Profil Kommunal ist die wichtigste Wahl - Anforderungen an eine sozial gerechte und zukunftsfähige Kommunalpolitik!
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kreisverband Lahn-Dill profil Kommunal ist die wichtigste Wahl Anforderungen an eine sozial gerechte und zukunftsfähige Kommunalpolitik! DGB Kreisverband Lahn-Dill | Februar 2021 | Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Impressum Herausgeber: DGB Region Mittelhessen & DGB Kreisverband Lahn-Dill Walltorstraße 17 35390 Gießen www.mittelhessen.dgb.de verantwortlich: Arne Beppler & Robin Mastronardi erarbeitet von: DGB Kreisverband Lahn-Dill Redaktion: Robin Mastronardi Stand: Frühjahr 2021 Preis: kostenlos Hinweis: Die Broschüre kann auf der Homepage: www.mittelhessen.dgb.de kostenlos heruntergeladen werden. Rückfragen: Robin Mastronardi 0641-9327863 Robin.Mastronardi@DGB.de 2 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Inhaltsverzeichnis 1 Anforderungen an eine soziale Wirtschafts- und Strukturpolitik – Mehr Investitionen in die Zukunft und eine aktive Gestaltung der Arbeitswelt! ......6 2 Kommunale Aufträge nur an Betriebe mit guter Arbeit – Lösungen zur Stärkung der Tarifbindung! .........................................................................8 3 Wohnungs- und Bodenpolitik – Bezahlbarer Wohnraum braucht bezahlbaren Boden! .................................................................................10 4 Förderung und Ausbau der Bildungseinrichtungen – Bildungsgerechtigkeit als Ausgangspunkt kommunaler Kraftanstrengungen! ...............................12 5 Gesundheitsversorgung – Gegen ein auf Profitlogik basierendes Gesundheitswesen! ..................................................................................14 6 Verkehr und Mobilität – Ohne Verkehrswende sind die Klimaziele nicht zu erreichen! .................................................................................................15 7 Demokratie fördern – Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements! ...17 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 3
Vorwort Kommunal ist die wichtigste Wahl! Kommunalwahl. Näher dran an den Menschen kann eine Wahl, kann eine politische Ebene nicht sein. Hier wird darüber entschieden, wie unsere unmittelbare Umgebung aussieht, welche Angebote es gibt, welche Bauten errichtet, abgebrochen oder saniert werden und ob das zu fairen oder unfairen Bedingungen stattfindet. Wer, wann, wie unseren Müll abholt und wohin er gebracht wird. Ob es vor Ort ein Schwimmbad gibt und ob sich Arbeitnehmer*innen mit ihren Familien dieses Vergnügen leisten können. Ob es preiswerten Wohnraum gibt, ob der ÖPNV/SPNV attraktiv ist und ob die Schule vielleicht doch noch vorher saniert wird. All das sind Aufgaben der Kommunen. Und deshalb ist es so wichtig, als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Kommunalwahl zu gehen. Mit diesem Papier wollen wir einige wichtige Eckpunkte für kommunale Politik in unserem Lahn-Dill-Kreis aufzeigen. Keineswegs haben wir dabei den Anspruch auf Vollständigkeit. Nur weil es nicht in diesem Papier steht, kann es trotzdem wichtig sein. Leider sind unsere Kommunen und Kreise auch die Ebene, in die der Sparwahn der Bundes- und Landesebene durchgereicht wurde. Durch das Übertragen von immer mehr Ausgaben auf die Kommunen beim gleichzeitigen Entzug von Finanzmitteln und Einnahmen gibt es eigentlich keine Kommune in Hessen, die finanziell gut da steht. Die stolz gemeldeten Entlassungen aus der sogenannten Hessenkasse, sind in aller Regel mitunterlassener Bauunterhaltung, personeller Ausdünnung und Eindämmungen von Sozialleistungen erkauft. Die Kommunen haben keineswegs im Luxus geschwelgt, trotzdem stehen sie oft finanziell schlecht da. Wenn den Städten, Gemeinden und Landkreisen nun auch noch die finanziellen Lasten aus der Corona-Krise aufgebürdet sind, werden sie diese Schulden nur mit Hilfe des Landes und des Bundes abtragen können. Niemals aber durch Haushaltsdisziplin. 4 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Exkurs: Corona und jetzt? Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas auf die Schwächen und Stärken unserer Gesellschaft. Dass bisher viele Massenentlassungen und Betriebsschließungen vermieden werden konnten, hat etwas mit unserem System sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu tun. Jahrzehnte klagten Unternehmer und ihre Verbände über zu hohe Lohnnebenkosten und forderten den Abbau arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Beschäftigungsstandards, teilweise mit Erfolg. Dort, wo heute prekäre Beschäftigung, Scheinselbstständigkeit, betriebsrats- und tariffreie Zonen die Arbeitswelt bestimmen, sind die Pandemieauswirkungen für die Beschäftigten umso härter. Die Großschlachterei Toennies ist keine Ausnahme, sondern symptomatisch für ganze Branchen. Viel zulange war unsere Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik vom neoliberalen Zeitgeist geprägt: Privat geht vor Sozial. Doch einen armen Staat können sich nur Reiche leisten. Die Folgen dieser Politik sind zunehmende Armut einerseits und horrende Vorstandsvergütungen anderseits. Aber auch immer mehr handlungsunfähige Kommunen auf der einen und unermesslicher Reichtum in immer weniger Händen auf der anderen Seite. Die Pandemie legt schonungslos offen, was das Sparen im Gesundheitssystem anrichtet. Die Verteilung der dringend benötigten Impfstoffe, dass Unternehmensinteressen nicht konform gehen mit dem Interesse des Gemeinwohls. Der Markt regelt eben nicht alles am besten! Neben der Wichtigkeit zur Wahl zu gehen und somit für Arbeitnehmer*innen dienliche Mehrheiten zu sorgen, ist es wichtig sich zu organisieren und einer DGB-Gewerkschaft beizutreten. Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, dass der beste Schutz in Krisenzeiten Solidarität und die Organisation in einer Gewerkschaft ist! DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 5
1 Anforderungen an eine soziale Wirtschafts- und Strukturpolitik Mehr Investitionen in die Zukunft und eine aktive Gestaltung der Arbeitswelt! Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung in der Region stärken! Kommunale Wirtschaftspolitik muss sich an Beschäftigungspolitik orientieren! Ausweitung des Wissenstransfers und der Vernetzung – Aktive Einbeziehung der Arbeitnehmer*innen-Perspektive in die Entwicklungsprozesse der regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik! Re-Kommunalisierung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge! Ungeachtet der wirtschaftlichen Vollbremsung durch die Corona-Pandemie schreiten Strukturbrüche durch den technologischen Wandel, Globalisierungsprozesse und den Klimaschutz weiter voran und wurden teilweise sogar beschleunigt. Damit in diesem Wandel niemand zurückbleibt, braucht es klare arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und kommunalpolitische Zukunftskonzepte, die sich an den Leitlinien Beschäftigungssicherung, „Gute Arbeit“ und soziale Sicherheit ausrichten. Nachhaltige öffentliche Investitionen und eine aktive Industriepolitik treiben neue Entwicklungen voran und schaffen somit notwendige Grundlagen für einen gerechten Strukturwandel in unserer Region. Es geht um den Erhalt und die Schaffung neuer Wertschöpfung mit guter Arbeit in Industrie- und Dienstleistungsbranchen und für alle Beschäftigungsgruppen. Dabei sind die Stärkung der industriellen Basis, auf Grundlage einer nachhaltigen Wertschöpfungskette und der Ausbau erneuerbarer Energien, von elementarer Bedeutung. Ziel einer kommunalen Wirtschaftsförderung muss der Erhalt und die Schaffung von sozial abgesicherten und zukunftsorientierten Arbeitsplätzen sein! Konkret bedeutet dies, dass die hiesige Wirtschaftsförderung nur Unternehmen fördert und unterstützt, die ihren Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen auf Grundlage eines Tarifvertrags ermöglicht. Aus gewerkschaftlicher Sicht bedeutet dies bzw. der Begriff „Gute Arbeit“, eine starke Mitbestimmung durch Betriebs- und Personalräte, dass Beschäftigungsverhältnisse sicher und unbefristet sind, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Gesundheitsschutz gewahrt und gerade im Umbruch Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung gewährleistet wird. 6 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Unternehmen, die hingegen durch Lohnunterbietung, ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Steuerflucht aufgefallen sind, sollte eine Ansiedlung und Expansion verwehrt bzw. erschwert werden: Keine Unterstützung von prekärer Arbeit, wie z.B. Befristungen, Minijobs, Leiharbeit und Werkverträge. Gute Arbeitsplätze müssen der Maßstab und das Zentrum kommunalpolitischer Kraftanstrengungen sein. Die sinkende Zahl an tarifgebundenen Betrieben ist der wesentliche Grund für die Zunahme von prekärer Beschäftigung. Die Kommunen sollten ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und als Auftraggeberin und bei der Vergabe von Gewerbeflächen stärker auf ihre soziale Verantwortung achten. Tarifbindung muss das zentrale Kriterium für die Vergabe von öffentlichen Geldern sein. Darüber hinaus muss dem produzierenden Gewerbe einen großen Stellenwert in der Wirtschaftsförderung eingeräumt und der Industriestandort gestärkt werden. Wir fordern ein Umdenken! Teil einer aktiven und nachhaltigen Industrie- und Strukturpolitik muss gerade auch die Perspektive der Beschäftigten berücksichtigen. Hier geht es vor allem um die regionale Umsetzung des „Arbeit-von-morgen“-Gesetzes insbesondere was vernetzte Angebote der Qualifizierungsberatung – ohne Zugangsvoraussetzungen – betrifft. Zu verstetigen und auszubauen, unabhängig von Landesprogrammen, wäre hier das kommunale Beratungsangebot durch die Qualifizierungsberater*innen/Bildungscoaches als niederschwelliges und mobiles Angebot. So könnten Volkshochschulen oder Bibliotheken zu Häusern der Qualifizierung ausgebaut werden. An der im Rahmen des Projekts „Konturen für eine Arbeitswelt 2030“ entwickelten Strategie „Gemeinsam für „Gute Arbeit im Lahn-Dill-Kreis“, muss unter Beteili- gung von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Gruppen weitergearbeitet und in Form von Teilprojekten konkretisiert werden. Ein gerechter digitaler Wandel der Arbeitswelt kann also nur durch die umfassende Einbeziehung und Berücksichtigung aller Akteur*innen des Arbeitsmarkts gewährleistet werden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Wahrnehmung der Beschäftigten und deren Interessensvertretungen als Expert*innen der Arbeitswelt. Diesem Potenzial muss in der Region einen höheren Stellenwert beigemessen werden! DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 7
2 Kommunale Aufträge nur an Betriebe mit guter Arbeit Lösungen zur Stärkung der Tarifbindung! Verbindliche kommunale Vergaberichtlinien erstellen! Stärkung sozialer Standards bei öffentlichen Ausschreibungen! Soziale Standards und gesetzliche Regelungen konsequent überprüfen und umsetzen! Aufnahme einer Generalunternehmerhaftung und Begrenzung von Subun- ternehmen! Bei Betreiberwechsel: Verpflichtung zur Übernahme der Beschäftigten und Einhaltung der Lohn- und Beschäftigungsstandards! Für immer weniger Beschäftigte und Betriebe in Deutschland gilt ein Tarifvertrag. Im Jahr 2018 waren nur noch 56 Prozent der Beschäftigten im Westen und 45 Prozent im Osten tarifgebunden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitnehmer*innen selbst, sondern auch auf die Allgemeinheit. Bund, Länder und Kommunen entgehen durch Tarifflucht und Lohndumping jährlich Milliarden. Tarifbeschäftigte sind in Krisen besser geschützt und verdienen mehr als Nicht-Tarifbeschäftigte – Das ist Fakt! Die schwindende Tarifbindung bedeutet nicht nur weniger Netto bei den Beschäftigten, sondern auch weniger Einzahlungen in das gesamte Sozialversicherungs- und Steuersystem sowie weniger Kaufkraft in den Kommunen selbst. Bei einer flächendeckenden Tarifbindung hätten die Sozialversicherungen deutschlandweit jährliche Mehreinnahmen von knapp 25 Milliarden Euro, die Einnahmen aus der Einkommensteuer lägen knapp 15 Milliarden Euro höher und die Kaufkraft der Beschäftigten wäre gut 35 Milliarden Euro stärker. Neben den staatlichen Mehreinnahmen, aus denen Investitionen für die Allgemeinheit bzw. für die öffentliche Daseinsvorsorge getätigt werden könnten, und der Kaufkraftsteigerung, bedeuten Tarifverträge auch immer bessere Arbeitsbedingungen sowie eine stärkere Einflussnahme und Mitbestimmung durch Arbeitnehmer*innen. Darüber hinaus fördern Tarifverträge, in Form von Flächentarifverträgen und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, faire Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen. 8 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Die Kommunalpolitik muss der Entwicklungen der Tarifbindung entschlossen entgegentreten! Da von einer Novellierung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) zeitnah nicht ausgegangen werden kann, müssen die Kommunen selbst aktiv werden und eigene verbindliche Vergaberichtlinien etablieren. Öffentliche Aufträge und Fördergelder sollten fortan nur noch Unternehmen erhalten, die ihren Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen auf Grundlage eines Tarifvertrags ermöglichen. Als größter Auftraggeber am Markt muss die öffentliche Hand Vorbild sein und darf keinen Billiganbietern Zuschlag erteilen. Hierbei geht es auch um die Sicherstellung einer nachhaltigen Verwendung von Steuergeldern. Lohndumping und Unterbietungswettbewerbe können nicht Ziel einer öffentlichen Auftragsvergabe sein! Deshalb gilt neben dem Schutz vor Preisunterbietung durch Lohndumping ein höherer Anteil an Tarifbindung zu fördern. Die Tariftreue bei öffentlicher Auftragsvergabe ist ein existenzielles Instrument zur Stärkung der Tarifbindung. Die hohe ökonomische Bedeutung (Nachfragemacht) der öffentlichen Hand kann die Tarifbindung stark beeinflussen. Deshalb fordern wir verbindliche kommunale Vergaberichtlinien, die folgende Aspekte beinhalten. Aspekte einer wirksamen kommunalen Tariftreue- und Vergaberichtlinie! Einrichtung von Kontrollbehörden auf kommunaler Ebene und Verhängung von Sanktionen bei Verstößen gegen die Vergaberichtlinie – beispielsweise mehrjähriger Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe Aufnahme einer Generalunternehmerhaftung Ausweitung der Tariftreueregelungen für öffentliche Auftragsvergaben auf alle Branchen und Gewerke Kollektive Fortgeltung von Vertragsbedingungen nach Betreiberwechsel Förderung von Ausbildungsbetrieben DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 9
3 Wohnungs- und Bodenpolitik Bezahlbarer Wohnraum braucht bezahlbaren Boden! Sozialen und bezahlbaren Wohnraum schaffen! Gemeinwohlorientierte und öffentliche Wohnbaugesellschaften stärken! Verdichtung von Stadt- und Dorfkernen! Ausweisung von Erweiterungsflächen nur unter sozialen Vorgaben! Wohnraum für Auszubildende und Studierende schaffen! Wohnen ist ein Menschenrecht! Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ist in Wetzlar hoch und die Mieten steigen stark. Ein immer größerer Anteil des Einkommens muss verwendet werden, um die Miete zu bezahlen. Viele Menschen können sich schlichtweg eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes nicht mehr leisten und werden aus der Stadt und ihren Vierteln verdrängt. Darüber hinaus ist mit einer Entspannung des Wohnungsmarkts nicht zu rechnen: Auch in Zukunft steigt der Bedarf an preisgünstigem Wohnraum und der Anteil an zweckgebundenen Wohnungen nimmt rapide ab. Aus der angespannten und sich verschärfenden Marktlage resultiert ein starker Bedarf an Neubautätigkeiten, der ein weiteres Problem hervorbringt: Grund und Boden ist endlich. Potenzielle Bauflächen in den Städten sind also ein unvermehrbares und unentbehrliches Gut, das dem freien Markt weitgehend entzogen werden muss. Eine sozial gerechte Bodennutzung ist Grundlage für die Erfüllung des Menschenrechts auf Wohnen und die Bereitstellung sozialer Infrastruktur. Eine Wohnungs- und Bodenpolitik die diese Aspekte nicht berücksichtigt, führt zwangsläufig zu steigenden Bodenpreisen und letztlich dazu, dass der Einfluss des Bodenpreises auf die Immobilien- und Mietpreise enorm steigen. Der Boden darf nicht zum Spekulationsobjekt verkommen! Bezahlbarer Wohnraum braucht bezahlbaren Boden! Angesichts der sich verschärfenden Wohnungskrise ist die Kommunalpolitik auf allen Ebenen gefordert, die bedarfsgerechte Wohnraumversorgung sicherzustellen: Hierfür ist eine öffentliche Investitionsoffensive, mehr Schutz für die Mieter*innen sowie die Vollausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten nötig! Wie auch bei der Veräußerung der Buderus Immobilien GmbH setzen wir uns auch zukünftig für die Belange der Mieter*innen und für den sozialen Wohnungsbau bzw. die Sicherung der sozialen Wohnraumversorgung aktiv ein! 10 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Kommunalpolitische Ansätze zur Sicherung einer sozialen und bedarfsorientierten Wohnraumversorgung Wohnungsbau und Bodenpolitik o Ausschöpfung der gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Baugesetzbuch (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) o Mobilisierung von Baugrundstücken und –lücken, ggf. Rückkauf sowie Bau- und Erhaltungsgebote o Nutzung des gesetzlichen Vorkaufsrecht der Kommunen o Re-Kommunalisierung: Boden- und Wohnungsbestände ankaufen und dem privaten Markt entziehen o Öffentliche und gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften müssen weiter gestärkt werden. Die Überschüsse müssen Re-investiert und nicht als Gewinn an den Haushalt abgeführt werden o Unterstützung, Förderung und Beratung alternativer und inklusiver Wohnformen und-konzepte – Einrichtung einer Beratungsstelle auf Stadt- und Kreisebene o Einrichtung einer interkommunalen Initiative zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Landkreis unter Koordination des Landkreises o Öffentliche Liegenschaften und neu ausgewiesene Bebauungsflächen vorzüglich an kommunale oder gemeinwohlorientierte Unternehmen überlassen und den Anteil an sozialgebundenen Wohnraum festschreiben – Die Vergabe an private Wohn- und Immobiliengesellschaften nur über Konzeptvergabe o Bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende schaffen – Einrichtung eines Auszubildendenwerks Mieten o Einsatz für eine Mietpreisbremse und Kappungsgrenze/Mietendeckel) in Wetzlar und weiteren angespannten Wohnungsmärkten im Lahn-Dill-Kreis o Eigenbedarfskündigungen müssen stark eingeschränkt werden, Mieter*innenschutz stärken Coronabedingte Forderungen o Aussetzung von coronabedingten Kündigungen durch Mietschulden – Ausweitung des Kündigungsschutzes o Keine Mieterhöhungen während der Pandemie DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 11
4 Förderung und Ausbau der Bildungseinrichtungen Bildungsgerechtigkeit als Ausgangspunkt kommunaler Kraftanstrengungen! Das Recht auf einen Betreuungsplatz ist von den Kommunen konsequent umzusetzen! Gesellschaftliche Anerkennung des zentralen Werts der Bildungsaufgabe des Elementarbereichs! Modernisierung und Ausbau der Schulinfrastruktur! Schule als Lebensraum verstehen und entwickeln! Lehrmittelfreiheit gilt auch für die technische Ausstattung! Frühkindliche Bildung – Sozialpädagogische Fürsorgeeinrichtung mit Bildungsaufgabe Kitas dürfen nicht ausschließlich als Fürsorgeeinrichtung mit reiner Betreuungsaufgabe verstanden werden. Sie dienen der Förderung und Bildung der individuellen Fähigkeiten der Kinder. Dies beinhaltet die Erprobung und Unterstützung ihrer Selbständigkeit im Alltag sowie die Vorbereitung auf ihre schulische Bildungslaufbahn. Frühkindliche Bildung ist einer der grundlegenden Faktoren für einen erfolgreichen Bildungsverlauf und daher von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung. Dafür brauchen wir qualifizierte Fachkräfte und einen höheren Betreuungsschlüssel, um die individuellen Bedürfnisse der Kinder adäquat berücksichtigen zu können und somit die Qualität der pädagogischen Arbeit zu stärken. In der Corona-Pandemie hat sich eindrücklich gezeigt, dass eine kleinere Gruppengröße der zu betreuenden Kinder und einem daraus resultierenden stärkeren Kind-Fachkraft-Betreuungsschlüssel die Möglichkeit bietet, die Zeit für die gezielte individuelle Förderung zu nutzen. Zudem ermöglicht eine höhere Fachkraftkapazität den zusätzlichen pädagogischen Aufgaben und Tätigkeiten entsprechend nachzukommen (Beobachtung und Dokumentation, Vorbereitung und Planung von Entwicklungsgesprächen, ständige Überarbeitung und Anpassung des pädagogischen Konzepts, usw.). Ein enormer Fachkräftemangel im Bereich der Kitas ist nicht von der Hand zu weisen. Konkret bedeutet dies, dass neben der Umstrukturierung des Ausbildungssystems weitere Bedingungen massiv verbessert werden müssen. Eine Vergütung des Ausbildungsberufs muss eingeführt werden. Darüber hinaus bedarf es einer schrittweisen Anpassung der Vergütung und Ausbildung der Erzieher*innen an die von schulischen Lehrkräfte. Denn: Die besten Pädagoginnen und Pädagogen gehören in die frühkindliche Erziehung und Bildung! Auf den Anfang kommt es an. 12 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Schulische Bildung – Schule als Lernort und Lebensraum begreifen Die Schulträger sind aufgerufen dafür zu sorgen, dass an allen Schulformen die notwendige Infrastruktur für digitale Lernformen bereitgestellt wird. Dazu gehören nicht nur die benötigten Endgeräte, sondern der Ausbau bzw. die Bereitstellung des Breitbandnetzes, die Ausstattung mit flächendeckendem WLAN, Beamern, intelligenten Whiteboards und die Entwicklung von digitalen Lernkonzepten. Letztendlich brauchen wir das vernetzte Klassenzimmer. Angesichts der hohen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung von Bildung und Ausbildung in Deutschland ist es mehr als unverständlich, dass es nicht einheitliche Richtlinien für die Schaffung und Fortentwicklung der digitalen Infrastruktur gibt, sondern es häufig vom individuellen Engagement oder technischem „Know how“ einzelner Schulleitungen oder Lehrer*innen abhängt. Auch wenn Wetzlar und der Lahn-Dill-Kreis in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in die Hand genommen haben und immer noch nehmen, um die Schulen fit für die Zukunft zu machen, erfüllen viele Schulen nicht mehr die heutigen Standards, die von Lehrer*innen und Schüler*innen an moderne Lerninfrastruktur gestellt werden. Hierzu gehören nicht erst seit Corona auch funktionierende Luftfiltersysteme. Ebenso sind viele Schulen baulich noch nicht für den Ganztagsunterricht geeignet. Es fehlen Mensen und Räume für Betreuung, Arbeitsgruppen und außerschulische Angebote. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie rächen sich diese Versäumnisse, da pro Schüler*in viel mehr Platz vorgehalten werden muss. Bildung muss von Seiten der Schulträger auch tatsächlich der Stellenwert eingeräumt werden, der immer postuliert wird. Die unterschiedliche Qualität von Schulgebäuden sorgt für unterschiedliche Chancen. Diese Ungleichheit gefährdet Zusammenhalt und Demokratie. Die Kommunen müssen dafür Sorge tragen, dass Schüler*innen unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern ein Ganztagsangebot wahrnehmen können. Bildungsmöglichkeiten und Chancengerechtigkeit dürfen nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen abhängig sein. Bildung war, ist und bleibt eine öffentliche Aufgabe, die man keinem Markt überlassen darf. Nicht nur deshalb brauchen wir einen starken und handlungsfähigen Staat! DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 13
5 Gesundheitsversorgung Gegen ein auf Profitlogik basierendes Gesundheitswesen Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge / Gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens! Gesundheitliche Grundversorgung muss für alle Menschen barrierefrei er- reichbar sein! Bessere personelle Ausstattungen der Kliniken und Pflegeeinrichtungen! Höhere Bezahlung für alle Beschäftigten im Krankenhaus, Pflegeheim und Pflegedienst Der Anteil an Betrieben und Einrichtungen der Krankenversorgung und Pflege hat in unserer Region einen wesentlichen Anteil an der Gesamtbeschäftigung. Die Gesundheitswirtschaft ist eine beschäftigungspolitische Leitbranche für Mittelhessen. Die Arbeitsbedingungen in Pflege und Gesundheitsversorgung haben also einen starken Einfluss auf die Gesamtlage für Arbeit und Beschäftigung. Eine gute medizinische Versorgung der Patient*innen ist auf Dauer nur leistbar, wenn die Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen zu guten Tarifbedingungen erhalten. Wir fordern quantitative und qualitative Personalmindeststandards und den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, um eine weitere Überlastung der Mitarbeiter*innen abzuwenden, sowie einen Ausschluss aller Ausgliederungen. Darüber hinaus muss die gesundheitliche Versorgung barrie- refrei, nicht nur durch stationäre-, sondern auch durch ambulante Versorgung flächendeckend gewährleistet werden. Konkret fordern wir den Ausbau der ambulanten psychosozialen Versor- gung im Kreisgebiet. Hier ist ein besonderes Augenmerk auf die ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Angebote im nördlichen Kreisgebiet zu legen und man könnte auf die positiven Erfahrungen mit dem Landärztenetz aufbauen. Darüber hinaus erwarten wir im Bereich der Pflege die Förderung alternativer und teilstationärer Pflegekonzepte im Kreisgebiet. Die Orientierung an Rendite und Profit durch die Einführung von Fallpauschalen im Gesundheits- wesen war eine falsche Ausrichtung diverser sozialpolitischer Maßnahmen in den vergangenen Jahren. Sie geht zu Lasten der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Leidtragende sind die Beschäftigten, Patient*innen sowie die Bewohner*innen und letztlich die gesamte Bevölkerung, deren Versorgungssicherheit aufs Spiel gesetzt wird – insbesondere im ländlichen Raum. Wir brauchen landkreisbezogene Gesundheits- und Pflegebeiräte, die ortsbezogene Konzepte ausarbeiten, die zu der jeweiligen Region passen. Sie sollen u.a. darüber entscheiden, welche Investitionen die Kommune in Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft tätigt. 14 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
6 Verkehr und Mobilität Ohne Verkehrswende sind die Klimaziele nicht zu erreichen! Mehr finanzielle Mittel für den ÖPNV/SPNV! Reaktivierung vorhandener Bahnstrecken! Förderung des Radverkehrs! Erhaltung der Straßen vor Ausbau! Der DGB setzt sich für die Umsetzung der Pariser Klimaschutzziele für eine soziale und ökologisch orientierte Verkehrswende in der Region ein. Dazu stellen wir folgende Forderungen: Der Anteil der Nutzung des Öffentlichen Verkehrs an der gesamten Mobilität soll in der Region in absehbarer Zeit mindestens verdoppelt werden. Wir fordern die Reaktivierungen, Neubauten und Ausbauten von Bahnstrecken in der Region. Von Rückbau und Entwidmung von Bahnliegenschaften muss komplett abgesehen werden. Die von der „Allianz pro Schiene“ mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen herausgegebene „Agenda zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken" (Stand 2. Auflage 2020) wird vom DGB unterstützt. Integrierte moderne regionale und städtische Nahverkehrssysteme und -konzepte werden unterstützt. Das Stadt-Land-Gefälle muss aufgehoben werden. Die bislang in Kraft getretenen regionalen und lokalen Nahverkehrspläne werden als unzureichend angesehen. Sie erfüllen nicht die Ziele der Verkehrswende. Stadt, Landkreis- und Verbundgrenzen dürfen keine Barrieren im ÖPNV-Netz darstellen. Im Rhein-Main-Verkehrsverbund werden nicht im erforderlichen Maß Entscheidungen für die Weiterentwicklung des Schienenpersonennahverkehrs sowie des Regionalbusverkehrs Mittelhessen getroffen. Die Mitglieder des RMV-Aufsichtsrats aus Mittelhessen müssen mit klaren Vorgaben die Interessen einer sozial-ökologischen Verkehrswende in der Region Mittelhessen gemeinsam vertreten. Langfristiges Ziel: ÖPNV zum Nulltarif für alle Menschen! Der Ausbau des ÖPNV muss Vorrang haben vor dem Pkw-Verkehr. Ggf. sind auch Einschränkungen des Pkw-Verkehrs notwendig. Andere Angebote, wie der Fuß- und Fahrradverkehr, Carsharing und Mitfahrmöglichkeiten müssen so attraktiv für die Menschen sein, dass sie mit den Verkehrsmitteln des gesamten Umweltverbundes ohne eigenes Auto nachhaltig mobil sein können. Die Vorteile der Nutzung des ÖPNV und des Umweltverbundes sollten positiv und glaubhaft in der Öffentlichkeit vermittelt werden. DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 15
Die Finanzierung des ÖPNV muss weiterhin durch die öffentliche Hand erfolgen: Bund: bundesweit, Bund und Länder: außerhalb der Städte sowie Bund, Länder und Kommunen: innerstädtisch. Auch Unternehmen, Handel oder auch Beherbergungsbetriebe sollten sich an der Finanzierung beteiligen. Weitere Abgaben aus z. B. City-Maut oder Parkraumbewirtschaftung können zur Finanzierung beitragen und müssen offen diskutiert werden. Mobilität ist ein wichtiger Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge. Sie muss für alle bezahlbar und zugänglich sein. Seit Jahren ist im Bereich der Verkehrsinfrastruktur ein Investitionsstau zu beobachten, der Wirtschaft und Arbeitsplätze gefährdet. Der DGB setzt sich für dauerhaft und deutlich mehr öffentliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur ein. Dabei soll der Erhalt vor dem Neubau gefördert werden. Ländliche Regionen müssen besser an die Städte und Ballungsräume angebunden werden. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen sämtliche Verkehrsträger stärker mit-einander vernetzt und klimafreundliche Verkehrsträger wie Bus, Bahn und Fahrrad gestärkt werden. Der ÖPNV muss einfach und barrierefrei für alle Menschen zugänglich sein, da alle Menschen ein Grundrecht auf Mobilität haben. Dieses Recht folgt aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und dem Grundrecht auf Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Mobilität muss nutzerfreundlich, sozialverträglich, diskriminierungsfrei und umweltfreundlich gestaltet sein! Damit mehr Beschäftigte auf Bus und Bahn umsteigen, müssen betriebliche Mobilitätskonzepte stärker unterstützt und die Konditionen für Job-Tickets verbessert werden. Dies gilt insbesondere für Kleinst- und Kleinbetriebe. Die Kommune soll als Vorbild für eine klimafreundliche betriebliche Mobilität voran gehen. Elektromobilität und emissionsarme Antriebstechnologien müssen mit entsprechender Ladeinfrastruktur ebenso wie alternativer Mobilitätsangebote gefördert werden. Der Güterverkehr muss stärker auf die Schiene verlagert werden. Der DGB fordert eine ausreichend Finanzierung des ÖPNV. Weil die Kommunen dazu nicht in der Lage sind, ist eine dauerhaft höhere Beteiligung des Bundes und des Landes unerlässlich. Der DGB fordert, dass „Gute Arbeit“ und Tariftreue für die Beschäftigten im Verkehrssektor gesichert werden. Dazu gehört, dass die Beschäftigten im ÖPNV bei einem Betreiberwechsel verpflichtend zu den bisherigen Löhnen und Arbeitsbedingungen übernommen werden. Der Vor- rang eigenwirtschaftlicher Verkehre muss im Personenbeförderungsgesetz abgeschafft werden. 16 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
7 Demokratie fördern Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements Konsequentes Handeln gegen jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus und Gewallt sowie anti-demokratischer Bewegungen! Förderung des interkulturellen Austauschs und der Zusammenarbeit! Förderung demokratiestiftender Projekte und Initiativen! Förderung von Selbstbestimmungsrechten aller Menschen! Mehr Schutz für Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors Eine unübersehbare Verrohung der Gesellschaft ist feststellbar, die sich in den letzten Jahren statistisch durch die hohe Zahl von Gewaltdelikten bemerkbar macht. Im Bekenntnis zu seinen antifaschistischen Wurzeln sind die Arbeit gegen Menschenfeindlichkeit und die Arbeit gegen Gewalt, Rassismus und Antisemitismus und jegliche Form von Diskriminierung Aufgaben des DGB. Die gewerkschaftlichen Werte beruhen auf Solidarität, Respekt, Akzeptanz für Vielfalt, Würde und Gleichwertigkeit der Menschen. Der DGB und Gewerkschaften treten sowohl in der Gesellschaft, in Bildung und der Arbeitswelt Nationalismus und Rassismus und damit verbundenen ausgrenzenden und menschenfeindlichen Ideologien entschieden entgegen. Wir treten auf allen Ebenen dafür ein, dass Menschen ihre Interessen selbst in die Hand nehmen, sich solidarisch organisieren und engagieren. Wir organisieren Arbeitnehmer*innen, unabhängig von Staatsangehörigkeit und Herkunft. In den Gewerkschaften ist eine Vielzahl von Menschen mit Migrationsgeschichte und People of Color Mitglied, mehr als 500.000 allein in der IG Metall. Dass unsere Demokratie und die Sicherheit der Bevölkerung insbesondere von der extremen Rechten bedroht ist – das ist bereits mit den Morden des sogenannten NSU sowie spätestens nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den rechtsterroristischen Anschlägen in Halle und in Hanau auf grausame Weise deutlich geworden. Eine Gruppierung, die sich selbst als „NSU 2.0“ bezeichnet, richtet ganz aktuell Drohbotschaften an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und verfügt offensichtlich über Details zu Wohnanschriften und Kontaktdaten dieser Personen. „Feindes- und Todeslisten“ werden auch von anderen rechtsterroristischen Gruppierungen erstellt und teilweise auch für Bedrohungen oder Anschläge, wie in Berlin-Neukölln verwendet. Rechter Terror in Deutschland hat eine traurige und blutige Tradition: Seit der Wiedervereinigung wurden mehr als 200 Menschen von Rechtsextremisten ermordet. Nach wie vor bedarf es einer umfassenden DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 17
Erörterung der Ergebnisse der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU auf Bundes- und Landesebene und der Umsetzung der offenen Empfehlungen in den Abschlussberichten dieser Ausschüsse, u. a. zur Arbeit der Sicherheitsbehörden. Nach wie vor bleibt aber ein erhebliches Dunkelfeld, das der Aufklärung bedarf. Dazu gehören die Unterstützernetzwerke, die Frage der möglichen Vernetzung von als Einzeltätern betrachteten Attentätern, die Situation jenseits von Vereins- und Parteistrukturen als auch „Wohlfühlräume“ für Neo-Nazi-Aktivitäten wie Konzerte der extrem rechten Szene, Plattenlabels, die bewusst mit der Grenze der Strafbarkeit spielen, der Vertrieb von Devotionalien, Versuche der Errichtung „national befreiter Zonen“ vor allem in ländlichen Gebieten u. v. m. Szenen, die bis 2013/14 unscheinbar und eher in kleinen Milieus organisiert waren, konnten durch soziale Netzwerke ihr Potential erheblich steigern. Dies gilt für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, gewaltaffine Gruppen, die sich etwa in Bürgerwehren zusammenschließen das auch Strukturen wie die „Identitäre Bewegung“ und Pegida. Teilweise existieren internationale Verbindungen, die in das terroristische Umfeld hineinreichen. Wir fordern deshalb: Die Stärkung und Förderung der Politischen Bildung und politischer Initiativen – als Demo- kratiestiftend - ländliche Räume und strukturschwache Regionen nicht vernachlässigen Eine Ausweitung und Stärkung der politisch-historischen Bildungsmaßnahmen Strukturelle Kooperationen beibehalten und intensivieren Demokratiebildung in Schulen Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch – Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen und privatisierten Sektor stoppen! Immer wieder werden Beschäftigte, die für Sicherheit, Ordnung und öffentliche Dienstleistungen sorgen, bei ihrer Arbeit bedroht, beleidigt und angegriffen. Es gibt kaum eine Berufsgruppe im öffentlichen oder privatisierten Sektor, die nicht betroffen ist. Und damit trifft es in der Regel genau jene Menschen, die selber durch die zunehmende Arbeitsverdichtung aufgrund vorangegangener Sparmaßnahmen schon stark belastet sind. Personalaufbau und angemessene Ausstattung sicherstellen! Potenziell gefährdete Beschäftigte müssen vor Übergriffen geschützt werden. Ein erster Schritt ist die Sicherstellung einer hinreichenden Personaldecke auf Grundlage seriöser Personalbedarfsanalysen sowie eine moderne Ausstattung der Beschäftigten. 18 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Personalaufwuchs hilft Beschäftigten und reduziert Gefahren. Keine Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung privatisieren. Der DGB fordert einen Anspruch auf entsprechende Fort- und Weiterbildungen mit direktem Bezug zum Umgang mit Gewalt. In diesem Zusammenhang ist auch das Gesundheitsmanagement auszubauen, um mit Bedrohungssituationen im Sinne der Nachsorge umzugehen und Beschäftigte nicht alleine zu lassen. Ein öffentlicher Bewusstseinswandel! Auch wenn Bürger*innen häufiger von den Leistungen des Staates enttäuscht und/oder frustriert sind: Die körperliche und seelische Unversehrtheit der Beschäftigten, die für Probleme und Missstände keinerlei Verantwortung tragen, muss im öffentlichen Bewusstsein wieder klar verankert werden. Hierzu müssen auf Kreisebene Konzepte erstellt und umgesetzt werden. Selbstbestimmungsrechte fördern! Die nicht nur gesundheitliche Selbstbestimmung von Frauen ist schon lange ein Thema der Gewerkschaften, hierunter fällt auch die freie Entscheidung über eine Schwangerschaft oder deren Abbruch. Die Situation von betroffenen Frauen ist seit den ersten Beschäftigungen auf dem Parlament der Arbeit 1986 nur marginal besser geworden. Wir fordern auch heute die Abschaffung des §219a StGB. Dies ist ein wesentlicher Schritt hin zu einer Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft. Durch den weiteren Bestand des Paragrafen, der sich mit der Wer- bung für Schwangerschaftsabbrüchen beschäftigen, werden Ärzt*innen, wie Kristina Hänel aus Gießen, immer wieder von fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen verklagt, weil sie angeblich für Schwangerschaftsabbrüche „werben“ würden, obwohl sie das Recht auf Information für Patient*innen wahren. Viele Ärzt*innen informieren auf ihren Plattformen des- halb nicht mehr über die Möglichkeiten und Formen von Abbrüchen. Hierdurch ist die Gesundheit jener Frauen in Gefahr, die unsicher sind und eine Entscheidung für sich treffen möchten. Das Kriminalisieren von Ärzt*innen und Patient*innen die sich für eine Abtreibung entscheiden, lehnen wir entschieden ab. In diesem Zusammenhang ist auch der Bestand und die Sicherheit von Beratungsstellen vor Ort zentral, um den Frauen eine niedrigschwellige, zeitnahe Entscheidungshilfe zur Verfügung stellen zu können. DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen 19
Das Frauenhaus Wetzlar und das Interventions- und Beratungsangebot im Lahn-Dill Kreis muss dauerhaft finanziert und weiter ausgebaut werden. Ergänzend müssen die finanziellen Mittel für Angebote für Kinder von Gewalt betroffenen Frauen bereitgestellt werden. Der „Verhütungsmittelfonds“ muss weiterhin und dauerhaft durch den Lahn-Dill-Kreis und die Stadt Wetzlar mit finanziellen Mitteln gespeist werden, solange es noch keine gesetzliche Regelung auf Bundesebene gibt. Die finanzielle Ausstattung des Fonds muss jährlich entsprechend der tatsächlichen Bedarfe angepasst werden. Der „Runde Tisch häusliche Gewalt“ muss beibehalten und mit ausreichend finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet werden. 20 DGB Kreisverband Lahn-Dill – Politisches Eckpunktepapier zur Kommunalwahl 2021 in Hessen
Sie können auch lesen