Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Julika Sandt FDP vom 16.09.2020

Die Seite wird erstellt Yannik Will
 
WEITER LESEN
18. Wahlperiode                                                                                11.12.2020  Drucksache                        18/10929

                  Schriftliche Anfrage
                  der Abgeordneten Julika Sandt FDP
                  vom 16.09.2020

                  Kinderschutz in Kindertageseinrichtungen

                  Ich frage die Staatsregierung:

                  1. a) Nach welchen Vorfällen in den Kindertageseinrichtungen ist die Leitung
                        verpflichtet, eine Meldung an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden
                        zu übermitteln (bitte um eine Auflistung aller Arten von Vorfällen, die ge-
                        meldet werden müssen)?..................................................................................... 2
                     b) Welche Überprüfung seitens des örtlichen Jugendamtes und der weiteren
                        Behörden erfolgt bei den Fällen aus Frage 1 a?.................................................. 3
                     c) Sind die Kindertageseinrichtungen verpflichtet, alle Notarzteinsätze in der
                        Einrichtung an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden zu melden?........ 4

                  2. a) Welche Überprüfung der Vorfälle aus Frage 1 c erfolgt nach einer Meldung
                        an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden?............................................. 4
                     b) Wie viele Arzteinsätze und meldefähige Vorfälle gab es in den letzten fünf
                        Jahren in bayerischen Kitas?............................................................................... 4
                     c) Wie viele der Arzteinsätze aus der Frage 2 b wurden an das örtliche Jugend-
                        amt und weitere Behörden gemeldet (bitte unter Benennung des Ausgangs
                        der Meldungen)?.................................................................................................. 4

                  3. a) Welche Überprüfung von polizeilichen Führungszeugnissen und Arbeits-
                        zeugnissen erfolgt vor der Einstellung von Personal in einer Kindertages-
                        einrichtung?.......................................................................................................... 4
                     b) Welche Empfehlungen hierzu hat das Staatsministerium für Familie, Arbeit
                        und Soziales an die Kindertageseinrichtungen übermittelt?............................... 5
                     c) Welche Möglichkeiten bestehen für Kindertageseinrichtungen, sich über
                        Arbeitsleistungen der/des einzustellenden Erzieherin/Erziehers oder der
                        pädagogischen Ergänzungskraft in vorherigen Beschäftigungsverhältnissen
                        in Kindertageseinrichtungen zu informieren?...................................................... 5

                  4. a) Wie viele Kindertageseinrichtungen in Bayern verfügen über ein Schutz-
                        konzept zum Schutz vor Missbrauch oder Gewalt innerhalb der Kinder-
                        tageseinrichtung (diese Frage bezieht sich explizit auf Konzepte zum Schutz
                        vor Gewalt in der Einrichtung selbst durch Personal oder andere Kinder
                        und nicht auf Erkennung häuslicher Gewalt; Bitte um absolute und relative
                        Zahlen)?............................................................................................................... 5
                     b) In wie vielen Kindertageseinrichtungen in Bayern gibt es eine Vertrauens-
                        person, an die sich die Kinder bei Grenzüberschreitungen wenden können?..... 6

                  5. a) Sind Erzieherinnen, Erzieher und pädagogische Ergänzungskräfte ver-
                        pflichtet, regelmäßig an psychologischen Tests teilzunehmen?.......................... 6
                     b) Wie wird vorgegangen, falls bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter
                        in einer Kindertageseinrichtung psychische Auffälligkeiten festgestellt wer-
                        den?..................................................................................................................... 6
                     c) Werden Kindertageseinrichtungen, die eine solche Mitarbeiterin/einen
                        solchen Mitarbeiter einstellen möchten, über das Vorhandensein von psy-
                        chischen Auffäligkeiten informiert?...................................................................... 6

                  Hinweis des Landtagsamts: Zitate werden weder inhaltlich noch formal überprüft. Die korrekte Zitierweise liegt in der Verantwortung der
                  Fragestellerin bzw. des Fragestellers sowie der Staatsregierung.

 Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar.
 Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung.
Drucksache 18/10929                         Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                                               Seite 2/8

          6. a) Existiert ein Konzept, das Kinder in Kitas vor Gewalt untereinander schützt
                (Verhinderung von Fällen wie in einer katholischen Kita in Mainz, vgl. https://
                www.sueddeutsche.de/panorama/uebergriffe-unter-kindern-in-mainzer-ki​
                ta-sadistische-gewalt-mit-sexueller-toenung-1.2519178)?................................... 6
             b) Wie wird vorgegangen, wenn sich Kinder gegenüber anderen Kindern psy-
                chisch auffällig bzw. gewalttätig verhalten?......................................................... 7
             c) Für welche konkrete Tätigkeiten in einer Kindertageseinrichtung existiert
                ein Konzept, nach welchem bei diesen Tätigkeiten ein „Vier-Augen-Prinzip“
                oder das Prinzip der „offenen Tür“ vorgeschrieben sind?.................................... 7

          7. a) Wie viele Fälle von Gewalt gegen Kinder in bayerischen Kindertagesein-
                richtungen sind in den letzten fünf Jahren verzeichnet worden (möglichst
                differenziert nach Gewalt durch andere Kinder und Gewalt durch Perso-
                nal)?..................................................................................................................... 7
             b) Welche Behörden werden in einem solchen Fall über den Vorfall informiert?.... 7
             c) Welcher Prozess wird nach dem Bekanntwerden eines solchen Falls ein-
                geleitet und wie erfolgt die Aufarbeitung?............................................................ 7

          8. a) Wie wird verfahren, falls einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter von einer
                Kindertageseinrichtung bescheinigt wird, dass sie/er nicht für die Ausübung
                des Berufs geeignet ist?...................................................................................... 8
             b) Wie wird verfahren, falls im Rahmen des Berufspraktikums festgestellt wird,
                dass die Eignung für die Ausübung des Berufs fehlt?......................................... 8

          Antwort
          des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit
          dem Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration
          vom 28.10.2020

          1. a) Nach welchen Vorfällen in den Kindertageseinrichtungen ist die Leitung
                verpflichtet, eine Meldung an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden
                zu übermitteln (bitte um eine Auflistung aller Arten von Vorfällen, die ge-
                meldet werden müssen)?

          Aus § 47 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) ergibt sich, dass der Träger
          einer erlaubnispflichtigen Einrichtung der zuständigen Behörde (Landkreis bzw. Bezirks-
          regierung) unverzüglich Ereignisse oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl
          der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen, anzuzeigen hat. § 47 Nr. 2 SGB VIII
          bezieht sich auf nicht alltägliche, akute Ereignisse oder über einen gewissen Zeitraum
          anhaltende Entwicklungen, die sich in erheblichem Maße auf das Wohl von Kindern
          auswirken bzw. auswirken könnten. Die nachfolgende Aufzählung von Ereignissen und
          Entwicklungen dient der Orientierung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
          – Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und durch diese verursachte
             Gefährdungen der zu betreuenden Kinder, wie z. B.
             – Unfälle mit Personenschaden,
             – Aufsichtspflichtverletzungen,
             – verursachte oder begünstigte Übergriffe/Gewalttätigkeiten,
             – sexuelle Gewalt,
             – unzulässige Strafmaßnahmen, herabwürdigende Erziehungsstile, grob unpäda-
               gogisches (vorwiegend verletzendes) Verhalten, Verletzung der Rechte von Kin-
               dern,
Drucksache 18/10929               Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                              Seite 3/8

              – gewichtige Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit des Personals zu einer Sekte oder
                 zu einer extremistischen Vereinigung,
              – Rauschmittelabhängigkeit von Personal.
          –   Straftaten bzw. Strafverfolgung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Meldepflich-
              tig sind Straftaten oder der begründete Verdacht auf Straftaten von in der Einrich-
              tung beschäftigten und tätigen Personen sowie bekannt gewordene Ermittlungs-
              verfahren, die in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen oder die Hinweise auf
              eine eventuell fehlende persönliche Eignung geben. Insofern wird auch auf Nr. 27
              der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) verwiesen. Eintragungen
              in Führungszeugnissen sind der betriebserlaubniserteilenden Behörde zu melden,
              damit diese die Relevanz der Straftat für die persönliche Eignung der betroffenen
              Person bewerten kann. Hierzu kann sich die betriebserlaubniserteilende Behörde
              das betreffende Führungszeugnis vom Einrichtungsträger vorlegen lassen und er-
              forderlichenfalls die dazugehörige Gerichtsakte anfordern.
          –   Gefährdungen, Schädigungen durch zu betreuende Kinder und delinquentes Ver-
              halten von zu betreuenden Kindern, wie z. B.
              – gravierende selbstgefährdende Handlungen,
              – Selbsttötungsversuche bzw. Selbsttötung,
              – sexuelle Gewalt,
              – Körperverletzungen und
              – sonstige erhebliche oder wiederholte Straftaten.
          –   Katastrophenähnliche Ereignisse, wie z. B.
              – Feuer,
              – Explosionen oder
              – erhebliche Sturmschäden mit massiver Beeinträchtigung des Gebäudes oder
                 Hochwasser.
          –   Besonders schwere Unfälle von Kindern, auch wenn diese nicht mit Fehlverhalten
              des Aufsichtspersonals in Zusammenhang stehen.
          –   Beschwerdevorgänge über die Einrichtung z. B. von Eltern, Beteiligungsgremien,
              Kindern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn Beschwerdegründe vorliegen, die
              geeignet sind, das Kindeswohl zu gefährden.
          –   Vorgänge, die die Arbeitsfähigkeit des Teams infrage stellen. Weitere Ereignisse,
              wie z. B.
              – meldepflichtige Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz,
              – Mängelfeststellung und/oder Auflagen anderer Aufsichtsbehörden oder
              – umfangreiche Baumaßnahmen, die die Nutzung anderer Räumlichkeiten erfor-
                 dern.
          –   Entwicklungen, die das Wohl der Kinder beeinträchtigen können und im Zusammen-
              hang mit strukturellen und personellen Rahmenbedingungen in der Einrichtung ste-
              hen, wie z. B.
              – Anzeichen dafür, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Betrieb der
                 Einrichtung nicht mehr erfüllt werden (beispielsweise dauerhafte Unterbelegung),
              – wiederholte Mobbingvorfälle oder Mobbingvorwürfe,
              – gravierende oder sich wiederholende Beschwerden über die Einrichtung.

              b) Welche Überprüfung seitens des örtlichen Jugendamtes und der weiteren
                 Behörden erfolgt bei den Fällen aus Frage 1 a?

          Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines
          Kindes bekannt, so hat es gemäß § 8a Abs. 1 SGB VIII das Gefährdungsrisiko im Zu-
          sammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz des
          Kindes nicht infrage gestellt wird, hat das Jugendamt die Eltern sowie das Kind in die
          Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung
          erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner
          persönlichen Umgebung zu verschaffen.
             Können oder wollen Eltern nicht ausreichend zur Einschätzung des Gefährdungs-
          risikos bzw. zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung mitwirken, haben die Ju-
          gendämter bei den Familiengerichten die im Interesse des Kindeswohls notwendigen
          Mitwirkungsauflagen bzw. Einschränkungen des Elternrechts zu beantragen (§ 1666
          Bürgerliches Gesetzbuch [BGB], § 8a Abs. 2 SGB VIII). Besteht eine dringende Gefahr
          und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugend-
          amt verpflichtet, das Kind in Obhut zu nehmen (§§ 8a Abs. 2 Satz 2, 42 SGB VIII).
Drucksache 18/10929              Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                Seite 4/8

            c) Sind die Kindertageseinrichtungen verpflichtet, alle Notarzteinsätze in der
               Einrichtung an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden zu melden?

          Aus § 47 Nr. 2 SGB VIII ergibt sich, dass die Träger der Kindertageseinrichtungen dann
          verpflichtet sind, der zuständigen Behörde einen Notarzteinsatz in der Kindertagesein-
          richtung anzuzeigen, wenn es sich bei diesem Einsatz um ein Ereignis handelt, das ge-
          eignet ist, das Wohl des Kindes zu beeinträchtigen.

          2. a) Welche Überprüfung der Vorfälle aus Frage 1 c erfolgt nach einer Meldung
                an das örtliche Jugendamt und weitere Behörden?

          Es wird auf die Antwort zu Frage 1 b verwiesen.

            b) Wie viele Arzteinsätze und meldefähige Vorfälle gab es in den letzten fünf
               Jahren in bayerischen Kitas?
            c) Wie viele der Arzteinsätze aus der Frage 2 b wurden an das örtliche Jugend-
               amt und weitere Behörden gemeldet (bitte unter Benennung des Ausgangs
               der Meldungen)?

          Die Kindertagesbetreuung ist Aufgabe der Kommunen im eigenen Wirkungskreis. Die
          angeforderten Daten werden seitens der Kommunen nicht an die Staatsregierung weiter-
          gereicht. Hinzu kommt, dass nicht jeder Arzteinsatz in einer Kindertageseinrichtung
          meldepflichtig ist.
             Gegenüber der Kommunalen Unfallversicherung Bayern (KUVB) sind sämtliche Un-
          fälle in Kindertageseinrichtungen in kommunaler und freigemeinnütziger Trägerschaft
          meldepflichtig, die eine ärztliche Behandlung nach sich ziehen. Arzteinsätze, die nicht
          auf Unfällen basieren, werden auch von der KUVB nicht erfasst. Als Unfälle gelten da-
          bei von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignisse, die eine Ge-
          sundheitsschädigung zur Folge haben. Innere Ursachen, wie z. B. plötzliches Fieber,
          Krampfanfälle etc., sind keine Unfälle. In den vergangenen fünf Jahren wurden laut der
          Jahresberichte der KUVB und der Bayerischen Landesunfallkasse (Bayer. LUK) aus
          den Jahren 2015 bis 2019 folgende Unfallzahlen gemeldet:

           Jahr                     2015        2016        2017       2018        2019

           Anzahl der Unfälle         38 461      37 987     40 712      40 744      41 581

          3. a) Welche Überprüfung von polizeilichen Führungszeugnissen und Arbeits-
                zeugnissen erfolgt vor der Einstellung von Personal in einer Kindertages-
                einrichtung?

          Nach § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII dürfen Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die
          Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen
          oder vermitteln, die rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c,
          176 bis 180a, 181a, 182 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 Strafgesetzbuch
          (StGB) verurteilt worden sind. Zu diesem Zweck sollen sich die Träger der öffentlichen
          Jugendhilfe nach § 72a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII bei der Einstellung oder der Vermittlung
          und in regelmäßigen Abständen (alle drei bis fünf Jahre) von den betroffenen Personen
          ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 und § 30a Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz
          (BZRG) vorlegen lassen. Außerdem sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch
          Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe sicherstellen, dass diese keine
          Person, die wegen einer der in § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannten Straftaten
          rechtskräftig verurteilt worden ist, beschäftigen, § 72a Abs. 2 SGB VIII. Eine weitere
          einschlägige Erkenntnisquelle sind die sogenannten, bereits unter 1 a angesprochenen,
          MiStras. In Strafsachen sind Gerichte und Staatsanwaltschaften von Amts wegen zur
          Mitteilung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen für andere Zwecke als die
          des Strafverfahrens befugt und nach Maßgabe der MiStra auch verpflichtet (vgl. bspw.
          Nr. 27 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 35 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 5, 6 MiStra). In Strafsachen, die eine
          erhebliche Gefährdung von Minderjährigen erkennen lassen, werden dem jeweils zu-
Drucksache 18/10929              Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                 Seite 5/8

          ständigen Jugendamt Zeit und Ort der Hauptverhandlung mitgeteilt. Das zuständige
          Jugendamt erhält Mitteilung in allen Fällen, in denen sein Tätigwerden zur Abwendung
          einer erheblichen Gefährdung von Minderjährigen erforderlich erscheint.
             Arbeitszeugnisse werden üblicherweise im Rahmen eines Bewerbungsprozes-
          ses angefordert bzw. vorgelegt. Es gibt jedoch keine Verpflichtung zur Vorlage eines
          Arbeitszeugnisses. Dieses dient Bewerberinnen und Bewerbern vielmehr dazu, ihre
          Chancen auf eine Arbeitsstelle zu erhöhen, indem vorherige Arbeitgeberinnen und
          Arbeitgeber die Fähigkeiten der Bewerberin bzw. des Bewerbers im Arbeitszeugnis
          positiv hervorheben.

            b) Welche Empfehlungen hierzu hat das Staatsministerium für Familie, Arbeit
               und Soziales an die Kindertageseinrichtungen übermittelt?
            c) Welche Möglichkeiten bestehen für Kindertageseinrichtungen, sich über
               Arbeitsleistungen der/des einzustellenden Erzieherin/Erziehers oder der
               pädagogischen Ergänzungskraft in vorherigen Beschäftigungsverhältnissen
               in Kindertageseinrichtungen zu informieren?

          Fachliche Empfehlungen stellen eine wichtige Grundlage für Handlungssicherheit und
          die Setzung interdisziplinärer Standards im Kinderschutz dar. Neben dem Leitfaden des
          Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) „Gewalt gegen Kinder und
          Jugendliche – Erkennen und Handeln“ geben insbesondere die fachlichen Empfehlun-
          gen des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses wichtige Hilfe beim Vollzug. Die
          Onlineausgabe und PDF-Version des Leitfadens „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
          – Erkennen und Handeln“ kann auf der Internetseite des StMAS abgerufen und kosten-
          los über das Broschüren-Bestellportal der Staatsregierung heruntergeladen werden. Die
          fachlichen Empfehlungen des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses können auf
          der Internetseite des Bayerischen Landesjugendamtes abgerufen werde. Dort finden
          sich insbesondere Empfehlungen zur Handhabung des § 72a SGB VIII (Tätigkeitsaus-
          schluss einschlägig vorbestrafter Personen) und Hinweise zur Eignungsüberprüfung von
          Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe nach § 72a SGB VIII.
             Kindertageseinrichtungen haben durchaus die Möglichkeit, sich über Arbeitsleistun-
          gen der einzustellenden Person in vorherigen Beschäftigungsverhältnissen zu infor-
          mieren. Es liegt allerdings grundsätzlich in der Entscheidung der Bewerberin bzw. des
          Bewerbers, ob ein Arbeitszeugnis aus einem vorherigen Beschäftigungsverhältnis vor-
          gelegt wird. Sofern die Bewerberin bzw. der Bewerber die Erlaubnis dafür erteilt, kann
          die potenzielle neue Arbeitsstelle die ehemalige Arbeitsstelle auch direkt kontaktieren
          und sich dort nach den Arbeitsleistungen der einzustellenden Person erkundigen. Zu
          beachten sind hier die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Jede
          Datenerhebung im Bewerbungsprozess ist darauf zu hinterfragen, ob sie zur Begrün-
          dung des Beschäftigungsverhältnisses „erforderlich“ ist (vgl. § 26 Abs. 1 Bundesdaten-
          schutzgesetz – BDSG). Dies begrenzt die zulässigen Fragen – auch und gerade bei
          Nachfragen bei Vorarbeitgebern – auf arbeitsplatz- und eignungsbezogene Gesichts-
          punkte.

          4. a) Wie viele Kindertageseinrichtungen in Bayern verfügen über ein Schutz-
                konzept zum Schutz vor Missbrauch oder Gewalt innerhalb der Kindertages-
                einrichtung (diese Frage bezieht sich explizit auf Konzepte zum Schutz vor
                Gewalt in der Einrichtung selbst durch Personal oder andere Kinder und
                nicht auf Erkennung häuslicher Gewalt; Bitte um absolute und relative Zah-
                len)?

          Nach § 8a Abs. 4 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Vereinbarungen
          mit den Trägern und Einrichtungen zu schließen, um den Schutzauftrag bei Kindeswohl-
          gefährdungen sicherzustellen. Diese Vereinbarungen erfassen selbstverständlich auch
          Schutzkonzepte zum Schutz vor Gewalt in den Kindertageseinrichtungen selbst durch das
          Personal oder andere Kinder. Die Träger der Kindertageseinrichtungen sind verantwort-
          lich dafür, dass das Wohl der Kinder in der Kita gewährleistet ist. Dies ist in der Regel
          dann der Fall, wenn die Voraussetzungen, die in der Betriebserlaubnis festgeschrieben
          sind, auch tatsächlich umgesetzt werden. Auch muss der Träger gewährleisten, dass
          Kinderschutzkonzepte in der Kita implementiert sind. Die zu schließende Vereinbarung
          nach § 8a Abs. 4 SGB VIII ist außerdem Fördervoraussetzung für eine Förderung nach
Drucksache 18/10929              Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                               Seite 6/8

          dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG). Sie ist daher auf
          Aufforderung seitens des Trägers im Rahmen der kindbezogenen Förderung nachzu-
          weisen und Bestandteil des Förderantrages (Art. 19 Nr. 6 BayKiBiG).

            b) In wie vielen Kindertageseinrichtungen in Bayern gibt es eine Vertrauens-
               person, an die sich die Kinder bei Grenzüberschreitungen wenden können?

          Anders als beim Beschwerdemanagement im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 2 lit. c SGB
          VIII werden in Kindertageseinrichtungen keine speziellen Vertrauenspersonen benannt.
          Im Sinne des Kinderschutzes ist es ständige Aufgabe des gesamten Kitateams, Hin-
          weise auf und Signale für Grenzüberschreitungen aufzunehmen, zu benennen, Hilfe zu
          holen und Grenzüberschreitungen Einhalt zu gebieten.

          5. a) Sind Erzieherinnen, Erzieher und pädagogische Ergänzungskräfte ver-
                pflichtet, regelmäßig an psychologischen Tests teilzunehmen?
             b) Wie wird vorgegangen, falls bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter
                in einer Kindertageseinrichtung psychische Auffälligkeiten festgestellt
                werden?
             c) Werden Kindertageseinrichtungen, die eine solche Mitarbeiterin/einen sol-
                chen Mitarbeiter einstellen möchten, über das Vorhandensein von psychi-
                schen Auffäligkeiten informiert?

          Ärztliche Einstellungsuntersuchungen und psychologische Tests dürfen nur in den gesetz-
          lich vorgeschriebenen Fällen durchgeführt werden. Daneben ist eine solche Untersuchung
          bzw. ein solcher Test nur zulässig, wenn die Erhebung entsprechender Daten erforderlich
          ist, um die (gesundheitliche) Eignung der sich bewerbenden Person für den konkreten
          Arbeitsplatz zu klären oder wenn im laufenden Arbeitsverhältnis begründete Zweifel an
          der Eignung der beschäftigten Person in Bezug auf die Arbeitsplatzanforderungen be-
          stehen. Nur wenn eine Einstellungsuntersuchung gesetzlich vorgeschrieben ist, ist die
          Bewerberin/der Bewerber verpflichtet, die Untersuchung durchführen zu lassen. Für das
          pädagogische Personal in den Kindertageseinrichtungen ist eine Teilnahme an psycho-
          logischen Tests und/oder Untersuchungen gerade nicht gesetzlich vorgeschrieben.
             Aus der Anfrage geht nicht hervor, was mit dem Begriff „psychische Auffälligkei-
          ten“ gemeint ist. Psychische Erkrankungen sind nicht per se mit einer Nichteignung
          für eine Tätigkeit in einer Kindertageseinrichtung gleichzusetzen. Sofern Beschäftigte
          ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung aufgrund einer psychischen Erkrankung
          dauerhaft nicht mehr erbringen können, kommt gegebenenfalls eine personenbedingte
          Kündigung in Betracht. Arbeitsverhältnisse zwischen Trägern und Beschäftigten sind
          allerdings privatrechtlicher Natur. Die Staatsregierung kann in diese Beschäftigungs-
          verhältnisse hier nicht eingreifen.
             Kindertageseinrichtungen werden grundsätzlich nicht über „psychische Auffälligkei-
          ten“ einer Bewerberin/eines Bewerbers informiert. Auch hier sind die arbeitsrechtlichen
          Grundsätze heranzuziehen, die bestimmen, wonach in einem Vorstellungsgespräch
          gefragt werden darf und wann das „Recht zur Lüge“ besteht.

          6. a) Existiert ein Konzept, das Kinder in Kitas vor Gewalt untereinander schützt
                (Verhinderung von Fällen wie in einer katholischen Kita in Mainz, vgl. https://
                www.sueddeutsche.de/panorama/uebergriffe-unter-kindern-in-mainzer-ki​
                ta-sadistische-gewalt-mit-sexueller-toenung-1.2519178)?

          Zunächst einmal vorab: Im angesprochenen Fall lässt sich den Medien entnehmen,
          dass sich der Verdacht, dass sich Kinder in der betreffenden Kindertageseinrichtung
          untereinander Gewalt angetan haben, nicht bestätigt und die Staatsanwaltschaft Mainz
          die Verfahren diesbezüglich eingestellt hat (vgl. bspw. https://www.sueddeutsche.de/
          panorama/kindertagesstaette-mainzer-missbrauchsskandal-hat-offenbar-nie-statt​ge-
          funden-1.2752410, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-141495129.html).
             Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 a beschrieben, haben die Träger der öffentli-
          chen Jugendhilfe nach § 8a Abs. 4 SGB VIII Vereinbarungen mit den Trägern und Ein-
          richtungen zu schließen, um den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen sicherzu-
          stellen. Hierzu gehört auch der Schutz von Kindern vor Gewalt untereinander.
Drucksache 18/10929              Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                                 Seite 7/8

            b) Wie wird vorgegangen, wenn sich Kinder gegenüber anderen Kindern psy-
               chisch auffällig bzw. gewalttätig verhalten?

          Wie die Aufarbeitung nach Bekanntwerden eines solchen Vorfalls in den konkreten
          Kindertageseinrichtungen aussieht, richtet sich nach dem dort jeweils formulierten
          Kinderschutzkonzept.

            c) Für welche konkrete Tätigkeiten in einer Kindertageseinrichtung existiert
               ein Konzept, nach welchem bei diesen Tätigkeiten ein „Vier-Augen-Prinzip“
               oder das Prinzip der „offenen Tür“ vorgeschrieben sind?

          Die Entwicklung von Kinderschutzkonzepten in Kindertageseinrichtungen liegt in der Ver-
          antwortung der Träger. Die durch die individuelle Risikoanalyse ermittelten Gefährdungs-
          potenziale und Gelegenheitsstrukturen der jeweiligen Kita sind die Grundlage für die
          Entwicklung einrichtungsspezifischer Präventionsmaßnahmen, von Handlungsabläufen
          und ggf. strukturellen Veränderungen. In diesem Sinne können das „Vier-Augen-Prinzip“
          oder das Prinzip der „offenen Tür“ einrichtungsspezifische Präventionsmaßnahmen sein,
          die jedoch bestmöglich umgesetzt werden müssen, um z. B. in einer therapeutischen
          Situation (Logopädie etc.) nicht das Recht des Kindes auf Wahrung der Intimsphäre zu
          verletzen oder externe Therapeutinnen und Therapeuten unter Generalverdacht zu stellen.

          7. a) Wie viele Fälle von Gewalt gegen Kinder in bayerischen Kindertagesein-
                richtungen sind in den letzten fünf Jahren verzeichnet worden (möglichst
                differenziert nach Gewalt durch andere Kinder und Gewalt durch Personal)?

          Vorbemerkung:
          Opfer im Sinne der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind natürliche Personen, gegen
          die sich eine mit Strafe bedrohte Handlung unmittelbar richtet. Eine Opfererfassung in
          der PKS erfolgt grundsätzlich nur bei strafbaren Handlungen gegen höchstpersönliche
          Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre und sexuelle Selbst-
          bestimmung. In der PKS wird die Tatörtlichkeit „Kindertageseinrichtung“ nicht explizit
          erfasst. Daher wurden die PKS-Daten hinsichtlich der Tatörtlichkeiten „Kindergarten“,
          „Kinderhort“, „Kinderkrippe“ und „Kinderheim“ ausgewertet, wobei Kinderheime keine
          Kindertageseinrichtungen sind und aus technischen Gründen bei der Auswertung mit-
          erfasst werden. Die beigefügten Anlagen stellen daher ein verzerrtes Bild dar, weil da-
          raus nicht hervorgeht, welche der strafbaren Handlungen tatsächlich in Kindergärten,
          -krippen und -horten, also Kindertageseinrichtungen, und welche in Kinderheimen vor-
          genommen wurden.

          Für die Beantwortung der Frage 7 a wird auf Anlage 1 (Tabelle „Opferdelikte in Kinder-
          tageseinrichtungen – Tatverdächtige [TV] Sozial- u. Erziehungsberufe, Lehrberufe –
          Opfer Kind – in Bayern gesamt“ für die Tatzeit 2015 – 2019) bzw. Anlage 2 (Tabelle
          „Opferdelikte in Kindertageseinrichtungen – TV u. Opfer Kind – in Bayern gesamt“ für
          die Tatzeit 2015–2019) verwiesen.

            b) Welche Behörden werden in einem solchen Fall über den Vorfall informiert?
            c) Welcher Prozess wird nach dem Bekanntwerden eines solchen Falls ein-
               geleitet und wie erfolgt die Aufarbeitung?

          Wie schon in Frage 1 a ausgeführt ergibt sich aus § 47 Nr. 2 SGB VIII, dass der Träger
          einer erlaubnispflichtigen Einrichtung der zuständigen Behörde unverzüglich Ereignisse
          oder Entwicklungen, die geeignet sind, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu be-
          einträchtigen, anzuzeigen hat. Weiterhin gilt im Hinblick auf den Verdacht einer Straf-
          tat das Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO). Danach ist die
          Staatsanwaltschaft grundsätzlich dazu verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten
          einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Wie die Auf-
          arbeitung nach Bekanntwerden eines solchen Vorfalls in den konkreten Kindertagesein-
          richtungen aussieht, richtet sich nach dem dort jeweils formulierten Kinderschutzkonzept.
Drucksache 18/10929              Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode                               Seite 8/8

          8. a) Wie wird verfahren, falls einer Mitarbeiterin/einem Mitarbeiter von einer
                Kindertageseinrichtung bescheinigt wird, dass sie/er nicht für die Ausübung
                des Berufs geeignet ist?

          Träger von Kindertageseinrichtungen können als Arbeitgeber Fehlverhalten von Er-
          zieherinnen und Erziehern im Rahmen der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen im Kita­
          alltag abmahnen. Damit bringt der jeweilige Träger zum Ausdruck, dass er das konkret
          benannte Fehlverhalten keinesfalls dulden will und sich für den Wiederholungsfall wei-
          tere arbeitsrechtliche Schritte bis hin zur Kündigung vorbehält.

            b) Wie wird verfahren, falls im Rahmen des Berufspraktikums festgestellt wird,
               dass die Eignung für die Ausübung des Berufs fehlt?

          Nur wenn das Berufspraktikum erfolgreich beendet und alle relevanten Prüfungen be-
          standen wurden, dürfen sich die Absolventinnen und Absolventen „staatlich anerkannte
          Erzieherin“ bzw. „staatlich anerkannter Erzieher“ nennen und ab sofort als Fachkraft in
          sozialpädagogischen Einrichtungen wie Kindergärten, Krippen, Jugendeinrichtungen,
          Heimen oder in der Schulbetreuung arbeiten.
Anlage 1 zur Schriftlichen Anfrage Drucksache 18/10929

Anlage 1

                     Opferdelikte in Kindergärten,
                      -horten, -krippen u. heimen-
                     TV Erzieher und Opfer Kinder in
                           Bayern gesamt
           Jahr   Schlüssel der Tat   Straftat               erfasste
                                                               Fälle

                                                             Anzahl

           2019         ------        Straftaten insgesamt     49

           2018         ------        Straftaten insgesamt     38

           2017         ------        Straftaten insgesamt     35

           2016         ------        Straftaten insgesamt     46

           2015         ------        Straftaten insgesamt     38
Anlage 2 zur Schriftlichen Anfrage Drucksache 18/10929

Anlage 2

                     Opferdelikte in Kindergärten,
                     -horten, -krippen u. -heimen
                       mit TV und Opfer Kinder in
                       Bayern gesamt

           Jahr   Schlüssel der Tat   Straftat               erfasste
                                                               Fälle

                                                             Anzahl

           2019         ------        Straftaten insgesamt     19

           2018         ------        Straftaten insgesamt     19

           2017         ------        Straftaten insgesamt     25

           2016         ------        Straftaten insgesamt     14

           2015         ------        Straftaten insgesamt     18
Sie können auch lesen