Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie - Content-Select
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1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie 1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie Martin Hautzinger Einleitung und Gegenstandsbestimmung 1 Eigener Werdegang 2 Aufgaben und Tätigkeiten 3 Tagesablauf, Wochenablauf 4 Ausbildung 5 Institutionen, Berufsfelder, Karrieren und Vergütungen 6 Was braucht man, um erfolgreich zu sein 7 Zukunftsperspektive 8 Informationsquellen, Fachgesellschaften, Fachzeitschriften Literatur Einleitung und Gegenstands- schulabsolventen. Etwa die Hälfte aller Diplompsychologen arbeitet später im kli- bestimmung nischen Bereich. Klinisch-psychologische Wissenschaftler Klinische Psychologie ist jener Teilbereich beschäftigen sich mit Fragen der Verteilung der Psychologie, der sich mit der Epide- und der Häufigkeit von (psychischen) miologie, der Klassifikation, der Diagnos- Krankheiten, den sozialen, biologischen tik, der Ätiologie, dem Verlauf und der und psychologischen Risiko-, Entstehungs- Entwicklung, der Vorbeugung und der Be- und Auslösefaktoren von seelischen und handlung psychischer und physiologischer körperlichen Krankheiten sowie der Ent- Störungen (Krankheiten) zu allen Lebens- wicklung und Evaluation von Therapie-, phasen und über die gesamte Lebensspan- Rehabilitations- und Präventionsprogram- ne hinweg wissenschaftlich und praktisch men. Dazu benützen sie Methoden, die von beschäftigt. Zwar kann der Begriff »klini- der Einzelfallbetrachtung über Gruppen- sche Psychologie« schon auf eine hundert- studien bis hin zu Experimenten an Tieren jährige Geschichte zurückblicken (Haut- und am Menschen reichen. Als Informati- zinger, 2007a), doch entwickelte sich die- onsquelle werden Beobachtungen, Befra- ser Anwendungsbereich der Psychologie gungen, Einschätzungen, Tests, Apparate, erst seit etwa 50 Jahren. Heute gehört er elektrophysiologische und bildgebende Ver- zu dem wissenschaftlich dominierenden fahren sowie Verhaltensproben erdacht Teilgebiet der Psychologie mit Verbindun- und eingesetzt. Klinisch-psychologische gen zu allen Bereichen der Medizin, doch Wissenschaftler greifen auf endokrinologi- insbesondere zur Psychiatrie und Psycho- sche, humorale, physiologische, neurobio- somatik (Verhaltensmedizin), und ist der logische, sozial- und persönlichkeitspsy- Hauptbeschäftigungsbereich der Hoch- chologische, entwicklungspsychologische, 11
Klinische Psychologie kognitive, lern-, emotions- und motivati- tionspsychologischen Fachliteratur zu be- onspsychologische Theorien zurück, ohne fassen. Eine kleine Gruppe von interessier- die wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ten fortgeschrittenen Studenten traf sich möglich sind. regelmäßig, um die gelesenen Forschungs- Klinisch-psychologische Praktiker wenden berichte zu diskutieren. Dies fand ich faszi- psychologische Erkenntnisse der Diagnos- nierend. Vor allem fand ich es spannend, tik und der Intervention auf die unter- dass es möglich wurde, mit den experimen- schiedlichsten klinischen Probleme bei tellen und empirischen Methoden die Ent- Zielgruppen jeden Lebensalters an. Die Tä- stehung und die Behandlung psychischer tigkeitsfelder befinden sich in Kliniken und Störungen zu untersuchen. Bei klassischen Krankenhäusern, Rehabilitationseinrich- psychiatrischen Erkrankungen (Depressio- tungen, Heimen, Beratungsstellen, Justiz- nen, Ängste, Zwänge, Autismus, geistige vollzugsanstalten, Versicherungen, Gesund- Behinderung, Alkoholismus usw.) waren heitsämtern, Betrieben, Verwaltungen und plötzlich psychologische Konzepte verfüg- Organisationen, Schulen und Hochschulen bar, die außerdem Interventionen ermög- sowie niedergelassen in eigener Praxis als lichten, die sich in kontrollierten Studien Psychotherapeuten oder als klinisch-psy- den klassischen bzw. medizinischen Maß- chologische Gutachter. Diese Vielfalt an nahmen als ebenbürtig oder sogar überle- Tätigkeitsfeldern bringt höchst unter- gen erwiesen. Ich bekam die Möglichkeit, schiedliche Aufgaben hervor, die im weite- diese Methoden zu erlernen und an Patien- ren Verlauf des Berufslebens zur Speziali- ten unter Anleitung zu erproben und an sierung und – durch z. T. durch gesetzliche Forschungsprojekten als studentische Hilfs- Regelungen erzwungene Fort- und Weiter- kraft, später als Doktorand, mitzuarbeiten. bildungen (Psychotherapie, Neuropsycho- Einige der mich interessierenden ausländi- logie) – zur vertiefenden Professionalisie- schen Wissenschaftler kamen sogar an rung und Qualifizierung führen. mein damaliges Institut, und so konnte ich aus erster Hand erleben, wie Neues ent- stand und wie faszinierend die Verbindung von Forschung und Praxis war. 1 Eigener Werdegang Da die damalige Ausbildung in klinisch- psychologischer Diagnostik und in psycho- therapeutischen Methoden noch fest in den Bereits während meines Studiums (1971– traditionellen psychiatrischen bzw. psycho- 1976) begann ich mich für psychische Er- analytischen Händen war, blieb mir nur das krankungen, damals besonders für die Ent- »Ausweichen« zu den Erneuerern, also in stehung und die Behandlung von Agora- die USA. Dort lernte ich aus erster Hand, phobien, Zwangsstörungen und Depressio- wie moderne klinische Forschung und The- nen zu interessieren. Das lag vor allem an rapie funktioniert, und konnte sehen, wie den Dozenten, die es schafften, einen Bo- mir das gefiel. Meine klinisch-diagnostische gen von den Grundlagenfächern und den und psychotherapeutische Ausbildung er- Theorien zur Praxis, zu Krankheiten, zu hielt ich dadurch, dass wir uns die Metho- Verhaltensänderungen und zu Behand- den wechselseitig beibrachten, Workshops lungsmöglichkeiten zu schlagen. Ich wurde bei den Erfindern bzw. Autoren dieser Me- von einem Dozenten eingeladen, an einer thoden (wo immer diese Workshops auch kleinen, privaten Runde teilzunehmen, um stattfanden) besuchten, und bei den jeweili- mich mit der aktuellen, damals erst entste- gen Kliniken und Wissenschaftlern einige henden verhaltenstheoretischen und kogni- Zeit verbrachten, um Anleitung zu erfah- 12
1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie ren. Ich hatte das Glück, dass ich fast un- körperlichen und seelischen Vorgängen zu mittelbar das Gelernte in der Praxis erpro- begreifen, alte Konzepte aufzugeben und ben konnte. Dabei bestand die Praxis nicht Neues zu entwickeln, das Erleben und Ver- nur aus der Durchführung von Behandlun- halten von Menschen und insbesondere gen, sondern aus diagnostischen Untersu- Krankheitsprozesse zu verstehen, dafür Be- chungen (Interviews, Tests, Verhaltens- handlungsprogramme zu entwickeln, diese beobachtungen) und vor allem auch aus der zu evaluieren und, wenn nötig, wieder auf- Beteiligung an Forschungsprojekten, der zugeben bzw. zu verändern. Ich gebe mein Entwicklung von Fragestellungen sowie Wissen und die Forschungsergebnisse gerne von Versuchsplänen. Bis zu meiner Promo- weiter, sehe Patienten und wende dort un- tion arbeitete ich in der Erwachsenenpsy- terschiedliche diagnostische und psychothe- chiatrie, in der Kinder- und Jugendpsychiat- rapeutische Methoden an. Ich freue mich rie, in der Hochschulambulanz, bei einer darüber, wenn dies zu Verbesserungen und niedergelassenen Psychiaterin und im Psy- Problemüberwindung führt. Ich schreibe chologischen Institut als wissenschaftlicher gerne (außer Gutachten!), halte Vorlesun- Mitarbeiter und Dozent für die praxisnahen gen und Vorträge, führe Workshops und Se- Fallseminare der Hauptfachstudierenden. minare durch und stelle mich den Fragen Ein Stipendium (1981–1983) erlaubte mir der Studenten und der Praktiker. Der Aus- dann, für fast zwei Jahre in den USA zu for- tausch mit und die vielfältigen Kontakte zu schen, Patienten zu sehen und zu versorgen, Kolleginnen und Kollegen in der ganzen Studenten zu unterrichten, mich in neue Be- Welt verstärken und erzeugen ein Gefühl reiche (z. B. die klinische Gerontopsycho- der Befriedigung. Dies alles füllt mich nun logie) einzuarbeiten und dazu praktische seit 30 Jahren aus und hat zu keiner Zeit an Erfahrungen zu sammeln. Seit dieser Zeit Faszination verloren, auch wenn mein Ar- hat mich die Verbindung von Wissenschaft beitstag oft zwölf und mehr Stunden hat und Praxis, von Lehre und Forschung nicht und ich selten ein Wochenende oder einen mehr losgelassen. Urlaub ohne »Arbeit« verbringe. Heute bin ich seit über 20 Jahren an ver- schiedenen Universitäten als Hochschulleh- rer in der Entwicklung und Evaluation diagnostischer Instrumente und Beurtei- lungssysteme und unterschiedlichster Prä- 2 Aufgaben und ventions- und Therapieverfahren sowie in Tätigkeiten der Unterrichtung von Studierenden und Doktoranden tätig. Ich sehe Patienten, leite Als verantwortlicher Klinischer Psycholo- Studierende an, supervidiere Therapeuten, ge, Psychodiagnostiker und Psychothera- beantrage und verwirkliche klinische For- peut an einem Universitätsinstitut ergeben schungsprojekte, schreibe Anträge auf For- sich folgende Aufgaben: schungsmittel, verfasse Berichte und wis- senschaftliche Veröffentlichungen, publizie- ● Durchführung von Lehrveranstaltungen re Lehrbücher und praktische Anleitungen für Haupt- und Nebenfachstudierende (sog. Therapiemanuale). Ein großer Teil in den Fächern klinische Psychologie meiner Zeit ist auch durch Verwaltung, Sit- (Vorlesung, Seminare, Praktika, Kollo- zungen, Besprechungen, Begutachtungen quien), klinisch-psychologische Dia- und Prüfungen gefüllt. gnostik (Seminare, Praktika), psycholo- Ich finde es unverändert bereichernd, Dinge gische Interventionen (Vorlesung, Semi- zu ergründen, das Zusammenwirken von nare) und Psychosomatik (Vorlesung, 13
Klinische Psychologie Seminar) im Umfang von neun Stunden fassung von wissenschaftlichen Publika- pro Woche in jedem Semester; tionen und Fachbüchern (wöchentlich ● Abnahme von mündlichen und schrift- ca. zehn Stunden); lichen Prüfungen in diesen Fächern (ein ● Verwaltungstätigkeiten und Sitzungen Prüfungstag mit acht Stunden pro Mo- im Institut, in der Fakultät und im Rek- nat); torat (wöchentlich ca. sechs Stunden). ● Beratung von Studierenden in den ge- nannten Fächern (wöchentlich ca. drei Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Stunden); Aufgaben nicht innerhalb einer normalen ● Betreuung von Diplomarbeiten und Dis- Arbeitswoche zu schaffen sind. Klinische sertationen (wöchentlich ca. acht Stun- Psychologie und Psychodiagnostik ist ein den); sehr vielfältiges und lebendiges, ein sehr (!) ● Begutachtung von Manuskripten für beliebtes Fach, das den Absolventen inte- Fachzeitschriften, Herausgeberschaft ressante Berufsperspektiven bietet. Dem- von Fachzeitschriften und Büchern, Be- entsprechend ist die Zahl der Studierenden gutachtung von Forschungsanträgen und Doktoranden groß, die Nachfrage und Schreiben von Gutachten für Studie- nach Betreuung (Supervision) auch der Be- rende, für nationale und internationale rufstätigen (Postgraduierten) in unter- Stiftungen und Forschungsorganisatio- schiedlichen Bereichen hoch, die Nachfrage nen u. Ä. (wöchentlich ca. sechs Stun- nach Beratung und Behandlung von Patien- den); ten wachsend und kaum zu bewältigen und ● Supervision und Betreuung der Mitar- die Möglichkeiten für Forschung bzw. An- beiterinnen und Mitarbeiter, Therapeu- tragstellung auf Forschungsmittel vielfältig. tinnen und Therapeuten, Ärzte und Ärz- Selbst wenn man als klinischer Psychologe tinnen der psychotherapeutischen Hoch- vor allem psychotherapeutisch tätig ist, er- schulambulanz und anderer klinischer geben sich die unterschiedlichsten Aufga- Einrichtungen. In der zur Abteilung ge- ben und Anforderungen, die beispielhaft an hörenden psychotherapeutischen Hoch- einem Ablaufdiagramm erkennbar werden schulambulanz werden pro Jahr ca. 300 (siehe Abb. 1). In dem Schaubild sind bezo- Patienten (Kinder, Erwachsene, Famili- gen auf einen Patienten in einer Ambulanz, en, Gruppen) psychodiagnostisch und einer Beratungsstelle oder einer klinischen psychotherapeutisch betreut (ca. zehn Einrichtung die diagnostischen und thera- Stunden wöchentlich); peutischen Aufgaben dargestellt, ferner die ● Untersuchung und Behandlung von (ei- Evaluation und Erfolgskontrolle sowie die genen) Patienten (wöchentlich ca. vier Antrags- bzw. Berichterstellung. Wenn man Stunden); sich nun klar macht, dass in einer Einrich- ● Planung und Durchführung von wissen- tung oder einer Praxis pro Woche sehr viele schaftlichen Forschungsprojekten, Be- Patienten gesehen werden, und man sich treuung der darin tätigen Mitarbeiter, außerdem verdeutlicht, dass auch die Prak- Besprechung mit Fachkollegen und an- tiker und Therapeuten angehalten sind, deren Wissenschaftlern (wöchentlich ca. Fortbildungskurse zu besuchen, Fachlitera- sechs bis acht Stunden); tur zu lesen, Berichte und Gutachten zu er- ● Vorträge und Einladungen an andere stellen und Vorträge und Informationsver- Institutionen (wöchentlich ca. vier Stun- anstaltungen zu halten, dann wird schnell den); deutlich, dass viele der zuvor genannten ● Vorbereitung der Lehrveranstaltungen, Aufgaben auch dort, wenngleich mit unter- der Vorträge und Präsentationen, Ver- schiedlichem Umfang, anfallen. 14
1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie Anmeldung, Voranalyse, allgemeine Orientierung Planung der Informationserhebung Abklärung Analyse von Beschreibung Funktionale Status- und körperlicher Lebensbe- der Symptome, Problem- Eigenschafts- Faktoren dingungen Diagnose analyse diagnostik Physiologie, Anamnese, ob- Beschwerden Bedingungs- Neuropsycho- Endokrinologie, jektive Beding- und Symptome analyse auf logische körperliche ungen ökonomi- auf allen horizontaler Diagnostik, Parameter, scher, sozialer, Ebenen, und vertikaler Leistungs- und Laboranalysen räumlicher, gesell- Komorbiditäten, Ebene, Selbst- Fertigkeiten- Kontakt bzw. schaftlicher Art, Dauer, Schwere, kontrolle, Ziel- diagnostik, evtl. Koopera- Stress (akut, chro- Verlauf und analyse, Thera- Persönlichkeits- tion mit nisch), Manage- Entwicklung der pieplanung diagnostik Haus- bzw. ment, Belas- Beschwerden Facharzt tungen, sozialer und Symptome Stützsysteme Beurteilung, Indikationsentscheidung, Prognose erforderlich sind Änderungswissen, Therapieplanung, Veränderungsmotivation Behandlung, Psychotherapie wird durchgeführt, meist ein- bis zweimal pro Woche über begrenzten Zeitraum Kontrollmessungen, Prä-post-Evaluation, Prozess- und Verlaufsbeurteilungen Ergebnisbeurteilung, Zielerreichung, Effektivität Ende (Zielerreichung), Fortführung (Intensivierung, Änderung der Maßnahmen) Abb. 1: Diagnostische Aufgaben und Entscheidungen im Rahmen einer Psychotherapie. Die hervorgehobenen Aspekte bezeichnen die Aufgaben eines klinischen Psychologen im Rahmen einer Beratung bzw. Therapie (nach Hautzinger 2004). 15
Klinische Psychologie Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag 9:00–10:00 9:00–12:00 9:00–12:00 9:00–12:30 9:30–14:00 7:00 Büro Verwal- Hochschul- Büro Verwal- Vorlesung Büro Verwal- Abflug nach tung ambulanz, tung, Vor- tung, Bespre- Hamburg Fallkonferenz, standsitzung chung, Anru- 10:00–13:00 Supervision fe, Gutachten 10:00–17:30 Prüfungen Fortbildungs- veranstaltung 13:00–14:00 12:00–13:00 12:00–13:00 13:00–14:00 (Kurs) für Psy- Pause Pause Doktorandin Pause Büro, chologische Anrufe Psychothera- 14:00–16:00 13:00–17:00 13:00–14:00 14:00–18:00 14:00–15:00 peuten (im Prüfungen Sprechstunde Doktorandin Seminare Patient Rahmen der Doktoranden (Notfall) staatlichen Diplomanden Ausbildung 16:00–18:00 14:00–15:00 15:00–18:30 Psychothera- (Nebenfach-) Büro Verwal- Forschungs- pie) Vorlesung tung besprechung im Klinikum 18:00–20:00 17:00–18:00 15:00–18:00 18:00–20:00 Diplomanden- Büro Verwal- stündlich Pati- Büro Verwal- kolloquium tung enten tung 20:00–22:00 18:00–21:00 18:00–21:00 20:00–21:30 19:00–20:00 19:00 Büro, Instituts- Büro Verwal- Therapeuten Büro Verwal- Rückflug Verwaltung, kolloquium tung, Vorbe- Supervision tung, Vorbe- Gutachten Abendessen reitung der (Psychiater, reitung für 22:00 mit Gast Lehre für den Psychologen) den nächsten Rückkehr nächsten Tag Tag nach Hause Abb. 2: Typische Woche eines klinischen Psychologen an der Universität 3 Tagesablauf, Der Dienstagvormittag ist verplant für Be- sprechungen und die Supervision der Hoch- Wochenablauf schulambulanz. Es werden Patienten vorge- stellt, diagnostische und therapeutische Die oben geschilderten Aufgaben lassen Fragen besprochen und Eingangs- und Ab- sich gut an einer typischen Woche illustrie- schlussuntersuchungen diskutiert. Ab 13 ren (siehe Abb. 2). Der Montag ist von 10 Uhr kommen Diplomanden und Doktoran- bis 16 Uhr verplant mit (mündlichen) Di- den, doch auch alle möglichen anderen plomprüfungen in klinischer und in diagnos- Leute, während der wöchentlichen Sprech- tischer Psychologie. Bei jeder dieser Prüfun- stunde zu mir, um Fragen und Anliegen zu gen muss eine Mitarbeiterin oder ein Mit- klären, Pläne und Vorhaben zu diskutieren arbeiter als Protokollant anwesend sein. und Auswertungen vorzustellen. Je nach Davor fallen bereits Verwaltungsaufgaben Anliegen habe ich für jeden zwischen 15 an. Nach den Prüfungen finden Lehrveran- und 30 Minuten Zeit. Dazwischen klingelt staltungen (Nebenfachvorlesung und Di- immer wieder das Telefon. Diese Sprech- plomanden- und Doktorandenkolloquium) und Beratungszeit geht bis 17 Uhr. Schnell statt. Erst nach 20 Uhr komme ich dazu, erledige ich noch einige Verwaltungsdinge, die im Laufe des Tages eingegangene Post leiste Unterschriften und telefoniere, bevor zu beantworten, was mich noch bis nach um 18 Uhr das Institutskolloquium mit ei- 22 Uhr beschäftigt. nem ausländischen Gast beginnt, was mich bis 20 Uhr beschäftigt. Der Mittwoch ist 16
1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie am Vormittag mit Verwaltungsaufgaben, logische Psychotherapeuten verabredet. Briefen und Telefonaten gefüllt. Um 12 Uhr Ohne viel von der Stadt gesehen zu haben, kommt eine auswärtige Doktorandin vor- fliege ich danach, abends um 19.30 Uhr, bei. Sie stellt mir ihre Untersuchungsergeb- zurück. Für den Sonntag habe ich mir nisse vor, und wir besprechen weitere Aus- nichts vorgenommen, doch liegen noch wertungsmöglichkeiten. Gegen 13 Uhr drei Diplomarbeiten zur Benotung und folgt eine weitere Doktorandin, die jedoch zwei Forschungsanträge zur Stellungnahme noch in der Planungs- und Vorbereitungs- für eine Forschungsförderorganisation auf phase ihres Forschungsvorhabens ist. Sie meinem Schreibtisch. überrascht mich damit, dass sie möglichst In der darauf folgenden Woche war ich am bis Ende der Woche ein Gutachten von mir Mittwochnachmittag in Frankfurt als Mit- braucht, damit sie sich bei einer Stiftung glied einer Berufungskommission, am Frei- um ein Stipendium bewerben kann. Ab 15 tag in München in einer Leitungsgremi- Uhr habe ich bis 18 Uhr im Stundentakt Pa- umssitzung des Kompetenznetzes Depressi- tienten einbestellt. Zwei davon sehe ich on (Forschungsverbund) und am Samstag schon längere Zeit, während eine Patientin in Zürich (Supervision von Psychothera- zur Abklärung und Diagnostik von einer peuten). In der Woche zuvor war ich von lokalen Nervenärztin überwiesen wurde. Donnerstagnachmittag (gleich nach der Erst danach komme ich dazu, mich für die Vorlesung) bis Samstagabend in Berlin auf Vorlesung und die Seminare am nächsten einem großen Kongress mit zwei Vorträgen Tag vorzubereiten. Es wird wieder fast 23 und einem halbtägigen Forschungstreffen Uhr, bis ich zu Hause bin. Der gesamte zur Organisation eines neu bewilligten Donnerstag (von 9 bis 18 Uhr) ist mit Lehr- multizentrischen Forschungsprojekts be- veranstaltungen gefüllt. Danach bin ich schäftigt. Dementsprechend mussten Pati- »geschafft«, und ich erledige rasch noch ententermine verlegt und für zwei Seminare meine Post, bevor ich um 20 Uhr das Büro Vertretungen organisiert werden. verlasse. Der Freitag fängt später (9:30 Uhr) an. Ich habe in der Verwaltung und im anderen Institutsgebäude zu tun. Gegen Mittag habe ich mich mit einem früheren 4 Ausbildung Doktoranden verabredet, der mit mir zu- sammen ein Forschungsvorhaben plant, dessen Antrag bis Monatsende fertiggestellt Klinische Psychologie und Psychodiagnos- sein muss. Um 14 Uhr habe ich einen Pati- tik sind wichtige Teile des Psychologiestu- enten »dazwischen geschoben«, daher diums, die nach dem Vordiplom im Di- komme ich kurz nach 15 Uhr verspätet zu plomstudiengang Psychologie oder im Ba- einer Besprechung mit ärztlichen Kollegen, chelorstudium und im Masterstudium um einen Antrag für die Ausschreibung Psychologie angeboten, besucht und ge- »Gesundheit im Alter« zu überlegen und prüft werden. Psychodiagnostik ist zum ei- schließlich zu verabreden. Für diesen An- nen ein grundlegendes Methodenfach der trag haben wir immerhin noch vier Wochen Psychologie und damit für alle Teil- und Zeit, doch die Weihnachtsferien werden Anwendungsbereiche der Psychologie rele- wohl wieder darunter leiden. Am Samstag vant. In jedem Anwendungsbereich gibt es früh besteige ich bereits um kurz nach 7 jedoch spezifische psychodiagnostische Uhr das Flugzeug, das mich nach Hamburg Fragestellungen und Methoden, die meist bringt, denn dort ist für den ganzen Tag Teil der Ausbildung, z. B. in der klinischen eine Fortbildungsveranstaltung für psycho- Psychologie, sind. 17
Klinische Psychologie Bachelorstudium Vorlesung: Grundlagen der Diplomstudium psychologischen Diagnostik (meist im 5. und 6. Semester bzw. im 3. Studienjahr) Übung: Psychometrie, Test- theorie, Testkonstruktion Seminare (wahlweise): Leistungsdiagnostik Persönlichkeitsdiagnostik Computergestützte Diagnostik Masterstudium Vorlesung: Psychologische Diplomstudium Intervention (Anwendungsbereiche meist im 7. bis 9. Semester) Seminare (wahlweise): Klinische/Neuropsychologi- sche Diagnostik, Entwicklungs-/Pädagogische Diagnostik, Arbeitspsychologische Diagnostik Praktikum: Begutachtung und Gutachtenerstellung, Diagnostik und Intervention in diversen Anwendungs- bereichen Abb. 3: Mögliche (typische) Ausbildungsinhalte im Fach Psychodiagnostik und Intervention (Diplom und Bachelor/Master). Je nach lokalen Schwerpunkten und der damit verbun- denen Studienordnung variieren diese Veranstaltungen in Inhalt und Umfang. Die Ausbildung in Psychodiagnostik um- im Rahmen einer universitären Ausbildung fasst Vorlesungen, Seminare und Übungen aufgeführt. zur Theorie des Diagnostizierens, zu den Psychodiagnostik ist meist kein eigenstän- Problemen und Merkmalen diagnostischer diges Berufsfeld, sondern es ist eine zentrale Entscheidungen, zur Psychometrie, zur psychologische Tätigkeit in bestimmten Testkonstruktion, zur Skalierung, zur Per- psychologischen Tätigkeitsbereichen, etwa sönlichkeits-, Leistungs- und Intelligenz- in der Schulbehörde, in den Personalabtei- diagnostik, zur apparativen und computer- lungen von Betrieben, in medizinischen Kli- gestützten Diagnostik und zur Begutach- niken oder in der Begutachtung für Behör- tung und Gutachtenerstellung sowie zu den, Gerichte und Versicherungen. Die je- Fragen der Indikation und Intervention. weiligen psychodiagnostischen Aufgaben Dabei beziehen sich diese Fragen auf erfordern dabei immer das inhaltliche Wis- grundlegende Probleme, z. B. welche Fol- sen und die fachliche Kompetenz des Tätig- gerungen aus dem diagnostischen Befund keitsfeldes (z. B. Glaubwürdigkeit, forensi- zu ziehen sind und welche Maßnahmen sche Psychiatrie, berufliche Aufgaben in zur Behebung von Defiziten, zur Errei- dem Betrieb, Ergonomie, Werbepsycholo- chung von Zielen oder zur Stabilisierung gie, Verkehrspsychologie usw.). des Erreichten sinnvoll und angezeigt sind. Die Ausbildung in klinischer Psychologie Beispielhaft sind in Abbildung 3 typische umfasst Vorlesungen, Seminare und Fall- Lehrveranstaltungen zur Psychodiagnostik seminare (Übungen, Praktika). Die Vorle- 18
1 Klinische Psychologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie Bachelorstudium Vorlesung (zwei- bis drei- Diplomstudium stündig): Klinische Psycholo- (meist im 5. und 6. Semester gie I und II bzw. im 3. Studienjahr) Seminar (zweistündig): Vorlesungsbegleitendes bzw. vertiefendes Seminar zu aus- gewählten Themen der klini- schen Psychologie und Psy- chotherapie Masterstudium Vorlesung/Übung (zwei- bis Diplomstudium dreistündig): (Anwendungsbereiche Klinische Psychologie und Psy- meist im 7. bis 9. Semester) chotherapie (Vertiefung) Verhaltensmedizin und Psycho- somatik (Vertiefung) Forschungsseminare (zweistün- dig): ● Angststörungen ● affektive Störungen ● Störungen im Kindes- und Ju- gendalter ● Substanzabhängigkeiten ● psychophysiologische und so- matoforme Störungen ● schizophrene und psychoti- sche Störungen ● hirnorganische und kognitive Störungen Dabei kommt der Forschungsbe- zug neben dem Anwendungs- bezug stärker zur Geltung. Praktikum/Fallseminar (vier- stündig): Praxis und Anwendung ausge- wählter Themen der klinischen Psychologie und Psychothera- pie. Dabei können einzelne Stö- rungsbilder oder psychothera- peutische Methoden oder auch Diagnostik und Begutachtung im Mittelpunkt stehen. Abb. 4: Typische Ausbildungsinhalte im Fach Klinische Psychologie und Psychotherapie (Diplom und Bachelor/Master). Je nach lokalen Schwerpunkten und der damit verbundenen Stu- dienordnung variieren diese Veranstaltungen in Inhalt und Umfang. sungen befassen sich mit den wissenschaft- krankungen, der Differentialdiagnostik, lichen und theoretischen Grundlagen, der den Behandlungsmöglichkeiten, der Psy- klinischen und klassifikatorischen Diagnos- chotherapie und der Prävention aller Stö- tik, den Störungsbildern, den psychischen rungen über die gesamte Lebensspanne hin- und psychosomatischen Erkrankungen, weg. Die Seminare vertiefen diese diagnos- den Forschungsbefunden zur Entstehung, tischen, theoretischen, wissenschaftlichen zum Verlauf und zu den Risikofaktoren und therapeutischen Themen zu einem psychischer und psychosomatischer Er- Störungsbild (z. B. Substanzabhängigkeit) 19
Klinische Psychologie Ausbildungsteile vorgeschriebene Stundenzahl Praktische Tätigkeit (1,5 Jahre) in psychiatrisch-klinischer Einrichtung 1 200 in psychosomatisch-psychotherapeutischer Einrichtung bzw. in kinder- und jugendlichen Einrichtung 600 Theoretische Ausbildung 600 Praktische Ausbildung in Krankenbehandlung 600 unter Supervision (nach jeder vierten Sitzung) 150 Selbsterfahrung (Einzel- und Gruppenselbsterfahrung) 120 Weitere, nicht festgelegte Ausbildungsinhalte 930 Gesamtumfang der Weiterbildung (drei Jahre) 4 200 Stunden Abb. 5: Weiterbildung zum psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendpsy- chotherapeuten (nach Hautzinger, 2007b) oder zu einem Bereich (z. B. Kindes- und versitären) Instituten. Diese theoretische Jugendalter). Die praktischen Veranstaltun- und praktische Ausbildung ist kostenpflich- gen erlauben dann die konkrete und prakti- tig und teuer (ca. 25 000 Euro), wenngleich sche Erfahrung mit Praxisausschnitten, die die Ausbildungskosten in der Regel durch wiederum von der klinischen Diagnostik therapeutische Tätigkeiten im Rahmen der (z. B. standardisierte Interviews) bis hin Ausbildung wieder komplett hereingeholt zur Behandlung (z. B. Gruppentherapie für (erwirtschaftet) werden. Eine Übersicht Patienten mit einer Zwangsstörung) rei- über diese dreijährige Ausbildung ist der chen kann. Die Abbildung 4 illustriert eine Abbildung 5 zu entnehmen. typische Abfolge von Ausbildungsinhalten Ein klinischer Psychologe muss diesen zu- in der klinischen Psychologie. sätzlichen postgradualen Ausbildungsgang Der Studienabschluss »Diplom« oder zum Psychotherapeuten nicht unbedingt »Master« in Psychologie (mit Schwerpunkt absolvieren. Es gibt zahlreiche Berufs- und in klinischer Psychologie) erlaubt dann den Praxisfelder, für die diese Zusatzausbildung Einstieg in eine postgraduale Ausbildung nicht erforderlich ist. Mit dem Diplom zum psychologischen Psychotherapeuten bzw. dem Master ist eine erfolgreiche Tä- bzw. zum Kinder- und Jugendpsychothera- tigkeit in Kliniken, Heimen, Beratungsstel- peuten. Diese Ausbildung ist durch ein len, Betrieben, Organisationen und selbst- Bundesgesetz geregelt und wird daher auch verständlich auch an den Hochschulen und durch staatliche Organe (Landesprüfungs- in der Forschung im In- und Ausland mög- ämter) kontrolliert. Die Ausbildung erfolgt lich. an dafür anerkannten (privaten oder uni- 20
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