Robert Habeck und Herbert Diess: Grünen-Chef und VW- CEO im Interview

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Robert Habeck und Herbert Diess: Grünen-Chef und VW- CEO im Interview
Robert Habeck und Herbert
Diess: Grünen-Chef und VW-
CEO im Interview
Der Grünen-Chef und der Vorstandsvorsitzende
von Volkswagen treffen aufeinander – in der
Zentrale des Konzerns in Wolfsburg. Man sollte
erwarten, dass sich Robert Habeck und Herbert
Diess in allem uneins sind. Doch so einfach ist das
nicht.
Ansgar Graw Veröffentlicht am 07.05.2019

"Nichts klingt schöner als ein großer Automotor?" Grünen-Chef Robert Habeck (r.) und Volkswagen-CEO
Herbert Diess

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Der patinaveredelte Käfer, 22 Millionen mal produziert, darf natürlich
nicht fehlen. Und ein Stück entfernt glänzt der künftige ID, ein SUV mit
Elektroantrieb – im Showroom in der Wolfsburger VW-Zentrale ist die
Geschichte des Autos ebenso präsent wie seine Zukunft. Hier diskutieren
Robert Habeck und Herbert Diess: Grünen-Chef und VW- CEO im Interview
auf Einladung von WELT Volkswagen-Chef Herbert Diess und der
Grünen-Vorsitzende Robert Habeck über Mobilität, Klimapolitik und
hohe Preise für Elektroautos. Sie stimmen in etlichen Punkten überein –
aber längst nicht in allen.

WELT: Herr Diess, Herr Habeck, wer von Ihnen ist der größere
Autoenthusiast?

Robert Habeck: Sicher Herr Diess.

Herbert Diess: Ja, ich mag Autos sehr. Sie sind Garant der individuellen
Mobilität an sich. Sie ermöglichen es breiten Bevölkerungsschichten, sich
frei zu bewegen.

Habeck: Das teile ich. Mobil zu sein bedeutet oft, frei zu sein. Sich frei
bewegen zu können, möglichst ohne Einschränkung unterwegs zu sein, das
empfinde auch ich als ein großes Verdienst der Moderne. Für mich hat das
Auto aber diesbezüglich schon seit Längerem an Reiz verloren.

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WELT: Inwiefern?

Habeck: Als ich Abitur gemacht habe, 1989, war es das große Ding, sich
mit Kumpels ein altes Auto zu kaufen und auf Tour zu gehen. Unseres hat
damals so 500 Mark gekostet, glaub ich. Aber auf der Tour durch
Südeuropa ist uns das Ding zweimal aufgebrochen worden, wir hatten
Pannen, und am Ende mussten wir es verschrotten. Das war dann doch
ziemlich lästig. Und es ist doch so: Die Fahrzeit selbst ist nicht wirklich
frei. Man kann beim Fahren nicht arbeiten, schlafen, lesen oder einfach gar
Robert Habeck und Herbert Diess: Grünen-Chef und VW- CEO im Interview
nichts tun. Und man hat es immer am Bein, muss einen Parkplatz suchen,
tanken, sich um die Instandhaltung kümmern, Reparaturen bezahlen, weil
immer mal was kaputt ist, dann ärgert man sich.

Diess: Aber beim Auto hat es seitdem extreme Fortschritte gegeben,
insbesondere bei der Sicherheit.

Habeck: Fahren muss man ja trotzdem noch selber.

Diess: Ja, fahren muss man selber, aber das macht vielen ja auch Spaß ...

Habeck: Das Fahren kann Spaß machen. Aber im Stau stehen, Parkplatz
suchen, tanken, Öl wechseln, an die Inspektion denken, Reifen wechseln
nervt ...

Diess: ... und jetzt nimmt das Auto weitere sensationelle Entwicklungen.
Es wird in absehbarer Zeit klimaneutral mit erneuerbarem Strom sauber
fahren. Es wird unglaublich sicher durch die Sensortechnik. Ich kann mir
vorstellen, dass wir in zehn, 20, spätestens 25 Jahren praktisch keine
Verkehrstoten mehr haben, keine Radfahrer, die unters Auto geraten. Was
dann noch bleibt, sind die Staus, und da brauchen wir Verkehrsplanung.
Aber das Auto wird sehr nachhaltig und kann dann im Wettbewerb
standhalten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Habeck: Dass das möglich ist, glaube ich gern. Und gut, wenn VW jetzt
nach jahrelangem Irrweg auf dem Weg zu strategischer Klarheit ist und
sich dafür auch mit dem Bundesverkehrsminister und den Mitbewerbern
anlegt. Ich habe den Eindruck, dass viele Akteure in der Wirtschaft und der
Industrie inzwischen weiter sind als maßgebliche Teile der deutschen
Politik. Wenn diese Akteure wirklich durchziehen und VW zum Beispiel
zeigt, dass Automobile anders werden, regenerativer, nachhaltiger,
sicherer, dann kommen wir auch politisch auf eine andere Ebene.

VW-Vorstand Diess gestaltet die WELT von Dienstag

https://www.welt.de/politik/d
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obert-Habeck-und-Herbert-
Seit 2011 haben die Gastausgaben bei WELT Tradition. Nach Künstlern und Designern ist nun erstmals ein
Vertreter der deutschen Wirtschaft eingeladen, eine Ausgabe zu gestalten: der VW-Vorstandsvorsitzende
Herbert Diess.

Quelle: WELT/Thomas Laeber

Und trotzdem meine ich, dass das nicht das Ende der Entwicklung ist. Das
ist jetzt vielleicht so ähnlich wie der Übergang von Schallplatten zu CDs.
Aber inzwischen streamen viele und haben überhaupt keine Hardware
mehr. Und das wird die eigentliche Herausforderung: Man will bequem
von A nach B kommen, und vor allem jungen Leuten ist es schon jetzt nicht
mehr so wichtig, dass sie das mit dem eigenen Auto tun, sondern
Hauptsache, sie sind mobil. Autokonzerne werden also zu
Mobilitätsunternehmen. Diese Entwicklung kann bedeuten, dass es
weniger Autos gibt.

Diess: Wir gehen auch davon aus, dass das Auto teilweise ersetzt wird
durch besseren öffentlichen Nahverkehr, auch durch Fahrräder in der
Stadt oder durch das Teilen von Autos. Aber wir sind überzeugt, dass das
Auto auch in Zukunft seine wichtige Rolle weiter spielen wird. Nicht nur
als Eigentum, sondern häufiger geteilt oder gemietet. Aber aus dem
Verkehrssektor können wir es uns nicht wegdenken. Sharing- oder
Taxidienste stoßen auch an Limits. Und dann gibt es den kulturellen
Aspekt: Ein Auto ist heute mehr als nur ein Transportmittel. Es ist
Ausdruck des persönlichen Stils. Menschen wollen sich differenzieren,
man sucht die richtige Marke, man sucht sich ein Auto, das einem Spaß
macht.

Habeck: Wir brauchen Autos weiterhin als Fortbewegungsmittel, und das
werden auch noch viele Autos sein – aber nicht mehr so viele wie bisher.
Dafür werden diese intensiver genutzt werden. Elektrischer Antrieb,
erneuerbare Energien, eine gute Ladeinfrastruktur und eine bessere
Ausnutzung der Autos durch geteilte Mobilität – das ist doch kein
schlechtes Szenario. Dann werden also im Idealfall weniger Autos die
Städte verstopfen, aber der Verkauf von Autos wird nicht zwingend
einbrechen.

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WELT: Da sind Sie sicher?

Habeck: Während heute ein Privatauto im Durchschnitt nur eine Stunde
am Tag gefahren und 23 Stunden geparkt wird, wird ein Sharing-Auto viel
intensiver genutzt und muss darum ein paar Jahre früher ersetzt werden.
Autos werden quasi ein Stück weit in gemeinschaftlichen Besitz übergehen.
Und Mobilität wäre dann der Wunsch, möglichst zügig ohne
Einschränkungen, vielleicht dabei noch lesend, von einem Ort zum
nächsten zu kommen.

WELT: Wenn wir uns einig sind, dass die Art von Mobilität, wie wir sie
jetzt in den Städten haben, dysfunktional geworden ist, wenn wir uns einig
sind, dass zur Erreichung der Pariser Klimaziele eine Mobilitäts- und
Verkehrswende nötig ist, lautet doch die Frage: Wie nimmt man die
Menschen mit? Hollywood und die gesamte Popkultur sind vom Auto mit
Verbrennungsmotor geprägt. Was bieten die Grünen als Ersatz an? Das
Liegefahrrad? Was ist ähnlich aufregend und was klingt so schön, wie
einen Zwölfzylinder mit sechs Liter Hubraum von 3000 auf 6000
Umdrehungen zu bringen?

Habeck: Nichts klingt schöner als ein großer Automotor? Okay, das mag
für manche so sein. Aber als Politiker habe ich in einer liberalen
Gesellschaft nicht den Job, Leuten zu sagen, was sie schön finden sollen
oder nicht, wie häufig sie duschen, wie oft sie Filme streamen, in welcher
Beziehung sie leben, wie und welche Motorengeräusche sie bevorzugen.
Menschen sollen sich frei entfalten können. In der Politik dagegen geht es
darum, die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenspiels zu organisieren
über Werte, auf die wir uns einigen. Das sind ökologische Werte, aber auch
soziale Werte. Wie kann man in Dörfern und in Städten die
Voraussetzungen für Lebensqualität schaffen? Fahrempfinden ist also
keine politische Angelegenheit, die Sicherheit auf Straßen und die Gefahr
durch zu große Geschwindigkeit dann aber schon.

„Ich kann mit der Verteuerung von CO2 gut leben“

https://www.welt.de/politik/d
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obert-Habeck-und-Herbert-
Volkswagen-Chef Herbert Diess und der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck diskutieren auf Einladung von
WELT über Mobilität, Klimapolitik und hohe Preise für Elektroautos. Dabei gibt es unerwartetes Lob.

Quelle: WELT/Kevin Knauer

Diess: Ich glaube, wir haben festgestellt, dass wir übereinstimmend auch
individuelle Mobilität weiterhin sehen als Grundbedürfnis und Grundrecht
des Menschen. Deswegen kann ich mit der grünen Politik der
Energiewende, der Verteuerung von CO2 gut leben. Und ich kann mir
vorstellen, dass wir diesen Wandel in der Mobilität gemeinsam gestalten
können, auch wenn der schwierig sein wird ...

Habeck: ... das habe ich bislang aus Ihren Kreisen noch nicht so häufig
gehört ...

Diess: ... denn wir werden zunächst Arbeitsplätze verlieren. Diesen
Wandel müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam gestalten. Da habe ich
überhaupt keine Berührungsängste. Ein bisschen Angst habe ich bezüglich
der Freiheit der Bewegung. Ich habe nichts gegen Regulierung, aber halte
nichts von Gängelung und Einschränkung. Und da bekomme ich bei
manchen grünen Aussagen schon Gänsehaut, etwa dass wir nur noch
dreimal im Jahr fliegen dürfen. Oder die Forderung nach Fahrverboten.
Wir gewinnen nichts dadurch, dass wir alles in der Welt übermäßig
regulieren. Wir brauchen Rahmenbedingungen und eine gewisse
Regulierung, ohne die es nicht funktioniert.

Habeck: Ich will jetzt keine Schärfe reinbringen ...
Keine Berührungsängste: Diess (l.) und Habeck

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

WELT: Doch, bitte!

Habeck: ... aber ich möchte doch erinnern: Wir sitzen hier in der Zentrale
von VW, und wenn Sie Fahrverbote kritisieren, dann liegt das daran, dass
Regeln nicht eingehalten wurden – und zwar von Ihrem Konzern. Wenn es
Fahrverbote in deutschen Städten gibt, dann sitzen wir in den Räumen, in
denen die Ursache des Problems zu suchen ist. Niemand will Fahrverbote.

Aber wenn Gerichte diese anordnen, dann liegt die Schuld ursächlich doch
nicht bei der Politik, die Regeln gemacht hat, sondern bei den
Automobilkonzernen, die Regeln bewusst gebrochen haben. Aber wenn der
ganze Schlamassel dazu geführt hat, dass VW jetzt umdenkt, dann sind Sie
immerhin weiter als der Bundesverkehrsminister. Die Aufgabe der Politik
ist doch, einen klaren Rahmen zu setzen, die grundlegenden Dinge
anzugehen und für die Wirtschaft Planungssicherheit zu schaffen.
Deswegen hadere ich ja auch so mit dem Vorschlag von Dieter Janecek ...

WELT: ... dem Grünen-Bundestagsabgeordneten, der drei Flüge pro
Person und Jahr gestatten wollte ...

Habeck: ... ich finde den Vorschlag falsch, weil er das individuelle
Verhalten formen will. Das wäre wie ein persönliches Kilometerbudget im
Autoverkehr. Oder eine Kalorienmenge Fleisch oder Milch. Das wird
ziemlich sicher den vielen unterschiedlichen Lebenssituationen nicht
gerecht. Besser sind allgemeine Regeln: Grenzwerte für Abgase, ein klares
Ausstiegsdatum aus dem fossilen Verbrennungsmotor, ein Tempolimit für
mehr Sicherheit auf den Autobahnen. Aber wenn wir das individuelle
Verhalten individuelles Verhalten sein lassen wollen, wofür ich sehr bin,
dann setzt das voraus, dass wir über Regulierungen, Grenzwerte auf einer
ordnungspolitischen Ebene und über finanzielle Förderung umso klarer
definieren, wohin die Reise geht – und das ist aus meiner Sicht hin zu
einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft.

WELT: Konkret: Welche Verkehrs-, Wirtschafts- und Innovationspolitik
würde ein Bundeskanzler Habeck machen?

Diess: Ja, das wäre auch für uns interessant zu wissen.

Habeck: Wenn wir das Kanzleramtsgerede bitte streichen und stattdessen
über ernsthafte politische Antworten reden … Wir sollten da, wo es um
politische Förderung geht, die Priorität auf die elektrische Mobilität setzen,
und zwar aus pragmatischen Gründen. Wenn wir andere alternative
Entwicklungen parallel in gleicher Intensität fördern würden, also auch
noch eine Tankstellen-Infrastruktur für Wasserstoff-Autos mit
Steuergeldern aufbauen, dann wird das sehr, sehr teuer. Und auch der
Staat muss wirtschaftlich investieren. Die elektrische Mobilität ist auf dem
Weg, sich weltweit als die Zukunftsform durchzusetzen – zumindest für die
nächsten Jahrzehnte.

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WELT: Die Konsequenz?

Habeck: Beim normalen Autoverkehr sollten wir die Elektrifizierung
vorantreiben. So wie beispielsweise Baden-Württemberg mit dem dritten
Landesprogramm Elektromobilität wirklich Ernst machen mit einer
flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Wenn andere Mobilkonzerne auch
auf Wasserstoff setzen, ist das ihre unternehmerische Entscheidung. Nur
können sie aus meiner Sicht nicht noch eine öffentliche Bereitstellung der
notwendigen Infrastruktur erwarten – sonst haben wir lauter parallele,
teure Infrastrukturen.

Wir brauchen viel Geld für den schnellen Aufbau einer Ladeinfrastruktur
für Elektroantriebe. Im Bereich der Elektromobilität ist aber auch die
Entwicklung am weitesten. Das hat Priorität. Dazu kommt die
Beschleunigung des Stromnetzausbaus. Die steuerlichen Subventionen für
Diesel und für Dienstwagen müssen in den nächsten Jahren rigoros
ökologisch umstrukturiert werden.

WELT: Kein Dienstwagen soll mehr steuerlich gefördert werden? Auch
nicht der, den sich ein Mittelständler selbst kauft?

Habeck: Bei Dienstwagen gibt es ja jetzt schon die Regel, dass E-Mobile
nur den halben Steuersatz des Dienstwagenprivilegs bezahlen. Ich denke,
absehbar sollte das Dienstwagenprivileg nur noch für emissionsfreie
Fahrzeuge gelten. Damit hätte man einen starken Anreiz, die
Fahrzeugflotte ökologisch umzurüsten, und würde die Konzerne
ermutigen, den Weg zu einer emissionsfreien Mobilität zu gehen. Denn
wann sich die Elektromobilität durchsetzt, kann man inzwischen ziemlich
genau einschätzen.
Studien gehen davon aus, dass um die Mitte des nächsten Jahrzehnts der
Elektromotor in Anschaffung und pro gefahrenem Kilometer günstiger
werden wird. Wir überschätzen oft die Möglichkeiten in der Gegenwart
und unterschätzen die Möglichkeiten in der Zukunft. Es gibt bei VW das
Ziel, bis 2030 40 Prozent E-Wagen zu haben. Aber was, wenn viele
Menschen früher sagen: E-Mobile sind sauberer, leiser, günstiger, und ein
Auto mit Verbrennungsmotor will ich gar nicht mehr? Dann geht’s
schneller, dann kauft keiner mehr den Benziner. Die Zeit läuft uns davon.
Auch der Industrie. Darum bin ich für eine klare strategische
Entscheidung.

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WELT: Da stimmt Herr Diess zu? Es gibt keine Technologie-Offenheit?

Diess: Da sind wir in der Tat einer Meinung. Wir können uns nicht die
Entwicklung von zwei oder noch mehr ambitionierten Ladeinfrastrukturen
leisten. Politik steht immer in Haushaltszwängen, und die Leute sagen zu
Recht: „Wir wollen eine vernünftige Verwendung unserer Steuern.“ Also
muss man sich entscheiden, und alle Indikatoren sprechen dafür, dass E-
Mobilität kurz- und mittelfristig die leistungsfähigste alternative
Technologie ist. Es geht darum, die festgelegten Klimaziele zu erreichen.
Dafür müssen wir jetzt zielgerichtet handeln.

Habeck: Wir brauchen Klarheit: Wir müssen jetzt konsequent auf E-
Mobilität setzen, wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen. Wenn wir
so lange mit Benzin und Diesel fahren, bis das Wasserstoff-Auto
konkurrenzfähig ist, wird es zu spät sein. Technologieoffenheit darf nicht
dazu führen, dass am Ende nichts passiert.
Diess: Die Technologie ist verfügbar und muss nur wenige Hürden
überwinden. Einerseits fehlen jetzt noch die attraktiven Autos mit den
großen Reichweiten. Aber die kommen nächstes Jahr von uns und von
Wettbewerbern. Die andere Frage ist die des regenerativ erzeugten Stroms.
Es macht keinen Sinn, Elektroautos zu fahren, wenn Kohlekraftwerke den
Strom erzeugen. Sehr schwierig wird es allerdings, kleine Autos noch
vermarktbar zu machen.

Unser VW Up geht bei knapp über 10.000 Euro los, als E-Auto müsste er
vor allem aufgrund der teuren Batterien auf 17.000 bis 18.000 Euro
springen. Das ist nicht attraktiv für den Kunden. Deswegen ist unser
Petitum an die Politik, etwas zu tun für die kleinen Autos. Die
Elektrifizierung im Preissegment nach unten zu bringen wird eine große
Herausforderung. Wenn wir da nicht politisch steuern, wird Mobilität für
Einkommensschwächere nicht mehr erschwinglich. Und wir sehen gerade
in Frankreich, was passiert, wenn man breite Gruppen der Gesellschaft
ausschließt von der Mobilität.

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WELT: Ist das Infrastrukturproblem lösbar?

Diess: Wenn wir uns klar für Elektro entscheiden, muss auch die Politik
ran, das können die Automobilhersteller nicht alleine. Es geht ja auch um
neue regulatorische Voraussetzungen etwa für Mietshäuser. Da muss man
den Menschen die Möglichkeit geben, sich eine Ladebox installieren zu
lassen. Man braucht daneben öffentlichen Raum, etwa auf Parkplätzen, um
schnell laden zu können, und ein relativ dichtes Netz an den Autobahnen.
Deswegen müssen wir uns jetzt schnell dafür entscheiden, in den nächsten
zwei Jahren. Natürlich werden wir weiter forschen am Wasserstoffantrieb,
der hat auch Zukunft. Aber bis dahin vergehen noch mindestens zehn
Jahre. Zunächst ist Elektromobilität die Lösung, samt Plug-in-Hybriden
als Übergangstechnologie.

WELT: Herr Diess, dass Herr Habeck eben gesagt hat, wir säßen in der
Zentrale des Konzerns, der die Debatte über Stickoxide durch die Diesel-
Schummelei erst ausgelöst habe, schlucken Sie so?

Diess: Das schlucke ich so, weil wir in den USA ja gegen Regeln verstoßen
haben. Auf der anderen Seite muss ich sagen: Für die hohen Stickoxid-
Werte in den deutschen Städten sind wir natürlich nicht allein
verantwortlich. Obwohl sich die Pkw deutlich verbessert haben und die
Stickoxidemissionen seit 1995 trotz des heute stärkeren Verkehrs um 70
Prozent reduziert wurden, reicht das nicht, um die Grenzwerte dauerhaft
zu erfüllen. Das hat mit Kohlekraftwerken, Heizungen oder Schiffen in den
Häfen genauso zu tun.

In einer großen deutschen Stadt wird beispielsweise ein Kohlekraftwerk
betrieben, das hat so starke Stickoxidemissionen wie alle Dieselautos der
Stadt zusammen. Wir haben den Bürgermeister gefragt, wann er das
Kraftwerk abschalten wird. Das ist aber nicht vorgesehen. Trotzdem: Bis
2020 oder 2021 werden wir die 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft
erreichen.

Habeck: Ich muss Ihnen teilweise widersprechen. Wir sollten natürlich
die Schiffe in Häfen mit sauberem Landstrom versorgen und
Kohlekraftwerke abschalten. Aber die Stickoxide in den Straßen kommen
ganz wesentlich von den Dieseln der Euro 5. In Kiel gibt es einen
Straßenzug, bei dem die Grenzwerte überschritten werden. Als
Umweltminister war das eine meiner Baustellen. Die Schiffe, die
tatsächlich ein ökologisches Problem darstellen, pusten in Kiel ihre Abgase
aber woandershin. An der betroffenen Straße spielten ältere Dieselautos
eine entscheidende Rolle. Viele Kommunen hätten keine Probleme mit den
Grenzwerten, wenn zumindest die Euronorm 5 so eingehalten würde, wie
es dem Kunden versprochen wurde. Da gibt es schon einen ursächlichen
Zusammenhang.

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WELT: Müsste man Anreize schaffen für kommunale Verkehrsträger,
damit sie Busse und andere Fahrzeuge nur noch als E-Fahrzeuge
betreiben?

Habeck: Viele Kommunen und Länder machen das schon, auch beim
öffentlichen Personennahverkehr. Sie fördern Ladestationen und
bezuschussen E-Busse. Ich denke, öffentlicher Personennahverkehr und
private Pkw werden immer stärker ineinandergreifen. In wenigen Jahren
werden viele sich sozusagen die Möglichkeit mieten, von einem Ort zum
nächsten zu kommen und verschiedene Fahrzeuge dafür nutzen, die
verfügbar sind mit einer Flatrate, so ähnlich wie beim Handy. Allerdings
ist derzeit das Problem, dass E-Busse gar nicht so einfach zu bekommen
sind.

Ein Wort noch zu Fahrverboten. Sie werden von Gerichten angeordnet,
und deswegen ist die Aussage, es wird mit mir keine Fahrverbote geben, im
Kern ein Appell, Gerichtsurteile und damit den Rechtsstaat zu ignorieren.
Das muss man sich mal klarmachen, was da gesagt wird. Wenn
Repräsentanten des Staates dazu aufrufen, Gesetze und Gerichtsurteile zu
missachten, können wir den Rechtsstaat beerdigen.

WELT: Wenn wir den Verkehr in den Innenstädten reduzieren wollen,
zum einen wegen der Emissionen, zum anderen wegen der ökologisch wie
ökonomisch schädlichen Staus, wäre dann, Herr Habeck, nicht Road-
Pricing ein Weg, also die Einführung von Gebühren auf die Benutzung
bestimmter Straßen?
Diess: Da bin ich dagegen. Ich kann nicht 50 Prozent der Leute
womöglich finanziell überfordern. Das ist ein falscher Ansatz, weil man
damit eine Diskriminierung von Bevölkerungsschichten erreicht, die die
heutige Freiheit genießen. Herr Habeck, Sie haben es ja selbst gesagt, als
Student waren Sie Teil davon, Sie sind auch ans Mittelmeer gefahren.

Die Schienen werden digital, fehlen nur noch die Züge

https://www.welt.de/politik/d
eutschland/plus193010241/R
obert-Habeck-und-Herbert-
Um Staus zu verhindern und die Pünktlichkeit zu erhöhen, sollen die Schienen der Bahn mit digitaler
Ausrüstung ausgestattet werden. Die Bundesregierung ist auch bereit, die passenden Schienen zu bezahlen,
nicht aber die notwendige Ausstattung der Wagen.

Quelle: WELT / Lukas Axiopoulos

WELT: Wenn Genosse Diess die Frage an Herrn Habeck schon
beantwortet hat ...

Diess: ... jedenfalls muss uns noch Besseres als Road-Pricing einfallen.
Natürlich müssen wir den öffentlichen Nahverkehr stärken, wir brauchen
auch Fahrräder, und wir müssen schauen, dass wir die Menschen in
kleineren Autos durch die Städte fahren lassen. Heute benötigt ein Auto 20
Quadratmeter Verkehrsfläche. In der Regel fahren 1,1 Personen mit 1,5
Tonnen Stahl durch die Stadt. Da müssen wir versuchen, die Belegung zu
verändern, beispielsweise durch Sharing. Und wenn die Fahrzeuge der
nächsten Generation elektrisch und selbstfahrend sind, werden die
Abstände zwischen ihnen kleiner, sodass es auch dadurch zu weniger Staus
kommt. Ich finde, wir müssen an technischen Lösungen arbeiten und nicht
durch Straßengebühren dafür sorgen, dass die Hälfte der Leute nicht mehr
in die Stadt reinkommt.

Habeck: In einigen Städten gibt es ja eine City-Maut, in London, Oslo,
Mailand … Aber die Städte sollten autonom entscheiden können, wie sie
am besten den Verkehr lenken. Auf der Autobahn erleben wir ja gerade das
scheuersche Desaster mit der Maut. Besser, sozialer und effizienter für das
Ziel einer ökologischen Steuerung des Verkehrs erscheint es mir, bei der
Mineralöl- und Kfz-Steuer anzusetzen.
WELT: Und wenn man das ganz auf die Verbrauchsteuer abwälzt, also
keine Kfz-Steuer mehr erhebt, sondern nur den Mineralölverbrauch
besteuert? Sodass derjenige, der sein Auto viel in der Garage stehen hat,
deutlich weniger belastet wird als der Vielfahrer?

Diess: Der individuelle Verkehr ist doch bereits stark reguliert und
besteuert. Wir haben eigentlich schon eine CO2-Steuer in Form der
Mineralölsteuer. Dadurch wird die Tonne CO2 beim Diesel mit rund 280,
300 Euro besteuert, beim Benziner sogar mit über 400 Euro. Darum ist es
relativ teuer, mit dem Auto von Berlin nach, sagen wir, Stuttgart zu fahren.
Wer die Strecke fliegt, zahlt die Hälfte. In anderen Sektoren wird mit der
CO2-Emission viel laxer umgegangen.

Wir haben auf unserem Betriebsgelände ein Kohlekraftwerk. Das stellen
wir bis 2023 um auf Gas und sparen damit 1,5 Millionen Tonnen CO2 ein.
Das ist so viel, wie 870.000 Fahrzeuge im Jahr emittieren. Die Umstellung
kostet uns 400 Millionen Euro, das sind 14 Euro pro Tonne Einsparung.
Einsparungen im Pkw-Bereich durch Umstellung auf Elektromobilität
kosten 500 Euro pro Tonne. Ich habe Angst, dass wir durch unseren sehr
starken Fokus auf das Auto nicht effizient umsteuern.

Habeck: Insgesamt ist es falsch, dass schmutzige Energie billiger ist als
saubere. Aber wenn man alles nur über Verbrauchsteuern machen will,
schafft man tatsächlich ein soziales Problem, weil Verbrauchsteuern
immer sozial degressiv wirken, weil sie für Menschen mit geringeren
Einkommen spürbarer sind als für Besserverdienende. Und wenn man
heute alle klimaschädliche Wirkung voll umlegen würde, dann käme man
laut Umweltbundesamt auf einen CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne. Das
ist sozialpolitisch gar nicht durchhaltbar. Um eine klimafreundliche
Mobilität durchzusetzen, ist das auch gar nicht nötig, weil die
Erneuerbaren so günstig geworden sind. Der CO2-Preis sollte aber so hoch
sein, dass die erneuerbaren Energien faire Marktchancen haben.

WELT: In jedem Fall wird fossile Energie für den Verbraucher teurer.

Habeck: Preise sind ein effizienter Mechanismus der Marktwirtschaft.
Aber um negative soziale Auswirkungen zu vermeiden, haben wir das
Konzept des „Energiegeldes“ entworfen: Fossile Brennstoffe werden
moderat teurer, sodass sich eine Lenkungswirkung entfaltet. Doch der
Staat zahlt es in gleichen Anteilen an alle Menschen wieder aus, sodass
jeder zu Weihnachten oder zu Neujahr eine Rückerstattung oder
Vorauszahlung als Energiegeld erhält. Und damit kehrt sich die soziale
Wirkung der Verbrauchsteuern um. Durch das Energiegeld werden
einkommensschwächere Haushalte durch einkommensstärkere Haushalte
unterstützt. Man hat einen gewissen Umverteilungseffekt.

WELT: Die Steuern werden’s richten?

Habeck: Nicht allein. Ein CO2-Preis ist ein nötiges, aber kein
hinreichendes Instrument. Ironischerweise hilft das gern so verpönte
Ordnungsrecht. Es schützt unser Portemonnaie. Also, gesetzlicher
Kohleausstieg, und die alten, längst abgeschriebenen Kohlekraftwerke
brauchen dabei nicht auch noch eine Entschädigung. Und der Ausstieg aus
dem fossilen Verbrenner kann auch gesetzlich festgelegt werden.

Insgesamt aber rechne ich damit, dass die Nachfrage nach
klimafreundlicher Mobilität uns sowieso alle überholt. In dem Moment, wo
der elektrisch gefahrene Kilometer günstiger ist als der mit dem
Verbrennungsmotor und die Anschaffung eines E-Autos nicht teurer,
möglicherweise sogar günstiger wird, wird sich alles ändern. Herr Diess
kann das besser beurteilen, aber nach dem, was ich lese, könnte das
ungefähr Mitte des Jahrzehnts der Fall sein. Also könnte alles auch
schneller passieren.

WELT: Und wenn dann alle Probleme gelöst sind, verzichten die Grünen
auch auf ein Tempolimit auf den Autobahnen?

Habeck: Das Tempolimit ist vor allem eine Sicherheitsfrage.

WELT: Stimmt nicht. Laut den Unterlagen des ADAC gibt es keine
signifikanten Zahlen, die belegen würden, dass ein Tempolimit zu einer
Verbesserung der Sicherheit führen würde.
Habeck: Es gibt auch andere Studien.

WELT: Der ADFC wäre besser?

Habeck: Nein, aber die Polizei und die Unfallforscher der
Versicherungen. Wenn man mit 180 Stundenkilometern unterwegs ist, von
Ihren Beschleunigungen auf 6000 Umdrehungen gar nicht zu reden, und
plötzlich schert ein Fahrzeug mit 120 Stundenkilometern aus, ist es doch
logisch, dass die Unfallgefahr und Unfallwucht steigt.

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WELT: Wird bei E-Mobility die Feinstaubbelastung nicht größer, weil die
Autos schwerer sind und der Reifenabrieb, vielleicht auch der Bremsabrieb
dadurch steigen?

Diess: Beim Bremsen wird es weniger Abrieb geben, weil sich durch das
Heruntergehen vom Gaspedal der Stromzufluss umdreht, dann bremst vor
allem der Motor selbst durch Rekuperation. Aber ich gebe Ihnen recht, die
Feinstaubbelastung durch Reifenabrieb wird es weiterhin geben, weil die
Autos in der Tat schwerer werden. Unterm Strich sinken aber die
Emissionen.

Habeck: Werden die Autos wirklich schwerer, Herr Diess? Klar, die
Batterie ist schwer, aber wir müssen ja nicht den VW-Touareg als E-Auto
bekommen. Die Autos wurden in den letzten Jahren enorm aufgepumpt.
Der Verbrennungsmotor ist effizienter geworden, aber das wird
aufgefressen durch die Größe und das Gewicht der Autos. Wenn der Plan
ist, elektrische SUVs zu bauen, dann hätte ich Sorgen. Ich hatte die VW-
Strategie jetzt so begriffen, dass Sie in leichtere und kleinere Autos
reinwollen.

Diess: Herr Habeck, das ist der Punkt. Sie sagen, Regulierung ist wichtig,
und das sehe ich auch so. Die deutsche Autoindustrie ist heute auch
erfolgreich durch Regulierung. Wir haben die Autobahnen, wir haben eine
Dienstwagensteuer, die dazu geführt hat, dass wir den höchsten Premium-
Anteil der Welt haben mit fast 40 Prozent an der Autoflotte. Das führt zu
einem starken Heimatmarkt für die Premiumhersteller, und darum
können sie auch im Export stark sein. Die jetzige Regulierung mit dem
Flottenziel 95 Gramm als Emission im Durchschnitt aller Neuzulassungen
führt dazu, dass man sich im Prinzip als Premiumhersteller leichter tut,
diese Zielsetzungen zu erreichen.

WELT: Weil?

Diess: Unsere Strategie geht so: Wir machen als Erstes den Audi e-tron
elektrisch, dann kommt der Porsche Taycan, also Autos im Preissegment
80.000, 90.000, 100.000 Euro, die zusätzliche Kosten durch die teurere
Batterie gut verkraften. Damit und vor allem mit Plug-in-Hybriden
erreichen wir die Flottenziele. Das bedeutet unterm Strich, dass die CO2-
Vorgaben und die Flottenziele zunächst einmal nicht dazu führen, dass die
Autos kleiner werden. Unser kleinstes Auto mit Verbrennungsmotor, der
VW Up, ein gut durchdachter Viersitzer mit drei Zylindern, liegt heute bei
einer Emission von nur 95 Gramm, erreicht also genau das Flottenziel.
Aber die Flottenziele gehen demnächst auf unter 60 oder auf 20, 30
Gramm. Da macht es für uns überhaupt keinen Sinn mehr, Ups zu
verkaufen.

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WELT: Der Up wird sterben?

Diess: Für den Up würden ab den kommenden Jahren hohe
Strafzahlungen fällig oder eine teure Elektrifizierung. Um mindestens
2000 bis 3000 Euro müsste man das Auto teurer machen, um die
Flottenziele zu erreichen. Kleinere Autos lassen sich dann nicht mehr
verkaufen. Hingegen lässt sich ein elektrischer SUV, der um null Gramm
Emission gerechnet wird, im Markt verkaufen. Das führt dazu, dass wir
tendenziell eine Verteuerung haben werden bei den Einstiegsmodellen.
Und das macht mir Sorgen, weil das dazu führen könnte, dass Mobilität
nicht mehr für alle erschwinglich sein wird. Dabei ist das kleine
Elektrofahrzeug mit kleiner Batterie, das vor allem Kurzstrecken fährt,
ökologisch attraktiver. Das ist nicht optimal.

Habeck: Das ist nicht meine Beobachtung. Die Leute, die heute E-Mobile
fahren, sind ja häufig Handwerksbetriebe oder Selbstständige. Die kaufen
keine e-trons – sondern vielleicht kleine E-Autos, aber nicht von VW,
sondern von ausländischen Herstellern ...

Diess: Viele gibt es ja noch nicht ...

Habeck: ... denn die meisten Leute wollen und können kein Auto für
130.000 Euro kaufen, sondern suchen irgendwas zwischen 10.000 und
30.000 Euro, und selbst das ist für viele viel Geld. Ihre Argumentation ist
vielleicht aus Sicht der deutschen Automobilhersteller richtig, die auf die
großen Modelle gesetzt haben. Aber wir sind ja nicht alleine auf der Welt.
Andere Hersteller bieten E-Mobile aus dem mittleren und dem
Kleinwagensegment zu viel günstigeren Preisen an.

Diess: Das würde ich infrage stellen. Aber auch wir bewegen uns
natürlich. Wir machen eine Top-down-Einführungsstrategie, so wie Tesla
auch, also zunächst Porsche und Audi. Und dann kommt im nächsten Jahr
der Volkswagen ID, in der Größe des Golf. Das ist unser Kernsegment, und
da werden wir ein sehr attraktives Elektrofahrzeug anbieten, beginnend bei
unter 30.000 Euro, was ein gut ausgestatteter Golf Diesel heute auch
kostet.
Habeck: Na also. Also warum dann der Start mit den großen Autos?

Diess: Das macht ökonomisch Sinn für uns, weil wir da einen positiven
Deckungsbeitrag erzielen können über ein attraktives Fahrzeug. Wir
glauben, die Volumen auch absetzen zu können, wenn wir die
Infrastruktur dafür haben. Aber die Elektrifizierung ist aufgrund der
teuren Batterie eben sehr viel leichter bei größeren als bei kleinen Autos.
Die Batterie wird auch perspektivisch nicht so schnell günstiger, darum
bezweifle ich das von Ihnen genannte Ziel, schon 2023 den Break-even
zum Elektrofahrzeug zu erreichen. Ich sehe den eher 2025, 2026, wenn die
Benziner bis dahin durch zusätzliche Auflagen teurer geworden sind.
Zunächst machen große Elektrofahrzeuge für den Hersteller mehr Sinn,
auch wenn ökologisch der elektrische Kleinwagen die bessere Lösung wäre.

Habeck: Das ist jetzt eine Wette auf den Markt. Ich kann verstehen, wenn
Ihre Konzernstrategie so ansetzt. Aber die Zahl der Kunden, die sich ein
Auto um 100.000 Euro leisten kann, ist begrenzt. Wenn Sie 2025 kein E-
Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich –
im Markt scheitern. Den Up mit Verbrennungsmotor will bis dahin auch
keiner mehr. Und dann muss sich VW konzentrieren auf Porsches und
SUVs, aber dann sind Sie nicht mehr Volkswagen, dann bieten Sie nur
noch Premiumwagen an und müssten sich in PW umbenennen.
Irgendjemand anderes wird dann das Volkswagensegment füllen.

Das wird so kommen wie bei den kleinen elektrischen Postautos, die kein
Automobilkonzern herstellen wollte oder konnte. Und dann hat ein
Professor mit seinen Studierenden von der RWTH Aachen so ein
elektrisches Lieferfahrzeug entwickelt, und es funktioniert und verkauft
sich wie geschnitten Brot. Wenn Sie sagen, preiswerte E-Kleinwagen
lohnen sich für Sie nicht, sage ich voraus: Für andere wird es sich lohnen.
Vielleicht für China.

Diess: Nein, das hat nichts mit dem Anbieter zu tun, sondern ganz einfach
mit dem Fakt, dass ein E-Fahrzeug durch die teure Batterie auf absehbare
Zeit deutlich teurer sein wird als ein Auto gleicher Größe mit
Verbrennungsmotor.
Habeck: Ich verstehe die Logik, dass man mit höherpreisigen Modellen
erst einmal die Einführungskosten bezahlt. Das ist für Menschen mit
normalem Gehalt ein Problem, aber aus der Unternehmensperspektive
ökonomisch zumindest nachvollziehbar. Doch zu sagen, mittelfristig wird
sich das auch nicht lösen, das verstehe ich nicht.

Diess: Natürlich streben wir an, von 30.000 auf 20.000 Euro zu kommen.
Unsere ID-Modelle werden wir ja ab knapp 30.000 Euro anbieten. Und an
kleineren und günstigen Modellen arbeiten wir. Trotzdem bedeutet das,
dass wir die kleinsten Wagen zuletzt mit E-Antrieb ausstatten werden.

Autobosse einigen sich auf Zukunftsplan

https://www.welt.de/politik/d
eutschland/plus193010241/R
obert-Habeck-und-Herbert-
VW, Daimler und BMW haben sich auf einen Plan zum Antrieb der Zukunft geeinigt. Batterieelektrische Autos
und Hybride seien „das Gebot der Stunde“. Die Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos soll ausgebaut werden.

Quelle: WELT/ Lukas Axiopoulos

WELT: Was also sollte Herr Habeck als Kanzler für Sie machen, damit
diese kleinen Autos früher und für 15.000 Euro kommen? Subventionen
bereitstellen?

Diess: Er sollte überlegen, wie man die kleinen Autos fördern kann, weil
das ökologisch der richtige Weg wäre.

Habeck: Auch hier würden wir auf die richtigen Marktanreize setzen und
ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer einführen. Rein elektrische
Fahrzeuge zahlen weniger oder keine, Spritschlucker mehr. Ein solches
System ist sozial gerecht und kann ökologisch lenken. Und wir müssen
Mobilität digitalisieren. Bis hin zu öffentlichen Plattformen, damit das
gemeinsame Verabreden und Teilen der Mobilität einfacher wird.

WELT: Auf Kuba sind die wenigen Autobesitzer schon verpflichtet,
Menschen mitzunehmen, die am Straßenrand warten.

Habeck: Das meine ich nicht mit Teilen. Irgendjemand wird die Mobilität
in den Städten, in Ballungsräumen und auf dem Land digital organisieren.
Ich kann mir unter Umständen vorstellen, dass wir elektrische Kleinwagen
unterstützen, indem sie im ersten Jahr den Strom umsonst bekommen.
Das nennt man ein Anreizsystem. Auch das gehört zu einer
Marktwirtschaft.

VW-Vorsitzender Diess (2.v.l.) und Grünen-Chef Habeck (2.v.r.) im Gespräch mit WELT-Chefredakteur Ulf
Poschardt (r.) und WELT-Chefreporter Ansgar Graw

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
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