Rahmen der relevanten Schuldenregulierungen aktionsfähig sein müssen. Ein Beispiel bildet
etwa die von Tom Krebs (2021) vorgeschlagene Wasserstoffinfrastrukturgesellschaft.
Besondere Beachtung verdient die Idee eines Transformationsfonds, wie sie von Vertreter:in-
nen des arbeitnehmernahen Instituts für Makroökonomie sowie des arbeitgebernahen Instituts
der deutschen Wirtschaft gemeinsam erarbeitet worden ist (Bardt et al., 2019). Die Idee wurde
von verschiedenen Autoren:innen, u.a. von Jens Südekum im Rahmen der Studie von
McKinsey &Company (2021) aufgegriffen. Eine wichtige Variante können ÖZG in Form von
GCF Report 1/2021
___________________________________________________________________________

Aktiengesellschaften sein, bei denen die öffentliche Hand bestimmenden Einfluss hat. Das ist
auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen (bzw. Kommunalverbünde) mög-
lich. Die ÖZG investieren in Unternehmen, denen bahnbrechende Innovationen (wie es im Zu-
sammenhang der Corona-Pandemie der Firma BioNTech gelang) zuzutrauen sind, und erbrin-
gen dabei als Marktproduzenten Beratungs- und Managementleistungen.
Wenn die Strategien veränderter Steuern und Abgaben sowie sinnvoll angepasster Schuldenre-
gulierungen mit dem Einsatz von ÖZG verbunden werden, eröffnen sich Chancen, durch die
Deutschland die Transformation zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft und Ge-
sellschaft gelingen kann.

Danksagung
Wir sind dankbar für wichtigen fachlichen Input, den wir in Gesprächen mit Vertreter:innen der Agora
Energiewende, des Forum New Economy, des Global Climate Forum, des Global Futures Laboratory
(Arizona State University), des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung und des Santa
Fe Institute erhalten haben, insbesondere im Gespräch mit Sebastian Dullien, Thomas Fricke, Sophie
Godeffroy, Patrick Graichen, Andrei Guter Sandu, Tom Krebs, Manfred Laubichler, Xhulia Likaj, Stef-
fen Murau, Peter Schlosser, Janek Steitz, Gesine Steudle und Sarah Wolf. Ohne den jahrelangen Ge-
dankenaustausch mit Klaus Töpfer wäre dieser Bericht nicht möglich gewesen.
Für den Inhalt des Berichts sind nur die Autoren selbst verantwortlich.
GCF Report 1/2021
___________________________________________________________________________

Inhalt
1.       Einführung .................................................................................................................................... 1
2.       Die Gründe für öffentliche Klimainvestitionen.......................................................................... 2
3.       Zum Umfang des Finanzierungsbedarfs..................................................................................... 2
4.       Varianten der Finanzierung ........................................................................................................ 4
     4.1.        Finanzierung aus Steuern und anderen Abgaben .................................................................. 4
     4.2.        Kreditaufnahme im Rahmen von Schuldenregulierungen...................................................... 5
  4.3. Einsatz öffentlicher Zweckgesellschaften ............................................................................... 5
5. Randbedingungen und Änderungsvorschläge ........................................................................... 5
     5.1.        Die deutsche Schuldenbremse ................................................................................................ 5
     5.2.        Die europäischen Schuldenregulierungen ............................................................................. 6
  5.3. Die europäischen Beihilferegeln ............................................................................................ 7
6. Zwischenfazit ................................................................................................................................ 8
7.       Überblick über öffentliche Zweckgesellschaften ....................................................................... 9
     7.1.        Existierende Zweckgesellschaften ........................................................................................ 10
     7.2.        Vorgeschlagene Zweckgesellschaften .................................................................................. 11
     7.3.    Grundtypen öffentlicher Zweckgesellschaften ..................................................................... 12
8.      Einsatz öffentlicher Zweckgesellschaften zur Finanzierung von Klimainvestitionen .......... 13
     8.1.        Bundesinvestitionen ............................................................................................................. 13
     8.2.        Kommunale Investitionen..................................................................................................... 14
     8.3.        Private unternehmerische Investitionen............................................................................... 15
     8.4.    Investitionen privater Haushalte .......................................................................................... 15
9.      Fazit.............................................................................................................................................. 16
Glossar .................................................................................................................................................. 18
Literatur ............................................................................................................................................... 19
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
1
_____________________________________________________________________________________________________

1. Einführung
Am 29. April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht ein neues Kapitel der deutschen Klimapo-
litik eröffnet: Hehre Ziele für 2050 genügen nicht, denn schon die Klimaziele für 2030 müssen
sich an den Grundrechten der deutschen Verfassung messen lassen. Das entsprechend ange-
passte Klimaschutzgesetz sieht nun vor, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll, und
dass bis 2030 die Treibhausgase um 65% gegenüber 1990 verringert werden. Für die deutsche
Wirtschaft bedeutet der Übergang zum Pfad der Dekarbonisierung eine deutliche Steigerung
der Investitionen. RWE rechnet mit Investitionen von 1,5 Mrd. € pro Jahr, Bayer mit 2,5 Mrd.,
VW mit mehr als 10 Mrd. (VW: (Automobilwoche, 2019); Bayer: (TopAgrar, 2019); (RWE;
2019)). Für die Wirtschaft als Ganzes ist mit einer Steigerung der Investitionen von gut 15% zu
rechnen (noch vor der Novellierung des Klimaschutzgesetz lag die Steigerung bei 12%, (Wor-
ldnewsmonitor, 2020)).
Mit anderen Worten: die Bruttoinvestitionen, die gegenwärtig in der Größenordnung von 700
Mrd. € pro Jahr liegen, müssen auf rund 800 Mrd. € steigen. Die Investitionsquote am BIP, die
seit zwei Jahrzehnten um die 20% fluktuiert, wird dadurch auf etwa 23 % gesteigert. Es ist zu
erwarten, dass das zu einem langfristigen Wachstumsschub in der Größenordnung von mindes-
tens einem zusätzlichen Prozentpunkt führen wird, während und weil die Wirtschaft auf den
Pfad der Dekarbonisierung umschwenken wird (McKinsey & Company, 2021; Wolf et al.,
2021; Dullien et al. 2021). Das ist dann und nur dann möglich, wenn die Investitionen des
Bundes ebenfalls deutlich zunehmen. Wie in Abschnitt 3 dargestellt, werden bis 2030 pro Jahr
mindestens 30 Mrd. € an zusätzlichen öffentlichen Investitionen erforderlich sein (Krebs und
Steitz, 2021). In anderen Politikfelder braucht es ähnlich große Zukunftsinvestitionen – Ge-
sundheit, Bildung, Digitalisierung und mehr –, die jedoch nicht Gegenstand dieses Berichts
sind.
Um diese anspruchsvollen Ziele zu erreichen, braucht es einen Maßnahmenmix, der von Ord-
nungsrecht und CO2-Bepreisung bis zu Innovationsförderung und öffentlichen Investitionen
reicht. Der öffentliche Investitionsbedarf wird besonders deutlich an der Notwendigkeit natio-
naler Infrastrukturen wie Wasserstoffpipelines, industrieller Schlüsseltechnologien wie DRI-
Stahl (bei dessen Herstellung kein CO2 entsteht), kommunaler Strukturen für klimaneutralen
Nahverkehr, Wärmepumpen und mehr.
In dieser Situation ist eine investitionsorientierte Klimapolitik nötig, die sich den durch die
Coronakrise entstandenen Randbedingungen stellt. Zu diesen Randbedingungen gehört die Tat-
sache, dass die Staatsverschuldung schlagartig gestiegen ist, die deutschen und europäischen
Schuldenregulierungen angesichts der Notlage ausgesetzt wurden, aber unklar ist, wie es wei-
tergeht. Bisher gibt es keine belastbaren Zahlen für die Größenordnung der öffentlichen Finan-
zierungsbedarfe für Zukunftsinvestitionen, geschweige denn eine Analyse der Möglichkeiten,
Zukunftsinvestitionen in der kommenden Legislaturperiode und darüber hinaus so zu finanzie-
ren, dass die Klimaziele für 2030 erreicht werden. Die vorliegende Studie füllt diese Lücke.
Dazu legen wir zuerst die Gründe für öffentliche Zukunftsinvestitionen dar und fassen dann
den Stand der Forschung zum Umfang der entsprechenden Investitionsbedarfe zusammen. Da-
rauf aufbauend analysieren wir grundsätzliche Möglichkeiten der öffentlichen Finanzierung
dieser Bedarfe im Kontext der deutschen und europäischen Fiskalregulierungen. Besonderer
Fokus liegt dabei auf dem Instrument öffentlicher Zweckgesellschaften (ÖZG) wie der KfW –
nicht, weil wir diese für ein klimapolitisches Allzweckmittel halten würden und noch weniger,
weil wir darin einen Trick sehen würden, die Schuldenbremse zu unterlaufen. Vielmehr handelt
es sich dabei um ein ebenso unentbehrliches wie entwicklungsfähiges Instrument, das in der
demokratischen Debatte und Entscheidungsfindung auf deutscher wie europäischer Ebene sorg-
fältige Berücksichtigung erfordert und verdient.
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
2
_____________________________________________________________________________________________________

2. Die Gründe für öffentliche Klimainvestitionen
Bevor wir im nächsten Abschnitt den Stand der Forschung zum Ausmaß der erforderlichen
Zukunfts- und insbesondere Klimainvestitionen erörtern, gilt es die Frage zu klären, warum
diese zu einem erheblichen Teil öffentlich erfolgen sollen. Denn der Staat könnte auch versu-
chen, die Klimaziele einzig durch CO2-Preise und ggf. Ordnungsrecht zu erreichen. Dafür, dass
manche Klimainvestitionen öffentlich finanziert werden – sei es vollständig oder zum Teil –
sprechen im Wesentlichen die folgenden vier Gründe:
    1. Ein klimaneutrales Deutschland wird eine Transformation unentbehrlicher Infrastrukturnetze
       brauchen: nationale und lokale Systeme für Personen- und Güterverkehr, Pipelines für grünen
       Wasserstoff, Stromnetze, elektronische Kommunikationsnetze, und andere mehr. Ohne
       öffentliche Investitionen würden die neuen Netze ungenügend ausgebaut und dank natürlicher
       Monopole regelmäßig missbraucht werden.
    2. Ebenso wird ein klimaneutrales Deutschland eine Transformation des Humankapitals, von dem
       die Produktivität der deutschen Wirtschaft wesentlich abhängt, benötigen. Es wird zeitnah in
       großem Umfang neue Weiterbildungsangebote für An- und Ungelernte, Fachkräfte und
       Akademiker:innen brauchen, und neue Ausbildungs- und Studiengänge, verbunden mit neuen
       Lehr- und Lernformen, werden zu entwickeln sein. Ohne öffentliche Investitionen würde das
       scheitern.
    3. Zu der Infrastruktur der deutschen Wirtschaft gehört nicht zuletzt ein nationales Innovations-
       system, das innovative Unternehmen, Fachhochschulen und Universitäten, lokale, regionale und
       nationale Behörden untereinander verknüpft und mit sich schnell entwickelnden Erkenntnissen,
       Erfahrungen und Emotionen verbindet. Innovationen entstehen in diesem System wesentlich
       aufgrund von Investitionen, die zu neuen, oft unvorhersehbaren Herausforderungen führen
       deren Bearbeitung dann neue Produkte und Prozesse hervorbringt. Die Dekarbonisierung der
       deutschen Wirtschaft wird die größte Umwälzung dieses Innovationssystem seit der Entstehung
       der Bundesrepublik sein. Besonders hier sind öffentliche Investitionen unentbehrlich.
    4. Schließlich sind öffentliche Investitionen wesentlich, um die Vollauslastung der volkswirt-
       schaftlichen Kapazitäten so weit wie möglich zu gewährleisten (Sigl-Glöckner u. a., 2021b). Im
       Zuge der Dekarbonisierung sollte das natürlich vorwiegend durch Investitionen in klimaneutrale
       Produkte und Prozesse geschehen. Besondere Beachtung verdienen dabei die Investitionen im
       Gebäudebereich, aber letztlich bleibt kaum ein Sektor von der Dekarbonisierung unberührt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage nach dem Umfang der nötigen Zukunftsin-
vestitionen. Dazu geben wir im nächsten Abschnitt einen Überblick über die bestehenden
Schätzungen und schildern anschließend die grundlegenden Möglichkeiten der Finanzierung.

3. Zum Umfang des Finanzierungsbedarfs
Der Finanzierungsbedarf für – öffentliche und private – Klimainvestitionen bis 2030 hängt von
vielen Entwicklungen ab, die noch gar nicht feststehen. Sicher ist jedoch, dass die Klimaziele
für 2030 ohne umfangreiche öffentliche Investitionen – in den Ausbau erneuerbarer Energien,
in Übertragungs- und Verteilnetze für Strom und Wasserstoff, in den öffentlichen Nahverkehr,
den Wärme- und Gebäudesektor, in Aus- und Weiterbildung sowie in Forschung zur Entwick-
lung und Verbilligung wichtiger Technologien nicht zu erreichen sind. Insgesamt dürften sich
im Klimabereich öffentliche und private (Unternehmen und private Haushalte) Investitionen
etwa die Waage halten. Die Politik muss deshalb auf jeden Fall eine untere Grenze sicherstellen
und Spielraum nach oben gewährleisten.
Diese untere Grenze sollte in einer Größenordnung von rund 30 Mrd. Euro pro Jahr liegen. Das
ergibt sich daraus, dass robuste Abschätzungen für private und öffentliche Klimainvestitionen
bis 2030, die sich noch nicht an den aktuellen Klimazielen für 2030 orientierten, in Größen-
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
3
_____________________________________________________________________________________________________

ordnungen von 50 Mrd. (Bründlinger et al. 2018), 60 Mrd. (Henning und Palzer 2015), 80 Mrd.
(Gerbert et al. 2018) pro Jahr liegen.1 Vor diesem Hintergrund ist für die aktuellen Klimaziele
eine Größenordnung von 60 Mrd. eine durchaus vorsichtige Schätzung, wovon die Hälfte, also
30 Mrd. pro Jahr, die untere Grenze für öffentliche Klimainvestitionen darstellen (Krebs und
Steitz, 2021 erwarten öffentliche Klimainvestitionen von 47 Mrd. pro Jahr).
Eine verantwortungsbewusste Politik wird in Rechnung stellen, dass durchaus höhere Beträge,
und das auch kurzfristig, erforderlich werden können. Die vorliegende Studie erörtert anhand
des Einsatzes öffentlicher Zweckgesellschaften Instrumente, die diese Flexibilität nach oben
ermöglichen.
Es wird jedoch nicht genügen, allein Klimainvestitionen zu finanzieren. Bardt et al. (2019)
rechnen bis 2030 mit zusätzlichen Zukunftsinvestitionen von rund 38,2 Mrd. Euro pro Jahr.
Dabei berücksichtigen sie die Bereiche kommunale Infrastruktur (15,8 Mrd.), überregionale
Infrastruktur (10 Mrd.), Bildung (10,9 Mrd.) und Wohnen (1,5 Mrd.). Digitalisierung und Ge-
sundheit sind höchstens implizit berücksichtigt.
(Clemens, Fratzscher, and Michelsen 2021) schätzen den öffentlichen Bedarf an Zukunftsin-
vestitionen – einschließlich Klimainvestitionen – bis 2030 auf 34 Mrd. Euro pro Jahr. Die Zahl
dürfte zu niedrig sein. Für Klima und Verkehr insgesamt werden nur 12 Mrd. eingesetzt, 10
Mrd. für Bildung, 5 Mrd. für den öffentlichen Wohnungsbau, 6 Mrd. Euro für Digitalisierung,
und 1 Mrd. Euro für den Gesundheitssektor. Um die Zahlen für Digitalisierung und den Ge-
sundheitssektor ins Verhältnis zu setzen, weisen wir auf (Augurzky and Beivers 2019) hin, die
für die Digitalisierung der Krankenhäuser bis 2030 einen jährlichen Investitionsbedarf von 5,4
Mrd. sehen. Würde, wie in Dänemark, die öffentliche Hand 20 Prozent beisteuern, ergäbe sich
allein für diesen Posten ein öffentlicher Investitionsbedarf von 1,1 Mrd. bis 2030.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass für den Zeitraum bis 2030 die untere Grenze von 30 Mrd.
Euro pro Jahr für öffentliche Klimainvestitionen als Teil einer unteren Grenze von rund 60 Mrd.
Euro für öffentliche Zukunftsinvestitionen pro Jahr zu sehen ist. Das entspricht etwas weniger
als 2% des BIP. Der Hintergrund, vor dem diese Investitionszahlen gesehen werden müssen,
sind die jährlichen Bruttoinvestitionen in Deutschland, die in der Größenordnung von 700 Mrd.
Euro, bzw. 20% des BIP, liegen. Zusätzliche öffentliche Investitionen von 2% des BIP werden
zusammen mit den dadurch ausgelösten unternehmerischen Investitionen von ca. 1% des BIP
(vgl. IMK, 2020) die deutschen Bruttoinvestitionen auf rund 23% des BIP steigern. Wirtschaft-
lich ist dadurch ein langfristiger Wachstumsschub zu erwarten (McKinsey & Company, 2021,
S. 5; Wolf et al 2020; Dullien et al 2021), der nicht zuletzt im Hinblick auf die Altersvorsorge
dringend erwünscht ist.
Bei den öffentlichen Klimainvestitionen handelt es sich im Wesentlichen um Neuinvestitionen,
ohne die Deutschland nicht in der Lage sein wird, die Herausforderungen der nahen Zukunft zu
meistern. Die Größe der politischen Aufgabe wird deutlich, wenn man bedenkt, dass seit zwei
Jahrzehnten in Deutschland die öffentlichen Nettoinvestitionen pro Jahr gerade einmal 0.1%
des BIP ausmachen und damit weit hinter anderen europäischen Ländern wie Großbritannien,

1
 Die Schätzung von Bründlinger et al. (2018) vernachlässigt die Investitionskosten der Industrie, da diese aufgrund
fehlender Daten nicht belastbar quantifiziert werden konnten (a.a.O., S. 247). Die Schätzung von Bardt et al. (2019)
stellt im Klimabereich einen Ausreißer dar, da die für öffentliche Klimainvestitionen angegebenen 7,5 Mrd. pro
Jahr mit den aktuellen Klimazielen für 2030 nicht vereinbar sind. BDEW (2020) enthält wichtige Angaben zum
Beitrag, den Klimainvestitionen zu Konjunktur und Wachstum bewirken können, behandelt aber nur einen Teil
der Klimainvestitionen, da ÖPNV, Gebäude u. a. m. nicht einbezogen werden. Die Analyse von Repenning et al.
(2019) impliziert für Klimaziele, die deutlich weniger ambitioniert sind als die aktuellen Ziele, einen
Investitionsbedarf in der Größenordnung von 40 Mrd. Euro pro Jahr.
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
4
_____________________________________________________________________________________________________

Frankreich aber auch den USA und anderen vergleichbaren Ländern mit AAA Rating zurück-
bleiben (Siebert und Zimmermann, 2021).

4. Varianten der Finanzierung
Der Umfang des Bundeshaushaltes im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie 2019 betrug 356
Mrd. Euro. Für eine Erweiterung des Haushaltes im benötigten Ausmaß sind grundsätzlich ver-
schiedene Ansätze denkbar, welche jeweils unterschiedliches Potential bieten.

4.1.      Finanzierung aus Steuern und anderen Abgaben

Steuererhöhung: Im Jahr 2019 waren die beiden größten Steuereinnahmepositionen die Um-
satzsteuer mit 95 Mrd. (24%) und die Lohnsteuer mit 94 Mrd. (24%) (Bundesfinanzministe-
rium, 2021). Im Rahmen des Wahlkampfs zur Bundestagswahl im September 2021 haben die
Parteien ihre Pläne für Veränderungen der Lohnsteuer in ihren Wahlprogrammen veröffentlicht
(Beznoska und Hentz, 2021). Zu signifikanten Mehreinnahmen würden nur der Vorschlag der
Linken (plus 88 Mrd.) bzw. der von Bündnis 90/die Grünen (plus 18 Mrd.) führen, wohingegen
die Pläne von CDU und FDP den Bundeshaushalt stattdessen mit -33 bzw. -88 Mrd. Euro be-
lasten würden (Schmidtutz, 2021). Aus heutiger Sicht erscheint aufgrund der derzeitigen Um-
fragen bezüglich möglicher Mehrheitsverhältnisse einer neuen Regierung eine Einnahmenstei-
gerung des Bundes aus der Lohnsteuer als unwahrscheinlich. Das Potential einer Vermögen-
steuer wäre im Hinblick auf 7,78 Billionen Euro Geldvermögen privater Haushalte (Bundes-
zentrale für politische Bildung, 2020) im Jahr 2017 theoretisch enorm, jedoch haben sich auch
hier bereits FDP und CDU größtenteils ablehnend positioniert. Eine Erbschaftssteuer hingegen
wird in der CDU nicht vollkommen ausgeschlossen, jedoch existieren hier in den Parteipro-
grammen zurzeit nur relative unkonkrete Pläne bezüglich Größenordnung und Umsetzung.
Abgaben und Umlagen: Ähnlich wie bei Steuererhöhungen ist hier allgemein mit Widerstand
der finanziell Betroffenen zu rechnen, was besonders in einem Wahljahr solche Instrumente der
Einnahmenerhöhung weniger attraktiv für die politischen Parteien macht. Eine Sonderrolle
könnte der CO2-Steuer beziehungsweise dem Gesetz über ein nationales Emissionshandelssys-
tem für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) zukommen. Je
nach gewähltem Transformationspfad und CO2-Preis könnten bis 2030 Einnahmen in Höhe
von 130 bis 250 Mrd. erzeugt werden.2 Dem gegenüber steht jedoch die Einnahmenreduktion
aus dem geplanten Abbau der EEG-Umlage, welche den Bundeshaushalt bis 2030 mit bis zu
160 Mrd. € belasten dürfte. Die Einnahmen aus dem Europäischen Emissionshandel ETS EU
beliefen sich im Jahr 2019 auf 14 Mrd. € (Europäische Kommission, 2021) und würden selbst
bei einer europaweiten Ausweitung auf die Bereiche Verkehr und Wärme nur einen geringen
Beitrag zu den deutschen Investitionsbedarfen liefern. Bei anderen Umlagesystemen wie einem
Bonus Malus System für den Verkehr (Agora Verkehrswende, 2019) wird die Summe der von
Käufern emissionsintensiver Pkw gezahlten Mali als Boni wieder ausgezahlt und wäre somit
weitgehend Aufkommensneutral. Zur Finanzierung spezieller Investitionen und klimaneutraler
Technologien sind überdies Klima-Umlagen wie Carbon Contracts for Difference (CCfD)
denkbar, welche die Differenz zwischen Marktpreis und Kosten der klimaneutralen Produktion
z. B. im Stahlbereich finanzieren (Agora Energiewende, 2021b). Diese können ein durchaus
effektives Instrument zur Investitionsförderung der Industrie sein.
Reduktion klimaschädlicher Subventionen und Ausgabenkonsolidierung: Ein Vorschlag von
Greenpeace sieht das Potential durch Einsparung der 10 wichtigsten klimaschädlichen Subven-
tionen bei 46 Mrd. € jährlich (Greenpeace, 2021). Zur Sicherung sozialer Gerechtigkeit sieht

2
    Mitteilung von Agora Energiewende.
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
5
_____________________________________________________________________________________________________

Greenpeace dem gegenüber jedoch die Notwendigkeit umfangreicher Transferzahlungen. Dar-
über hinaus finden selbst in diesem ambitionierten Vorschlag die großen Ausgabenreduktionen
schrittweise und erst in zwei bis drei Jahren beginnend statt, was besonders in dieser kritischen
Zeit das Investitionspotential beschränkt und auch die durchschnittlichen Einsparungen
verringert. Bei den angesprochenen Subventionen handelt sich um viele einzelne Gesetze und
Verordnungen, alle mit ihren eigenen Interessengruppen und unterschiedlichen Verteilungsef-
fekten. Das erschwert eine politische Umsetzbarkeit stark; Vergleichbares gilt auch für andere
denkbare Ausgabenkonsolidierungen.

4.2.    Kreditaufnahme im Rahmen von Schuldenregulierungen

Grundsätzlich ist eine Kreditaufnahme zur Finanzierung von Investitionen in Deutschland zu
derzeit historisch niedrigen Zinssätzen bis hin zu Null oder Negativzinsen möglich. Jedoch ist
das Volumen durch einschneidende Rahmenbedingungen in Deutschland und der Europäischen
Union eingeschränkt. Durch die Corona-Pandemie sind die entsprechenden Regulierungen zu-
mindest bis zum Jahr 2022 ausgesetzt, was kurzfristig die Chance bietet, die derzeit günstigen
Konditionen an den Kreditmärkten in größerem Umfang für die Finanzierung zu nutzen. Für
die kommenden Jahre ist die rechtliche Situation jedoch bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht ge-
klärt. Zurzeit finden sich sowohl für Europa also auch für Deutschland verschiedene Reform-
vorschläge zur Umgestaltung der entsprechenden Regulierungen in unterschiedlichem Umfang.
Eine ausführlichere Beschreibung dieser Regulierungen und Vorschläge findet sich in Ab-
schnitt 5.

4.3.    Einsatz öffentlicher Zweckgesellschaften

Weiter unten, in Abschnitt 7, zeigen wir, dass die erforderliche kreditbasierte Investitionsfinan-
zierung möglich wird, wenn sie mithilfe öffentlicher Zweckgesellschaften wie der Kreditanstalt
für Wiederaufbau, der Deutschen Bahn und vergleichbaren Neugründungen durchgeführt wird.
Wie im vorliegenden Dokument erläutert wird, bedarf es dazu einer detaillierten Prüfung der
konkreten Möglichkeiten. Von besonderer Bedeutung sind hierfür die rechtlichen Randbedin-
gungen, welche wir im folgenden Abschnitt erläutern.

5. Randbedingungen und Änderungsvorschläge
Um die Spielräume für Kreditaufnahmen zur Erfüllung von Bundesaufgaben zu beurteilen, sind
drei Randbedingungen zu beachten: (1) die Begrenzung zulässiger Schulden im deutschen
Rechtsrahmen, (2) die Begrenzung zulässiger Schulden im europäischen Rechtsrahmen und (3)
die Regeln des europäischen Beihilferechts.

5.1.    Die deutsche Schuldenbremse

Seit 2009 steht im Grundgesetz (Artikel 109) als Grundsatz staatlicher Haushaltsführung: „Die
Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszuglei-
chen.“ Dabei wird eine gewisse Flexibilität vorgesehen, die in Artikel 115 weiter ausgeführt
wird. Die Flexibilität betrifft folgende Punkte:
    •   Einnahmen aus Krediten können bis zu 0.35% des nominalen Bruttoinlandprodukts betragen.
    •   Zur Glättung konjunktureller Schwankungen sind kurzfristig höhere Kredite möglich.
    •   Bei Naturkatastrophen und Notsituationen kann der Bundestag außergewöhnliche Kredit-
        aufnahmen beschließen. Diese Möglichkeit ist angesichts der Corona-Krise ergriffen worden.
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
6
_____________________________________________________________________________________________________

    •   Für Klimainvestitionen sind die sogenannten finanziellen Transaktionen entscheidend. Das
        verlangt eine genauere Erläuterung.3

Als finanzielle Transaktion des Bundes wird eine Verlagerung von Finanzmitteln, die das fi-
nanzielle Nettovermögen des Bundes unberührt lässt, bezeichnet. Ein einfaches Beispiel ist der
Kauf von Aktien: Dabei wird der Wertpapierbestand um denselben Betrag vergrößert, um den
das Geldvermögen verringert wird. Der Kauf einer Liegenschaft ist demgegenüber – obschon
er das Nettovermögen des Bundes ebenfalls unberührt lässt – keine finanzielle Transaktion,
weil eine Liegenschaft kein Finanzmittel ist. Wird ein Kauf von Aktien oder anderen Wertpa-
pieren durch Kredit finanziert, so erfolgt auch dabei keine Veränderung des finanziellen Netto-
vermögens, weil den Verbindlichkeiten des Kredits die dadurch verfügbaren Finanzmittel ge-
genüberstehen. Eine finanzielle Transaktion in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Bund das
Eigenkapital einer rechtlich eigenständigen Einrichtung des Bundes (z.B. der KfW) erhöht.
Dies hat unterschiedliche Implikationen für die Investitionen von Bund, Kommunen, Unterneh-
men und Haushalten, welche im Abschnitt 8 genauer untersucht werden.
Wichtig ist im vorliegenden Zusammenhang, dass im Rahmen einer breiten Diskussion um die
Zukunft der Schuldenbremse eine Reihe von Vorschlägen zu ihrer Weiterentwicklung gemacht
worden sind. So schlägt (Dullien 2020) vor, die Schuldenbremse so anzupassen, dass die wäh-
rend der Coronakrise aufgenommenen Schulden nicht getilgt werden. (Braun 2021) regt eine
neue fünfjährige Übergangsfrist (analog zur Einführung der Schuldenbremse) an. Innerhalb von
fünf Jahren soll das strukturelle Defizit vom aktuellen Niveau von über 3 Prozent des BIP auf
den in der Schuldenbremse festgeschriebenen Wert von 0,35 Prozent des BIP sinken. (Heim-
berger and Truger 2020) schlagen vor, die Schätzung für das Produktionspotential auf dem
Vorkrisenniveau festzuschreiben. Dies hätte durch eine veränderte Berechnung der Konjunk-
turkomponente zur Folge, dass der Bund erweiterte Verschuldungsspielräume gewinnt. Sodann
hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in sei-
nem Jahresgutachten 2020-21 vorgeschlagen, die Corona-Schulden nur bis zur Vorkrisen-
Schuldenquote zu tilgen (Feld et al. 2020). Dass selbst moderate Änderungen ein großes Poten-
tial eröffnen können, zeigen etwa Dullien und Rietzler (2021). Sie schätzen, dass eine öffentli-
che Zweckgesellschaft wie der weiter unten (in Abschnitt 7.2) beschriebene IMK-IW Transfor-
mationsfonds im Zeitraum 2023-2030 pro Jahr rund 25 Mrd. Euro Neukreditaufnahme zu ge-
winnbringenden Investitionszwecken tätigen kann, wenn eine begrenzte Veränderung der EU-
Schuldenregeln vorgenommen wird. Die Änderung besteht darin, dass die heutige Defizit-
grenze von 1% des BIP nicht mehr halbiert wird, wenn die Staatsverschuldung 60% des BIP
übersteigt. Für die Spielräume, die durch wohlbegründete weitergehende Änderungen erreicht
werden können vgl. Sigl-Glöckner (2021b).

5.2.    Die europäischen Schuldenregulierungen

Im Gegensatz zur deutschen Schuldenbremse, die einer juristischen Logik folgt, folgen die eu-
ropäischen Schuldenregulierungen einer volkswirtschaftlichen Logik und beziehen auch die
Kommunen mit ein. Der Staatssektor wird anders abgegrenzt als bei der deutschen Schulden-
bremse. Eine institutionelle Einheit, die vom Staat kontrolliert wird, wird dem Staatssektor zu-
geordnet, wenn sie
    •   weniger als 50 % ihrer Kosten über einen aussagefähigen Mehrjahreszeitraum durch ihre
        Verkaufserlöse decken kann bzw.

3
  Für eine gut verständliche Einführung in diese komplexe Thematik vgl. den Abschnitt „Finanzielle Transaktion
in Sigl-Glöckner u.a. (2021a). Weitere Quellen dazu sind Arikel 109 und 115 des Grundgesetzes, §3 im Ausfüh-
rungsgesetz zu Artikel 115 GG, Kapitel 7 in DeStatis (2020) sowie Kapitel 5 in: Europäisches System Volkswirt-
schaftlicher Gesamtrechnungen (2020).
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
7
_____________________________________________________________________________________________________

       •   mehr als 80 Prozent ihrer Umsätze mit den Kern- und/oder Extrahaushalten des Staates macht
           bzw. die Einheit nicht im Wettbewerb steht mit anderen Unternehmen. (Europäische Union,
           2014, 20.19 und 20.54)
Darüber hinaus werden auch ausgewählte Aktivitäten von Einheiten, die selbst nicht dem
Staatssektor zugerechnet werden, dem Staatssektor zugerechnet, falls sie eindeutig abgrenzbare
Vorgänge staatlichen Handelns darstellen. Beispiele sind Projekte in öffentlich-privater Part-
nerschaft (ÖPP-Projekte) sowie Energieeinsparverträge (Energy Performance Contracting,
EPC).
Analog zur deutschen Schuldenbremse werden auch in der EU finanzielle Transaktionen nicht
der Staatsschuld zugerechnet. Allerdings werden sie teilweise anders abgegrenzt als bei der
deutschen Schuldenbremse.
Für EU-Staaten mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent gilt für den strukturellen gesamt-
staatlichen Finanzierungssaldo eine Obergrenze von 0,5% des BIPs. Für Länder mit einer
Schuldenquote von unter 60 Prozent verdoppelt sich dieser Wert auf 1%.
Corona-bedingt ist der öffentliche Schuldenstand Deutschlands auf über 70 Prozent gestiegen,
wobei die Obergrenzen von deutschen und europäischen Schuldenregulierungen derzeit ausge-
setzt sind. Álvarez (2021) skizziert zahlreiche Vorschläge zur Reform der europäischen Schul-
denregulierungen, die vor und während der Coronakrise gemacht wurden. Er ordnet sie in vier
Kategorien:
       •   Anhebung der maximal erlaubten Schuldenquoten.
       •   Veränderung der Zielgröße: Der strukturelle gesamtstaatliche Finanzierungssaldo soll ersetzt
           werden durch Schuldentragfähigkeitsanalysen und Ausgabenregeln.
       •   Sogenannte goldene Regeln, die bestimmen, dass die Neuverschuldung, die der
           Investitionsfinanzierung dient, von den Schuldenregulierungen ausgenommen wird. In diesem
           Zusammenhang werden insbesondere „grüne“ Investitionen diskutiert, u. a im Rahmen des
           European Green Deal.
       •   Den Vorschlag von (Blanchard, Leandro, and Zettelmeyer 2021), quantitative
           Schuldenregulierungen vollständig durch qualitative Standards zu ersetzen.

5.3.       Die europäischen Beihilferegeln

Die europäischen Beihilferegeln engen den Spielraum für öffentliche Zweckgesellschaften zu-
sätzlich ein.4 Staatliche Beihilfen, die selektiv gewährt werden und/oder den Wettbewerb ver-
fälschen können, sind nach diesen Regeln unzulässig. Ausgenommen hiervon sind Umlagen
nach dem Modell der deutschen EEG-Umlage, welche nicht über den Bundeshaushalt laufen,
sondern direkt zwischen privaten Akteuren abgewickelt werden. Neue Umlagen nach einem
ähnlichen Modell sollten die Beihilferegeln also ebenfalls nicht verletzen.
Darüber hinaus sind zusätzlich umfangreiche Ausnahmen vorgesehen, insbesondere, wenn ein
gesamteuropäisches Interesse vorliegt (was im Hinblick auf den European Green Deal beson-
ders relevant ist), aber auch bei Risikofinanzierungen, die ein Marktversagen bei der Finanzie-
rung für KMUs korrigieren sollen. Die gezielte Förderung von nicht börsennotierten Start-ups
und KMUs durch Beteiligungen wird auch in der Mitteilung der Kommission über den Euro-
pean Green Deal explizit angesprochen.

4
    Dieser Abschnitt beruht auf (Dullien, Rietzler, and Tober 2021, S. 25).
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
8
_____________________________________________________________________________________________________

Im Zusammenhang mit dem European Green Deal wurde vorgeschlagen, die Leitlinien für re-
levante Beihilfen zu überarbeiten. Es ist derzeit eine offene Frage, inwieweit diese Neubewer-
tung den Spielraum für öffentliche Zweckgesellschaften noch weiter ausweiten wird.

6. Zwischenfazit
Vor dem Hintergrund der rechtlichen Rahmenbedingungen sind die drei grundlegenden Finan-
zierungsmöglichkeiten von Klimainvestitionen des Bundes in Abbildung 1 zusammengefasst.

       Abbildung 1 – Finanzierungsoptionen für Klimainvestitionen des Bundes

Der Anteil der Steuern und Abgaben, die der Bund für klimabezogene Investitionen einsetzen
kann, ist, wie schon in Abschnitt 4 erläutert, begrenzt. Die Finanzmittel aus Abgaben kann der
Bund sowohl für direkte Investitionsausgaben als auch für Zuschüsse an Unternehmen, Ge-
bietskörperschaften und private Haushalte einsetzen. Eine wichtige Variante dieser Alternative
besteht darin, dass der Staat auf dem Gesetzesweg für bestimmte Produkte eine Umlage defi-
nieren kann, die für die Verbilligung alternativer Produkte eingesetzt wird, ohne über den
Staatshaushalt verwaltet zu werden. Das wichtigste Beispiel dafür ist die EEG-Umlage, deren
langfristiger Einsatz allerdings fraglich ist.
Das Volumen der Nettokreditaufnahme des Bundes ist sowohl durch die deutsche Schulden-
bremse als auch durch die europäischen Schuldenregulierungen eng begrenzt. Deutschland
fährt hier sozusagen mit angezogener Handbremse. Zusätzlich greift auch hier das EU-Beihil-
ferecht. Für die Jahre 2021 und 2022 gelten aufgrund der geltenden Sonderregeln aufgrund der
Corona-Pandemie zwar noch Ausnahmen von diesen Regulierungen, was für diese Jahre finan-
zielle Spielräume eröffnet; jedoch ist unklar, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in
den Jahren von 2023 bis 2030 ändern werden. Vor diesem Hintergrund sind die in Abschnitt 5
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
9
_____________________________________________________________________________________________________

beschriebenen Vorschläge zur Weiterentwicklung der deutschen Schuldenbremse, der EU-
Schuldenregeln und des EU-Beihilferechts von zentraler Bedeutung, um die klimapolitischen
Ziele der Bundesregierung zu erreichen.
Sollten hier jedoch keine der benötigten Anpassungen umgesetzt werden, wird eine kluge Nut-
zung der derzeit geltenden Spielräume ein zentrales Element zielführender Klimapolitik wer-
den. In diesem Zusammenhang kommt dem Einsatz öffentlicher Zweckgesellschaften eine be-
sondere Bedeutung zu. Denn Kredite können vom Bund im Rahmen einer finanziellen Trans-
aktion (vgl. Abschnitt 5) aufgenommen und durch eine ebensolche Transaktion an öffentliche
Zweckgesellschaften (ÖZG) übergeben werden.
Für die Finanzierung von Klima- und anderen Zukunftsinvestitionen hat der Einsatz öffentli-
cher Zweckgesellschaften vier wichtige Vorteile.
    •   ÖZG können in kurzer Zeit gezielt das Personal, das Knowhow und die Netzwerke aufbauen,
        die für die Realisierung und Förderung innovativer Investitionsprozesse in großem Maßstab
        unerlässlich sind.
    •   Die Klimainvestitionen können durch ÖZG so hochskaliert werden, dass die Klimaziele für
        2030 erreicht werden und zugleich Deutschland aus den öffentlichen Schulden insgesamt
        herauswächst. Eine Wachstumssteigerung von rund 1% ist dabei durchaus realistisch
        (McKinsey & Company, 2021; Wolf et al., 2021).
    •   ÖZG können einen Teil der Gewinne, die Unternehmen mit Hilfe staatlicher Unterstützung
        erzielen, auch für die Öffentlichkeit verfügbar machen. Das gilt insbesondere, wenn einzelne
        ÖZG mit einer Banklizenz ausgestattet werden und wenn vielversprechende Innovationen nicht
        mit Krediten oder Zuschüssen, sondern durch Beteiligungen gefördert werden. Gewinnanteile
        von ÖZG kann der Bund nutzen, um Zuschüsse zu weiteren Klimainvestitionen von
        Unternehmen, Kommunen und kommunalen Unternehmungen sowie von privaten Haushalten
        zu finanzieren.
    •   ÖZG können so reguliert werden, dass die Wirksamkeit staatlicher Klimafinanzierung sehr viel
        transparenter wird als das oft üblich ist. Das ergibt sich aus der Möglichkeit der Beteiligung von
        ÖZG an Unternehmungen und aus der Tatsache, dass ÖZG in unternehmerischer Form (wie
        z.B. beim vorgeschlagenen Wasserstoff-Fonds) den finanziellen Verbindlichkeiten reale
        Sachwerte gegenüberstellen können und müssen.

Es existieren bereits verschiedene ÖZG sowie Vorschläge für neue ÖZG, jeweils mit verschie-
denen rechtlichen Implikationen und Anwendungsbereichen für die in Abschnitt 3 angegebenen
Bedarfe.

7. Überblick über öffentliche Zweckgesellschaften
Die Selbstbindung öffentlicher Haushalte durch Schuldenbremsen und verwandte Regulierun-
gen ist sinnvoll, um kurzfristorientierte, opportunistische Fehlentscheidungen infolge polit-
ökonomischer Fehlanreize einzudämmen (Hermes et al., 2020, S. 7). Dass finanzielle Transak-
tionen dabei ausgenommen werden, ist sinnvoll, um die Handlungsfähigkeit des Staates (die
wesentlich vom finanziellen Nettovermögen abhängt) zu sichern. Um die erwähnten Fehlent-
scheidungen zu vermeiden, ist die Transparenz finanzieller Transaktionen entscheidend. Dazu
sind öffentliche Zweckgesellschaften geeignet, unabhängig davon, ob es sich um eine Aktien-
gesellschaft, eine GmbH, eine Stiftung oder eine Anstalt des Bundes handelt. Die Erfahrungen,
die in Deutschland seit der Gründung der KfW mit solchen Zweckgesellschaften gemacht wor-
den sind, zeigen, dass es sich dabei um ein bewährtes und flexibel einsetzbares Instrument han-
delt.
Klima, Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Zur Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen
10
_____________________________________________________________________________________________________

7.1.   Existierende Zweckgesellschaften

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, wurde 1948 als nationale Förderbank gegründet,
um den Wiederaufbau Deutschlands – zunächst in der damaligen Bundesrepublik – zu fördern.
Heute ist sie nach Bilanzsumme die drittgrößte Förderbank der Welt (gleich nach den zwei
größten chinesischen Förderbanken). Während damals Deutschland in Trümmern lag, ist es
heute ein wohlhabendes Land, das den Status Quo schützen will. Doch die Transformation, die
es angesichts der kombinierten Herausforderung von Klimawandel, Pandemie, demographi-
schen Veränderungen, Digitalisierung und mehr zu meistern gilt, ist kaum geringer als die da-
malige. Vor diesem Hintergrund ist naheliegend, dass die KfW auch bei der Finanzierung der
Zukunftsinvestitionen des laufenden Jahrzehnts eine wachsende Rolle spielen wird. Ebenfalls
in diesem Zusammenhang zu nennen sind die KfW Tochtergesellschaften KfW Capital, welche
als Venture-Capital-Geber für technologieorientierte Unternehmen fungiert, sowie die KfW
IPEX-Bank, die über eine eigene Banklizenz verfügt.
Während die KfW die Förderbank des Bundes ist, sind die Landesförderbanken die För-
derbanken der Bundesländer. Analog zur KfW sind sie Anstalten des öffentlichen Rechts und
Kreditinstitute, die selbst kein Geld schöpfen können und sich am Kapitalmarkt bzw. durch den
Landeshaushalt finanzieren können und müssen. Die Verbindlichkeiten der Landesförderban-
ken werden im Zusammenhang mit der deutschen Schuldenbremse bzw. den europäischen
Schuldenregulierungen genauso behandelt wie die Verbindlichkeiten der KfW. Im Rahmen des
europäischen Beihilferechts ist dies möglich, weil die Förderbanken kein sogenanntes Wettbe-
werbsgeschäft betreiben, da sie nicht in Konkurrenz zu anderen Kreditinstituten treten.
Der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, KENFO, ist eine öffentlich-
rechtliche Stiftung zur Sicherstellung der Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung radio-
aktiver Abfälle aus der gewerblichen Nutzung der Kernenergie zur Erzeugung von Elektrizität
in Deutschland. Der KENFO ist mit einem Stiftungskapital von 24 Mrd. Euro die größte öf-
fentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands. Er zeigt, dass auch die Rechtsform der Stiftung für
öffentliche Zweckgesellschaften geeignet ist.
Die Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen – meist verkürzt
als Autobahn GmbH bezeichnet – ist ein Unternehmen im Eigentum des Bundes. Sie über-
nahm am 1. Januar 2021 Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmä-
ßige Verwaltung der Autobahnen in Deutschland. Die Autobahn GmbH finanziert ihre Tätig-
keit ausschließlich aus der deutschen LKW-Maut und gegebenenfalls der deutschen Pkw-Maut.
Ergänzend kann der Bund weitere Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Entgegen den ur-
sprünglichen Plänen ist der Gesellschaft eine Aufnahme von Fremdkapital am Kapitalmarkt
nicht gestattet. Das Stammkapital der Gesellschaft entspricht mit 25.000 Euro dem gesetzlich
vorgegebenen Mindeststammkapital einer GmbH. Im Zusammenhang mit der deutschen Schul-
denbremse erfolgt keine Zurechnung der Verbindlichkeiten der Autobahn GmbH zur Verschul-
dung des Bundes, wohl aber im Rahmen der europäischen Schuldenregulierungen, da dort die
Autobahn-GmbH dem Staatssektor zugeordnet wird und das Brutto-Prinzip gilt, also Forderun-
gen der Gesellschaft an den Bund nicht mit den Verbindlichkeiten der Autobahn GmbH ver-
rechnet werden.
Die Deutsche Bahn AG, DB AG, ist ein Unternehmen im Eigentum des Bundes. Sie ist eine
Aktiengesellschaft, die als Holding mehrere hundert Tochterunternehmen koordiniert. Unter
anderem betreibt sie den größten Teil des deutschen Schienennetzes, das im Eigentum des Bun-
des ist. Weder im Zusammenhang mit der deutschen Schuldenbremse noch der europäischen
Schuldenbremse erfolgt eine Zurechnung der Verbindlichkeiten der DB AG zur Verschuldung
des Bundes. Der Grund, warum die Verbindlichkeiten der DB AG im Gegensatz zur Autobahn
GmbH nicht im Rahmen der europäischen Schuldenregulierungen dem Bund angerechnet
Sie können auch lesen