Rohstoffpartnerschaften - Chile und wie weiter?
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Rohstoffpartnerschaften – Chile und wie weiter? Rüdiger Schwarz Rohstoffpolitik, Südamerika, Deutschland Die jüngsten Vereinbarungen zwischen Deutschland und Chile – neben denen mit Kasachstan und der Mongolei – erweitern den Kreis der deutschen Rohstoffpartnerschaften auch kontinental. Länder in Südamerika werden nun ebenfalls zu strategischen Rohstoffpartnern Deutschlands. Welche Voraussetzungen müssen dafür aus Sicht der deutschen Wirtschaft erfüllt sein? Welchen Nutzen bringen Vereinbarungen mit weiteren Ländern? R ohstoffpartnerschaften sind ein Schlüsselelement in der Rohstoffstrategie der Bundesregierung.1 Die vereinbarten Part- nerschaften Deutschlands mit der Mongolei 2011 und Kasachstan 2012 zeigen jedoch eine bislang ernüchternde Bilanz. Nach großem Engagement vieler Mitwirkender ist zurzeit in der Rohstoffpart- nerschaft Deutschland / Mongolei kaum Fortschritt sichtbar. Hier wäre es wichtig, gemeinsam mit allen beteiligten Seiten auf der Grundlage einer Stärken-Schwächen-Analyse über eine Neuaus- richtung nachzudenken. In dieses Bild passt die Presseerklärung vom 24. Januar 2013 aus dem Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu einem Gespräch von deutschen und mongolischen Regierungsvertretern, wonach die deutschen Vertreter dazu „(auf)rief(en), dass beide Seiten die Rahmenbedingungen für diese Zusammenarbeit noch weiter ver- bessern“ sollten.2 Ob allerdings die als einzig konkretes Projekt diskutierte Förderung des „Aufbau(s) einer Hochschule für Roh Dr. Rüdiger Schwarz, stoffe und Technologie in der Mongolei (DMHT)“ den aktuellen Diplom-Geologe, Anforderungen und Interessen Deutschlands im Rohstoffsektor Geschäftsführender gerecht wird, ist fraglich. Die Beratung der Arbeitsgruppe Roh Gesellschafter geotec Rohstoffe GmbH, Berlin. stoffe Deutschland / Mongolei Ende Oktober 2012 in Ulaan schwarz@rohstoffe.org Baatar wurde auf Mai 2013 verschoben. 1 Vgl. Rohstoffstrategie der Bundesregierung: Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin, Oktober 2010. 2 Kopp, Gudrun: „Qualifizierte Arbeitskräfte für den mongolischen Rohstoffsektor ausbilden.“ Presseerklä- rung des BMZ, 24.01.2013. http://www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2013/januar/20130124_ mongolei/index.html (abgerufen am 10.04.2013). WeltTrends • Zeitschrift für internationale Politik • 90 • Mai/Juni 2013 • 21. Jahrgang • S. 15-20
16 WeltTrends 90 In der Partnerschaft mit Kasachstan sind erste Projekte im Entstehen. Das BMZ fördert ein Programm zur Nutzung des mineralischen Rohstoffsektors für die wirtschaftliche Entwicklung Kasachstans und weiteren Ländern in der Region wie Kirgisistan und Tadschikistan. Das Gesamtziel des auf drei Jahre angelegten Vorhabens besteht darin, die notwendigen Voraussetzungen für die optimale Entwicklung eines modernen Bergbausektors zu schaffen. Das Projekt wird von der Deutschen Gesellschaft für Internatio- nale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bundesanstalt für Geowis- senschaften und Rohstoffe (BGR) durchgeführt. Das BGR-Modul sieht die Unterstützung der Sektorbehörden (geologische Dienste, Bergaufsicht) vor.3 Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft Weiterlesen: baut dabei im Auftrag der GIZ eine regionale öffentlich-private L. Kleinwächter (Hrsg.), Deutsche Rohstoffpolitik Dialogplattform auf, um die staatlichen Rahmenbedingungen für WeltTrends Spezial 6 Investitionen im Rohstoffsektor zu diskutieren und Handlungs- empfehlungen für die Verbesserung der Investitions- und Techno- logieförderung zu erarbeiten. Gleichzeitig hat der Ost-Ausschuss die Aufgabe übernommen, für die deutsche Industrie den Prozess der Umsetzung der Rohstoffpartnerschaft zu leiten und inhaltlich sowie organisatorisch zu koordinieren. Die erste Ost-Ausschuss- Dialogveranstaltung mit dem Thema „Investitionsvoraussetzungen und Erwartungen internationaler Unternehmen im Bergbausektor in Zentralasien“ fand im Februar 2013 in Astana statt. Rohstoffpartnerschaft bei Großprojekten Wird die Gesamtproblematik positiv angegangen, stellt sich die Frage, mit welchen Ländern Deutschland weitere Rohstoffpartnerschaften verhandeln soll. Kooperation ist immer ein geeignetes Instrument, um wirtschaftliche Ziele zu verwirklichen, die im gemeinsamen Interesse beider Partner liegen. Eine zwischenstaatliche Partnerschaft mit dem Schwerpunkt „Rohstoffe“ sollte dabei vor allem relevante Projekte aus dem Bereich der Rohstoffwirtschaft einschließen. Das sind Projekte, deren Dimensionen (z. B. Art des Rohstoffs, Wert des Projekts, Mengen und Volumen, Anteil am bilateralen Handelsvo- lumen) selbsterklärend sind und staatliches Handeln rechtfertigen. Rohstoffpartnerschaften sind vorzugsweise anzustreben bei umfangreichen Großprojekten und bei risikoreichen Unterneh- mungen, deren Absicherung die Aktivitäten des deutschen Staates 3 Vgl. Presseerklärung „Experten aus Zentralasien besuchen BGR“, 25.10.2012. http://www.bgr.bund.de/DE/ Gemeinsames/Nachrichten/Aktuelles/2012-10-25_zentralasien_besucher.html (abgerufen am 10.04.2013).
WeltBlick 17 erfordern. Vereinfacht gesagt, vereinbaren die Partner gemeinsame Ziele im Rohstoffsektor und angrenzenden Bereichen (u. a. Bildung, Infrastruktur, Finanzsektor). Diese Vorgehensweise entspricht exakt den Vorstellungen der Bundesregierung zum Abschluss von Rohstoffpartnerschaften. Sie bilden dann ein „Dach“, einen forma- len Rahmen, der die Strategie und die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung der vorher zwischen Deutschland und dem Partner- land vereinbarten Vorstellungen beschreibt. Dieses Vorgehen könnte für rohstoffreiche Entwicklungsländer ein gangbarer Weg sein. Partner Chile Eher schwierig – vor allem in der Begründung am Anfang des Prozesses und in der täglichen Umsetzung einer Rohstoffpartner- schaft – ist die Diskussion im Zusammenhang mit Schwellenlän- dern, z. B. Chile und Südafrika. Beide Bergbauländer gehören in die Top-Liga der Rohstoff produzierenden Staaten, es agieren dort weltweit führende Rohstoff- bzw. Bergbaukonzerne. Deut - sche Unternehmenskoopera tionen bestehen seit vielen Jahren. Der Markt funktioniert und das wirtschaftspolitische Umfeld ist relativ stabil. Unmit- telbare ökonomische Probleme, die Deutschland jetzt mit einer Initiative zum Abschluss eines Rohstoffabkommens lö - sen müsste, bestehen nicht. Wenn die deutsche Regierung Die Atacamawüste: Reich an Ressourcen – auch für Deutschland? am 26. Januar 2013 auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel trotzdem mit Chile eine entsprechendes Absichtserklärung4 unterzeichnet hat, sind dafür vermutlich übergeordnete, langfristige wirtschaftspolitisch-strategische Inter- essen ausschlaggebend. Chile verfügt über 34 Prozent der globalen Kupfervorräte, über Silber, Lithium und Rhenium sowie über umfangreiche Industriesalz- und Jodvorkommen. Deutschland 4 http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/G/gemeinsame-absichtserklaerung-regierung-bergbau, property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf; http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/ PDF/G/gemeinsame-erklaerung-regierung-bergbau,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb =true.pdf (abgerufen am 07.05.2013).
18 WeltTrends 90 bietet im Gegenzug Investitionen und Technologien, insbesondere in den Bereichen erneuerbarer Energien und Umweltschutz. Die Kompliziertheit der Rohstoffpartnerschaften wird am Beispiel Chile in zwei aktuellen Studien mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen behandelt. Mit der Bundesanstalt für Geowis- senschaften und Rohstoffe (BGR) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) haben sich zwei der wesentlichen Akteure Deutschlands zu Rohstoffpartnerschaften geäußert. Beide entwickelten Handlungsempfehlungen für ihre jeweiligen Auftrag- geber, auf der einen Seite die deutsche Wirtschaft vertreten durch die jeweiligen Verbände und auf der anderen Seite das Bundeswirt- schaftsministerium als Dienstherr der BGR. 1) Die BGR-Länderstudie5 hebt das außerordentliche Rohstoffpo- tenzial Chiles für deutsche Unternehmen hervor. Da sich diese jedoch im Bergbau nicht unmittelbar beteiligen, ist eine direkte „Kontrolle über Liefermengen, Preise und sonstige Konditionen strategischer Rohstoffe praktisch ausgeschlossen“. Aus Sicht der BGR hat das Engagement der deutschen Wirtschaft an der chile- nischen Clusterinitiative Bergbau und die Schaffung eines Kompe- tenzzentrums Bergbau und Rohstoffe Vorrang. Entsprechend den Vorstellungen der chilenischen Regierung und den Bergbauun- ternehmen lässt sich damit die verstärkte Präsenz der deutschen Industrie gewährleisten sowie die institutionelle Zusammenar- beit der „BGR / DERA (Deutsche Rohstoffagentur) mit Sernage- omin oder dem CIMM ebenso wie universitäre Kooperationen, Forschungszentren oder Projekte des Public-private-Partnership bis hin zu überbetrieblichen Berufsbildungszentren“. Weiter gehende Vorschläge der BGR / AHK (Außenhandels- kammer) Chile sind u. a.: Etablierung einer ständigen deutsch- chilenischen Arbeitsgruppe; deutsche Unternehmerdelegationen mit politischer Begleitung nach Chile; Einrichtung eines Forums Bergbau und Rohstoffe sowie eines Kompetenzzentrums Bergbau und Rohstoffe für die Andenregion, organisiert durch die AHK Chile unter Einbindung des VDMA-Bergbau (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) und FAB (Fachvereinigung Auslandsbergbau e. V.); gemeinsame Projekte mit anderen Ressorts (Bundesumweltministerium, BMZ, Bundesministerium für Bildung und Forschung). 5 Vgl. BGR / AHK Chile (Hrsg.): Möglichkeiten deutscher Unternehmen für ein Engagement im chile- nischen Rohstoffsektor. Santiago de Chile / Hannover, Oktober 2011.
WeltBlick 19 Jedoch keine dieser vorgeschlagenen Maßnahmen führt direkt zu Rohstoffen. Hier ist die frühzeitige und aktive Einbeziehung der Unternehmen wichtig. Neben dem „zielorientierten“ und eher langfristigen Ansatz der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit ist der eher kurz- und mittelfristig „projektorientierte“ Ansatz aus Sicht der Wirtschaft in die Partnerschaften einzubeziehen. 2) Kernstück der BDI / Prognos-Studie6 sind die zukünftigen Wachstumsmärkte für die deutsche Wirtschaft. Geordnet nach Regionen werden die Entwicklungspotenziale von Chile und zehn weiteren Ländern bewertet. Chile gilt mit seinem hohen Pro-Kopf-Einkommen, den funktionierenden Regierungs- und Wirtschaftsinstitutionen sowie den hervorragenden Platzierungen in internationalen Rankings wie dem Global Competitiveness Report des Weltwirtschaftsforums oder dem Ease of Doing Business Index der Weltbank als role model für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in Südamerika. Für deutsche Unternehmen ist Chile vor allem ein Exportmarkt. Die Themen Bergbau und Rohstoffe werden in der gesamten Studie nur in zweifacher Hinsicht erwähnt. Bei der Umstellung von Antriebstechnologien „bieten der Ausbau und die Moder- Weiterlesen: R. Schwarz, nisierung des chilenischen Bergbaus unter Energieeffizienz- Deutsche Rohstoffstrategie Gesichtspunkten den Unternehmen des Sektors Chancen: Hier WeltTrends 80 sollen verstärkt Elektromotoren eingesetzt werden“ sowie in der Investitionsgüterindustrie: „Auch in Zukunft kommen die zahlungskräftigsten Unternehmenskunden aus dem Bergbau und dem Bauwesen. Chiles Rohstoffwirtschaft investiert vor allem in Bau- und Bergbaumaschinen, Pumpen, Kompressoren und Förderzeuge.“ Hinweise auf Empfehlungen zum Abschluß einer Rohstoffpartnerschaft fehlen dagegen vollständig. Die in der Studie betrachteten Länder Südamerikas – Chile sowie Kolumbien und Peru – sind außenwirtschaftlich sehr offen. Peru und Kolumbien sind Mitglieder der Andengemeinschaft. Alle drei Länder sind mit dem Gemeinsamen Markt Südamerikas (Mercosur) assoziiert und haben damit Zugang zum boomenden brasilianischen Markt. Mit ihrer Offenheit für Importe sind diese Volkswirtschaf- ten attraktive Exportmärkte. Aufgrund ihrer regionalen Integration eignen sie sich zudem als Hub-Standorte, von denen aus die regio- nalen Märkte Südamerikas bedient werden können. 6 Vgl. BDI / Prognos AG (Hrsg.): Wachstumsmärkte für die deutsche Industrie – eine Auswahl jenseits der BRICS. Prognos-Studie 2012. Berlin / Basel, August 2012.
20 WeltTrends 90 Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass auch die Mehrzahl der im BDI organisierten Verbände und Mitglieds- unternehmen einer Ausweitung der „Rohstoffpartnerschaften“ in der bisher vorliegenden Form ablehnend gegenüberstehen. Auf die Frage: „Bedarf an zusätzlichen Rohstoffpartnerschaften“ antworten 64 Prozent der befragten Unternehmer mit „Nein“. Jedoch erwarten die Unternehmen die politische Unterstützung durch die Bundesregierung. Auf die Frage: „Ist eine politische Flankierung wünschenswert und wenn ja, wie sollte sie aussehen?“ antworten 61 Prozent mit „Ja“.7 Es kommt also auf die konkrete Ausgestaltung der Rohstoffpartnerschaften in der Zukunft an. Weitere Partnerschaften Auch wenn derartige umfangreiche und aktuelle Studien wie im Fall Chiles zu Südafrika, dem in der aktuellen Diskussion um neue Rohstoffpartnerschaften am zweithäufigsten genannten Land, nicht vorliegen, gehen wir von geotec in Kenntnis des südafrikanischen Marktes davon aus, dass die Einschätzungen ähnlich ausfallen werden. Neue Partnerländer wie Kolumbien, Peru (mit dem über eine ähnliche Vereinbarung wie mit Chile verhandelt wird), Austra- lien, Vietnam, Indonesien, Malaysia, Ukraine, Ägypten, Tunesien, Weiterlesen: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die V. Steinbach, Rohstoffstrategie im Region Ostafrika mit den Ländern Kenia, Uganda, Tansania und globalen Wettbewerb Ruanda sollten im Ergebnis eines breiteren Dialoges zwischen WeltTrends 79 Politik, Ministerien und Wirtschaft auf der Basis eines nachvoll- ziehbaren Kriterienkatalogs ausgewählt werden. Dieser berück- sichtigt nicht nur die Rohstoffseite, sondern auch bereits die zwischen Deutschland und dem potenziellen Partnerland beste- henden wirtschaftlichen und politischen Beziehungen sowie eine Prognose über die zukünftige Entwicklung. Abschließend möchte ich nachdrücklich anregen, dass sich die Beteiligten aus der Politik, den Ministerien und der Wirtschaft – hier insbesondere die direkten Akteure – in eher kleinen Runden zu dem Thema Rohstoffpartnerschaft austauschen sollten. Es beste- hen umfangreiche positive Erfahrungen, die unbedingt wert sind, weiter ausgebaut zu werden. Die Rohstoffstrategie Deutschlands zielt auf geschlossene Wertschöpfungsketten. Unverzichtbar sind dafür weitere Rohstoffpartnerschaften unter Einbeziehung aller Akteure. 7 Quelle: Rohstoffinteressen deutscher Unternehmen im Ausland, Executive Summary, BDI-Unternehmer- befragung 2012, BDI 2013.
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