Rede des Bürgermeisters Benedikt Paulowitsch Neujahrsempfang am 6. Januar 2020 Bürgerhaus Kernen im Remstal

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Rede des Bürgermeisters Benedikt Paulowitsch

     Neujahrsempfang am 6. Januar 2020

       Bürgerhaus Kernen im Remstal
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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister a.D. Gönner,

verehrte Kolleginnen und Kollegen Oberbürgermeister und Bürgermeister,

sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats,

liebe Bürgerinnen und Bürger von Rommelshausen und Stetten,

werte Gäste,

Begrüßung

im Namen der Gemeinde Kernen im Remstal begrüße ich Sie alle hier im
Bürgerhaus zum Neujahrsempfang, mit welchem wir gemeinsam das neue Jahr
2020, vor allem aber ein neues Jahrzehnt - die 2020er-Jahre willkommen
heißen.

Zunächst wünsche ich Ihnen allen ein frohes, erfolgreiches und vor allem
gesundes neues Jahr!

Es freut mich, dass so viele Bürgerinnen und Bürger den Weg heute hierher
gefunden haben. Vor allem weil man wegen des letzten Mitteilungsblatts 2019
auch hätte vermuten können, dass der Empfang gestern stattgefunden hat.
Diesen Fehler bitte ich nochmals zu entschuldigen und ich hoffe, dass hier
gestern niemand vor verschlossenen Türen stand.

Es ist uns eine besondere Freude und Ehre, dass wir heute Sie - lieber Ivo
Gönner - als Ehrengast und Festredner bei uns hier in Kernen haben. Wir alle
sind bereits sehr auf Ihre Worte gespannt.
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Ein herzliches Willkommen ebenfalls an die Oberbürgermeisterin der Stadt
Fellbach, Gabriele Zull und Ihren Ehemann. Schön, dass Sie bei uns sind!

Begrüßen möchte ich ebenfalls den Ersten Landesbeamten des Rems-Murr-
Kreises, Dr. Peter Zaar. Herzlich willkommen!

Aus Waiblingen heißen wir Herrn Baubürgermeister Dieter Schienmann herzlich
willkommen. Schön, dass Sie da sind!

Ich freue mich sehr, unseren Ehrenbürger Dr. Wolfgang Riethmüller hier bei uns
zu wissen.

Besonders begrüßen möchte ich Frau Brunhilde Haußmann, Gattin unseres
verstorbenen ehemaligen Bürgermeisters und Ehrenbürgers, Günter Haußmann.
Ihr Sohn, unser Landtagsabgeordneter Jochen Haußmann lässt sich
entschuldigen und Sie alle herzlich grüßen – wie Sie wissen findet heute in
Stuttgart das traditionelle Drei-Königstreffen der FDP statt. Als stellvertretender
Fraktionsvorsitzender steht er dort in der Pflicht.

„Wenn´s alte Jahr erfolgreich war, dann freue Dich aufs Neue. Und war es
schlecht, ja - dann erst recht.“ Dieses Zitat von Albert Einstein gilt sicherlich auch
beim Einstieg in ein neues Jahrzehnt.

Wir kommen aber heute nicht drum herum, den Blick noch einmal in die
Vergangenheit zu richten. Bitte keine Angst. Allzu lange brauche ich nicht - Sie
werden pünktlich zum Abendessen wieder zu Hause sein.
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Das vergangene Jahr

Das Jahr 2019 war hier in Kernen in besonders hohem Maße von der Remstal-
Gartenschau geprägt. Diese hat vor allem für ein neues Miteinander in der
Region gesorgt. Sie war verbunden mit zahlreichen Baumaßnahmen, vor allem
aber auch mit verschiedensten kulturellen Veranstaltungen. Allen daran
Beteiligten, darunter vielen Ehrenamtlichen, möchte ich an dieser Stelle herzlich
danken - dieses erfolgreiche Jahr ist das Verdienst von Ihnen allen.

Es war aber auch ein Jahr, das ohne weiteres als Superwahljahr bezeichnet
werden konnte. Nicht nur die Europawahl, sondern vor allem die Gemeinderats-
und Kreistagswahl sowie die Bürgermeisterwahl haben das Jahr geprägt und
neue Weichen gestellt. Schauen wir beispielsweise auf unseren Gemeinderat, in
welchem sich nun auch viele junge Menschen engagieren. Ich freue mich sehr
auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen. 2019 zeigte sich eine lebendige
Demokratie hier vor Ort.

Solche Wahlen, aber auch Großereignisse wie die Gartenschau sind enorme
Kraftakte. Nicht nur im vergangenen Jahr, sondern bereits zuvor haben die
Kolleginnen und Kollegen der Gemeinde beinahe unzählige Überstunden
gesammelt. Daher wird das Jahr 2020 auch eines sein, in dem wir phasenweise
innehalten und überlegen werden, wie wir uns gesund für die Zukunft
aufstellen.

Ich möchte die Gelegenheit daher heute wahrnehmen, um den Kolleginnen und
Kollegen der Verwaltung, in den Außenstellen, beim Bauhof sowie der
Sozialstation und in der Kinderbetreuung ganz herzlich für die geleistete Arbeit,
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vor allem aber für die unglaublich hohe Motivation zu danken. Diesen Dank
schulde nicht nur ich Ihnen, sondern die gesamte Bürgerschaft.

Schnelligkeit und Komplexität

Die 2010er-Jahre waren unglaublich schnell. Es war das wohl schnellste
Jahrzehnt der Menschheitsgeschichte. Es ist kaum vorstellbar, dass das erste
iPhone erst Ende des Jahres 2007 vorgestellt wurde. Denn im vergangenen
Jahrzehnt haben Smartphones und Tablets unser Leben verändert. Die Art und
Weise wie wir arbeiten, wie wir Musik, Filme oder Bücher konsumieren; wie wir
einkaufen, sogar wie sich Paare kennenlernen, hat sich fundamental gewandelt.

Weitere Entwicklungen wie die künstliche Intelligenz oder das autonome Fahren
sind bereits erkennbar. Auch in Feldern wie der Medizin stehen wir vor neuen
Methoden, von denen vor 10 Jahren wohl niemand zu träumen gewagt hat und
Vieles mehr wird unser Leben noch stärker verändern. Gerade hier in der Region
Stuttgart spüren wir den Wandel vielleicht stärker als anderswo, gerade weil
sich viele Menschen in der Automobil- und vor allem der Zuliefererindustrie
Sorgen um die Zukunft machen.

Die Medienwelt ist in einem unbeschreiblichen Umbruch. Durch das Internet
sind wir nicht mehr nur Informationsempfänger, sondern auch -sender
geworden. Fake News beeinflussen immer stärker Stimmungslagen und sogar
politische Entscheidungen.
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Wir sind durch das Internet heute mit einer enormen Informationsflut
konfrontiert. Und vor allem: Wir alle können mit dieser Flut noch gar nicht so
recht umgehen. Auch deswegen besorgen sich immer mehr Menschen nur noch
die Informationen und Nachrichten, die in ihr eigenes Weltbild passen.

Es ist heute ohne weiteres möglich, zwischen Abendessen und TV-Krimi noch
schnell im Internet über andere zu lachen, sie zu beleidigen oder
Unterstellungen und Gerüchte zu verbreiten. Dadurch werden die sozialen
Medien immer häufiger zu asozialen Medien. Wir alle müssen uns bewusst sein:
Die daraus entstehenden Wunden und Verletzungen heilen ganz und gar nicht
so schnell - sie sind nicht digital, sondern echt und spürbar.

Wir brauchen wieder mehr Achtsamkeit gegenüber uns selbst. Es muss gelten:
Man schreibt im Internet nur das, wofür man sich vor seinen Kindern oder beim
Blick in den Spiegel im Nachhinein nicht zu schämen braucht. Besonders
bedrückend ist es, wenn Rettungskräfte, Polizistinnen und Polizisten oder
politisch Engagierte verbal, aber auch gewalttätig angegangen werden. Hier wird
endgültig eine Grenze überschritten. Das geht nicht. Das ist inakzeptabel. Das
sind Angriffe auf uns alle. Das gilt ohne Wenn und Aber.

Die Welt ist komplexer geworden. Die 2010er-Jahre waren daher trotz des
wirtschaftlichen Wachstums und zahlreicher Innovationen von Unsicherheit und
Orientierungslosigkeit geprägt. Unsicherheit und Orientierungslosigkeit
erzeugen Sorgen und Ängste. Und Ängste wiederum sind der ideale Nährboden
für die bedenklichen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Populismus;
Verachtung für andere Meinungen, Unversöhnlichkeit und Hass anstatt des
Streits um die Sache.
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Meinungsvielfalt und die Stärke des Kompromisses

Die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft ist meiner Ansicht nach nicht so
sehr auf Einzelthemen zurückzuführen. Ich bin davon überzeugt, dass die
Spaltung durch eine innere Abgrenzung geschieht, durch Überheblichkeit, durch
Arroganz und durch mangelndes Verständnis gegenüber anderen.

Die Bereitschaft, andere Meinungen anzuerkennen, nimmt immer stärker ab. So
wird selbst Satire manchmal nur noch dann akzeptiert, wenn sie nicht die
eigenen Werte durch den Kakao zieht. Sehen Sie: Ich bin ein katholisch-
sozialdemokratischer VfB-Fan - da muss man beinahe täglich Satire ertragen. Ich
käme aber niemals auf die Idee, diese in Frage zu stellen.

Die wichtigste Lektion für die heutige Zeit hat uns vielleicht der französische
Philosoph Voltaire, wohlgemerkt aus dem 18. Jahrhundert, mit auf den Weg
gegeben, der in etwa sagte: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich
würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“

Nun müssen wir sicherlich nicht heroisch den Kampf verbunden mit
Lebensgefahr aufnehmen. Für den Beginn würde es reichen, dass wir diejenigen,
die nicht unsere Meinung teilen nicht länger als Feinde betrachten und
entsprechend angehen. Meinungsunterschiede sind keine Feindschaft, sondern
gelebte Demokratie und Vielfalt.

Wir alle müssen wieder besser lernen, einander zuzuhören, das Gegenüber zu
akzeptieren und andere Meinungen zuzulassen. Der Kompromiss ist der
Wesenskern der Demokratie - ganz im Gegensatz zu den extremen Positionen
und der Haltung "nur ich habe Recht“. Der Kompromiss ist nicht faul, er ist kein
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Ausdruck von Schwäche, sondern vielmehr eine Grundeinstellung, geprägt von
Rücksichtnahme, von Anerkennung und Respekt. Der Kompromiss ist der Garant
für ein friedliches Zusammenleben!

Unser Stolz ist nicht der Nationalismus

Die Unversöhnlichkeit der 2010er-Jahre hat sich konkret ausgewirkt und dies auf
der ganzen Welt. Sinnbildlich dafür steht sicherlich der Brexit, der Ende dieses
Monats eine Zäsur für Europa darstellen wird. Er ist genauso wie die Losung
„America First“ der Ausdruck großer Verunsicherung und des Rückzugs immer
mehr Menschen auf die vermeintlich kleinere und dadurch einfachere Welt.
Doch diese Einfachheit ist trügerisch.

Die Welle des Nationalismus hat auch unser Land erreicht. Deswegen möchte
ich folgendes klarstellen, was ich bereits am Volkstrauertag in ähnlicher Weise
geäußert habe.

Stolz auf unser Land und stolz, Deutscher zu sein bedeuten für mich: Ich bin
stolz darauf, in einem Land zu leben, das sich seiner historischen Verantwortung
bewusst ist. Wir können stolz darauf sein, dass wir als Gesellschaft auch die
dunklen Kapitel unserer Geschichte aufgearbeitet und daraus Konsequenzen
gezogen haben. Nämlich den Weg der Würde aller Menschen, der Demokratie
und der Rechtsstaatlichkeit sowie jenen der europäischen Einigung.

Wir sind in diesem Land stolz darauf, dass Rassismus und Hass keine Meinungen,
sondern Verbrechen sind. Wer diesen Weg als „Schande“ bezeichnet, der ist
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kein Patriot, sondern ein Nationalist. Wer die Zeit des NS-Regimes und damit
auch deren Verbrechen aus historischer Perspektive als „Vogelschiss“
bezeichnet, der greift unser Selbstverständnis, das unsere Gesellschaft seit bald
75 Jahren im Guten geprägt hat und damit unseren Stolz an.

Hier möchte ich unseren Altbundespräsidenten Johannes Rau zitieren:

„Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der
sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen
verachtet. Wir aber wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, in Europa und in
der Welt.“

Zunehmend zweifeln immer mehr Menschen an den Grundsätzen unserer
gesellschaftlichen Ordnung: An Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, dem Recht auf
freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und selbst an der Gleichheit und Würde
aller Menschen.

In seiner diesjährigen Weihnachtsansprache, die ich uns allen in Gänze ans Herz
legen will, sagte unser amtierender Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
etwas, das als Auftrag an uns alle verstanden werden muss. Auch hier möchte
ich wörtlich zitieren: „Jetzt leben wir seit 30 Jahren in Einheit, Freiheit und
Demokratie. Nur: Nehmen wir das bitte nicht als selbstverständlich! Wir
brauchen die Demokratie – aber ich glaube: derzeit braucht die Demokratie vor
allem uns!“.

Im letzten Satz steckt viel Hoffnung. Die Feststellung, dass die Demokratie uns
braucht, rückt uns alle nämlich in die Rolle des Aktiven. Sie sagt uns: Wir haben
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unser Schicksal in der eigenen Hand. Wir lassen uns nicht überrollen von
Populismus, Demokratiefeindlichkeit und Hass.

„Die Demokratie braucht uns“ bedeutet, dass jeder und jede Einzelne von uns
die Fähigkeit, die Kraft und die Möglichkeit besitzt, unser Gemeinwesen
weiterzuentwickeln.

An dieser Stelle gilt es aber auch eines festzuhalten. Der ganz überwiegende Teil
der Menschen in diesem Land verhält sich anständig, ist fleißig, kümmert sich
um Kinder und Angehörige. Viele engagieren sich im Ehrenamt. All diese
Menschen tragen unsere Gesellschaft. Darüber sprechen wir viel zu wenig.
Stattdessen gehören die Schlagzeilen der vergangenen Jahre vor allem jenen
wenigen Schreihälsen, die unser Leben und unsere Zeit schlecht reden, die
immer nur das Schlechte sehen, die ihre Verachtung gegenüber anderen
ausleben und die sich vor allem für eines interessieren: sich selbst.

Meine Damen und Herren, fallen wir darauf nicht länger herein, indem wir über
jedes noch so kleine Stöckchen springen. Konzentrieren wir uns gemeinsam
vielmehr darauf, wie wir das Leben hier vor Ort noch besser machen können.

Diese Einstellung brauchen wir übrigens auch stärker in der Politik und in den
Parlamenten. Ich hoffe, dass unsere Parteien wieder stärker für eigene Ideen
und Zukunftskonzepte werben und weniger das Motto gilt: „wählt uns, damit es
nicht die anderen werden.“ - denn die letztere Einstellung wird die Bevölkerung
nicht auf Dauer von der Demokratie überzeugen können.
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Vor Ort ist entscheidend

Nun werden Sie sich vielleicht fragen: Warum redet denn der Bürgermeister von
Kernen hier über globale Entwicklungen, Zusammenhalt, Demokratie?

Die Antwort darauf ist einfach: All das, was um uns herum passiert, betrifft uns
unmittelbar und gerade hier vor Ort. Seien es Falschbehauptungen und
Beleidigungen im Internet; Digitalisierung; Veränderungen in Wirtschaft und
Industrie oder Fragen des Klimawandels mit Blick auf unseren Wald, unsere
Landwirte, unsere Weinberge.

Aber viel wichtiger ist die vorhin erwähnte Botschaft. „Die Demokratie braucht
uns.“ Wir können gestalten. Wir sind den Entwicklungen nicht schutzlos
ausgeliefert, wir werden nicht überrollt. Wir können sie sogar für uns zum
Positiven nutzen.

Ein Beispiel und dies habe ich bereits in der Vergangenheit gesagt: Wir werden
die Digitalisierung als solche nicht aufhalten und daher bringt uns eine Debatte
über das „ob“ nicht weiter. Aber über das „wie“ können und müssen wir
sprechen. Wenn wir Themen wie die Digitalisierung aktiv angehen, dann können
wir es schaffen, den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken.

Aussitzen wird hier nicht reichen. Daher möchten und werden wir Themen wie
die Digitalisierung in der Verwaltung, aber auch in Zusammenarbeit mit unseren
Betrieben und Vereinen aktiv angehen. Mit ersten kleinen Schritten haben wir
bereits begonnen.
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Wir müssen hier vor Ort beweisen, dass wir langfristig Ziele verfolgen und
planvoll vorgehen. Denn manchmal habe ich den Eindruck, dass uns als
Gesellschaft der Kompass verloren gegangen ist. Denn viel zu oft dominiert
heute die Hysterie, indem jede Woche ein neues Thema durch die Dörfer
getrieben wird.

Das gilt auch bei den drängendsten Problemen: Ja, wir brauchen dringend
wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz und ja, ganz ohne
Einschränkungen wird dieser nicht gelingen. Der Klimawandel ist sicherlich die
größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Aber Klimaschutz muss auch
mehrheitsfähig bleiben, er darf nicht auf dem Rücken der Schwächeren
ausgetragen werden. Moralische Überlegenheit wird nicht hilfreich sein, wenn
Klimaschutz im Ergebnis gesellschaftlich und damit politisch nicht mehr
mehrheitsfähig ist. Daher brauchen wir vor allem Innovationen und neue Ideen.

Gemeinsame Arbeit an der Zukunft von Kernen

Wir müssen die Herausforderungen unserer Zeit ganzheitlich und strukturiert
angehen. Wirtschaftlicher Wandel, Mobilität, Umweltschutz, die Zukunft der
regionalen Landwirtschaft oder auch der Gastronomie, soziale Fragen aber auch
das Leben im Alter, Familienfreundlichkeit, Wohnen und Arbeiten oder die
Folgen von Migration und demographischem Wandel - all dies und noch
vielmehr sind Themen, die uns tagtäglich beschäftigen, aber zugleich
miteinander verflochten sind.
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Deswegen wollen wir dieses Jahr, und ich hoffe hier auf die Mitwirkung des
Gemeinderats und von Ihnen allen, einen Prozess beginnen. Gemeinsam mit
den Kompetenzen und dem Ideenreichtum der Bürgerschaft, unserer Vereine,
Kirchen und Betriebe soll damit begonnen werden, eine Zukunftsstrategie für
Kernen zu erarbeiten.

Diese soll uns für die kommenden Jahre als Kompass dienen, Orientierung
schaffen und planvolles Vorgehen und Investieren stärken. Doch nicht nur das
Ergebnis wird wichtig sein, sondern insbesondere der Weg dorthin.

Denn ich möchte, dass in einem solchen Prozess Umweltschützer und
Landwirte, Junge und Ältere; Fahrrad-, Auto- und Bahnfahrer miteinander und
nicht übereinander sprechen. Wenn wir dies schaffen, dann können wir einen
echten Beitrag für ein neues Miteinander leisten.

Hangweide

Aber natürlich wird uns auch das größte Projekt Kernens weiter beschäftigen:
Der städtebauliche Wettbewerb für die Zukunft und Bebauung der Hangweide
läuft nun an. Ich denke, dass wir alle sehr gespannt sind auf die Ideen, wie
dieses neue Quartier aussehen könnte. Die Hangweide soll Leben und Arbeiten
auf die Art und Weise verbinden, wie wir uns die Zukunft vorstellen.

Mit weitem Blick und langem Atem gehen wir dieses Projekt an. In diesem Jahr
wird auch die Debatte um die Wohnformen beginnen. Hier gilt es verschiedene
Ansätze und Ideen zu prüfen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen:
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Gemeinsam haben sie aber vor allem eines. Wir wollen modernen und zugleich
bezahlbaren Wohnraum schaffen für jene mit niedrigen, vor allem aber auch
jene mit mittlerem Einkommen.

Denn neben dem Wandel der Automobilindustrie ist die Wohnungsfrage ebenso
entscheidend für den langfristigen Erfolg und Wohlstand unserer Region.
Alleinstehende, Familien, Ältere und Jüngere sind genauso wie unsere Betriebe
darauf angewiesen, dass Wohnen kein Luxus ist.

Da das Interesse an der Hangweide erfreulicherweise sehr groß ist und sich viele
in der Gemeinde mit ihr beschäftigen, gibt es immer wieder von verschiedenen
Gruppierungen im Ort entsprechende Diskussionsveranstaltungen. So auch
diesen Monat. Um derlei Debatten aber auch stärker zu bündeln und dem
berechtigten Interesse Rechnung zu tragen habe ich entschieden, dass wir
dieses Jahr - wahrscheinlich im Sommer nach dem städtebaulichen Wettbewerb
- einen Hangweidetag veranstalten werden. Dieser soll Modelle und Konzepte
zeigen, aber auch Raum geben für Diskussionen und womöglich für Workshops.

Viele Aufgaben liegen vor uns

Auch sonst ist viel zu tun: Den Glasfaserausbau vorantreiben, sowohl für private
Haushalte, vor allem aber für unsere Gewerbetreibenden; wir müssen die
Versorgungssicherheit beim Strom erhöhen und an dieser Stelle neues
Vertrauen schaffen; wir werden eine Pflegekonzeption für ganz Kernen
erarbeiten.
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Wir werden uns intensiv mit der baulichen Entwicklung des Campus der
Haldenschule beschäftigen. Natürlich wird Kernen weiterhin ein hochwertiges
und abwechslungsreiches Kulturprogramm anbieten mit drei Tagen
Kultursommer als Höhepunkt.

Viele Aufgaben der kommenden Jahre könnte ich hier noch anführen, aber alles
geht nicht auf einmal. Deswegen gehört genauso eine neue Kommunikation der
Kommunalpolitik zu den erforderlichen Neuerungen der kommenden Jahre - im
Internet, im Mitteilungsblatt, aber auch bei Veranstaltungen und im
persönlichen Austausch mit den Menschen, die hier vor Ort leben.

Schluss

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Angst der Nährboden für das
Gegeneinander ist, dann bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Mut der
Schlüssel für ein neues Miteinander ist.

Wenn ich sehe, wie sehr sich Menschen hier in Kernen engagieren. Bei der
Feuerwehr oder dem Deutschen Roten Kreuz, in Vereinen, in Kultur, Sport, aber
auch in der Politik, dann muss uns allen bewusst sein, dass dieses Engagement
ein Schatz ist, den der Staat niemals wird ersetzen können. Bei dem Blick auf die
Ehrenamtlichen sehen wir, dass der Mut bereits gelebt wird. Er ist nicht
selbstverständlich. Ich danke heute allen Ehrenamtlichen in der Gemeinde für
Ihren wertvollen Einsatz.
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Liebe Bürgerinnen und Bürger, es gilt, gegenseitige Rücksichtnahme hier vor Ort
tagtäglich zu leben. Ein neues Miteinander lässt sich ebenso wie Mut nicht
diktieren. Und auch eine Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten, eine
Silvesterbotschaft der Bundeskanzlerin und schon gar nicht eine Neujahrsrede
eines kleinen Bürgermeisters kann hier viel bewegen. Das können wir nur alle
zusammen sowie jeder und jede Einzelne von uns im eigenen Lebensumfeld.

Ich bin davon überzeugt, dass das begonnene Jahrzehnt ein gutes wird. Ein
Jahrzehnt des Miteinanders. Und dann können wir gemeinsam sagen: Wir
können dankbar sein, in der heutigen und spannenden Zeit leben zu dürfen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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