Die Dublin Verordnung - Vorlesung im Rahmen der Refugee Law Clinic Berlin 5. Veranstaltung: Teil 1, 18.11.2014 Johanna Mantel

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Die Dublin Verordnung
Vorlesung im Rahmen der Refugee Law Clinic Berlin
        5. Veranstaltung: Teil 1, 18.11.2014

                Johanna Mantel
Hintergrund und rechtliche Einordnung

• Dublin VO ist Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
  (GEAS)
• Ziel: Einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik in der EU zu
  verwirklichen
• In Römischen Verträgen von 1957 (Gründung EWG) noch nicht
  vorgesehen
• Entwicklung europäischer Binnenmarkt: nicht nur freier
  Warenverkehr auch Personenfreizügigkeit
• Maastrichter Vertrag 1992: Asylpolitik = Angelegenheit von
  gemeinsamem Interesse
• Amsterdamer Vertrag 1997: Asylpolitik in 1. Säule transferiert
• Tampere-Programm: kollektives Asylsystem entwickeln
• Haager Programm 2004: Asylpolitik harmonisieren in 2 Phasen

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Die Dublin-III-VO

• Geschichte / Vorherige Verordnungen:

• Öffnung der Grenzen im Schengen-Raum (Schengener
  Abkommen 1985)
• Schengener Durchführungsübereinkommen (Unterzeichnung
  1990, in Kraft getreten 1995)
• Dubliner Übereinkommen (Unterzeichnung 1990, in Kraft
  getreten 1997)
• Dublin-II VO 2003

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Hintergrund und rechtliche Einordnung

• Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS)
• Ziel: Errichtung eines gemeinsamen Systems von Normen und Verfahren zur
  Gewährung des Flüchtlings- und des subsidiären Schutzes

• Art. 78 Abs. 1 S. 1 AEUV:
„(1) Die Union entwickelt eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer
Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der
internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die
Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden
soll.“

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Hintergrund und rechtliche Einordnung

• Rechtlich bindender Rahmen für GEAS:
• GFK, EU GR-Charta, EMRK
• Art. 78 Abs. 1 S. 2 AEUV: „Diese Politik muss mit (der GFK) sowie den
  anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen.“

• Art. 18 EU GR-Charta: „Das Recht auf Asyl wird nach Maßgabe (der GFK)
  sowie gemäß dem (EGV) gewährleistet.“

• Art. 19 EU GR-Charta: Non-refoulement Gebot

• Art. 6 Abs. 3 EUV: EMRK Teil des Unionsrechts

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Hintergrund und rechtliche Einordnung

• Das GEAS umfasst:
• zwei Institutionen:
1) Europäisches Asylunterstützungsbüro (EASO) und
2) EU Grenzschutzagentur (FRONTEX)

• zwei Verordnungen:
1) Dublin-Verordnung und
2) Eurodac-Verordnung

•    sowie fünf Richtlinien:
1)    Qualifikationsrichtlinie
•    2) Asylverfahrensrichtlinie
•    3) Aufnahmerichtlinie
•    4) Massenzustromsrichtlinie und
•    5) Rückführungsrichtlinie

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Hintergrund und rechtliche Einordnung

• Geltung von Richtlinien und Verordnungen in Deutschland:

• Richtlinien: erst durch Umsetzung geltendes Recht in den MS,
  z.B. UmsetzungsG zur QualifikationsRL v. 5.9.2013 (seit 6.9. bzw.
  1.12.2013 in Kraft)

• Verordnungen: unmittelbare Geltung in den MS, förmliche
  Umsetzung nicht erforderlich, nationale Gesetze müssen ggf.
  geändert werden, z.B. AsylVfG

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Hintergrund und rechtliche Einordnung

• EU Gesetzgebungskompetenz für die Dublin-VO aufgrund von
  Art. 78 Abs. 2 lit. e AEUV:
• „(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 erlassen das Europäische Parlament und
  der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen in
  Bezug auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem, das Folgendes
  umfasst:
   ...
   e) Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die
   Prüfung eines Antrags auf Asyl oder subsidiären Schutz zuständig ist
   …”

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Die Dublin-III-Verordnung
          • Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013
„zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,
der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in
einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist“
                                  (Neufassung)

•   in Kraft seit 19. Juli 2013
•   anzuwenden seit 1. Januar 2014
•   Übergangsvorschriften
•   aber bereits davor: UmsetzungsG zur Qualifikations-RL, Änderung AsylVfG
•   Ergänzungen zur Dublin-VO:
•   DurchführungsVO (erstmalig 2003)
•   EURODAC VO (erstmalig 2000)

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Die Dublin-III-VO

• Mitgliedsstaaten:

• derzeit 28 EU-MS

• + Norwegen, Island, Lichtenstein und Schweiz

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Die Dublin-III-VO

• Regelungsabsicht:

• Regelung der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens in der
  EU bei Anträgen auf internationalen Schutz

• Internationaler Schutz = Flüchtlingsschutz + subsidärer Schutz

• Die Dublin-III-VO enthält verschiedene Zuständigkeitskriterien (Art. 7 – 15, 3
  Dublin-III), die in einer festen Reihenfolge geprüft werden

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„Dublin“ im deutschen Asylverfahren

           Ablauf des Dublin-Verfahrens in Deutschland

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Ablauf im Rahmen des Asylverfahrens:
                              Meldung als Asylsuchender / Asylantrag

                           Prüfung der Zuständigkeit = „Dublin-Verfahren“
                                             wenn (-)

                                  Feststellung der Unzuständigkeit
                                      wenn keine Ausnahmen

                      Übernahmeersuchen an den als zuständig bestimmten MS

                              Wenn „positive“ Antwort auf Ersuchen:

                                             Bescheid
                                      wenn Eilrechtsschutz (-):

                                           Überstellung

           In jedem Verfahrensstadium gelten bestimmte Fristen, die zu beachten sind!

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Wer ist zuständig ?

     • Bei jeder Asylantragstellung wird zunächst geprüft, ob Deutschland für
       die Durchführung des Verfahrens zuständig ist (= „Dublin-Verfahren“)

     • Erst nach Feststellung der Zuständigkeit erfolgt die Anhörung zu den
       Fluchtgründen und die inhaltliche Prüfung des Asylantrags.

      § 27a AsylVfG: „Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat
       auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder
       eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des
       Asylverfahrens zuständig ist.“

      Hinweis: Das Dublin-Verfahren gilt für Asyl- und „Aufgriffsfälle“ =
       Aufgriff illegal aufhältiger Personen, die in Dt. (noch) keinen Asylantrag
       gestellt haben.

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Wer ist zuständig ?
Hinweise auf die Zuständigkeit eines anderen Staates können
sich ergeben aus:
    • Überprüfung der Identität (§ 16 AsylVfG)
    • Abgleich mit der Eurodac-Datenbank (= zentrales,
      automatisiertes, europäisches
      Fingerabdruckidentifizierungssystem)
    • Abgleich mit dem Europäischen Visa-
      Informationssystem (VIS)
    • Unterlagen, die gem. § 15 Abs. 2 und 3 AsylVfG
      vorgelegt werden müssen (Fahrkarten, Pässe, Tickets)
    • Angaben im persönlichen Gespräch („Dublinanhörung“)

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Wer ist zuständig ?
Wenn Hinweise auf Zuständigkeit eines anderen MS gegeben sind:
  • Prüfung aller Zuständigkeitskriterien nach der Dublin-III-VO
  • Ggf. Übernahmeersuchen an den anderen MS
   Je nach Fall: Aufnahmeersuchen (= im ersuchten Staat
    wurde noch kein Asylantrag gestellt) oder
    Wiederaufnahmeersuchen (= im ersuchten Staat wurde
    bereits ein Asylantrag gestellt)
   Das Ersuchen und die Antwort auf das Ersuchen müssen
    innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen
   Folge bei Fristablauf: MS, der die Frist versäumt, wird für das
    Verfahren zuständig
  • So lange ein Dublin-Verfahren läuft, trifft das BAMF keine
    inhaltliche Entscheidung über den Asylantrag

SEITE 16
Wer ist zuständig ?
Die Zuständigkeitsprüfung im Einzelnen:

1. Welcher Mitgliedstaat ist nach den
   Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO zuständig?
   (Art. 7 – 15 Dublin-III)
2. Greift eine Ausnahmeregelung? (Art. 16, 17 Dublin-III)
3. Abschiebung wegen systemischer Mängel im
   Asylverfahren ausgeschlossen? (Art. 3 (2) Dublin-III)
4. Fristen eingehalten? (Art. 20 ff., bes. Art. 21-23, 29
   Dublin-III)

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1. Zuständigkeitskriterien
Die Zuständigkeitskriterien werden in fester Reihenfolge geprüft
(Art.7 Abs. 1):

1.   Unbegleitete Minderjährige (Art. 8)
2.   Familiäre Bindungen und Antrag in zeitlicher Nähe (Art. 8 bis 11)
3.   Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa (Art. 12)
4.   Einreise und/oder Aufenthalt (Art. 13)
5.   Visafreie Einreise (Art. 14)
6.   Antrag im internationalen Transitbereich eines Flughafens (Art. 15)
7.   Ort des Asylantrags (Art. 3)

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2. Ausnahmeregelungen
Abhängige Personen (Art. 16) und Ermessensklausel (Art. 17)
Art. 16 Abs. 1:
Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung von unterstützungsbedürftigen
Personen (u.a. bei Krankheit, Schwangerschaft) zu / von Kindern, Geschwistern
oder Elternteilen als Regelfall – „soll“

Art. 17 Abs. 1: (=Selbsteintrittsrecht)
• Mitgliedstaaten können Asylanträge abweichend von den
    Zuständigkeitskriterien selbst prüfen
• Beachte: Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung
    aufgrund „systemischer Mängel“: kein Fall des Selbsteintritts, sondern
    Fortführung der Prüfungshierarchie (Art. 3 (2) Dublin-III)
Art. 17 Abs. 2:
Allg. humanitäre (insbes. familiäre oder kulturelle) Gründe – Ermessen der
Mitgliedstaaten - „kann“

• Art. 3 Abs. 3: „Opt-Out Klausel“
Mitgliedstaaten dürfen stets in sichere Drittstaaten abschieben
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3. „Systemische Mängel“ in einem MS
• EGMR, Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland
• EuGH, Urteil vom 21.12.2011, N.S. v Secretary of State for the Home
  Department
• Keine Überstellung in anderen MS bei „systemischen Mängel“ des
  Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen und begründeter Annahme,
  dass der Antragsteller dort tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen
  und erniedrigenden Behandlung (Art. 3 EMRK) ausgesetzt zu werden.
• Praxis des BAMF:
• Seit 2011: Keine Überstellungen nach Griechenland
• Keine Überstellung besonders Schutzbedürftiger nach Malta
• Seit Dublin-III: Fortsetzung der Zuständigkeitsprüfung - Art. 3 (2)
• Umstritten zwischen den Gerichten: u. a. Italien, Bulgarien, Ungarn
• BVerfG zur Abschiebung besonders Schutzbedürftiger nach Italien (2 BvR
  1795/14 und 2 BvR 939/14) – sowohl i.R.v. Dublin als auch bei Anerkannten!
• EGMR, Urteil vom 4.11.2014, Tarakhel v. Switzerland – Zusicherung für
  altersgerechte Aufnahme von Kindern von Italien
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4. Fristen im Dublin-Verfahren

a) Aufnahmeverfahren (noch kein Antrag auf int. Schutz in ersuchtem MS)
• Aufnahmeersuchen: 2 Monate bei Eurodac-Treffer (ab Treffermeldung), sonst
    3 Monate (ab Antragstellung in Dt.)
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

• Antwort auf Ersuchen: 2 Monate (bei Dringlichkeit max. 1 Monat)
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchter MS wird zuständig

• Überstellung: 6 Monate (bei Straf-/U-Haft: 12 Monate, bei Untertauchen: 18
  Monate)
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

  SEITE 21
4. Fristen im Dublin-Verfahren

b) Wiederaufnahmeverfahren (int. Schutz in ersuchtem MS bereits beantragt)

• Wiederaufnahmeersuchen: 2 Monate bei Eurodac-Treffer, sonst 3 Monate
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

• Antwort auf Wiederaufnahmeersuchen: 2 Wochen bei Eurodac-Treffer, sonst
  1 Monat
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchter MS wird zuständig

• Überstellung: 6 Monate (bei Straf-/U-Haft: 12 Monate, bei Untertauchen: 18
  Monate)
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

  SEITE 22
4. Fristen im Dublin-Verfahren

b) Besonderheiten bei Abschiebehaft

• (Wieder-) Aufnahmeersuchen: 1 Monat
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

• Antwort auf (Wieder-) Aufnahmeersuchen: 2 Wochen
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchter MS wird zuständig

• Überstellung: 6 Monate, allerdings nach 6 Wochen zwingend aus der Haft zu
  entlassen
 Folge bei Fristüberschreitung: ersuchender MS wird zuständig

  SEITE 23
Entscheidung und Rechtsfolgen
    • Ist die Zuständigkeit eines anderen MS geklärt, erlässt das BAMF einen
      Bescheid (Wortlaut: „Der Asylantrag ist unzulässig“)

    • Gleichzeitig wird eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a AsylVfG
      erlassen

    • Eine freiwillige Ausreise ist nicht vorgesehen

    • Der Bescheid wird mit der Akte an die zuständige ABH als
      Vollzugsbehörde für die Abschiebung weitergeleitet

    • Der Bescheid wird dem / der Betroffenen zugestellt (auch bei Vertretung
      durch RAin!)

     • Sofern Bescheid vollziehbar wird: Überstellung
SEITE 24 ,
Die Dublin Verordnung
Vorlesung im Rahmen der Refugee Law Clinic Berlin
        6. Veranstaltung: Teil 2, 25.11.2014

                Johanna Mantel
Rechtsschutz im Dublin-Verfahren

Vorgehen gegen Bescheid:

• Klage gegen VA: Unzulässigkeit des Asylantrags

• Klage gegen Zwangsmittel: Abschiebungsanordnung

• 80 V gegen Abschiebungsanordnung

SEITE 26
Rechtsschutz nach der Dublin-III-VO

• Art. 26: Zustellung der Überstellungsentscheidung mit
  Rechtsmittelbelehrung

• Art. 27 I: Recht auf wirksames Rechtsmittel gegen einen
  Überstellungsbescheid

• Art. 27 II: Angemessene Frist auf Wahrnehmung dieses Rechts

• Art. 27 III: Suspensiveffekt in drei Varianten möglich

SEITE 27
Rechtsschutz in Deutschland

     • Klage innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Bescheides (an den
       Betroffenen)     bei   zuständigem     Verwaltungsgericht     (siehe
       Rechtsmittelbelehrung)

     • Achtung: Klage hat keine aufschiebende Wirkung! Bescheid ist
       vollziehbar und die Überstellung kann erfolgen!

     • Aber: Eilrechtsschutz nach § 80 (5) VwGO innerhalb einer Woche
       möglich (siehe § 34a (2) AsylVfG – in Kraft seit dem 6.9.2013)

     • Deutschland hat sich damit für die „schwächste“ Rechtsschutz-Variante
       entschieden

SEITE 28
Rechtsschutz in Deutschland
Wirkung des Eilantrags:
     • Vor einer gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine
       Überstellung nicht zulässig (§ 34a (2) AsylVfG)!
     • Die 6-monatige Überstellungsfrist wird während des Eilverfahrens sowie
       bei positiver Entscheidung über den Eilantrag gehemmt, kann also nicht
       ablaufen
     • Achtung: Nach BAMF und einigen Verwaltungsgerichten beginnt die
       Überstellungsfrist nach einer negativen Entscheidung über den Eilantrag
       erneut von Anfang an (danach läuft nicht lediglich „Rest“ der Frist
       weiter!)
     • Bei positiver Entscheidung über den Eilantrag, aber negativer
       Hauptsacheentscheidung (=über die Klage) beginnt die Frist erneut von
       Anfang an zu laufen (so Art. 29 (1) Dublin-III-VO und überwiegende Rspr.)

SEITE 29
Rechtsschutz in Deutschland
Klageantrag:
     • 1. Alternative: Aufhebung des Bescheides + Verpflichtung zur
       Durchführung des Verfahrens in Deutschland und/oder Antrag auf
       inhaltliche Entscheidung über Asylantrag (= Verpflichtungsklage)

     • 2. Alternative: Nur        Aufhebung   des   Bescheides   beantragen
       (=Anfechtungsklage)
   Argumente für die 2. Alternative:
     – Bei Aufhebung des ursprünglichen „Dublin-Bescheides“ ist gem. § 31
       Abs. 2 AsylVfG von Amts wegen zu prüfen, ob für den Betroffenen die
       Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt wird.
     – Gegen eine negative Entscheidung im Rahmen dieser Prüfung könnte
       der Betroffene abermals klagen (= weitere Tatsacheninstanz)
SEITE 30
Rechtsschutz in Deutschland

     • Eilantrag: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
     • Eilantrag begründet, wenn bei summarischer Prüfung das private
       Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse
       überwiegt – dies richtet sich nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache
       (= Klage)
     • Begründungsfrist: § 34a (2) AsylVfG sieht keine Frist für die Begründung
       vor, da es sich aber um ein „Eilverfahren“ handelt, sollte Begründung
       möglichst mit dem Antrag oder zeitnah erfolgen (dann ankündigen!)
     • Bei Ablehnung des Eilantrages evtl. noch möglich: Änderungsantrag
       nach § 80 (7) VwGO

SEITE 31
Rechtsschutz in Deutschland

Wichtig für die Beratung:

     • Datum der Zustellung (gelber Umschlag!)

     • Informationen in der Rechtsmittelbelehrung (Klage und Eilantragsfrist +
           zuständiges VG)

     • Informationen aus der Akte, insb. zum Lauf der Überstellungsfrist

     • Zusammentragen aller Informationen für Klage- und
           Eilantragsbegründung (Atteste, Dokumente/Nachweise zu familiären
           Beziehungen etc.)

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Was ist sonst neu seit „Dublin-III“ ?

• Weitere für die Praxis wichtige Neuregelungen:

•   Allgemeine Schutz- und Verfahrensgarantien
•   Familienbegriff
•   Minderjährigenschutz
•   Regelungen zur Möglichkeit der Inhaftierung

SEITE 33
Allgemeine Schutz- und Verfahrensgarantien
• Recht auf Information (Art. 4):
 Unterrichtung über Ziele der VO, Zuständigkeitskriterien und ihrer
  Rangfolge, Verfahren und dessen Dauer, pers. Gespräch, Rechtsbehelf,
  Aussetzungsantrag, Datenschutz
 schriftlich, Merkblatt in verständlicher Sprache; ggf. mündlich

• Persönliches Gespräch (Art. 5):
   zeitnah, jedenfalls vor Überstellungsentscheidung
   verständliche Sprache, ggf. Dolmetscher
   Vertraulichkeit, qualifizierte Person
   Ausnahmen nach Art. 5 Abs. 2: flüchtig oder bereits sachdienliche Angaben
    gemacht

SEITE 34
Familienbegriff

    • Art. 2 lit. g: “Familienangehörige”
     Ehegatte, dauerhafte Beziehung
     mj. unverheiratete Kinder
     Vater, Mutter oder anderer Erwachsener, der für Mj. verantwortlich
      ist (Dublin II nur Vormund)

    • Art. 2 lit. h: “Verwandter” (keine Rolle in Dublin II)
     volljähriger Onkel, Tante
     Großelternteil

    • Geschwister (keine Rolle in Dublin II)

SEITE 35
Familienbegriff
     Art. 8: Zusammenführung von unbegleiteten Mj. mit
      Familienangehörigen oder Geschwister (Abs. 1), Verwandten (Abs.
      2)
     Art. 9: Zuständigkeit des MS in dem sich schutzberechtigter
      Familienangehöriger aufhält
     Art. 10: Zuständigkeit des MS in dem sich Familienangehöriger
      aufhält, der Schutz beantragt hat
     Art. 11: Familienverfahren für Familienangehörige, unverheiratete
      mj. Geschwister (größter Teil der Familie oder ältester)
     Art. 16 Abs. 1: i.d.R. Zusammenführung abhängiger Personen zu
      Kindern, Geschwistern, Elternteil
     Art. 17 Abs. 2: Zusammenführung Personen “jeder
      verwandtschaftlichen Beziehung” aus humanitären Gründen
      (familiäre und kulturelle)
     Art. 20 Abs. 3: miteinreisende und nachgeborene Kinder
      verbunden mit Antragsteller
SEITE 36
Minderjährigenschutz

 • Art. 6 Abs. 1: Kindeswohl als vorrangige Erwägung
 • Art. 6 Abs. 2: Vertretung unbegleiteter Mj. mit erforderlichen
   Qualifikationen und Fachkenntnissen
 • Art. 6 Abs. 3 und 4: Familienzusammenführung: Kooperation
   der MS und Recherchen (Ermittlung verwandter Personen)
 • Art. 8 Abs. 4: Anträge des unbegleiteten Mj. in mehreren MS
  EuGH, MA u.a., 6.6.2013: Staat des gegenwärtigen Aufenthalts
   zuständig
  Kommissionsvorschlag zur Änderung der Dublin-III-VO

SEITE 37
Regelungen zur Möglichkeit der Inhaftierung

• Art. 28 Abs. 1: nicht allein aufgrund Dublin-Verfahren zulässig
 BGH Beschluss vom 26. Juni 2014, V ZB 31/14
• Haft nur zulässig zur Sicherung der Überstellung, wenn:
  Einzelfallprüfung, erhebliche Fluchtgefahr, verhältnismäßig,
  kein milderes Mittel
• Verkürzung der Dublin-Fristen (Übernahmeersuchen: 1 Monat,
  Antwort: 2 Wochen, Überstellung: 6 Wochen, sonst Entlassung)
• Haftbedingungen etc.: Art. 9-11 AufnahmeRL anzuwenden
 Keine Unterbringung in der Strafhaft zulässig: EuGH Urt. v.
  17.7.2014, Rs. C-473/13 u. C-514/13

SEITE 38
Die Dublin-III-VO

Wichtige Änderungen gegenüber Dublin-II:

• Gleichstellung Asylantrag – Antrag auf internationalen Schutz

• Stärkung des Minderjährigen-Schutzes (Art. 8)

• Rechtsschutzmöglichkeit (Art. 27 III -> § 34a AsylVfG)

• Einschränkung der Möglichkeit der Inhaftierung (Art. 28)

• Frühwarnmechanismus (Art. 33)
SEITE 39
Umgang mit „Dublin“-Fällen im Rahmen der
                         Asylberatung

                „Dublin“-Checkliste für die Beratung

                            Fallbeispiele

                 Wichtige Hinweise und Adressen

SEITE 40
„Dublin“- Checkliste für die Beratung
• Handelt es sich um einen „Dublin“-Fall (Reiseweg, Abgrenzung zu
    Anerkannten)
• Verfahrensstand in Deutschland – Einhaltung der Verfahrensgarantien
• Kontrolle der Fristen (Zeitstrahl: Einreise, Asylantragstellung, evtl. Zustellung
    des Bescheids (gelber Umschlag!), Ablauf Rechtsmittelfrist, Ablauf
    Überstellungsfrist)
• Aktuelle Anschrift notieren (BAMF informieren)
• BAMF Bescheid – Rechtsmittelbelehrung / Möglichkeit eines
    Eilrechtschutzantrags (§ 80 V VwGO)
• Zusammentragen der Gründe, die aus Sicht der Antragstellerin / des
    Antragstellers gegen eine Überstellung sprechen (Minderjährigkeit,
    Familienmitglieder in Dt., Reiseunfähigkeit, Bedingungen im anderen MS) +
    Zusammenstellung möglicher Nachweise
• Zuständigkeit / Selbsteintritt Deutschlands /
    Asylverfahren/Aufnahmebedingungen im Dublin-MS („systemische Mängel“)
    – Länderinformationen
• Verstreichen der Überstellungsfrist bei Reiseunfähigkeit, Kirchenasyl
    (Problem: „Untertauchen“)
SEITE 41
• Einschaltung eines Rechtsanwaltes / einer Rechtsanwältin - Finanzierung
Beispielsfälle

Fall 1:

• Ein syrischer Mann reist nach Deutschland ein, ihm kann kein
  Aufenthalt in anderem Dublin-MS nachgewiesen werden.
  Asylverfahren in Deutschland wurde eröffnet.

• Seine Ehefrau und zwei Kinder befinden sich in Frankreich
  (Eurodac-Treffer, kein Asylantrag).

• Welches Land ist zuständig?

SEITE 42
Beispielsfälle
Fall 2:
• Eine erwachsene Frau aus Somalia reist über Bulgarien
  (Eurodac-Treffer, kein Asylantrag) in die EU ein, nach 2 Monaten
  weiter nach Österreich (Aufenthalt dort 3 Monate) und dann
  weiter nach Deutschland, wo sie sofort einen Asylantrag stellt.
• Welches Land ist zuständig?

• Abwandlung 1: Der Eurodac-Treffer weist auf eine illegale
  Einreise nach Bulgarien vor 14 Monaten hin. Die Frau hielt sich
  zwischenzeitlich 6 Monate in Österreich auf. In Deutschland ist
  sie seit 3 Monaten.

• Abwandlung 2: Es handelt sich um eine Minderjährige, die
  keine Angehörige in einem Dublin-MS hat.

SEITE 43
Beispielsfälle

Fall 3:

• Ein Mann tschetschenischer Herkunft reiste im Dezember 2012
  nach Deutschland ein und stellte im April 2013 einen
  Asylantrag. Vorher hielt er sich 4 Tage lang in Polen auf
  (Eurodac-Treffer, Asylantrag). Er galt Anfang 2013 als
  „untergetaucht“, die Überstellungsfrist wurde auf 18 Monate
  verlängert, bis zum 7.8.2014. Am 24.6.2014 sollte die
  Überstellung stattfinden, er wurde nicht angetroffen.

• Welches Land ist am 9.8.2014 zuständig?

SEITE 44
Beispielsfälle

Fall 4:

• Eine Frau mit ihrem 2jährigen Kind aus Eritrea ist über Malta
  (Eurodac-Treffer, Asylantrag) nach Deutschland eingereist.

• Welches Land ist zuständig?

• Abwandlung: Es handelt sich um einen alleinstehenden Mann.

SEITE 45
Beispielsfälle

Fall 5:

• Eine dreiköpfige Familie aus Afghanistan ist über Ungarn nach
  Deutschland eingereist. In Ungarn hat die Familie subsidiären
  Schutz erhalten.

• Welches Land ist zuständig?

SEITE 46
Wichtige Hinweise und Adressen
• Informationen zum konkreten Dublin-Verfahren :
 • Direkt beim BAMF (in der Regel durch Akteneinsich „Aktenstammblatt“,
   Eurodactreffer, Interview-Protokoll, Datum Übernahmeersuchen, Datum Antwort
   MS, Verfristungsschreiben, Aktenvermerke, Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung
 • Konkrete Informationen zum Vollzug der Überstellung: ABH
• Allgemeine Verfahrens- und Länderinformationen:
 • www.bamf.de
 • AI Jahresberichte / www.amnesty.de/Laenderberichte (z.B. aktueller Bericht zur
    Situation in Bulgarien) / www.amnesty.eu / www.amnesty.org
 • www.unhcr.de / www.unhcr.org / www.refworld.org (z.B. UNHCR zu Italien,
    Bulgarien, Ungarn)
 • www.refworld.org / www.ecoi.net
 • www.fluechtlingshilfe.ch für Berichte der Schweizer Flüchtlingshilfe
 • www.asyl.net (auch wichtige Rechtsprechungsdatenbank)
 • www.migrationsrecht.net
 • www.proasyl.de
 • Polnishe NGO SIPhttp://interwencjaprawna.pl/cic/information-centre-for-foreigners/
• Email: biuro@interwencjaprawna.pl
• Literaturhinweise: Asylmagazin (insb. Beilage zum Asylmagazin 7-8/2013 und
SEITE 47
    Asylmagazin 11/2013)
VIELEN DANK!

        Kontakt:
mantel@aufenthaltsrecht.net
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