RÜCKÜBERSTELLUNGEN VON ASYLSUCHENDEN NACH BULGARIEN SIND WEITERHIN AUSZUSETZEN
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RÜCKÜBERSTELLUNGEN VON ASYLSUCHENDEN NACH BULGARIEN SIND WEITERHIN AUSZUSETZEN AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e. V. Generalsekretariat Zinnowitzer Straße 8 10115 Berlin T: +49 30 420248-0 F: +49 30 420248-630 E: info@amnesty.de W: www.amnesty.de AMNESTY INTERNATIONAL SPENDENKONTO 80 90 100Sektion der Sozialwirtschaft . Bank für Bundesrepublik Deutschland . BLZ 370 205e.00 V. Generalsekretariat Zinnowitzer Straße 8 10115 Berlin T: +49 30 420248-0 F: +49 30 420248-630 E: info@amnesty.de W: www.amnesty.de SPENDENKONTO 80 90 100 . Bank für Sozialwirtschaft . BLZ 370 205 00
SEITE 2 / 9 BERICHT EINLEITUNG Seit Herbst 2013 hat Bulgarien aufgrund des Umgangs mit Asylsuchenden und Flüchtlingen, deren Zahl zum Ende des Jahres bei über 11.000 lag, international Aufmerksamkeit erhalten. 1 Aufgrund „systemischer Mängel” und „der tatsächlichen Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung”, hat der UNHCR im Januar 2014 dazu aufgerufen, Rücküberstellungen von Asylsuchenden aus EU-Mitgliedstaaten nach Bulgarien zeitweise auszusetzen. Der UNHCR hat angekündigt, diese Position zum 1. April 2014 zu überprüfen. 2 Im Januar 2014 hat der UNHCR dazu aufgerufen, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien auszusetzen.3 Im Dezember 2013 hat Amnesty International aufgezeigt, dass Asylsuchende in Bulgarien unzureichenden Lebensbedingungen ausgesetzt sind, ohne Zugang zu grundlegender Versorgung, wie Nahrung, medizinischer Versorgung und sanitären Einrichtungen. Neben mangelhaften Aufnahmebedingungen wurde eine große Anzahl neu ankommender Asylsuchender zudem weder registriert noch mit den nötigen Dokumenten ausgestattet, obgleich dies nach internationalem und europäischem Recht vorgeschrieben ist.4 Im März 2014 überprüfte Amnesty International bei einem weiteren Besuch in Bulgarien: 1. den Zugang zu bulgarischem Hoheitsgebiet und zum Asylverfahren 2. die Inhaftierung von Asylsuchenden 3. die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende Trotz Verbesserungen der Aufnahmebedingungen und einer personellen Aufstockung der staatlichen Flüchtlingsagentur (SAR), um einen schnelleren Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten, kritisiert Amnesty International die systemischen Mängel bei der Behandlung von Asylsuchenden in Bulgarien. Asylsuchende in Bulgarien werden nach wie vor routinemäßig inhaftiert und die Aufnahmebedingungen sind weiterhin unzureichend.5 Amnesty International bemängelt zudem, dass inhaftierte Asylsuchende bestimmter Nationalitäten Schwierigkeiten bei der Registrierung ihrer Asylanträge haben und länger auf eine Entscheidung über ihr Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft warten. Diese Hürden haben viele Personen davon abgehalten, Asylanträge zu stellen oder weiter zu verfolgen. 1 Bulgarisches Innenministerium. Daily Report of the National Operational Headquarters for Addressing the Increased Migratory Pressure Crises Situation. 2. Januar 2014. 2 UNHCR. Bulgaria as a country of asylum: UNHCR observations on the current situation on asylum in Bulgaria. 2. Januar 2014. Abrufbar unter: http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?docid=52c598354.pdf. 3 Amnesty International, Bulgaria: Refugees continue to endure bad conditions (Index: EUR 15/001/2014), 6. Januar 2014, abrufbar unter: www.amnesty.org/en/library/asset/EUR15/001/2014/en. 4 Amnesty International, Bulgaria: Amnesty International briefing: Refugees in Bulgaria trapped in substandard conditions (Index: EUR 15/002/2013), 13. Dezember 2013. Abrufbar unter: www.amnesty.org/en/library/asset/EUR15/002/2013/en. 5 Vom Staat zur Verfügung gestellt.
BERICHT SEITE 3 / 9 1. ZUGANG ZUM BULGARISCHEN HOHEITSGEBIET UND ZUM ASYLVERFAHREN Die Zahl der Personen, die irregulär aus der Türkei nach Bulgarien einreisen, ist seit November 2013 drastisch gesunken. Während im Herbst 2013 nahezu 8000 Personen irregulär über diese Grenze nach Bulgarien einreisten,6 lag die Zahl im Januar und Februar 2014 bei jeweils 139 bzw. 124. 7 Während des Besuchs von Amnesty International war der Rückgang der Zahl der Flüchtlinge und Migranten offensichtlich. Im Verteilungszentrum in Elhovo, wo die Personen kontrolliert werden, die die Grenze über die Türkei überqueren, befanden sich am 10. März 2014 lediglich 19 Personen. Dies stellt einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum November 2013 dar, als 285 Personen in dem Zentrum untergebracht waren. Amnesty International befürchtet, dass der deutliche Rückgang der Zahl der Ankommenden das Ergebnis von Grenzkontrollverfahren ist, welche schutzbedürftigen Personen die Einreise und Asylantragstellung unmöglich machen. Um die irreguläre Migration aus der Türkei zu unterbinden, hat Bulgarien etwa 1500 zusätzliche Polizeibeamte eingesetzt und mit der Errichtung eines Zauns an dieser Grenze begonnen. Zudem wurde ein integriertes Grenzüberwachungssystem einschließlich Kameraüberwachungen des türkischen Grenzgebiets errichtet. Sobald auf der Kamera Personen gesichtet werden, die sich der Grenze nähern, informiert die bulgarische Grenzpolizei die türkischen Behörden, um diese Personen aufzuhalten. Diese Maßnahmen hindern Menschen willkürlich daran, nach Bulgarien einzureisen und können dazu führen, dass schutzbedürftigen Personen internationaler Schutz verwehrt wird. Dies ist umso bedenklicher, als es sich im Jahr 2013 bei nahezu 60% aller irregulär eingereisten Personen in Bulgarien um Syrer handelte, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit des internationalen Schutzes bedürfen. Amnesty International hat zusätzlich mehrere Zeugenaussagen gesammelt, nach denen sog. „Pushbacks“ [illegale Zurückweisungen] in die Türkei stattgefunden haben sollen, die sowohl gegen Bulgariens internationale Verpflichtungen sowie gegen EU-Recht verstoßen. Aufgrund der geringeren Zahl Asylsuchender konnte die staatliche Flüchtlingsagentur SAR den Rückstand bei der Bearbeitung der Fälle aufholen und die Registrierung der Asylanträge schneller vorantreiben. Durch eine personelle Aufstockung wurden die Kapazitäten für die Registrierung von Asylsuchenden sowie für die Durchführung der Verfahren zur Statusfeststellung erhöht. 8 Im Rahmen eines Gesprächs am 14. März 2014 teilten Vertreter der SAR Amnesty International mit, dass sie im Februar 2014 55 Entscheidungen über Schutzgesuche täglich fällten. 6 Bulgarisches Innenministerium. Daily Report of the National Operational Headquarters for Addressing the Increased Migratory Pressure Crises Situation. 26. März 2014. 7 Gespräch mit dem stellvertretenden Direktor der Elhovo Regionaldirektion der Grenzpolizei, 10. März 2014. 8 Gespräch mit Amnesty International, Sofia, 14. März 2014.
SEITE 4 / 9 BERICHT Infolge dieser Verbesserungen sind die meisten Syrer, die es nach Oktober 2013 ins Land geschafft und Asyl beantragt haben, von der SAR registriert worden und erwarten eine Entscheidung über ihren Asylantrag. Für Syrer dauerte es bis zu einer Entscheidung über die jeweiligen Asylanträge zwischen zwei und sechs Monate, wobei die SAR Amnesty International mitteilte, dass sie bemüht sei, alle Fälle von Syrern innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung abzuschließen. Allerdings warten Antragsteller anderer Nationalitäten sowohl nach Angaben der Leiter von Haftanstalten als auch der Inhaftierten länger auf die Registrierung ihrer Asylanträge bei SAR sowie auf eine Entscheidung. Nach Angaben des Bulgarischen Helsinki Komitees – einer Nichtregierungsorganisation, die Asylsuchenden und Flüchtlingen Rechtsbeistand gewährt – kann die Registrierung und Freilassung von Asylsuchenden aus Algerien, Marokko und Tunesien nach Einreichung ihrer Asylanträge durch die Verwaltung der Abschiebungshaftanstalt („immigration detention administration“) bis zu sechs Monate dauern. 9 Amnesty International kritisiert zudem, dass Berichten zufolge einigen Algeriern und Marokkanern gesagt wurde, dass sie nicht zur Asylantragstellung berechtigt seien. Dies wirft Bedenken hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen die EU-Asylverfahrensrichtline10 sowie das Recht auf Asyl nach der EU-Grundrechtecharta auf. 2. INHAFTIERUNG VON ASYLSUCHENDEN „Wir sind keine Kriminellen, wir haben nur eure Grenzen überquert. Daraufhin habt ihr uns aufgenommen...Warum sperrt ihr uns ein? Lasst uns einfach frei sein.” Yamo aus Afghanistan, inhaftiert im Abschiebungsgefängnis in Lyubimets 11 Gegen jede Person, die irregulär die Grenze nach Bulgarien überquert, ergeht automatisch eine Abschiebungsanordnung12 sowie ein Haftbefehl13. Der erste Haftbefehl ergeht für eine maximal 24- stündige Ingewahrsamnahme durch die Grenzpolizei. Daraufhin ergeht ein zweiter Haftbefehl für eine Inhaftierung in den Einrichtungen der Direktion für Einwanderung („migration directorate“). Migranten können für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten zum Zwecke ihrer Abschiebung inhaftiert werden. Die Verlängerung der Haft über sechs Monate hinaus erfordert eine gerichtliche Anordnung. Das Verwaltungsgericht kann die Haft für weitere 12 Monate anordnen. Nach bulgarischem Recht können Kinder in Begleitung ihrer Eltern bis zu 3 Monate inhaftiert werden, während Kinder ohne elterliche Begleitung nicht inhaftiert werden dürfen. 9 Siehe nachfolgender Abschnitt zu der Inhaftierung von Asylsuchenden. 10 Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, Art. 6. 11 Gespräch mit Amnesty International, 11. März 2014. 12 Artikel 39 (1) 2 des Ausländergesetzes der Republik Bulgariens. 13 Artikel 44 (6) des Ausländergesetzes der Republik Bulgariens.
BERICHT SEITE 5 / 9 Nach dem derzeitigen Verfahren werden alle irregulär einreisenden Personen bis zu 24 Stunden von der Grenzpolizei rechtmäßig festgehalten und danach zur Anhörung in das Verteilungszentrum in Elhovo gebracht. Diejenigen, die Asyl beantragen wollen, sind dann an die SAR zu überstellen und an eine von der SAR geleitete Aufnahmestelle zu bringen. In diesem Fall ist ihre Abschiebungsanordnung auszusetzen,14 sodass auch der Haftbefehl nicht länger wirksam ist. Diejenigen, die kein Asyl beantragen möchten, werden in eine der beiden Haftanstalten der Direktion für Einwanderung in Lyubimets und Busmansti gebracht. Da eine Inhaftierung nach bulgarischem Recht nur zum Zwecke der Abschiebung zulässig ist,15 dürfen Asylsuchende nicht inhaftiert werden, solange sie keine Gefahr für die nationale Sicherheit oder Gesellschaft darstellen.16 Dennoch konnte Amnesty International beobachten, dass Asylsuchende in Bulgarien nach wie vor routinemäßig im Elhovo Verteilungszentrum oder den beiden Haftanstalten inhaftiert werden, während sie darauf warten, dass ihre Asylanträge von der Flüchtlingsbehörde registriert und sie in eine der Aufnahmeeinrichtungen gebracht werden. Die Verwaltung der staatlichen Flüchtlingsagentur teilte Amnesty International mit, dass die Registrierung in den Aufnahmezentren seit November 2013 schneller abliefe. Allerdings wurde auch eingeräumt, dass es nach wie vor zu Verzögerungen bei der Registrierung von Asylsuchenden in Haftanstalten komme. Diese Verzögerungen haben dazu geführt, dass Asylsuchende bis zu mehreren Wochen in Haft blieben. SAR hoffte die Registrierungsverfahren in den Haftanstalten schneller vorantreiben zu können und das Problem durch die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter in den Einrichtungen zu lösen.17 Am Eingang der beiden Grenzpolizeistationen, die Amnesty International im März 2014 besuchte, 18 fanden sich Poster vom UNHCR sowie Broschüren von SAR, dem Bulgarischen Helsinki Komitee sowie dem Innenministerium mit Informationen zu Asylverfahren sowie zum Verfahren freiwilliger Rückkehr. 19 Nach Angaben des Leiters der Direktion für Einwanderung wurden bis August 2013 jene Personen, die erklärten, Asyl beantragen zu wollen, direkt an eine der vom SAR geleiteten Aufnahmeeinrichtungen gebracht. Seit März 2014 benachrichtigt die Grenzpolizei die staatliche Flüchtlingsbehörde jedoch nicht mehr über Asylgesuche, sodass Asylsuchende nicht mehr von der Grenzpolizei in eine der Aufnahmeeinrichtungen gebracht werden. Vielmehr werden alle Personen, einschließlich jener, die Asyl beantragen möchten, in das naheliegende geschlossene Verteilungszentrum in Elhovo gebracht. Nach den von Amnesty International gesammelten Zeugenaussagen sowie der Angaben des Leiters der Einrichtung beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Verteilungszentrum in Elhovo momentan drei bis fünf Tage. Demnach werden Asylsuchende vor einem Transfer in eine offene 14 Artikel 67 (1) des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes. 15 Artikel 44 (6) des Ausländergesetzes der Republik Bulgariens. 16 Artikel 67 (3) des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes. 17 Gespräch mit Amnesty International, 14. März 2014. 18 In den Städten Kapitan Andrajevo und Elhovo nahe der türkischen Grenze. 19 Amnesty International konnte Broschüren zu Asylverfahren auf Englisch und Arabisch sowie Broschüren zu Verfahren der freiwilligen Rückkehr auf Englisch, Arabisch und Bulgarisch finden.
SEITE 6 / 9 BERICHT Aufnahmeeinrichtung zumindest für mehrere Tage inhaftiert - zunächst in den Grenzpolizeistationen dann im Verteilungszentrum in Elhovo. Mehrere Afghanen, ein Syrer und drei Somalier teilten Amnesty International mit, dass sie in eine Haftanstalt gebracht wurden, obwohl sie während ihres Aufenthalts in der Grenzpolizeistation und im Verteilungszentrum in Elhovo den Wunsch geäußert hatten, Asyl zu beantragen.1 Sie gingen davon aus, in eine Aufnahmeeinrichtung gebracht zu werden, fanden sich dann aber in Lyubimets und Busmansti wieder. Diese Personen waren sich nicht sicher, ob ihre Asylanträge ignoriert wurden oder ob sie im Rahmen der Haft für eine SAR-Registrierung angehört werden würden. 3. AUFNAHMEBEDINGUNGEN FÜR ASYLSUCHENDE Im März 2014 besuchte Amnesty International die Aufnahmeeinrichtungen in Voenna Rampa, 2 Vrazhdebna3 und Harmanli.4 Bei dem vorherigen Besuch im Jahr 2013 waren die Bedingungen in diesen Zentren völlig unzureichend. In Harmanli wurden Asylsuchende sowohl in einem unbeheizten Gebäude, das noch nicht in eine Aufnahmeeinrichtung umfunktioniert worden war, als auch in Containern und Militärzelten untergebracht. Ihnen war lediglich eine begrenzte Anzahl gebrauchter Klappbetten zur Verfügung gestellt worden, wobei viele auf dünnen Matratzen auf dem Boden schlafen mussten. Im November 2013 wurden die in Harmanli untergebrachten Personen nicht als Asylsuchende registriert und waren faktisch in einem geschlossenen Lager eingesperrt. Voenna Rampa und Vrazhdebna wurden zwar als offene Aufnahmeeinrichtungen geführt; die Aufnahmebedingungen in diesen Zentren waren aber ebenso unzureichend. Personen schliefen in überfüllten Räumen, es gab keinen Zugang zu angemessener Nahrungsversorgung durch den Staat und die Bewohner litten unter mangelndem Zugang zu medizinischer Versorgung. Während des zweiten Besuchs im März 2014 stellte Amnesty International einige Verbesserungen in den drei Aufnahmezentren fest.5 Die SAR hatte alle Asylsuchenden und Flüchtlinge, die in Harmanli in Zelten untergebracht waren, in teilweise renovierten Gebäuden untergebracht, eine gesonderte Einrichtung für Frauen und Kinder eröffnet und mehr Toiletten und Duschen gebaut. Zudem stellt die Regierung in allen drei Zentren zwei warme Mahlzeiten am Tag zur Verfügung und Mitarbeiter der SAR (Anhörer) sind in allen drei Einrichtungen anwesend. Trotz dieser Verbesserungen geht Amnesty International davon aus, dass die Bedingungen in den Aufnahmezentren nicht den Anforderungen der EU-Richtlinien zur Aufnahme von Asylsuchenden entsprechen. 6 Vielmehr haben sich die Bedingungen in Voenna Rampa – wo Umbaumaßnahmen stattfanden, während Personen dort weiterhin untergebracht waren – seit dem letzten Besuch von Amnesty International verschlechtert. 7 20 Gespräch mit Amnesty International in Lyubimets und Busmantsi im März 2014. 21 6. März 2014. 22 7. März 2014. 23 8. und 12. März 2014. 24 Dies ist keine abschließende Auflistung der bestehenden Aufnahmeeinrichtungen. Sonstige, hier nicht aufgeführte Einrichtungen: Banya, Kovatchevci, RRC Sofia (Ovcha Kupel) und Pastrogor. 25 Aufnahmerichtlinie (RL 20013/33/EU), Art. 14 und 17-19; Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG), Art. 10 und 13. 26 Gespräche vom 6. März 2014.
BERICHT SEITE 7 / 9 ÜBERBELEGUNG Im März 2014 waren in den Aufnahmeeinrichtungen in Vrazhdebna und Voenna Rampa hauptsächlich Familien mit Kindern untergebracht, die monatelang in klassenzimmerartigen Hallen lebten, die mithilfe von Bettlaken in kleinere Abschnitte aufgeteilt waren. Diese Art der Unterbringung gewährleistet keinerlei Privatsphäre. Zudem führten die Renovierungs- und Umbaumaßnahmen in Vrazhdebna und Voenna Rampa, die zum 25. April abgeschlossen sein sollten, zu massiver Überbelegung, da Familien, deren zugewiesene Plätze von den Bauarbeiten betroffen waren, anderen Teilen des Gebäudes zugewiesen wurden. Die Überbelegung war teilweise auch darauf zurück zu führen, dass bereits anerkannte Flüchtlinge weiterhin in den Aufnahmezentren blieben, weil sie keine bedeutende Unterstützung bei der Integration erhielten. Einige Flüchtlinge äußerten gegenüber Amnesty International die Angst vor Obdachlosigkeit, sollten sie die Aufnahmeeinrichtung verlassen müssen. In Voenna Rampa waren 43 von insgesamt 800 Bewohnern27 in einem ehemaligen Gymnasium ohne Heizung und Elektrizität untergebracht. Die Bewohner verschafften sich eine improvisierte Beleuchtung mithilfe von Verlängerungskabeln aus einer nahegelegenen Halle. Von Überbelegung waren auch jene Personen betroffen, die in Ein- oder Zweiraumcontainern in Harmanli untergebracht waren. Da diese Container ganze Familien beherbergten, mussten sich in einigen Fällen bis zu sieben Personen einen Raum von etwa 10 8m2 teilen. SANITÄRE EINRICHTUNGEN Die sanitären Einrichtungen in Voenna Rampa und Vrazhdebna sind weiterhin unzureichend. Nach Angaben des Innenministeriums gab es Ende März 2014 etwa 600 Bewohner in Voenna Rampa. 28 Während der Umbauarbeiten gab es dort lediglich sechs Duschen und 12 Toiletten. Dies bedeutete, dass etwa 100 Personen eine Dusche und 50 Personen eine Toilette teilen mussten. Während des Besuchs von Amnesty International waren die Toiletten in beiden Aufnahmeeinrichtungen nicht nach Geschlechtern getrennt. Die Umbaumaßnahmen sahen jedoch getrennte Sanitäranlagen vor. 29 Nach Amnesty International vorliegenden Informationen sollen in Voenna Rampa nach den Umbaumaßnahmen 17 Personen eine Toilette nutzen. Für eine Dusche sind nach diesen Plänen 62 Personen vorgesehen.30 Das Verhältnis der Anzahl von Toiletten und Duschen pro Person soll in Vrazhdebna nach dem Umbau besser sein – nach den derzeitigen Plänen sollen sich 25 Personen eine Dusche und 14 Personen eine Toilette teilen.31 27 Zahl der Bewohner von Voenna Rampa nach Angaben der staatlichen Flüchtlingsagentur am 14. März 2014. Dokumentation verfügbar über Amnesty International. 28 Bulgarisches Innenministerium. Daily Report of the National Operational Headquarters for Addressing the Increased Migratory Pressure Crises Situation. 26. März 2014. 29 Die Umbaumaßnahmen in allen Einrichtungen sollen bis zum 25. April 2014 abgeschlossen sein. Quelle: Gespräch mit dem Leiter der staatlichen Flüchtlingsagentur, 14. März 2014. 30 Dokumentation verfügbar über Amnesty International. 31 Ebd., En. 17.
SEITE 8 / 9 BERICHT Seit Dezember 2013 leistet „Ärzte ohne Grenzen“ medizinische Versorgung in Vrazhdebna, Voenna Rampa und Harmanli. Da deren Einsatz in Bulgarien aber voraussichtlich im Mai enden wird, befürchtet Amnesty International große Verschlechterungen beim Zugang von Asylsuchenden und Flüchtlingen zum nationalen Gesundheitssystem. Einige der von Amnesty International befragten Asylsuchenden berichteten über Schwierigkeiten bei der Anmeldung zur Krankenversicherung. Nach Angaben einiger Personen wurde ihnen die medizinische Behandlung durch Krankenhäuser und/oder Ärzte versagt.32 ZUGANG ZU BILDUNG Nach dem bulgarischen Asyl- und Flüchtlingsrecht haben asylsuchende Kinder unter den gleichen Bedingungen und nach dem gleichen Verfahren wie bulgarische Bürger das Recht auf Zugang zu Bildung und Ausbildung.33 Zum Zeitpunkt des Besuchs von Amnesty International gab es jedoch weder innerhalb noch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen staatlich geführten Unterricht oder Schulen speziell für asylsuchende Kinder, wobei auch keinerlei staatliche Hilfe zur Erleichterung des Zugangs zu bestehenden staatlich betriebenen Schulen angeboten wurde. In Harmanli gibt es eine Schule, die von Freiwilligen und Asylsuchenden selbst betrieben wird. Einige der Kinder von registrierten syrischen Asylsuchenden besuchten die von der Gemeinde in Sofia betriebenen Schulen. Bei diesen Schulen handelt es sich jedoch um Schulen privater Träger, sodass die kostenlose Aufnahme von Kindern, deren Eltern sich die Schulgebühren nicht leisten können, vom Ermessen der Schulleiter abhängt.34 Diese Schulen haben nur sehr begrenzte Kapazitäten an kostenlosen Aufnahmeplätzen. Bis zum 27. März besuchten etwa 100 Kinder syrischer Asylsuchender und Flüchtlinge kostenlos drei Gemeindeschulen.35 Der fehlende Zugang zu Bildung und ein Mangel an Freizeitmöglichkeiten führte dazu, dass Kinder ihre Tage ohne strukturierten Ablauf in den Aufnahmeeinrichtungen verbrachten. Familien waren besorgt über daraus entstehende Folgen für die Entwicklung und Zukunftschancen ihrer Kinder. LEBENSMITTELVERSORGUNG Trotz der großen Anzahl an Kleinkindern in den Aufnahmeeinrichtungen – allein in Harmanli befanden sich 41 Kinder unter einem Jahr36 – wurde von Seiten der Regierung keine kleinkindgerechte Nahrung zur Verfügung gestellt. Daher kaufen sich diejenigen, die es sich leisten können, ihren Kindern angemessene Nahrung, während alle anderen ihre Kinder mit Brot und Tee versorgen. 37 32 Gespräch mit einem Flüchtling aus Syrien, der angab, mit seinen Kindern drei Krankenhäuser besucht zu haben, bevor sie endlich angenommen wurden. Vrazhdebna, 7. März 2014. Gespräch mit einer asylsuchenden Familie mit einem vier Monate alten Kind, 15. März 2014. 33 Artikel 26 des Asyl- und Flüchtlingsgesetzes. 34 Gespräch mit dem Schulleiter einer der Privatschulen in Sofia, 14. November 2013. 35 Email-Interview mit dem Schulleiter der Palästinensischen Schule in Sofia, 27. März 2014. Die übermittelten Daten repräsentieren die Zahl der asylsuchenden Schüler in drei Schulen. 36 Von Freiwilligen der Organisation „Friends of Refugees“ durchgeführte Umfrage in Harmanli. März 2014. 37 Gespräch mit einem der staatlichen Flüchtlingsagentur zugeordneten Freiwilligen am 8. März 2014, Harmanli.
BERICHT SEITE 9 / 9 4. FAZIT Amnesty International stellte während des Bulgarien-Besuchs im März Verbesserungen der Aufnahmebedingungen und des Asylverfahrens im Vergleich zur Situation im November 2013 fest. Dennoch entsprachen die besuchten Aufnahmeeinrichtungen nach wie vor nicht den adäquaten Standards, insbesondere im Hinblick auf sanitäre Einrichtungen, Lebensmittelversorgung und Zugang zu Bildung für Kinder. Zudem werden Asylsuchende trotz beschleunigter Registrierungsverfahren nach wie vor für mehrere Tage bis hin zu mehreren Monaten inhaftiert, bevor sie in eine Aufnahmeeinrichtung kommen. Zudem werden Asylanträge bestimmter Nationalitäten Berichten zufolge nicht angenommen, oder die betreffenden Personen müssen längere Zeit in Haft auf ihre SAR- Registrierung warten. Dies brachte einige Personen dazu, Formulare für eine „freiwillige Rückkehr“ zu unterzeichnen, weil sie keinen anderen Weg aus der Haft sahen. Dieser Umstand löst ernsthafte Bedenken hinsichtlich des Zugangs zu internationalem Schutz in Bulgarien aus. Amnesty International würdigt die Bemühungen der bulgarischen Regierung zur Verbesserung der Situation von Asylsuchenden in Bulgarien in Bezug auf Aufnahmebedingungen und Zugang zum Asylverfahren. Die Aufnahmebedingungen sind jedoch nach wie vor unzureichend und würden durch eine steigende Zahl Asylsuchender aufgrund von Dublin-Rücküberstellungen voraussichtlich zusätzlich strapaziert werden. Amnesty International ist zudem ernsthaft besorgt darüber, dass Asylsuchende aufgrund der nahezu vollständigen Abriegelung der Grenze zur Türkei faktisch keinen Zugang nach Bulgarien haben. Amnesty International fordert Bulgarien dazu auf, Grenzschutzmaßnahmen zu ergreifen, die Zugang zu internationalem Schutz ermöglichen und die mit dem Ausbau nachhaltiger Aufnahmekapazitäten unter angemessenen Aufnahmebedingungen einhergehen. Bis dahin sollten die EU-Mitgliedstaaten und andere am Dublin-System beteiligten Länder die Überstellung von Asylsuchenden nach Bulgarien weiterhin aussetzen.
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