Projektarbeit aus dem Lehrgang Biochemie und Mikrobiologie
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Projektarbeit aus dem Lehrgang Biochemie und Mikrobiologie Fortbildung Ernährung und Lebensmitteltechnologie Thema: BALLASTSTOFFE - „Wertvoller Ballast“ Ernährungsphysiologische Bedeutung von Ballaststoffen sowie deren Auswirkungen auf das Mikrobiom Fach: Ernährung und Lebensmitteltechnologie Klassen: 2. Jahrgang (spezifisch auch in allen Jahrgangsklassen als Wiederholung einsetzbar) Vorgelegt von: Barbara Sittlinger-Burgstaller
I Konzept Das Thema Ballaststoffe wird hauptsächlich in den 2. Jahrgängen einer 5-jährigen höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe im Zuge des Kapitels Kohlenhydrate durchgenommen. Allerdings begleitet dieses, meiner Meinung nach sehr wichtige Thema, auch die nachfolgenden Klassen im Ernährungslehre Unterricht immer wieder und kann somit für alle Schulstufen bis zur Matura eingesetzt werden. Kompetenzen/Lernziele Die Schüler/innen können… • Arten, Vorkommen, Einteilung und ernährungsphysiologische Bedeutung der Ballaststoffe erläutern • die positiven und präventiven Eigenschaften der Ballaststoffe auf den menschlichen Körper und das Mikrobiom beschreiben • Ballaststoffreiche Lebensmittel nennen und Empfehlungen aussprechen um den Bedarf zu decken Die Projektarbeit gliedert sich wie folgt: 1. Theoretische Ausarbeitung diese ist als Zusammenfassung eines soliden Basiswissens über Ballaststoffe für Lehrende gedacht hier wird auch genauer auf die Auswirkungen auf das Mikrobiom eingegangen, diese biochemischen Vorgänge werden mit den Schülern allerdings nicht so genau besprochen, da es der Lehrplan so im Detail nicht vorsieht 2. PowerPoint Präsentation die PPP wurde einfach und für die Schüler gut verständlich gestaltet Kann im Unterricht als auch im Distance Learning gut eingesetzt werden 4. Experiment Ballaststoffe So können die Schüler die Eigenschaften von Ballaststoffen sehr gut nachvollziehen mit einfachen Mitteln leicht im Unterricht umsetzbar Noch nicht im Unterricht durchgeführt = momentan Distance Learning 3. Arbeitsblätter dienen zur Festigung des Lehrstoffes, zur Übersicht und zur Überprüfung ob der Inhalt auch verstanden wurde
II Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 2 DEFINITION……………………………………………………………………………………………………………………… 1 2.1 EINTEILUNG DER BALLASTSTOFFE……………………………………………………………………………………… 2 2.1.1 Nach der Herkunft .............................................................................................. 2 2.1.2 Nach ihrer Löslichkeit ......................................................................................... 2 2.1.3 Nach der Verdaulichkeit ..................................................................................... 4 2.1.4 Stärke .................................................................................................................. 4 3 PHYSIOLOGISCHE WIRKUNG VON BALLASTSTOFFEN………………………………………………………. 4 3.1 WESENTLICHE EIGENSCHAFTEN UND FUNKTIONEN DER BALLASTSTOFFE……………………………………. 4 3.1.1 Faserstruktur ...................................................................................................... 5 3.1.2 Wasserbindungsvermögen, Quellfähigkeit und Viskosität ................................. 6 3.1.3 Fermentierbarkeit ............................................................................................... 7 3.1.4 Adsorptionsfähigkeit und Ionenaustausch ......................................................... 7 3.2 AUSWIRKUNGEN AUF DAS MIKROBIOM……………………………………………………………………………… 8 4 GESUNDHEITSFÖRDERNDE WIRKUNG VON BALLASTSTOFFEN……………………………………….. 9 4.1 ÜBERGEWICHT/ADIPOSITAS……………………………………………………………………………………………. 9 4.2 OBSTIPATION………………………………………………………………………………………………………………. 9 4.3 KOLONDIVERTIKULOSE…………………………………………………………………………………………………. 10 4.4 BLUTGLUCOSE-BEEINFLUSSENDE WIRKUNG VON BALLASTSTOFFE………………………………………….. 10 4.5 CHOLESTERIN-SENKENDE WIRKUNG……………………………………………………………………………….. 12 4.6 ANTIKANZEROGENE WIRKUNG………………………………………………………………………………………. 12 4.7 SINN EINER BALLASTSTOFFARMEN ERNÄHRUNG…………………………………………………………………. 13 5 EMPFEHLUNGEN FÜR DIE BALLASTSTOFFAUFNAHME………………………………………………….. 14 5.1 BALLASTSTOFFBEDARFSDECKUNG…………………………………………………………………………………… 14 5.2 BALLASTSTOFFLIEFERANTEN………………………………………………………………………………………….. 14 5.3 SINNHAFTIGKEIT VON BALLASTSTOFFPRÄPARATEN……………………………………………………………… 15 6 VERGLEICH BALLASTSTOFFAUFNAHME FRÜHER UND HEUTE……………………………………….. 16 6.1 ÄNDERUNGEN DER BALLASTSTOFFAUFNAHME…………………………………………………………………… 16 6.2 AKTUELLE BALLASTSTOFFAUFNAHME IN ÖSTERREICH………………………………………………………….. 16 6.3 ERNÄHRUNGSPHYSIOLOGISCHE KONSEQUENZEN DER AKTUELLEN BALLASTSTOFFAUFNAHME………… 17 7 RICHTIGE UMSTELLUNG AUF EINE BALLASTSTOFFREICHE KOST…………………………………… 17 7.1 EMPFEHLUNGEN FÜR DIE UMSTELLUNG AUS PHYSIOLOGISCHER SICHT……………………………………. 17 7.1.1 Physiologische Unterforderung ........................................................................ 18 7.1.2 Physiologische Überforderung ......................................................................... 18 7.1.3 Psychologische Gründe für Bekömmlichkeitsstörungen .................................. 18 7.2 TIPPS FÜR EINE ERNÄHRUNGSUMSTELLUNG OHNE KOMPLIKATIONEN……………………………………… 18 7.2.1 Flüssigkeitszufuhr ............................................................................................. 18 7.2.2 Schrittweise Steigerung der Ballaststoffzufuhr................................................. 19 7.2.3 Rezeptvorschlag ................................................................................................ 20 8 RESÜMEE………………………………………………………………………………………………………………………. 22
9 LITERATURVERZEICHNIS……………………………………………………………………………………………….. 23 10 ZEITPLAN………………………………………………………………………………………………………………………. 25 11 ANHANG……………………………………………………………………………………………………………………….. 26 11.1 EXPERIMENT – BALLASTSTOFFE UND IHRE EIGENSCHAFTEN………………………………………………….. 26 11.1.1 Versuch 1 .......................................................................................................... 26 11.1.2 Versuch 2 .......................................................................................................... 27 11.1.3 Versuch 1_LÖSUNG .......................................................................................... 28 11.1.4 Versuch 2_LÖSUNG .......................................................................................... 29 11.2 ARBEITSBLATT_BALLASTSTOFFE…………………………………………………………………………………….. 30 11.3 ARBEITSBLATT_BALLASTSTOFFE LÖSUNG………………………………………………………………………. 31 11.4 ARBEITSBLATT_BALLASTSTOFFE WIRKUNG………………………………………………………………………. 32 11.5 ARBEITSBLATT_BALLASTSTOFFE WIRKUNG LÖSUNG………………………………………………………… 33 11.6 ÜBERSICHT_BALLASTSTOFFBEDARF UND BALLASTSTOFFGEHALT……………………………………………. 34
III Abbildungs- und Tabellenverzeichnis TABELLE 1: EINTEILUNG DER BALLASTSTOFFE NACH IHRER HERKUNFT ............................................................ 2 TABELLE 2: EINTEILUNG DER BALLASTSTOFFE NACH IHRER LÖSLICHKEIT .......................................................... 3 TABELLE 3: MITTLERE TÄGLICHE ZUFUHR AN BALLASTSTOFFEN BEI ÖSTERREICHISCHEN ERWACHSENEN, GETRENNT NACH ALTERSGRUPPEN UND GESCHLECHT ...................................................................................... 16 ABBILDUNG 1 : WIRKUNG VON BALLASTSTOFFEN………………………………………………………………………………..5 ABBILDUNG 2: FORTSCHREITENDER VERLUST DER IMMUNREGULATION…………………………………………………....8 ABBILDUNG 3 : EFFEKTE VON GETREIDEBALLASTSTOFFEN BZW. VOLLKORNPRODUKTEN AUF DEN INSULIN- UND GLUCOSESTOFFWECHSEL……..………………………………………………………………………………………………………11 ABBILDUNG 4 : DAS ZUSAMMENSPIEL VON BALLASTSTOFFVERZEHR, VERDAUUNGSTRAKT UND STOFFWECHSEL - INSULINSENSITIVITÄT …………………………………………………………………………………………..…………..…………12 ABBILDUNG 5 : PROTEKTIVE EFFEKTE EINER BALLASTSTOFFREICHEN ERNÄHRUNG BEI KOLOREKTALEN KREBSERKRANKUNGEN …………………………………………………………………….…………………………………………13
1 Einleitung Eine ballaststoffreiche Ernährung im Zuge einer Vollwertkost, wird von vielen renommierten Ernährungswissenschafter (z.B.: Claus Leitzmann, Karl von Koerber), als ideale Ernährungs- form angesehen, um uns ausreichend mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen. Im Hinblick auf die Prävention ernährungsabhängiger Krankheiten spielen Ballaststoffe auch eine wesentliche Rolle. Ballaststoffe helfen uns das Gewicht zu halten, indem sie für eine länger anhaltende Sättigung, sowie für eine regelmäßige Stuhlentleerung sorgen. Sie schützen vor Kolondivertikulose, Darmkrebs, senken den Blutcholesterinspiegel und sorgen für niedrigere und gleichmäßigere Blutzuckerverläufe. Jedoch wird von den meisten Menschen, wobei vorwiegend die „Wohlstandsländer“ angesprochen werden, selten die von den D-A-CH – Referenzwerten empfohlene Zufuhr von 30 g Ballaststoffe pro Tag erreicht. Die Zufuhr liegt weit unter den empfohlenen Angaben. Grund dafür ist die Vorliebe und somit der hohe Verzehr von energiereichen und eiweißreichen Lebensmitteln, wobei vorwiegend zu tierischen Lebensmitteln gegriffen wird. Weißmehlprodukte sowie Fertiggerichte stehen ebenfalls im Vordergrund. Im Zuge dieser aktuellen Ernährungsform nimmt die Zahl der ernährungsabhängigen Zivilisationskrankheiten immer mehr zu. Aufgrund dieser Fakten wäre eine Ernährungsumstellung von einer eher unausgewogenen Mischkost zu einer ballaststoff- und wirkstoffreichen Vollwert-Ernährung dringend vom Vorteil. Ziel dieser Arbeit ist es einen Überblick über Ballaststoffe zu geben und ihre positiven sowie präventiven Wirkungen auf den menschlichen Körper und das Mikrobiom aufzuzeigen. Gleichzeitig soll gezeigt werden wie eine richtige, langsame Umstellung auf eine ballaststoffreiche Kost ganz einfach und ohne Probleme möglich ist. Besonders den Schülern ist die Wirkung von Ballaststoffen oft zur Gänze unbekannt und das Thema Ballaststoffe kommt auch im Unterricht meistens viel zu kurz. Wenn sich der Mensch von vornherein bewusster und vollwertiger ernähren würde, würden ihm zahlreiche Erkrankungen erspart bleiben. Denn schon Hippokrates sagte: „Lass Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung!“
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 2 Definition Die Wissenschaft sah Ballaststoffe bis in die 70er-Jahre als überflüssig und gab ihnen deshalb auch diesen abwertenden Namen. Unter Ballaststoffen, versteht man Nahrungsbestandteile, die von den menschlichen Verdauungsenzymen nicht oder nicht vollständig abgebaut werden können. Sie werden deshalb im Dünndarm nicht resorbiert und gelangen in den Dickdarm. Im Dickdarm werden sie nur teilweise von Darmbakterien abgebaut. Bei den Ballaststoffen handelt es sich fast ausschließlich nur um pflanzliche Nahrungsbestandteile. 1 Diese sind Zellwandbestandteile und intrazelluläre Polysaccharide. In der Pflanze dienen diese Substanzen als Gerüstsubstanzen (Zellulose, Lignin), bewahren das Innere der Pflanzenzelle vor dem Austrocknen (Pflanzenschleime) oder werden infolge von Verletzungen gebildet (Pflanzengummis). 2 Aus Lebensmitteln tierischer Herkunft zählen nur einige wenige Substanzen zu den Ballaststoffen. Und zwar sind dies Produkte aus der Bräunungsreaktion beim Erhitzen von Lebensmitteln und Fette mit einem hohen Schmelzpunkt, da es sich beiderseits um schwer abbaubare Produkte handelt. Den Ballaststoffen aus tierischer Herkunft wird aber quantitativ keine Bedeutung zugeschrieben. Synonyme für den Begriff „Ballaststoffe“ Ballaststoffe sind auch als Rohfaser und Schlackenstoffe bekannt. Zu den neueren Begriffen gehören: Nahrungsfasern, pflanzliche Hydrokolloide und unverdauliche Polysaccharide. „Dietary fibre“ ist die englische Bezeichnung für Ballaststoffe. Ballaststoffe werden den Kohlenhydraten zugeordnet, da die meisten von ihnen chemisch gesehen hochmolekulare Polysaccharide (=Mehrfachzucker) sind. Lignin bildet als Polymer eine Ausnahme. 3 1 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 64 2 Vgl.: Watzl, Leitzmann, 2005; S 158 3 Vgl.: Watzl, Leitzmann, 2005; S 158 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 1
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 2.1 Einteilung der Ballaststoffe 2.1.1 Nach der Herkunft modifiziert und heimisch tropisch aquatisch halbsynthetisch Lignin Carubin Agar Alginsäure Zellulose Guar Carrageen Na-, K- und Ca-Alginate Hemizellulose Gummi arabicum Alginate Methylzellulose Pektin Carboxymethylzellulose Tabelle 1: Einteilung der Ballaststoffe nach ihrer Herkunft4 In isolierter Form finden tropische und aquatische Ballaststoffe Verwendung in der Pharma- und Lebensmittelindustrie (z.B.: Verdickungsmittel). Modifizierte und halbsynthetische Ballaststoffe werden auch dort eingesetzt. 2.1.2 Nach ihrer Löslichkeit In folgender Tabelle werden Ballaststoffe nach ihrer Fähigkeit zur Wasserbindung unterteilt. Bei Ballaststoffen gibt es kein „echtes Auflösen, wie dies bei Zucker der Fall ist. Wasserlösliche Ballaststoffe (z.B.: Pektin) bilden eine hochvisköse Lösung (Gele). Dagegen besitzen die wasserunlöslichen Ballaststoffe (z.B.: Zellulose) eine große Wasserbindungs-kapazität bzw. hohe Quellfähigkeit und bleiben als Partikel erhalten. Pektin weist die höchste Wasserlöslichkeit auf. Die Struktur der Polysaccharide bestimmt die Löslichkeit von Ballaststoffen. So ist Zellulose auf Grund seiner Struktur in Wasser unlöslich, kann es aber binden. Die Wasserlöslichkeit nimmt zu, wenn die Polysaccharide verzweigt sind. 4 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 64 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 2
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Ballaststoffgruppe Beispiele Vorkommen Lösliche Ballaststoffe Alginsäure Braunalgen Meeresalgenextrakte Agar (Agar-Agar) Rotalgen Carrageen Rotalgen Pektin Zellwände in Zitrusfrüchten, Pflanzenextrakte Apfeltrestern Inulin Tobinambur Gummi arabicum Acacia-Arten (Milchsaftausscheidung von Pflanzengummi Akazien) Traganth Astragalus-Arten Johannisbrotkernmehl Johannisbrotkernbaum Guarkernmehl Guarbohne Samenschleime Tarakernmehl Caesalpina spinosa Leinsamenschleim Extrakt aus der Schleimschale von Linum usitatissimum Methylzellulose synthetische Hydrokolloide Zellulosederivate Carboxymethylzellulose auf der Basis der Ethyzelluslose wasserunlöslichen Zellulose Unlösliche Ballaststoffe Pflanzliche Gerüstsubstanz Zellulose (meistens mit Hemizellulosen und Lignin) Endosperm von Getreide Hemizellulose Membranbestandteile in Obst, Gemüse, Kaffee Holzstoff pflanzlicher Lignin Zellmembrane Tabelle 2: Einteilung der Ballaststoffe nach ihrer Löslichkeit5 5 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 64 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 3
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 2.1.3 Nach der Verdaulichkeit Weiters werden Ballaststoffe nach ihrer Verdaulichkeit unterschieden. Und zwar wird zwischen obligaten und potenziellen Ballaststoffen unterschieden. Zu den obligaten Ballaststoffen zählen z.B.: Zellulose und Pektin. Diese werden im Dünndarm nicht verdaut. Dagegen sind die potenziellen Ballaststoffe (z.B.: resistente Stärke, Zuckeralkohole, Laktose und Maillard-Produkte) grundsätzlich schon verdaubar. Diese entziehen sich durch strukturelle Veränderungen bei der Verarbeitung dem Verdauungsprozess.6 2.1.4 Stärke Bestimmte Formen der Stärke werden auch zu den Ballaststoffen gezählt. Stärke kann, obwohl sie ein typischer Energielieferant ist, eine so dichte Struktur annehmen, dass die Verdauungsenzyme sie nicht abbauen können, sofern sie nicht zuvor gekocht oder anders aufgeschlossen wird. Ein Beispiel dafür ist die Kartoffelstärke. 7 3 Physiologische Wirkung von Ballaststoffen 3.1 Wesentliche Eigenschaften und Funktionen der Ballaststoffe Die Eigenschaften und wichtigsten Funktionen der Ballaststoffe im Stoffwechsel beruhen auf ihrer Faserstruktur, ihrem Wasserbindungsvermögen, ihrer Fermentierbarkeit und ihrer Adsorptionsfähigkeit. 8 Die Wirkungen von Ballaststoffen können in primäre und sekundäre Effekte unterschieden werden. Unter den primären Wirkungen versteht man alle direkten Einflüsse (z.B.: die Hemmung der Resorption von Glucose und Lipiden oder die Beeinflussung der Bakterienflora im Dickdarm). Unter sekundären Wirkungen versteht man alle Prozesse, die mit einer Änderung von Stoffwechselvorgängen gekoppelt sind (z.B.: die Senkung des Cholesterinspiegels oder die Minderung des Risikos für Dickdarmkrebs). 9 6 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 64/65 7 Vgl.: Der Brock Haus – Ernährung, gesund essen, bewusst leben; 2004; S 55 8 Vgl.: Koerber, Karl von; Männle, Thomas; Leitzmann, 2003; S. 67 9 Vgl.: Watzl, Leitzmann, 2005; S 163 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 4
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Abbildung 1: Wirkung von Ballaststoffen10 3.1.1 Faserstruktur Primäre Wirkung Durch die Aufnahme von ballaststoffreichen Lebensmitteln ist ein größerer Kauauf- wand notwendig. Dadurch wird im Mund vermehrt Speichel gebildet. Die Nahrung wird langsamer aufgenommen und gleichzeitig kommt es zu einer Erhöhung der Magen- und Darmfüllung. Sekundäre Wirkung Zahnreinigung und Neutralisation von Säuren. Ein rascheres Sättigungsgefühl tritt ein. 10 Biesalski, Grimm, 2004, S. 85 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 5
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Ernährungsphysiologische Konsequenzen sind, verbesserte Zahngesundheit, bessere Darmgesundheit sowie ein niedrigeres Körpergewicht. 3.1.2 Wasserbindungsvermögen, Quellfähigkeit und Viskosität Primäre Wirkung Der Magen wird langsamer entleert. Einschluss von Nährstoffen, Enzymen und Gallensäuren. Die Darmfüllung wird erhöht. Substrate für bakterielle Fermentation. Es kommt zu einem größeren Stuhlgewicht und Stuhlvolumen. Sekundäre Wirkung Es kommt zu einer länger anhaltenden Sättigung. Die Nährstoffresorption wird verzögert. Die Gallensäurenrückresorption wird gesenkt. Es kommt zu einer bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren. Die Transitzeit des Speisebreis wird normalisiert. Ernährungsphysiologische Konsequenzen sind, ein niedrigeres Körpergewicht, gleichmäßigere und niedrigere Blutzuckerverläufe, Senkung des Blutcholesterinspiegels, Normalisierung der Stuhlfrequenz sowie ein leichteres Absetzen des Stuhles. Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 6
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 3.1.3 Fermentierbarkeit Primäre Wirkung Es kommt zu einer bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren. Sekundäre Wirkung Der pH-Wert im Kolon wird gesenkt. Die Zusammensetzung der Darmflora wird positiv verändert. Die Bildung von sekundärer Gallensäure wird eingeschränkt. Die Cholesterinsynthese wird gehemmt. Ernährungsphysiologische Konsequenzen sind, die Senkung des Blutcholesterinspiegels und die Senkung des Darmkrebsrisikos. 3.1.4 Adsorptionsfähigkeit und Ionenaustausch Primäre Wirkung Die Magensäure wird gepuffert. Gallensäuren werden gebunden. Es kommt zur Bindung von organischen Schadstoffen. Mineralstoffe werden gebunden. Sekundäre Wirkung Die Wirkung der Gallensäuren wird vermindert. Die Verfügbarkeit von Schadstoffen wird gesenkt. Die Verfügbarkeit von Mineralstoffen sinkt. Ernährungsphysiologische Konsequenzen sind, Senkung des Blutcholesterinspiegels, verminderte Toxizität von Schadstoffen sowie die Senkung des Darmkrebsrisikos. Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 7
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 3.2 Auswirkungen auf das Mikrobiom Die industriellen Methoden der Nahrungsproduktion ergeben einen Mangel an Ballaststoffen. Die Zusammensetzung unserer Darmbakterien wird aber auch durch den Einsatz oberflächenaktiver, barriereschädigender Emulgatoren und Stabilisatoren verändert und es kann zu chronischen Entzünden kommen. (Siehe Abbildung 2) Dies führt zu einer Dysbiose mit einer gestörten Barrierefunktion, was wiederum zu zahlreichen Krankheiten führen kann. Abbildung 2: Fortschreitender Verlust der Immunregulation11 Eine der dichtesten mikrobiell besiedelten Zonen der Natur ist der menschliche Darm, mit Trillionen unterschiedler Bakterien, Urbakterien, Viren, Bakteriophagen und Pilzen. Diese Mikroorganismen und Bewohner des Darms, leben seit Generationen in einer Symbiose in unserem Darm. Für das menschliche Mikrobiom spielt vor allem die Fermentierbarkeit von Ballaststoffen eine große Rolle. Die Zugänglichkeit der Oglio- und Polysaccharide für bakterielle Enzyme ist entscheidend für das Ausmaß der Fermentation und die Art der Endprodukte. Die Zusammensetzung der Darmflora, sowie die Kettenlänge und Löslichkeit, der Zellwandaufbau sowie die Verweildauer im Dickdarm der Oglio- und Polysaccharide, sind in diesem 11 Kramer, Schmid; 2019;(05.01.2021) Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 8
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Zusammenhang sehr wesentlich. Es entstehen Gase (Kohlendioxid, Methan, Wasserstoff), Wasser und auch die kurzkettige Fettsäuren Essig-, Ameisen- und Buttersäure bzw. ihre entsprechenden Salze (Azetat, Propionat, Butyrat) als Endprodukt des Abbaus. Vom Dickdarmepithel werden diese Fettsäuren fast vollständig aufgenommen. Der Großteil des Butyrats dient vor Ort als Energiequelle für Darmepithelzellen, während Azetat und Propionat über die Pfortader zur Leber gelangen. Über die Aktivierung der Rezeptoren FFR-2/3 kann Butyrat eine Appetitunterdrückung vermitteln. Außerdem kommt es zu einer Verbesserung der Insulinresistenz sowie einer Abschwächung von Fettstoffwechselstörungen. In der Leber wird Propionat verstoffwechselt. Azetat überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wirkt dort ebenfalls appetitunterdrückend. Besonders gegen Übergewicht und Diabetes wirken diese Effekte präventiv. 12 4 Gesundheitsfördernde Wirkung von Ballaststoffen Auf Grund ihrer verschiedenen physiologischen Auswirkungen auf den menschlichen Körper, können Ballaststoffe präventiv gegen zahlreiche Zivilisationskrankheiten eingesetzt werden. 4.1 Übergewicht/Adipositas Aufgrund der schneller einsetzenden und vor allem länger anhaltenden Sättigung, tragen Ballaststoffe wesentlich zur Erhaltung des Gewichtes bei. Da ballaststoffreiche Lebensmittel grundsätzlich einen niedrigern Energiegehalt bei gleichzeitigem höheren Mineralstoff- und Vitamingehalt aufweisen, neigen Personen mit ballaststoffreicher-Kost zu einem geringeren Körpergewicht, als dies bei Mischköstlern der Fall ist. 4.2 Obstipation Als Obstipation wird eine zu seltene, verzögerte Entleerung (weniger als dreimal in der Woche) eines meist zu harten Stuhls, bezeichnet. Von einer chronischen Obstipation spricht man, wenn sie länger als sechs Monate andauert. Aufgrund der Fähigkeit, große Mengen Wasser zu binden, erhöhen Ballaststoffe (vor allem Lignin, Zellulose und Hemizellulose) das Stuhlgewicht. Dadurch kommt es zu einer Verkürzung 12 Vgl. Kramer, Schmid; 2019;(05.01.2021) Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 9
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast bzw. Normalisierung der Transitzeit. Zur Therapie von Obstipation wird deshalb unteren anderen eine Erhöhung der Ballaststoffzufuhr, gekoppelt mit einer hohen Flüssigkeitszufuhr, empfohlen. 13 4.3 Kolondivertikulose Unter dem Begriff „Kolondivertikulose“ versteht man das Auftreten zahlreicher unterschiedlich geformter Ausstülpungen (Divertikel) von Wandteilen des Kolons. Eine zu geringe Ballaststoffzufuhr wird als eine der Hauptursachen für diese Erkrankung angesehen. In der Therapie wird vor allem Kleie, unter Beachtung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr, eingesetzt. Ballaststoffe verringern den intraluminalen Druck und wirken somit präventiv gegen Kolondivertikulose.14 4.4 Blutglucose-beeinflussende Wirkung von Ballaststoffe Eine ballaststoffreiche Ernährung hat langfristig einen günstigen Einfluss auf den Kohlenhydratstoffwechsel. Die vermehrte Zufuhr von Ballaststoffen führt zu einem langsameren und gleichmäßigeren Anstieg des Blutzuckerspiegels. Somit kann sich die Glucosetoleranz von Gesunden und insbesondere von Patienten mit Diabetes mellitus verbessern. Zurückzuführen sind diese Blutglucose-regulierenden Wirkungen auf verschiedene Mechanismen. Dazu zählt die Hemmwirkung auf die Aktivität der Verdauungsenzyme, speziell der Amylase, sowie die verzögerte Magenentleerung. Ein weiterer Faktor für die präventive Wirkung der Ballaststoffe gegen Diabetes mellitus, ist das ballaststoffreiche-Kost zu einer Vermehrung der Insulinrezeptoren auf dem Zielgewebe und der Enzyme des Glucosestoffwechsels führt. 15 Ins besonders Getreideballaststoffe (Vollkornprodukte) haben eine protektive Wirkung auf Diabetes Typ2 (siehe Abbildung 3). Ihre Wirkung werden auf den indirekten und direkten Effekten der Ballaststoffe selbst und auf Begleitsubstanzen wie zB Magnesium zurückgeführt. Durch die Aufnahme von Vollkornprodukten wird das Risiko von Adipositas gesenkt, was in weitere Folge das Diabetes Typ2 Risiko indirekt senkt. Fermentierbare Ballaststoffe modifizieren die Zusammensetzung der Dickdarmbakterien. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Gesamtorganismus betreffend den Stoffwechsel. Es 13 Vgl.: Leitzmann, Müller, Michel, et. al. 2003; S. 390-393 14 Vgl.: Leitzmann, Müller, Michel, et. al. 2003; S. 386-389 15 Vgl.: Watzl, Leitzmann, 2005; S 166 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 10
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast kommt zu einer Steigerung der Fettsäureoxidation und einer Reduktion der Bildung von Endotoxinen (besonders von Lipopolysacchariden = LPS). LPS ist mitverantwortlich, dass die Insulinwirkung und Glucoseprozessierung in den Muskel und Leerzellen herabgesetzt wird. Außerdem kommt es durch den erhöhten Konsum von Ballaststoffen zu einer verbesserten Insulinsensitivität. (siehe Abbildung 4) Eine hohe Insulinsensitivität bedeutet, dass der Körper weniger Insulin für eine bestimmte Aktivität benötigt.16 Abbildung 3: Effekte von Getreideballaststoffen bzw. Vollkornprodukten auf den Insulin- und Glucosestoffwechsel – Postulierte Mechanismen zur Prävention des Typ-2-Diabetes17 16 Vgl.: Ströhle, Wolters, Hahn, 2012, (05.01.2021) 17 Ströhle, Wolters, Hahn, 2012, (05.01.2021) Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 11
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Abbildung 4: Das Zusammenspiel von Ballaststoffverzehr, Verdauungstrakt und Stoffwechsel - Insulinsensitivität18 4.5 Cholesterin-senkende Wirkung Eine ballaststoffreiche-Kost bewirkt eine Senkung des Blutcholesterinspiegels. Grund dafür sind die Hemmung der Lipaseaktivtät, die Verminderung der Rückresorption von Gallensäuren, die Verkürzung der Transitzeit sowie die Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber. Ein niedrigerer Cholesterinspiegel geht wiederum mit einen niedrigern Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervor. 19 4.6 Antikanzerogene Wirkung Ballaststoffe wirken vor allem der Darmkrebsentstehung entgegen. Studien zeigen, dass Bevölkerungsgruppen die große Mengen an Ballaststoffen zu sich nahmen, seltener an Kolonkrebs als andere Personen erkrankten. Als Schutzmechanismus werden die Steigerung des Stuhlvolumens (=dadurch resultiert ein geringerer Anteil an Kanzerogenen), die Bindung von Kanzerogenen an Ballaststoffe sowie die beschleunigte Darmpassage gesehen. 20 Der Mediziner Dennis P. Burkitt beobachtete dies bereits Anfang der 1970er Jahre, an Völker die sich traditionell sehr ballaststoffreich ernähren und sprach von einem Ballaststoff- Schutzeffekt. Ballaststoffe wirken chemopräventiv (siehe Abbildung 5) da sie durch die Verkürzung der Darmpassage, die Kontaktzeit potenzieller Noxen (Stoff mit schädigender 18 Müller, Canfora, Blaak; 2018 (05.01.2021) 19 Vgl.: Watzl, Leitzmann, 2005; S 167-169 20 Vgl.: Leitzmann, Müller, Michel, et. al. 2003; S. 295 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 12
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Wirkung) mit der Dickdarmschleimhaut vermindern. Sie binden zytotoxisch und karzinogen wirkendende, sekundäre Gallensäuren und fördern ihre Ausscheidung. Außerdem erhalten sie die normale Zellproliferation aufrecht, da sie zur Bildung von kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat führen. Ballaststoffe erhöhen auch die Populationsdichte kolonbeständiger Bakterien, welche wiederum das im Darm anfallende Ammoniak (ein mutagenes Agens = lösen Mutationen aus) für die bakterielle Proteinsynthese nutzen. 21 Abbildung 5: Protektive Effekte einer ballaststoffreichen Ernährung bei kolorektalen Krebserkrankungen22 4.7 Sinn einer ballaststoffarmen Ernährung Unter einer ballaststoffarmen Ernährung, versteht man eine Ballaststoffzufuhr von weniger als 10 g Ballaststoffe pro Tag. Eine ballaststoffarme Ernährung wird auf Grund der überwiegend positiven Auswirkungen auf den menschlichen Körper, nur bei einigen wenigen Krankheiten empfohlen. Diese Form der Ernährung wird verordnet nach akuten Schüben von Morbus Crohn (=chronisch entzündliche Darmerkrankung) und bei Verengungen im Darmtrakt (z.B.: bei Tumoren), da hier die Gefahr eines Darmverschlusses besteht. Weiters wird eines solche Ernährung bei einer Bauchspeicheldrüsenunterfunktion, wenn der Betroffene gleichzeitig mit der Nahrung verdauungsfördernde Enzyme einnimmt, verordnet. In diesem Fall können nämlich Ballaststoffe die Wirkung von Enzymen und die Aufnahme von Nähr- und Wirkstoffen durch die Darmschleimhaut behindern. 21 Vgl.: Ströhle, Wolters, Hahn, 2012, (05.01.2021) 22 Ströhle, Wolters, Hahn, 2012, (05.01.2021) Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 13
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Bei den oben genannten Krankheiten, wird meist eine ballaststoffarme Ernährung durch künstliche Trink- und Sondennahrung ersetzt. Dies ist deshalb der Fall, da ballaststoffreiche Lebensmittel sehr hochwertig sind und somit einen hohen Gehalt an wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen aufweisen. Durch ballaststoffarme Kost würde es somit zu einem Mangel von essentiellen Nährstoffen kommen.23 5 Empfehlungen für die Ballaststoffaufnahme 5.1 Ballaststoffbedarfsdeckung Die D-A-CH Referenzwerten empfehlen 30g Ballaststoffen pro Tag für einen gesunden Erwachsenen. Laut Claus Leitzmann erscheint diese Empfehlung jedoch eher noch zu gering, etwa 40-50 g pro Tag sind wünschenswert. 5.2 Ballaststofflieferanten Getreide hat einen besonders hohen Ballaststoffanteil. Der größte Teil der Ballaststoffe ist in den Randschichten des Getreidekorns enthalten, wodurch der Ballaststoffgehalt von Getreideerzeugnissen sehr unterschiedlich ist. Folglich weisen Vollkornerzeugnisse, wie etwa Naturreis, Vollkornnudeln, Getreideflocken, Vollkornbrot aus Mehlen mit hohem Ausmahlungsgrad oder aus Schrot, den höchsten Ballaststoffgehalt auf, da bei diesen Produkten auch die Randschicht des Getreidekorns mit verwertet wird. 24 Weitere wichtige Ballaststoffquellen sind: Obst Gemüse Hülsenfrüchte Kartoffeln Trockenobst Saaten sowie Nüsse. Letztere (Trockenobst, Saaten (z.B.: Leimsamen) und Nüsse sind jedoch sehr kalorienreich. 23 Vgl.: Der Brock Haus – Ernährung, Gesund essen, bewusst leben, 2004; S 54 24 Vgl.: Der Brock Haus – Ernährung, Gesund essen, bewusst leben, 2004; S 56 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 14
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Kaum bis gar keine Ballaststoffe sind in Zucker, Fett und Weißmehl enthalten. Dazu ein Vergleich von Lebensmitteln im Bezug auf den Ballaststoffgehalt:25 100 g Vollkornbrot 8 g Ballaststoffe 100 g Haferflocken 10 g Ballaststoffe 100 g Weizenvollkornmehl 13 g Ballaststoffe 100 g Weizenkleie 45 g Ballaststoffe 100 g Weißbrot 3 g Ballaststoffe 100 g Weißmehl 4 g Ballaststoffe Ballaststoffreiche Lebensmittel erhöhen die Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen sowie von gesundheitsfördernden Substanzen, da sie weniger wertvolle Lebensmittel verdrängen. Die auf den Phytatgehalt ballaststoffreicher Lebensmittel beruhende resorptionshemmende Wirkung für bestimmte Mineralstoffe, wird durch den erhöhten Vitamin- und Mineralstoffgehalt dieser Lebensmittel mehr als ausgeglichen. 5.3 Sinnhaftigkeit von Ballaststoffpräparaten Bei isolierten Ballaststoffpräparaten kommt es meist zu einer starken Erhitzung und Zerkleinerung der Partikelgröße, so dass es zu einer starken Einbußung der physiologischen Wirkungen kommt. In der Komplexität einer Ernährung mit verschiedenen ballaststoffreichen Lebensmitteln kommen besonders die unterschiedlichen Effekte der löslichen und unlöslichen Ballaststoffe zur Wirkung. Bei Ballaststoffpräparaten ist dieses Zusammenwirken dagegen nur begrenzt gegeben. 26 25 Vgl.: Rathammer, 10/2007; S 24/25 26 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 70 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 15
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 6 Vergleich Ballaststoffaufnahme früher und heute 6.1 Änderungen der Ballaststoffaufnahme Die Ballaststoffaufnahme ist in den letzten 100 Jahren, durch eine grundlegende Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, stark gesunken. Die wichtigsten Gründe dafür sind ein Rückgang des Getreideverzehrs insgesamt, sowie die Bevorzugung von niedrig ausgemahlenen Mehlen anstatt hoch ausgemahlener Mehle. Außerdem werden ballaststoffärmere Weizenmehltypen den ballaststoffreicheren Roggenmehltypen vorgezogen. In den letzen 150 Jahren ist der Verzehr von Getreide um 20%, der von Kartoffeln sogar um 50% gesunken. Gleichzeitig stieg der Verbrauch von ballaststoffarmen Lebensmitteln, wie z.B.: isolierte Zucker, Eier, Fleisch, stark an. Die Zufuhr von Ballaststoffen nimmt mit höheren materiellem Wohlstand ab. Dies zeigen weltweite epidemiologische Untersuchungen. So liegt die Zufuhr in Industrieländern bei etwa 20g, während die Bevölkerung in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer täglich zwischen 50 und 120 g Ballaststoffe aufnimmt. Bei Vegetariern liegt die Zufuhr mit etwas 40 g pro Tag auch deutlich höher. 27 6.2 Aktuelle Ballaststoffaufnahme in Österreich Mittlere täglich Zufuhr von Ballaststoffen in g bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht gesamt = 24 J. 25-50 J. 51-64 J. = 65 J. D-A-CH Frauen 19 19 19 19 17 > 30 Männer 20 19 20 21 19 > 30 Tabelle 3: Mittlere tägliche Zufuhr an Ballaststoffen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht28 27 Vgl.: Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 66 28 Vgl.: Elmadfa, Freisling, König, et al. 2003; S 48 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 16
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Die Tabelle zeigt, dass die von der D-A-CH empfohlene Ballaststoffzufuhr von > 30 g/d, von der österreichischen Bevölkerung nur zu knapp zwei Drittel erreicht wird. Die durchschnittliche Ballaststoffaufnahme liegt bei 20g/d. Grund dafür ist die hohe Fett- und Eiweißaufnahme, während die Kohlenhydratzufuhr zu niedrig ist. Es werden vor allem zu wenig stärkehältige und ballaststoffreiche Lebensmittel aufgenommen. So werden beispielsweise bei Brot- und Backwaren, Sorten bevorzugt wo der Hauptteil (etwa 50 % der Brotsorten) aus Weizenmehlen bzw. Mehlmischungen mit hohem Weizenanteil besteht. Es werden nur etwas ein Drittel der Backwaren aus dunklen Mehlen mit höherem Roggenanteil zubereitet. Die ist aus ernährungsphysiologischer Sicht ungünstig, da Weizenmehle einen deutlich niedrigeren Ballaststoffanteil besitzen als entsprechende Roggenmehle. 29 6.3 Ernährungsphysiologische Konsequenzen der aktuellen Ballaststoffaufnahme Eine unausreichende Aufnahme von Ballaststoffen begünstigt die Entstehung von verschiedenen Zivilisationskrankheiten. Die direkte Folge einer ungenügenden Zufuhr kann eine Obstipation sein, die wiederum weitere Krankheiten wie Divertikulose, Darmkrebs und Hämorrhoidalleiden begünstigt. Weiters geht eine ballaststoffarme Ernährung meist mit einer zu hohen Energiezufuhr einher, welche zu Übergewicht führt. Übergewicht ist ein weiterer Risikofaktor für Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Atherosklerose. 30 7 Richtige Umstellung auf eine ballaststoffreiche Kost 7.1 Empfehlungen für die Umstellung aus physiologischer Sicht Die Umstellung von einer herkömmlichen Mischkost zu einer ballaststoffreichen Vollwertkost, sollte langsam erfolgen, um den Organismus vor allem aber das Verdauungssystem nicht zu überfordern. Jede Nahrungsaufnahme stellt aus physiologischer Sicht eine Anforderung an den Organismus dar. Das bedeutet also eine Anstrengung für Verdauung, Resorption, Transport, Stoffwechsel 29 Vgl.: Elmadfa, Freisling, König, et al. 2003; S 2 und 7 30 Vgl.: Leitzmann, Müller, Michel, et. al. 2003; S. 27 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 17
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast und Abwehrsystem. Wichtig ist dabei, dass man die physiologischen Systeme weder unter- noch überfordert. 31 7.1.1 Physiologische Unterforderung Eine ballaststoffarme Ernährung unterfordert das Gebiss als auch die Darmmuskulatur. Die Darmmuskulatur erschlafft und die Folge ist eine nahrungsbedingte Stuhlverstopfung. Zusammengefasst bedeutet dies eine Destabilisierung des Verdauungssystems. 7.1.2 Physiologische Überforderung Eine physiologische Überforderung stellt beispielsweise die plötzliche Umstellung auf eine ballaststoffreiche Kostform oder auf eine reine oder überwiegend unerhitzte Frischkost nach langen Zeiten geringer Ballaststoffaufnahme. Diese Überforderungen belasten genauso den Körper wie die Unterforderungen. Die Folge sind meist Bekömmlichkeits- sowie Stoffwechselstörungen. Unter Bekömmlichkeitsstörungen fallen unter anderem Bauch- schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Sodbrennen, Seitenstechen, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen. Diese Beschwerden lassen sich jedoch durch eine allmähliche Steigerung der täglichen Ballaststoffzufuhr mildern und verschwinden wieder, sobald sich der Darm an die Kostumstellung gewöhnt hat. 7.1.3 Psychologische Gründe für Bekömmlichkeitsstörungen Verträglichkeitsstörungen können durch die alleinige Vorstellung, dass das Lebensmittel nicht verträglich sei, ausgelöst werden. Ebenfalls können negative Emotionen wie Ekel, Aggressionen die Bekömmlichkeit sehr stark beeinträchtigen. Wichtig ist es deshalb, negative Gefühle beim Essen möglichst zu vermeiden, sich dafür aber genügend Zeit nehmen und vor allem angenehmes Ambiente sowie individuelles Wohlbefinden schaffen. 7.2 Tipps für eine Ernährungsumstellung ohne Komplikationen 7.2.1 Flüssigkeitszufuhr !!!Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten!!! Ballaststoffe ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr können, statt die Verdauung anzuregen, zu Verstopfung führen. Also 31 Koerber, Männle, Leitzmann, 2003; S. 192-199 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 18
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast mindestens 2 Liter pro Tag, Flüssigkeit in Form von Mineralwasser, Trinkwasser und ungesüßten Kräuter- oder Früchtetees, zu sich nehmen. 7.2.2 Schrittweise Steigerung der Ballaststoffzufuhr Um eine Ernährungsumstellung zu einer ballaststoffreichen Ernährung einzuleiten, empfiehlt es sich in kleinen Schritten vorzugehen. Den Anteil von Obst und Gemüse in unerhitzter sowohl auch erhitzter Form erhöhen. Beispiele: Ein Stück Apfel, Pfirsich, Birne… in das Frühstücksmüsli hineinschneiden. Ein Glas frischgepresster Orangensaft zum Frühstück. Vor jeder Hauptmahlzeit einen kleinen Rohkostteller zu sich nehmen. (z.B.: geraspelte Karotten) Der Jause in Schule, Büro einen Rohkostanteil hinzufügen. (z.B.: Paprikastreifen, Karottensticks) Als Zwischenmahlzeit öfters mal zu einem Stück Obst greifen. … Weißmehlprodukte durch Vollkornprodukte ersetzten. Beispiele: Isst man zum Frühstück 2 Semmeln, so kann man eine leicht durch eine Scheibe Vollkornbrot ersetzten. Der Verzehr von Vollkornbrot sollte langsam auf 200 g (ca. 4-5 Scheiben) pro Tag erhöht werden. Den Frühstückscornflakes ruhig mal Vollkorn-Haferflocken, Dinkelflocken oder Weizenkleie beimischen. Anstatt weißem Reis bzw. Nudeln, Vollkornreis bzw. Vollkornnudeln verwenden. Beim Kochen sowie beim Backen von Kuchen, Torten….weißes Auszugsmehl durch Vollkornmehl anfangs zum Teil ersetzen. Man beginnt also mit einem Verhältnis von 1:1 um dann den Vollkornmehlanteil stetig zu steigern. Um anfängliche Blähungen zu vermeiden bzw. zu mildern kann man beim Kochen blähungshemmende Gewürze wie Kümmel, Fenchel, Anis oder Oregano hinzufügen. … Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 19
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast Werden nur einige dieser Vorschläge eingehalten, wird bereits eine leichte Steigerung der Ballaststoffzufuhr erreicht. Wichtig ist, zu versuchen in jede Mahlzeit ballaststoffreiche Lebensmittel, also Vollkornprodukte, Obst und Gemüse, einzubauen. Sobald sich der Darm an die neuen Ernährungsverhältnisse gewöhnt hat, es also zu keinen Bekömmlichkeits-störungen mehr kommt, soll die Zufuhr von ballaststoffreichen Lebensmitteln stetig erhöht werden. (Statt einer Semmel und einer Scheibe Vollkornbrot zum Frühstück = 2 Scheiben Vollkornbrot) Eine langsame Umstellung ist also sehr wichtig, damit das Verdauungssystem nicht überfordert wird und erst recht keine Schwierigkeiten riskiert werden. 7.2.3 Rezeptvorschlag Hafer-Rosinen-Kekse „Naschen mit reichlich Ballaststoffen!“ 8 EL weiche Butter 40 g Zucker 1 Ei 210 ml Apfelmus, ungesüßt 0,5 TL Zimt 1,5 TL Vanillezucker 100 g Dinkelvollkornmehl oder Weizenvollkornmehl 2 EL Weizenkeime 1 TL Natron 1 Prise Salz 85 g Haferflocken 55 g Rosinen Das Backrohr auf 180°C vorheizen. Butter und Zucker mit dem Mixer schaumig rühren. Ei, Apfelmus, Zimt und Vanillezucker dazugeben. Mehl, Weizenkeime, Natron und Salz mischen. Nun das Mehlgemisch mit dem Apfelgemisch zusammenfügen, die Rosinen und die Haferflocken unterrühren. Die Masse nun mit Hilfe eines Esslöffels auf ein mit Backpapier Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 20
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast belegtes Blech tropfen, so das runde Plätzchen entstehen. Die Plätzchen 12 Minuten im Backrohr backen. Die Rosinen können auch beliebig durch Walnüsse, Mandeln, Haselnüsse oder auch Schokolade ersetzt werden. 32 32 Vgl.: Hark, Deen,2006; S 151 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 21
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 8 Resümee In Österreich liegt die Ballaststoffzufuhr unter den empfohlenen D-A-CH Referenzwerten von 30 g pro Tag. Gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der ernährungsabhängigen Zivilisations- krankheiten. Demnach ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen einer ballaststoffarmen Ernährung und dem Anstieg von ernährungsabhängigen Krankheiten (wie Adipositas, Obstipation, Divertikulose, Kolonkrebs, Diabetes mellitus…) zu erkennen. Auf Grund dieser Fakten, ist in Österreich sowie in den meisten Wohlstandsländern, eine Ernährungsumstellung zu Gunsten der Ballaststoffzufuhr notwendig. Es werden nach wie vor zu viele nährstoffarme Weißmehlprodukte, zu viele energiereiche, eiweißreiche Lebensmittel und vor allem zu viele Fleisch- und Fleischprodukte verzehrt. Ziel ist es eine Erhöhung der Zufuhr von Vollkornprodukten, Obst und Gemüse zu erreichen. Mit den richtigen Tipps zur Ernährungsumstellung sollte dies jedoch kein Problem mehr darstellen. Jeder Mensch ist schließlich für sich und seine Gesundheit selbst verantwortlich. Eine ausgewogenere, vollwertigere und vor allem ballaststoffreichere Kost, würde jedoch so einigen Menschen manches Leid ersparen. Denn: „Nahrung ist unsere erste Medizin!“ Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 22
BALLASTSTOFFE – Wertvoller Ballast 9 Literaturverzeichnis BÜCHER Biesalski, Hans Konrad; Grimm, Peter TASCHENATLAS DER ERNÄHRUNG 2002; 2. Auflage; Thieme Verlag; Stuttgart DGE; ÖGE; SGE; SVE REFERENZWERTE FÜR DIE NÄHRSTOFFZUFUHR 1.Auflage, Umschau Braus, Frankfurt am Main 2001 Elmadfa, Ibrahim; Freisling H; König J; et al. ÖSTERREICHISCHER ERNÄHRUNGSBERICHT 2003; 1. Auflage; Wien 2003; S 2 und 7 Hark, Lisa; Deen, Darwin NEUE VOLLKORNKÜCHE – DIE BESTEN REZEPTE FÜR EINE GESUNDE ERNÄHRUNG Dorling Kindersley Verlag, London 2006 Koerber, Karl von; Männle, Thomas; Leitzmann, Claus VOLLWERT-ERNÄHRUNG – KONZEPTION EINER ZEITGEMÄßEN UND NACHHALTIGEN ERNÄHRUNG 10. Auflage, Haug Verlag, Stuttgart 2004 Leitzmann, Claus; Müller, Michel, Petra; Brehme, Ute; Hahn, Andreas; Laube, Heinrich ERNÄHRUNG IN PRÄVENTION UND THERAPIE 2. Auflage, Hippokrates Verlag, Stuttgart 2003 Schlieper, Cornelia ARBEITSBUCH ERNÄHRUNG 5. Auflage, Dr. Felix Büchner – Handwerk und Technik, Hamburg 1996 Barbara Sittlinger-Burgstaller Seite 23
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