PVSt 5624 8 - Wolters Kluwer Online Shop

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HERAUSGEBER
Hans-Jürgen Lange
                                                                                                ie
Joachim Laux                                                                          na-Pandem
                                                                         gen zur Coro
                                                              Mit Beiträ
Holger Münch

REDAKTION
Dieter Müller (Schriftleitung)
                                     AUS DEM INHALT
Ralph Berthel
Michael Knape                        Aufsätze
Sabrina Schönrock                    Goertz
                                     Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und
                                     Gegenmaßnahmen                                                     S. 321
                                     Bramow/Kahn
                                     Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld zwischen effektiver
                                     Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stigmatisierender
                                     Personenkontrollen                                                 S. 327
                                     Lorei
                                     Lagebild polizeilicher Schusswaffengebrauch in Deutschland
                                     und Europa                                                         S. 334
                                     Knape
                                     Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Distanz-­
                                     Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende
                                     gesetzliche Regelung des Rettungsschusses                          S. 342
                                     Koehl
                                     Neuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit
                                     von Reichsbürgern                                                  S. 347
                                     Opielka
                                     Statistische Verfahren in strategischen Ansätzen des behördlichen
                                     Gesundheitsmanagements der Polizei                                 S. 351

                                 8
Heft 8
August 2021
Seiten 321–368
112. Jahrgang
Art.-Nr. 56244108
PVSt 5624
Die                                                                FACHZEITSCHRIFT FÜR DIE ÖFFENTLICHE

POLIZEI
                                                                   SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER
                                                                   DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI

INHALT 8 ∙ 2021

Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,                                     nen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der CORONA-
                                                                   Pandemie stehen Angehörige der »Reichsbürgerbewegung«
die Redaktion der Zeitschrift DIE POLIZEI ist bemüht,              im Fokus polizeilicher und behördlicher Aufmerksamkeit.
mit den Aufsätzen, aktuellen Meldungen, Berichten aus der          Felix Koehl stellt in seinem Aufsatz »Neuere Rechtsprechung
Rechtsprechung und Buchbesprechungen Ihnen einen mög-              zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgern« die
lichst breit gefächerten Einblick einerseits in aktuelle sicher-   aktuelle Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte mit
heitsrelevante Entwicklungen und Diskussion zu geben und           Blick auf den Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen
Sie andererseits zum Mitdiskutieren anzuregen. Zugleich ver-       bei Personen, die dieser Bewegung angehören, vor.
suchen wir, bestimmte Schwerpunkte zu verfolgen. In dieser
Ausgabe thematisieren unsere Autoren insbesondere Fragen           Wissenschaftliche Methoden der Ist-Stand-Analyse im Be-
der besonderen Verantwortung von Angehörigen der Polizei-          reich des Gesundheitsmanagements in der Polizei erörtert
en und anderen Sicherheitsbehörden für die freiheitliche de-       Sascha Opielka im Rahmen seines Aufsatzes »Statistische Ver-
mokratische Grundordnung und für die Menschen in diesem            fahren in strategischen Ansätzen des Behördlichen Gesund-
Staat. Folgendes erwartet Sie:                                     heitsmanagements der Polizei«.
Im ersten Beitrag innerhalb der Rubrik »Aufsätze« trägt Stefan     In unserer Rubrik »Aktuelles« werden Sie neben Pressemittei-
Goertz mit seinem Aufsatz »Rechtsextremisten in deutschen          lungen zur Rechtsprechung des BGH und des BayVGH auch
Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen« einerseits zur             ein Positionspapier des Arbeitskreises »Politische Bildung und
Systematisierung bisheriger Erkenntnislagen bei und leistet        Polizei« zum Maßnahmenkatalog »Bekämpfung von Rechts-
andererseits einen Beitrag zur Versachlichung der bisweilen        extremismus und Rassismus« der Bundesregierung finden.
heftig geführten Diskussion zu diesem Thema.                       Auch in diesem Dokument werden Thesen zur besonderen
                                                                   Verantwortung von Bediensteten der Polizei als Träger des
Auch mit dem zweiten Aufsatz greifen wir ein in der öffent-        staatlichen Gewaltmonopols mit besonderen Eingriffsbefug-
lichen Diskussion oft emotional unterlegtes und für die Ak-        nissen innerhalb des staatlichen Gemeinwesens dargestellt.
zeptanz polizeilichen Handelns bedeutsames Thema auf. In
ihrem Aufsatz »Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld         In der Rubrik »Buchbesprechungen« rezensieren wir für Sie
zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stig-           folgende Bücher:
matisierender Personenkontrollen« betrachten Marcus Bra-           – Pandemiestrafrecht – Aktuelles Recht für die Praxis von
mow und Franz Kahn das Phänomen des Racial Profilings                 Robert Esser und Michael Tsambikakis
im Kontext mit Maßnahmen der präventiv-polizeilichen               – Clankriminalität Phänomen – Ausmaß – Bekämpfung von
ldentitätsfeststellung und unterbreiten zugleich Vorschläge           Dorothee Dienstbühl
zur Vermeidung diskriminierend erlebter Polizeikontrollen.         – Kriminalistik – ein aktueller Themenüberblick von Heiko
                                                                      Artkämper, Thomas E. Gundlach und Thomas Straub so-
Im dritten Aufsatz stellt Clemens Lorei das »Lagebild polizei-        wie
licher Schusswaffengebrauch in Deutschland und Europa«             – Polizeirelevante psychische Störungen Kompaktwissen für
dar. Darüber hinaus werden einige Fakten zu Situationen und           Polizeistudium und -praxis von Lena Posch
Ereignissen berichtet, die in einer Befragung von Schützen
erlangt werden konnten.                                            Liebe Leserinnen,
Unser Redaktionsmitglied Michael Knape setzt sich in seinem        liebe Leser,
Aufsatz »Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Dis-
                                                                   ich hoffe, dass Sie das Angebot, das wir Ihnen mit dieser Aus-
tanz-Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende
                                                                   gabe unterbreiten, als interessant und anregend empfinden
gesetzliche Regelung des Rettungsschusses« mit einer aus sei-
                                                                   und wünsche Ihnen im Namen des Redaktionsteams und des
ner Sicht bestehenden Regelungslücke beim Einsatz des sog.
                                                                   Verlages viel Freude bei der Lektüre!
Tasers in der Berliner Polizei auseinander.
                                                                   Ihr
Nicht erst seit dem z.T. gewalttätigen und hasserfüllten Auf-
treten von sog. Reichsbürgern im Rahmen von Demonstratio-          Ralph Berthel

Die POLIZEI 8 · 2021                                                                                                            I
Aufsätze
                                  Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehör-
                                  den und Gegenmaßnahmen
                                  von Prof. Dr. Stefan Goertz, Lübeck                S. 321
                                  Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld
                                  zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem
                                  Vorwurf stigmatisierender Personenkontrollen
                                  von Marcus Bramow, Rostock/Münster und

Jetzt
                                  Franz Kahn, Greifswald                            S. 327
                                  Lagebild polizeilicher Schusswaffengebrauch in
                                  Deutschland und Europa

einfach
                                  von Prof. Dr. Clemens Lorei, Gießen           S. 334
                                  Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser
                                  (Distanz-Elektroimpulsgerät) als neue Polizei-
                                  waffe und fehlende gesetzliche Regelung des

digital
                                  Rettungsschusses
                                  von Prof. Michael Knape, Berlin                    S. 342
                                  Neuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen

arbeiten.
                                  Zuverlässigkeit von Reichsbürgern
                                  von Felix Koehl, München                           S. 347
                                  Statistische Verfahren in strategischen Ansätzen
                                  des behördlichen Gesundheitsmanagements
                                  der Polizei
                                  von Dr. Sascha Opielka, Aachen                  S. 351

                                   Aktuelles
                                  Arbeitskreis »Politische Bildung und Polizei«:
                                  Polizeiliche Bildung als Schlüssel – Rechts-
                                  extremismus- und Rassismusbekämpfung als
                                  Arbeitsfelder der Polizei                          S. 359
                                  Pressemitteilung BGH vom 18.02.2021                S. 361
                                  Pressemitteilung BayVGH vom 31.01.2021             S. 361

                                   Buchbesprechungen
                                  Pandemiestrafrecht – Aktuelles Recht für die Praxis,
                                  Robert Esser und Michael Tsambikakis
                                  Prof. Dr. Dieter Müller                             S. 362
                                  Clankriminalität Phänomen – Ausmaß – Bekämpfung
                                  Dienstbühl, Dorothee
                                  Prof. Ralph Berthel                            S. 363
                                  Kriminalistik – ein aktueller Themenüberblick Heiko
                                  Artkämper, Thomas E. Gundlach, Thomas Straub
                                  Prof. Ralph Berthel                                S. 365
                                  Polizeirelevante psychische Störungen Kompaktwis-
                                  sen für Polizeistudium und –praxis Posch, Lena
                                  Prof. Ralph Berthel                              S. 366
                                  Straßenverkehrsrecht, Peter Hentschel, Peter König
                                  und Peter Dauer
                                  Prof. Dr. Dieter Müller                           S. 368

                                  Impressum                                              III

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POLIZEI
                                                                   SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER
                                                                   DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI

                                                                   Redaktion
                                                                   Prof. Dr. Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), Rothen-
                                                                   burg/O. L. und Bad Dürrenberg (Schriftleitung) · Ltd. Kriminaldirektor a.D.
                                                                   Prof. Ralph Berthel, Frankenberg · Direktor beim Polizeipräsi­denten a.D. Prof.
                                                                   Michael Knape, Fachhochschule der Polizei Brandenburg, Oranienburg ·
Heft 8/2021 · 111. Jahrgang · Seiten 321–368                       Prof. Dr. Sabrina Schönrock, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

 Aufsätze

Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und
Gegenmaßnahmen
von Prof. Dr. Stefan Goertz, Lübeck*
Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden                 tes fest zu diesen freiheitlichen demokratischen Grundsätzen
stellt eine besondere Bedrohung für die freiheitliche de-          stehe. Weiter wird im Lagebild ausgeführt, dass genau jene
mokratische Grundordnung (fdGO) dar, weil genau diese              Bediensteten, die in ihrer täglichen Arbeit für die freiheitli-
Behörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die             che demokratische Grundordnung eintreten, Unrecht erfüh-
Innere Sicherheit und die fdGO schützen und garantieren            ren, wenn sie pauschal dem Vorwurf einer antisemitischen,
sollen. Das erste Lagebild »Rechtsextremisten in Sicher-           rassistischen oder demokratiefeindlichen Haltung ausgesetzt
heitsbehörden« des Bundesamtes für Verfassungsschutz               würden (BfV 2020, S. 6).
(BfV) aus dem September 2020 wird hier in Bezug auf
Verdachtsfälle von Rechtsextremisten in deutschen Si-              II. Der Lagebericht »Rechtsextremisten in Sicher-
cherheitsbehörden und der Bundeswehr ausgewertet.                  heitsbehörden« des Bundesamtes für Verfassungs-
Zudem werden aktuelle Fälle von Rechtsextremismus                  schutz – Eine aktuelle Analyse
in den Polizeien von Berlin, Mecklenburg-Vorpommern,               Das Bundesamt für Verfassungsschutz verweist im Lagebe-
Nordrhein-Westfalen, bei der Bundespolizei sowie der               richt »Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden« einführend
Fall »NSU 2.0« vorgestellt.                                        darauf, dass »Disziplinarverfahren und diesbezügliche (Ver-
                                                                   waltungs-)Ermittlungen« im »Verantwortungsbereich der je-
I. Einleitung                                                      weils betroffenen Behörde geführt« werden (BfV 2020, S. 7).
In den vergangenen Monaten und Jahren wurden Fälle in              Daher mangelte es bis zur Veröffentlichung des Lageberichtes
Sicherheitsbehörden bekannt, die auf eine Haltung der              »Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden« durch das BfV
handelnden Mitarbeiter jenseits der freiheitlichen demo-           an einer zentralen Erfassung und Bewertung entsprechender
kratischen Grundordnung hindeuten. Die Fälle waren viel-           Vorfälle. Weiter wird zu Beginn dieses Lageberichtes aus-
schichtig. Sie reichten von Anhaltspunkten für antisemitische      geführt, dass die dem jeweiligen Verfahren zu Grunde lie-
oder fremdenfeindliche Haltungen, über die Teilnahme an            genden Ermittlungen oftmals nicht im Zusammenhang mit
Chatgruppen, in denen entsprechende Inhalte kommuniziert           einer extremistischen Haltung oder Handlung des Betroffe-
wurden, bis hin zur Beschaffung und Lagerung von Waffen            nen geführt werden, sondern sich auf den konkreten Vorwurf
und Munition zur Vorbereitung des sog. Tages X. Auch wenn          einer – unter Umständen zunächst auch außerhalb eines ex-
die absoluten Zahlen dieser Verfehlungen in Relation zur           tremistischen Zusammenhangs erscheinenden – Verfehlung
Gesamtzahl der Beschäftigten bei den Sicherheitsbehörden           fokussieren. Daher war das Ziel dieser ersten Erhebung, eine
von Bund und Ländern nach Angaben des Bundesamtes für              Übersicht über Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den
Verfassungsschutz gering sind, ist grundsätzlich von einem         Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sowie der
Dunkelfeld auszugehen (BfV 2020, S. 5). Fälle von Rechtsex-        Bundeswehr zu gewinnen (BfV 2020, S. 7). Darüber hinaus
tremismus, die Angehörige des öffentlichen Dienstes, vor al-       dient diese Erhebung dazu, einen Überblick über die Ver-
lem der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr, betreffen,         fahrensausgänge zu gewinnen. Von Interesse ist hierbei, ob
bedürfen einer besonderen Betrachtung, denn der Staat und
seine Bediensteten stehen für die freiheitliche demokratische      * Prof. Dr. Stefan Goertz ist Professor für Sicherheitspolitik, mit dem Schwer-
Grundordnung ein und sind dieser in besonderem Maße ver-             punkt Extremismus- und Terrorismusforschung an der Hochschule des
                                                                     Bundes, Fachbereich Bundespolizei, in Lübeck. Studium Politikwissen-
pflichtet. Ausfluss dessen ist das öffentlich-rechtliche Dienst-     schaft, Öffentliches Recht und Arabisch u.a. in Berlin und Damaskus/
und Treueverhältnis, einschließlich des ausdrücklichen Be-           Syrien. Auslandseinsätze als Offizier der Bundeswehr im muslimischen Teil
kenntnisses jedes Beamten und Soldaten zu den Werten                 Bosniens – EUFOR – und im Libanon – UNIFIL. Promotion an der Car-
des Grundgesetzes. Das BfV verweist darauf, dass es keiner           leton University, Ottawa/Kanada und an der Universität der Bundeswehr
                                                                     in München im Bereich islamistischer Terrorismus. Aktuelle Forschungs-
weiteren Erläuterung bedürfe, dass die weit überwiegende             schwerpunkte: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, Islamismus und
Mehrheit der Polizisten, Verfassungsschützer, Soldaten und           islamistischer Terrorismus, Organisierte Kriminalität sowie der Cyber- und
weiteren Beamten und Mitarbeiter des öffentlichen Diens-             Informationsraum.

Die POLIZEI 8 · 2021                                                                                                                        321
Aufsätze                       Goertz · Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen

sich ein Verdachtsfall bestätigt hat und welche Disziplinar-     (68 %). Darunter zählt etwa der Austausch von Chatnach-
maßnahmen bzw. arbeitsrechtlichen Konsequenzen folgten.          richten mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder Äußerun-
Deswegen war es erforderlich, Abfragemechanismen und             gen mit verfassungsfeindlichem Inhalt (BfV 2020, S. 13–14).
Abfragewege zu erarbeiten und auf dieser Basis bei allen be-     Zu derartigen Sachverhalten wurden 35 disziplinarrechtliche
troffenen Stellen Daten zu erheben. In Bezug auf die Ver-        Maßnahmen (35 %) und 17 arbeitsrechtliche Maßnahmen
knüpfung von Einleitung des Verfahrens sowie Verfahrens-         verhängt (17 %) sowie 48 Entlassungen aus dem Beamten-
abschluss, fehlte es vor Erstellung des Lageberichts an einer    verhältnis auf Widerruf bzw. die Nichternennung in das Be-
systematischen Einbindung des Verfassungsschutzes. Nicht         amtenverhältnis auf Probe durchgesetzt (48 %) (BfV 2020,
in allen Fällen war dem BfV die Beamteneigenschaft bzw. die      S. 15). Insgesamt wurden hierbei 67 Verfahren eingestellt
Angehörigkeit des Betroffenen zu einer Sicherheitsbehörde        (21 %) (BfV 2020, S. 15).
bekannt, oder die Verdachtslage wurde durch die ermittelnde
Stelle im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung und Erkennt-         Als Gründe für die Einstellung der Verfahren nennt der Be-
nisanfragen dem BfV nicht mitgeteilt (BfV 2020, S. 8). Die       richt insbesondere:
Erstellung dieses Berichts zählt zu den Aufgaben der neu ge-     – Vergehen nicht bestätigt/nicht erwiesen: Ein vorgeworfe-
schaffenen »Zentralstelle Rechtsextremisten im öffentlichen         nes Vergehen hat sich nicht bestätigt bzw. konnte der be-
Dienst« des BfV. Über diese Erhebung hinaus hat diese Zen-          troffenen Person nicht eindeutig nachgewiesen werden.
tralstelle den Auftrag, einen Überblick über die Gegenmaß-       – Einstellung des Verfahrens unter Feststellung eines Verge-
nahmen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder            hens: Es wurde das Vergehen zwar erwiesen, eine Diszipli-
zu gewinnen und eine Plattform für den Erfahrungsaustausch          narmaßnahme schien jedoch nicht verhältnismäßig.
und die Weiterentwicklung der Maßnahmen zu bieten.               – Nicht-Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gem. § 14
                                                                    Bundesdisziplinargesetz.
II.1. Analysezeitraum                                            – Sonstige Gründe: Andere Gründe führten zur Beendigung
Dieser Lagebericht hat Verdachtsfälle Rechtsextremismus im          des Verfahrens, z.B. Tod des Beamten, erfolgreiche Anfech-
Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03.2020 untersucht, bei denen            tungsklage gegen die Maßnahme, Entlassung auf eigenen
dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen oder Verfahren we-          Wunsch usw.
gen des Verdachts von rechtsextremistischen Einstellungen
oder Verhaltensweisen eingeleitet wurden. Maßgeblich für die     Der häufigste Einstellungsgrund war, dass der Verdacht
Berücksichtigung war dabei das Datum der Verfahrensein-          letztlich nicht bestätigt bzw. nicht erwiesen werden konnte
leitung. Beendete Verfahren sind solche, die zum Abschluss       (51 %) (BfV 2020, S. 15).
gebracht wurden. Soweit möglich, fand eine Aufschlüsselung
der Fälle nach den Arten verhängter Disziplinarmaßnahmen         II.3 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in Sicher-
statt. Ebenfalls erhoben wurden eingeleitete Ermittlungsver-     heitsbehörden des Bundes
fahren im Rahmen eines Strafverfahrens. Darüber hinaus           Im Bereich der Sicherheitsbehörden des Bundes wurden im
wurden arbeitsrechtliche Verfahren, wie zum Beispiel die         Untersuchungszeitraum 58 Verdachtsfälle mit Bezug zum
Abmahnung oder Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, be-         Rechtsextremismus gemeldet. Zu den durch den Lagebe-
rücksichtigt (BfV 2020, S. 11).                                  richt untersuchten Sicherheitsbehörden gehören das Bun-
                                                                 desamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst,
II.2 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den                 die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Polizei beim
Sicherheitsbehörden der Bundesländer                             Deutschen Bundestag sowie die Zollverwaltung. Diese Si-
Die Sicherheitsbehörden der Länder leiteten im Erhebungs-        cherheitsbehörden hatten zum Zeitpunkt der Erhebung
zeitraum Ermittlungen in insgesamt 319 Verdachtsfällen ein.      dieses Lagebildes 108.700 Mitarbeiter. 58 Verdachtsfälle
Zu beachten ist, dass gegen einen Betroffenen im Erhebungs-      Rechtsextremismus auf 108.700 Mitarbeiter macht 0,06 %.
zeitraum mehrere Verfahren anhängig sein können und in-          Das Bundesamt für Verfassungsschutz meldete einen, der
nerhalb eines Verdachtsfalls mehrere Personen betroffen sein     Bundesnachrichtendienst zwei, die Bundespolizei 44 (davon
können, so dass in beiden Fällen Mehrfachnennungen mög-          24 Verdachtsfälle Rechtsextremismus und 20 Verdachtsfäl-
lich sind. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der   le Rassismus), das Bundeskriminalamt sechs, die Polizei des
Verfahrenslaufzeiten nicht in allen Fällen eine Aussage zum      Bundestages einen und die Zollverwaltung vier Verdachtsfälle
Verfahrensabschluss getroffen werden könnte (BfV 2020,           Rechtsextremismus (BfV 2020, S. 16). Diese Verdachtsfälle
S. 11). Die Zahl des Gesamtpersonals der Sicherheitsbehör-       führten zu insgesamt 62 Verfahren: davon 38 disziplinarrecht-
den der Länder betrug mit Stand des 30.06.2019 insgesamt         liche Verfahren (61 %), 23 Entlassungen/Nichternennungen
275.680, so dass diese 319 Verdachtsfälle von Sicherheits-       in das Beamtenverhältnis auf Probe (37 %) sowie in einem
behörden der Bundesländer auf die Gesamtpersonalzahl             Fall zu arbeitsrechtlichen Schritten (2 %) (BfV 2020, S. 16).
275.680 (Dies sind 0,1 %.) kommen (BfV 2020, S. 12). Zu
den 319 Verdachtsfällen wurden insgesamt 303 Verfahren           Der Lagebericht führt aus, dass die verdächtigen Personen am
eingeleitet. Es wurden 237 disziplinarrechtliche Verfahren       häufigsten durch sonstige rechtsextremistische Handlungen
(78 %), 48 Verfahren mit dem Ziel der Entlassungen/Nicht-        oder Äußerungen oder einen sonstigen rechtsextremistischen
ernennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (16 %)            Bezug auffielen (89 %). Dazu zählt etwa der Austausch von
sowie 18 arbeitsrechtliche Maßnahmen (6 %) eingeleitet. In       Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder
dem genannten Zeitraum wurden zudem 261 strafrechtliche          Äußerungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt. Den Diszi-
Verfahren eingeleitet (BfV 2020, S. 13). Die häufigsten durch    plinarbehörden lagen keine Erkenntnisse vor, dass die Be-
Landesbehörden berichteten Verdachtsfälle stehen im Zusam-       troffenen Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen
menhang mit sonstigen rechtsextremistischen Handlungen           waren, noch ergaben sich Hinweise auf Kontakte zu anderen

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