Schafweide Mittenwald und Maria Theresia - B ei der Hauptalmbegehung und - Almwirtschaftlicher ...
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Foto: Sepp Brandner Blick von der Angeralm auf die ehemaligen Schafweideflächen auf den südseitigen Flächen im Karwendeltal. Schafweide Mittenwald und Maria Theresia Schafhalter ein Spielball der Grenzpolitik B ei der Hauptalmbegehung und über Scharnitz hinaus in Richtung See- Österreich und Landesfürstin von Tirol, beim Almbauerntag heuer in Mit- feld und ins Leutaschtal. So lag auch das als Befestigung des wichtigen Übergangs tenwald wird sicherlich auch das Karwendeltal im Herrschaftsgebiet der von Bayern nach Tirol in Auftrag gegeben Thema Schafweide eine Rolle spielen, das Grafschaft. Anzumerken ist, dass dieses und nach ihr benannt. vor ca. 25 Jahren ausführlich diskutiert kleine unabhängige Werdenfelser Land, Um das Jahr 1700 besaß der Markt und letztlich vertraglich geregelt wurde. das seit 1294 zum Hochstift Freysing ge- Mittenwald folgende „Almleger im hörte, kaum politische Unterstützer hatte. Garwendeltal“: Zwei beste Leger aufm Überblick über die Sachlage Mächtige Nachbarn wie Tirol und Bayern Lerchat und auf den Angerlen unter der stellten Gebietsansprüche und verscho- Hochalm (Larchet Alm und Anger Alm Zur Beurteilung dieses Schafweide- ben gerne die Grenzen zu ihren Gunsten. der AV-Karte), je ein Leger im Achorn rechtes muss man weit in die Geschichte Im Zuge des 30-jährigen Krieges errich- hinterm Pürzl, im Vogeleschar (Vogelkar, zurückschauen. Es verwundert nämlich, tete Tirol 1632 unter Duldung des Hoch- südwestlich der Östlichen Karwendel- dass nach dem gültigen Weidekonspekt stifts auf fremdem Grund die Porta Clau- spitze) und im Schlichten (südlich der vom 3. Februar 1859 am Brunnsteineck dia, eine Befestigungsanlage nördlich von Schlichtenkarspitzen). auf 159 ha Fläche nur die Zahl von 200 Scharnitz, nahe der heutigen Staatsgren- Schafen vom 24. April bis 29. September ze, die als Schutz gegen die heranrücken- Das Reintal wird bayerisch (159 Weidetage) vermerkt ist. Im Weide- den Schweden dienen sollte. Die eigent- beschrieb und in einem Randvermerk liche Grenze verlief aber seit dem Jahre Mit dem Vertrag von 1766 wurde steht auch, dass die Gemeinde 1844 ihre 1500 etwa einen Kilometer südlich von schließlich von Tirol das Karwendeltal im österreichischen Karwendeltal zu- Scharnitz. Der Bau der Talsperre wurde einschließlich Scharnitz und die Porta stehenden 1000 Schafrechte für 25 000 von Claudia de’ Medici, Erzherzogin von Claudia unter der Regierungszeit von Gulden verkaufte. So verblieb auf baye- rischem Gebiet nur das bis zum 24. Mai Skizze: Heimatkundliche Stoffsammlung jeden Jahres beweidete Brunnnsteineck, bei dem es sich ursprünglich nur um die Vorweide handelte. Wie es zu diesem un- typischen Verkauf von Rechten kam, soll mit dem nachfolgenden Bericht aufge- klärt werden. Untypisch ist der Verkauf der Rechte deshalb, weil Schafweide- rechte für die Bewohner eines Gebirgs- ortes im 19. Jahrhundert lebenswichtig waren, sicherten ihnen doch Fleisch, Milch und Wolle ein bescheidenes Aus- kommen. Grenzfestung Porta Claudia Die ursprüngliche Grafschaft Werden- Eine Skizze der Porta Claudia, dem Bollwerk gegen die Schweden. fels, zu der auch Mittenwald gehörte, 1 Torgebäude mit Kapelle, 2 Geschützstand „Der Kavalier“, reichte nach alten Grenzbeschreibungen 3 Vorwerk „Die Teufelsküche“ 4 Ab hier heute noch vollkommen erhalten Der Almbauer Februar 2019 7
erfolgte damals nicht über Scharnitz, son- Fotos: M. Hinterstoißer dern traditionell bis Anfang der 1970er Jahre über den, auf bayerischer Seite lie- genden, Brunnstein und über das Damm- kar auf die in Österreich liegenden Flä- chen, obwohl das Recht dort schon lange nicht mehr bestand. Sämtliche Bereiche waren sehr unzugänglich und befanden sich weit oberhalb der Baumgrenze im absolut „unproduktiven Terrain“. Ein plötzlicher Anstieg der Auftriebs- zahlen im Jahr 1972 war auf den vorüber- gehenden Auftrieb von 300 Tieren eines einzigen Schafhalters zurückzuführen. Dies war der Anlass für das Eingreifen der Staatsforstverwaltung, in dessen Folge das Alpeninstitut ein Gutachten Mittenwalder Schafe auf der Rehbergalm im Karwendel. erstellte mit dem Ergebnis, dass das Hauptweidegebiet nur einen Auftrieb Maria Theresia gegen das Reintal einge- ten Rechte ein finanzieller Ausgleich in von 500 Schafen rechtfertige. tauscht, wobei die niedere Gerichtsbar- Höhe von 25 000 Gulden. keit, das Grundeigentum, die hohe und 300 Gestattungsschafe niedere Jagd bei der Grafschaft Werden- Nur 200 Schafe berechtigt fels und die Holz- und Weiderechte bei Ab der Weidesaison 1977 gestattete den Bürgern von Mittenwald blieben. Es scheint, dass weder Bayern noch das Forstamt den Austrieb von 500 Scha- Im Rahmen der Reichsdeputation von Tirol auf die Belange der Werdenfelser fen, einschließlich der 200 Rechtsschafe, 1803, diktiert von Napoleon und Zar Rechtler Rücksicht genommen haben. vom 24. April bis 29. September jeden Alexander I., die sozusagen eine Ge- Verblieben ist letztendlich eine Rest- Jahres auf ca. 2000 ha staatsforsteigenen bietsneuverteilung nach dem Verlust der fläche von 466 Tagwerk, die auf bayeri- Flächen um die Rehbergalm und in den linksrheinischen Gebiete beinhaltete, schem Gebiet am Brunnsteineck liegt. Hochlagen des nördlichen und westli- fielen unter anderem die weltlichen Ho- Diese Fläche ist laut Beschrieb vom Jahr chen Karwendel. Der Vertrag endete mit heitsrechte des Hochstifts Freising, die 1859 mit 200 Schafen berechtigt. Da be- der Weidesaison 1985, wurde dann aber es innerhalb der Landesgrenzen Tirols reits bei Abfassung des Weidebeschriebs um ein Jahr verlängert mit der Maßgabe, innehatte, an den tirolischen Landesfürs- die Rechtsfläche am Brunnsteineck bei Lösungsmöglichkeiten für alle Beteiligten ten. Die niedere Gerichtsbarkeit über das weitem nicht für die vorhandenen Scha- zu finden. Inzwischen hatte nämlich der Karwendeltal wurde dem Gericht Hör- fe ausreichte und wegen der extremen Landtag am 5. Juni 1984 in dem legendä- tenberg (Telfs) einverleibt. Ebenfalls im Felslagen kaum beweidbar war, wurde ren „Bergwaldbeschluss“ festgelegt, dass Jahre 1803 fiel im Zuge der Säkularisation vom Forstamt gegen Entrichtung ei- die Waldweide so rasch wie möglich ab- auch das gesamte Werdenfelser Land, das ner Gebühr die Weide auf zusätzlichen zulösen sei. Die Forstverwaltung wurde sich im Besitz des Erzbistums Freising be- Staatswaldflächen gestattet. beauftragt, Flächen zu finden, auf denen fand, an das Kurfürstentum Bayern. Nach Angaben von Prof. Dr. Spatz lie- 500 Schafe auf staatseigenen Flächen wei- Im österreichisch-bayerischen Grenz- gen seit 1913 genaue jährliche Auftriebs- den können, ohne die Waldverjüngung zu berichtigungsvertrag (Revision) von 1844 zahlen vor. So betrug der Auftrieb bis 1993 schädigen. Als geeignet erschienen die wurde für die gesamte Nordgrenze von im Durchschnitt knapp über 500 Schafe. weitgehend baumfreien Hochlagen im Tirol und Vorarlberg eine genaue Ver- In den Notzeiten der beiden Weltkriege nördlichen und westlichen Karwendel. messung und Darstellung vereinbart. waren es weit über 1000 Tiere, so dass Diese Weideflächen liegen aber im In diesem Zusammenhang erfolgte laut zum Teil sogar zwei Schafhirten angestellt Naturschutzgebiet „Karwendel und Kar- Weidekonspekt für das Abtreten der al- werden mussten. Der Auftrieb der Schafe wendelvorgebirge“, so dass auch die Re- Die Schafalm – so war‘s früher Die ursprüngliche Schafalm der Mit- tenwalder lag laut Grundsteuerka- taster Telfs auf der heutigen Tiroler Seite im Karwendeltal mit einem Als Stützpunkt für Recht von 1100 Schafen. Dazu gehör- den Schafhirten dient te auf der Westseite des Karwendel- die, 2010 neu erbaute, tales das Kirchlekar, Brunnsteineck, Mathilde-Hurter-Hütte Brunnsteinanger, Gamsanger, Lerch- auf der Rehbergalm. fleck bis zum Großkar, auf der Ost- seite das Schlauchkar, Neunerkar und Marxenkar. Die Böden zwischen der Larchetalm und der Angereralm heißen heute noch Schafstallböden. Hier war die Schneeflucht der Mit- tenwalder Schafe. 8 Der Almbauer Februar 2019
Als Schafhirte in Mittenwald lebt man gesund, hat man Peter Reindl (r.), seit 24 Jahren 1. Vorsitzender der doch Bewegung an der frischen Luft in Hülle und Fülle. Peppi Weidegenossenschaft, bekommt von Andreas Neuner Hornsteiner (l.) mit seinem Vorgänger Manfred Brandtner. Präsente für die Ausstattung der Mathilde-Hurter-Hütte. gierung von Oberbayern als liegen der vegetationskundli- in Mittenwald nachhaltig. So vielfältigen Flora und Fauna Höhere Naturschutzbehörde chen Untersuchungen bis 2020 bestand über 200 Jahre nach profitiert davon auch der für ihre Zustimmung geben muss. verlängert. Die Vor- und Nach- der Grenzfestlegung von 1766 die Region wichtige Fremden- Da für 200 Schafe das histori- weidezeit findet im Heimwei- nur noch wenig Verständnis verkehr in erheblichem Maße. sche Weiderecht gegeben ist, degebiet am Kranzberg statt dafür, dass weit mehr als die Die Weidegenossenschaft hat musste deshalb für die 300 Ge- und dauert vom 1. Mai bis 200 Rechtsschafe notwen- sich damals energisch und stattungsschafe eine Ausnah- 29. September. dig sind, um die Tradition der mit guten Argumenten für die megenehmigung erteilt wer- 2010 errichtete die Weide- Bergschafhaltung aufrecht zu Erhaltung des Schafauftrie- den. Die Verhandlungen waren genossenschaft auf der nicht erhalten. Gerade diese Schaf- bes im Karwendel eingesetzt nicht einfach und zogen sich erschlossenen Rehbergalm, halter sind es aber, die mit und konnte schließlich noch fast ein Jahrzent bis zum Jahr deren 7,8 ha Freiflächen sich der aufwändigen Mahd der kurz vor der Hauptalmbege- 1995 hin. im Besitz der Marktgemein- Buckelwiesen die Landschaft hung 1995 den Vertrag mit de Mittenwald befinden, eine mit ihrer Artenvielfalt im obe- dem Forstamt unterzeichnen. Kompromiss erreicht Almhütte. Die in Mittenwald ren Isartal prägen. Neben der M. Hinterstoißer ansässige Apothekerin Mathil- Anzeige Das Ergebnis war ein de Hurter (1923-2002) hatte in Kompromiss, der nur mehr ihrem Testament unter ande- den Auftrieb von 400 Schafen rem den Bau einer Hütte auf beinhaltet, die auf den Freiflä- der Rehbergalm verfügt, die chen der Rehbergalm und in der Almwirtschaft und der Hir- den Hochlagen des nördlichen tenausbildung dienen solle. Sie und westlichen Karwendels 70 kannte nämlich noch das alte Tage in der Zeit vom 20. Juni Gebäude, das 1954 den Flam- bis 15. September jeden Jahres men zum Opfer gefallen war. unter zuverlässiger Behirtung Zu Ehren der Stifterin bekam weiden dürfen. Der auf fünf die Hütte die Bezeichnung Jahre befristete Vertrag wurde „Mathilde-Hurter-Hütte“, die ab 2000 bis 2004 um jeweils ein dem Hirten Peppi Hornsteiner Jahr und dann nach dem Vor- als Stützpunkt für seine weiten Wege in den Hochlagen des Karwendel bei der Beaufsich- tigung der Schafe dient. Seit 26 Jahren kann sich die Weide- genossenschaft, an deren Spit- ze seit 24 Jahren Peter Reindl als Vorsitzender steht, auf ihren zuverlässigen und verantwor- tungsbewussten Hirten bei sei- ner schweren Arbeit verlassen. Derzeit geben 42 Schafhalter ihre Tiere in den Sommermo- naten in seine Obhut. Schwerer Stand Die große Politik im 30-jäh- rigen Krieg mit dem Bau der Porta Claudia und unter der Kaiserin Maria Theresia mit der Verschiebung der Gren- ze zwischen Tirol und Bayern beeinflusste die Schafhaltung Der Almbauer Februar 2019 9
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