Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH

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Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
Kooperationspartner:

Zentrum für Gerontologie

Schlecht sehen – gut leben.
Leben mit einer Sehbehinderung im Alter
Ringvorlesung FS 2017 „Gesundes Altern mit hoher Lebensqualität – trotz Vulnerabilität?“
Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich
29. März 2017

Alexander Seifert (Sozialpädagoge und Soziologe) a,b
a Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich (UZH)
b Universitärer Forschungsschwerpunkt UFSP „Dynamik Gesunden Alterns“ der UZH

Vortrag in Kooperation mit:
Stefan Spring, Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen (SZB)
Christian Birkenstock, Fachstelle Sehbehinderung Zentralschweiz (fsz)

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Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
Zentrum für Gerontologie

Ablauf
Teil 1 (ca. 30 min.): Alexander Seifert,
Zentrum für Gerontologie
Gesundes Altern mit hoher Lebensqualität trotz
Sehbehinderung – Erfahrungen aus der COVIAGE Studie

Teil 2 (ca. 25 min.): Christian Birkenstock,
Fachstelle Sehbehinderung Zentralschweiz (fsz)
Psychosoziale Bewältigung durch Low Vision Beratung

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Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
Zentrum für Gerontologie

  Die 5 Sinne des Menschen

 Riechen                            Sehen

Schmecken
                                     Hören

 Tasten

                             Hintergrundbild: Created by
                             Asierromero - Freepik.com
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Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
Zentrum für Gerontologie

Ausgangslage
•    Demographischer Wandel
     •       Zunahme der Zahl älterer
             Personen mit Sehbehinderungen

•    Medizinische und gesellschaftliche Herausforderungen
     •       Medizinische Versorgungen (Kosten)

     •       Gesellschaftliche Bedeutung / Pflegerische Versorgung

•    Herausforderungen für das Individuum
     •       Doppelte Belastung (Alter und Sehbehinderung)?

•    Trotz Relevanz kaum Schweizer Forschungsliteratur
     •       Sozialwissenschaft/Psychologie/Sozialarbeit

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Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
eine Sehschädigung. In der vierten Lebensdekade sind gegen zwei, in der
                                                                     siebten Dekade bereits etwa sieben von hundert Personen sehbehindert.
                                                                     Danach nimmt die Häufigkeit von Sehschädigungen markant zu: In der
                                                                     neunten Lebensdekade nimmt die Sehleistung auf Grund des
                                                                     Alterungsprozesses bei allen Personen ab – bei vielen von ihnen so stark, dass
             Zentrum für Gerontologie                                trotz Brillen und Kontaktlinsen etwa Zeitungslesen, Erkennen von Gesichtern
                                                                     oder Orientierung in einer neuen Umgebung nicht mehr möglich sind.
                                                                     Zusätzlich treten vermehrt Krankheiten der Sinnesorgane auf. Mit 70 Jahre
             Sehbeeinträchtigungen im Alter                          haben bereits über zehn Prozent der Personen optische und medizinisch
                                                                     nicht mehr ausgleichbare Sehprobleme und spüren deren Auswirkungen im
             Ein statistisches Graufeld                              Alltag. Schliesslich ist etwa jede sechste Person über achtzig Jahre und fast
                                                                     die Hälfte der über Neunzigjährigen in ihren Sehfunktionen deutlich und
                                                                     dauerhaft eingeschränkt.

      Anteil der Bevölkerung in Prozenten, der für
      sich selbst eine Sehbehinderung bzw. eine
                 Hörbehinderung angibt
                (Bundesamt für Statistik)

  BfS 2011, aus Spring 2012
Anteil der Bevölkerung in Prozenten, der für sich selbst eineAnteil
                                                                 Sehbehinderung         bzw.Sehbehinderung nach Alter
                                                                       Personen mit einer
eine Hörbehinderung angibt.                                    Beschreibung Grafik: Die Kurve verläuft ab 0.3 Prozent bei den Kleinkindern immer stärker
                                                                Spring
Die Angabe „ns“ bedeutet, dass für diese Gruppe mit dem vorliegenden
                                                               ansteigend 2012
                                                                       Datenmaterial     keine
                                                                           bis 48.7 Prozent für die Gruppe der über 95-Jährigen. Überlagert stehen die Angabe
                                                               fürBundesamt
statistisch genügend sichere Angabe gemacht werden kann. Quelle:   zusammengefasste    Altersgruppen: 0-19 Jahre 0.4 Prozent; 20-39 Jahre 1.3 Prozent,
                                                                                für Statistik.

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Auch die Aussagekraft der Schweizerischen Gesundheitsbefragung muss
Schlecht sehen - gut leben - Leben mit einer Sehbehinderung im Alter - UZH
Gesellschaft und Berufswelt wollen und müssen die betroffenen
    Personen aber weiterführen. Der Abschluss der Erwerbsarbeit bringt sie
    eine spezielle Herausforderung mit sich: Sie wissen, dass sie als
    „Mensch mit Sehbehinderung“ ins Rentenalter und ins hohe Alter
    eintreten werden.
    Schliesslich leben über 76’000 Menschen im höheren und hohen Alter
                Zentrum für Gerontologie
    mit einer Sehschädigung. Sie müssen sich mit den Fragen des Alterns
    und mit früher oder später auftretenden Gebrechen und

                 Sehbeeinträchtigungen im Alter
    Abhängigkeiten bei sich und im persönlichen Umfeld befassen. Die
    Sehbehinderung, ob bestehend oder neu auftretend, bedeutet für die
                 Falschgedeutete Symptome und Mehrfachbeeinträchtigungen
    Bewältigung des Alltags eine zusätzliche Erschwernis. Oft kommt eine
    Verminderung des Hörvermögens dazu. Das wirkt sich gerade bei
    sehbehinderten Personen besonders einschneidend aus. Die beiden
    Sinnesschädigungen verstärken sich in ihrer Wirkung gegenseitig. Dies
    erfordert sehr viel Kraft für die betroffene Person, aber auch für das
    unterstützende Umfeld.
           Im Allgemeinen                                                                               In der stationären Pflege
                                                                                              RAI Daten (2016; Seifert & Spring 2016):
                                                                                              • 42% Sehbeschädigung
                                                                                                 (14% davon schwere SB)
                                                                                              • 48% Hörschädigung
                                                                                                 (13% davon schwere HB)
                                                                                              • 27% Doppelte Sinnesbeeinträchtigung
                                                                                                 (Sehen und Hören)
                                                                                              • Die Diagnose der Sinnesbeeinträchtigungen
                                                                                                 korreliert oft mit der Diagnose einer kognitiven
                                                                                                 Beeinträchtigung!

                                                                                                     Für den Alltag bedeuten Seh- und Hörverluste nicht
                                                                                                      nur Einschränkungen in der Kommunikation und
                                                                                                           Informationsaufnahme, sondern auch
                                                                                                     Missverständnisse, Kränkungen und einen daraus
                                                                                                             resultierenden sozialen Rückzug.
   Spring 2012
hbehinderung     hat viele Gesichter
schreibung Kuchendiagramm mit der Aufteilung der ca. 325‘000 sehbehinderten Menschen in                            Seifert & Spring 2016
r Schweiz auf Altersgruppen: Den Kuchenabschnitten sind Felder zugeteilt, welche die
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ersmässige Situierung von mindestens 4‘000 mehrfachbehindert-sehgeschädigten Personen                                                  Seite 6
d mindestens 10‘000 hörsehbehinderte Personen andeuten. Ein zusätzliches Feld weist auf die
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Das Projekt COVIAGE

                                             Kooperationspartner:

Studie COVIAGE
(Coping with visual impairment in old age)
2013-2018
In Kooperation mit dem SZB (Schweizerischer
Zentralverein für das Blindenwesen)

•    Literaturrecherche
•    qualitative Vorstudie (N = 22)
•    quantitative Bevölkerungsbefragung (N = 1299)
•    regelmässige Experten-Workshops (N = 14)

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Zentrum für Gerontologie

Alter und Sehprobleme: Eine doppelte Belastung?

        Gerade die Beeinträchtigungen der
        Sinnesorgane haben „aufgrund ihrer
          Umweltrelevanzen unmittelbare
                Auswirkungen auf die
         Alltagsgestaltung im Alter und den
                weiteren Verlauf des
                 Alternsprozesses“
    (Tesch-Römer & Wahl, 2012, S. 407).
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Zentrum für Gerontologie

Bereiche eines guten Lebens im Alter nach Lawton (1983)
 Psychologisches Wohlbefinden

 Depression                     Verhaltenskompetenz

 Mortalität                     Basale Aktivitäten tägl. Leben

 Angst                          Instrumentelle Aktivitäten tägl. Leben

 Subjektive Lebensqualität      Selbständigkeit

 Lebensqualität                 Freizeit

 Wohlbefinden                   Soziale Kontakte

 Objektive Umweltbedingungen    Mobilität

 Unterstützung                  Sturzrisiko

 Lebens- und Wohnbedingungen    Kognitive Ressourcen

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Zentrum für Gerontologie

Subjektive Lebensqualität / Psychologisches Wohlbefinden
•    Subjektive Lebensqualität
             •   Nach Diagnose: Verringerung der sub. Lebensqualität,
                 Neubewertung der Lebensqualität
•    Psychologische Herausforderungen
             •   Verlust der Autonomie
             •   Anpassungsprozess nach der Diagnose
             •   Bewahrung Selbständigkeit und psychologisches Wohl
•    Ängste
             •   Tagtägliche Ängste (Orientierung, Mobilität, Abhängigkeiten, etc.)
             •   Angst vor Erblindung
•    Selbstwahrnehmung
             •   Sehbehinderung wahrnehmen und akzeptieren
                 (Stigmata „Behinderung“)

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Zentrum für Gerontologie

Verhaltenskompetenz
•    Aktivitäten des täglichen Lebens
             •   Einschränkungen im Alltag
             •   Verlust von bisher ausgeführten Aktivitäten
•    Freizeit / Hobbys
             •   Rückzug und Vermeidung von Freizeitaktivitäten
•    Soziale Kontakte
             •   Vermeidung, Missverständnisse, Einschränkung
•    Mobilität
             •   Räumlicher Rückzug in die eigene Wohnung
                 (Wohngebiet), Wichtigkeit von „bekannten Orten“
•    Bewältigungsstrategien und Neuerlernen
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Zentrum für Gerontologie

Objektive Umweltbedingungen

1. Wohn- und Lebenssituation (auch Alterspflegeeinrichtungen)

2. Familie und soziales Umfeld

3. Medizinische Versorgung

4. Hilfsangebote und Hilfsmittel

5. Gesellschaftliche Wahrnehmung / Stigmata „Behinderung“

29.03.2017                                               Seite 12
Zentrum für Gerontologie

  Früh- und Spätsehbehinderte
               Sehbehinderung im / und Alter                Spätsehbehinderte

Forschungsdisziplin                                                             Forschungsdisziplin
  u.a. Heilpädagogik                                                            u.a. Gerontologie

 Praxisorientierung                                          Alter              Praxisorientierung
                             (Seh-)Behinderung
      u.a. Pädagogik,                                                           u.a. Beratung,
      Rehabilitation,                                                           Training, Förderung,
        Entwicklung,                                                            Pflege, Geragogik,
      Eingliederung,                                                            Geriatrie, Stabilisierung
             Förder- /                                                          der Lebensqualität,
 Behandlungspläne,                                                              Alltagskompetenzen
                                          Frühsehbehinderte
Alltagskompetenzen
                                                 Transfer

                                    Behinderungsspezifisches Wissen

                                       Gerontologisches Wissen

  29.03.2017                                                                                 Seite 13
Zentrum für Gerontologie

Bewältigung von Sehbeeinträchtigungen
                                             PERSON

         BELASTUNGEN

       Aktuell           Zukunft
                                      BEWÄLTIGUNG                             SUBJEKTIVE
                                        (COPING)                           LEBENSQUALITÄT

             RESSOURCEN

                                                 - Individuelle Ziele/Wertung (Soll/Ist)
                                                 - Erlernte Bewältigungsstrategien
      Potenzial          Nutzung

                                                                                           Soziales Umfeld
                                   Externe Unterstützung
             Umwelteinflüsse
                                    (formell / informell)                                     Seifert 2016

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Zentrum für Gerontologie

29.03.2017
                                  Seifert 2017
                           Seite 15
Zentrum für Gerontologie

Gesellschaftliche Sensibilisierung

                                           •   Familie
                                           •   Soziales Umfeld
                                           •   Nachbarschaft
                                           •   Stadtplanung
                                           •   Anbieter von Dienstleistungen
                                           •   Politik
                                           •   Gesellschaft

             Aktuelle SZB-Kampagne: Schlecht sehen? Und doch gut leben!
                      http://www.schlechtsehen-gutleben.ch/home/
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Zentrum für Gerontologie

Fazit und Ausblick
1. „Sehbeeinträchtigungen im Alter“ ist ein grosses Thema mit geringer
   Schweizer Forschungsexpertise und teilweise geringerem
   gesellschaftlichen Bewusstsein (Das Thema zum Thema machen!)

2. Es ist für die Betroffenen selber mit tagtäglichen Einschränkungen
   und Neubewertungen der eigenen Lebensqualität verbunden

3. Durch Nutzung von persönlichen, sozialen, medizinischen und
   technischen Ressourcen kann trotz Sehbeeinträchtigung ein
   selbstbestimmtes und gutes Leben im Alter geführt werden
     • Frühzeitig bestehende Beratungsangebote nutzen!

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Zentrum für Gerontologie

                  Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
                                                                         Alexander Seifert
                                                              alexander.seifert@zfg.uzh.ch

Praktischer Hinweis
Diverse Beratungsstellen unterstützen Sie gerne in folgenden Punkten:
•    Praktische Fragen, Gesprächsangebote
•    (Technische) Hilfsmittel
•    Lebenspraktische Fähigkeiten für den Alltag, Sozialberatung

Infos z.B. via:
http://www.sensus60plus.ch
http://www.schlechtsehen-gutleben.ch/home/
                                                        Schweizerischer Zentralverein für das
                                                                          Blindenwesen SZB
http://www.szb.ch                                                            Schützengasse 4
                                                                           CH-9001 St. Gallen
                                                                        Telefon 071 223 36 36

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