Magazin - Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen Persönliche Begegnung überwindet Grenzen - Stiftung Kinderdorf Pestalozzi

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KINDERRECHTS-TOURNEE

Damit Kinder ihre Rechte
wahrnehmen lernen
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SUMMER CAMP

Persönliche Begegnung
überwindet Grenzen
Seite 6

MOLDAWIEN

Lernen, auf eigenen Beinen
zu stehen
Seite 9

                             04|2021
Magazin - Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen Persönliche Begegnung überwindet Grenzen - Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
EDITORIAL                                                                                                                 KINDERRECHTS-TOURNEE

                                                                     Unentgeltliche                                                       Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen
                                                                     Testaments­beratung

                                                                     Der Schweizer Notarenverband bietet Spenderinnen     Im Jubiläumsjahr 2021 beschenkt die
                                                                     und Spendern der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi      Stiftung Kinderdorf Pestalozzi 75 Schul-
                                                                     eine unentgeltliche Testamentsberatung an. Am        klassen mit Kinderrechtsworkshops. Die
                                                                     25. Oktober 2021 haben Sie die Möglichkeit, einen    Rückmeldungen zeigen: Viele Kinder
                                                                     kostenlosen Beratungstermin zu vereinbaren.          fühlen sich ermutigt, eigene Aktionen ins
                                                                                                                          Leben zu rufen und sich so für ihre
Liebe Leserin,                                                       Die Coronakrise hat uns bewusst gemacht, wie         eigenen Rechte starkzumachen.
lieber Leser                                                         schnell im Leben plötzlich alles anders sein kann.
                                                                     Deshalb lohnt es sich, rechtzeitig vorzusorgen       Mit dieser Jubiläumstournee postuliert
                                                                     und jene Dinge zu klären, die Ihnen wichtig          die Stiftung die Wichtigkeit der Kinder-
Die Menschen- und Kinderrechte sind die DNA unserer
                                                                     sind – zum Beispiel das Testament.                   rechte auch für Schweizer Kinder. «Oft
­Stiftung – seit der Grundsteinlegung des Kinderdorfes vor
                                                                                                                          haben die Schülerinnen und Schüler
 75 Jahren. 1989 hat die UN-Kinderrechtskonvention die Rech-         Vielen Menschen ist es wichtig, dass ihr Vermö-      schon einmal davon gehört», sagt
 te der Kinder erstmals festgeschrieben und so – ­zumindest          gen nach ihrem Tod sinnstiftend eingesetzt wird.     Pascal Haltiner, verantwortlicher
 kurzfristig – ins weltweite Bewusstsein getragen. Leider kann       Ein Testament bietet die Chance, eine letzte,        Projektleiter bei der Stiftung Kinderdorf
 der Weltgemeinschaft kein gutes Zeugnis ausgestellt werden,         fortdauernde Geste der Wertschätzung oder des        Pestalozzi. Viele glauben jedoch, dass
 wenn es um die Einhaltung dieser Charta geht. Und wie der           Dankes zu hinterlassen.                              es nur um Themen wie Kinderarbeit
 aktuelle NGO-­Bericht an den UN-Ausschuss für die Rechte                                                                 gehe und deshalb vor allem Länder in
 des Kindes zeigt, hat auch die Schweiz noch Luft nach oben.                                                              weiter Ferne betreffe. «Wenn die Kinder
                                                                                                                          dann realisieren, dass die Rechte viele
Aus diesem Grund beschenkt die Stiftung in ihrem Jubiläums-             So geht‘s:                                        ihrer persönlichen Lebensbereiche
jahr 75 Schulklassen aus der ganzen Schweiz mit Kinder-                                                                   tangieren, ist dies sehr bewegend.»                                                  Auftakt der Kinderrechtstour in Walenstadt:
rechts-Workshops. Die Rückmeldungen aus den ersten Veran-               1. Termin vereinbaren: Am Montag,                                                                                                     Die Primarschülerinnen Elsa und Michelle

                                                                                                                               «Es bewegt, wenn
staltungen zeigen: Viele Kinder fühlen sich ermutigt, eigene                25. Oktober 2021, von 8.00 bis 17.30                                                                                               diskutieren über ihre Rechte.

Aktionen ins Leben zu rufen und sich so für ihre eigenen                    Uhr. Telefon 031 326 51 90.
Rechte starkzumachen.                                                                                                        Kinder realisieren,
                                                                        2. Beratungsgespräch: Zwischen dem                   dass Kinderrechte                       Kinderrecht beschäftigen, welches es     konkrete Handlungsdevise entwickelt:
Lesen Sie auf Seite 3 mehr über den Auftakt der Kinderrechts-               26. und 29. Oktober 2021. Wahlweise                                                       am stärksten interessierte.              «Wenn jemand mit einer Behinderung
                                                                            via Telefon oder Video (Zoom).                     viele persönliche                                                               ausgelacht wird, kann man fragen,
tour in Walenstadt. Zudem zeigen wir Ihnen einige kreative
Wege und Mittel, welche die Schulklassen gefunden haben,                    Das Gespräch dauert 30 Minuten –                    Lebensbereiche                               «Ich habe nicht
                                                                                                                                                                                                               warum die Person lacht und warum es
                                                                            in Deutsch oder Französisch.                                                                                                       lustig ist.» Gemeinsam haben die
um die Kinderrechte zu stärken.                                                                                                     tangieren.»                         gewusst, dass ich so                   Primarschülerinnen und Primarschüler
                                                                                                                                                                                                               aus Walenstadt die für sie wichtigsten
Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, Kinder und Jugendliche                                                                      Pascal Haltiner, Pädagoge             viele Rechte habe und
                                                                                                                                                                                                               Erkenntnisse aus dem Workshop auf
noch stärker für ihre Rechte im Alltag zu sensibilisieren. Ich bin
                                                                                                                          Partizipativer Aufbau                        dass die Kinderrechte                   A3-Plakaten zusammengefasst und als
zuversichtlich, dass uns dies gemeinsam – auch dank Ihrer
                                                                                                                          «Ich habe nicht gewusst, dass ich so                                                 grosse Stellwand direkt beim Eingang
Unterstützung – gelingt.                                                                                                                                                    so wichtig sind.»
                                                                                                                          viele Rechte habe und dass die Kinder-                                               allen anderen Kindern im Schulhaus
                                                                                                                          rechte so wichtig sind», erzählt eine                Schülerin aus Diepoldsau        zugänglich gemacht.
Herzlichen Dank.                                                                                                          Schülerin aus Diepoldsau. Sie steht mit
                                                                                                                          dieser Feststellung nicht alleine da.       Realisieren und agieren                  Auch im zürcherischen Feuerthalen
                                                                                                                          Den meisten Kindern gefällt die vertiefte   Lukas aus Walenstadt hat durch den       sind die Workshop-Teilnehmenden der
                                                                                                                          Auseinandersetzung mit dem Thema.           Workshop nicht nur neue Kinderrechte     vierten und sechsten Klasse aktiv
                                                                                                                          Der Aufbau der Kurse in einen hand-         wie das Recht auf Nichtdiskriminierung   geworden. So haben Aida, Maren,
                                                                                                                          lungsorientierten Workshop und eine         kennengelernt. Dem 11-Jährigen ist       Suela, Leony und Anisa in der Schüler-
                                                                                                                          Werkstatt hat den Schülerinnen und          auch bewusst geworden, dass Men-         zeitung einen Artikel zum Kinderrechts-
Ihr Martin Bachofner,                                                                                                     Schülern viel Wahlfreiheit gelassen.        schen mit einem Handicap häufig          workshop publiziert und darin ihre
Vorsitzender der Geschäftsleitung                                                                                         Jedes Kind konnte seiner eigenen            ungleich behandelt werden. Klassen­      Erfahrungen mit den anderen Kindern
                                                                                                                          Neugier folgen und sich mit demjenigen      kameradin Michelle hat dazu eine ganz    im Schulhaus geteilt.

2                                                                                                                                                                                                                                                        3
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KINDERRECHTS-TOURNEE

Voller Tatendrang nach den Workshops
Die Kinderrechts-Workshops haben viele Schülerinnen und Schüler dazu inspiriert, ihre eigenen Rechte
bewusster wahrzunehmen und auch einzufordern. Ob mit Schülerräten, Sammelaktionen für benachteiligte
Kinder oder mit eigenen Workshops – viele Schulklassen haben kreative Wege gefunden, die Kinderrechte
zu stärken.

                                                                                                                                    Engagement für die Schwächsten: Die Schü-
                                                                                                                                    lerinnen und Schüler der Primarschule
                                                                                                                                    Wankdorf in Bern planen ihre Aktion.

                                                                                      Die nachfolgenden drei Beispiele              Kinder teilen ihre Erfahrung
                                                                                      zeigen, was die Kinderrechts-Work-            Den Teilnehmenden des Schulhauses
                                                                                      shops an den Schulen bewirken können.         Eichenwies in Oberriet hat der Kinder-
                                                                                      Und sie zeigen exemplarisch, wie Kinder       rechts-Workshop so gut gefallen, dass
                                                                                      ihre Rechte in vielen Belangen ihres          sie diesen ihren Mitschülerinnen und
                                                                                      Alltags einfordern können.                    Mitschülern nicht vorenthalten wollten.
                                                                                                                                    So haben die Fünft- und Sechstklässler
                                                                                      Partizipation im Schulalltag                  eigene Workshops mit anderen Klassen
                                                                                      Elina, Leandra, Leo und Ian haben am          im Schulhaus durchgeführt. «Mich
                                                                                      Kinderrechtsworkshop definitiv Feuer          beeindruckt es, wenn Primarschülerin-
                                                                                      gefangen. Besonders angetan hat es            nen und Primarschüler Gleichaltrigen
                                                                                      ihnen das Recht auf freie Meinungsäus-        erklären, dass die Kinderrechte extrem
                                                                                      serung und Beteiligung. Bereits am            wichtig sind und alles abdecken, was
                                                                                      Folgetag des Kinderrechtsworkshops            sie brauchen, um gesund und glücklich
                                                                                      an ihrer Schule beantragten sie bei           zu sein», schwärmt Kinderdorf-Projekt-
                                                                                      Gianluca Zanatta, Schulleiter der OS          leiter Pascal Haltiner.
                                                                                      Centrum in St. Gallen, den Wiederauf-
                                                                                      bau des Schülerrats. Ihr Ziel: Die                                                                Peer-to-peer education: Workshop-
                                                                                      Schülerinnen und Schüler sollen wieder                                                            Teilnehmende der Primarschule Eichenwies
                                                                                      mehr mitbestimmen dürfen. Beispiels-                                                              in Oberriet halten Kinderrechts-Workshops
                                                                                      weise wenn es darum geht, den Schul-                                                              für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ab.
                                                                                      hof/Pausenplatz spannender und
Fordern mehr Partizipation: Schülerinnen und                                          sportlicher zu gestalten, mehr Spinde
Schüler der Oberstufe Centrum in St. Gallen                                           zu bekommen oder die Anzahl der
verfassen gemeinsam den Antrag für ein                                                Sitzmöglichkeiten in der Aula zu stei-
Schulparlament.                                                                       gern.

                                                                                      Von Kindern für Kinder
                                                                                      Die beiden Berner Primarschulklassen

                                                                                                                                                                                95%
                                                                                                                                           Ein Erfolg
                                                                                      von Anna Friedli sind in verschiedener
                                                                                      Hinsicht aktiv geworden. Zum einen
                                                                                      haben sie im Schulhaus Unterschriften
                                                                                      gesammelt, um den Pausenplatz
                                                                                      farbiger gestalten zu können, zum                                                                    der Schülerinnen und Schüler
                                                                                      anderen haben sie in der Stadt Süssig-
                                                                                      keiten und Gebäck verkauft und mit                                               fühlen sich nach dem Workshop ermutigt, sich
                                                                                      dem Erlös eine kleine, private Hilfsinitia-                                      stärker für die Kinderrechte einzusetzen.
                                                                                      tive in Indien unterstützt.

4                                                                                                                                                                                                                                     5
Magazin - Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen Persönliche Begegnung überwindet Grenzen - Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
SUMMER CAMP

Persönliche Begegnung überwindet Grenzen
Sie sind jung, sie sprechen verschiedene Sprachen, kommen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen.
Eine Ausgangslage, wie geschaffen, um Vorurteile zu überwinden. Eindrücke aus dem Summer Camp, wo
Jugendliche innert kurzer Zeit von Fremden zu Freunden werden.

Darum geht‘s beim Summer Camp
Im Summer Camp lernen Jugendliche
mit unterschiedlichem kulturellem
Hintergrund Vorurteile abzubauen,
Konflikte friedlich zu lösen sowie
gesellschaftliche Verantwortung und
gesellschaftliches Engagement zu
übernehmen. Entsprechend wurde auch
der Projekttitel – «Rebels for Peace –
challenge the status quo and create
the world you want to live in» gewählt.
Insgesamt verbrachten dieses Jahr
64 Jugendliche aus vier Nationen                                                                                                                                                                      Jugendliche aus der Schweiz, Italien, Polen und Kroatien wachsen
(Kroatien, Polen, Italien, Schweiz) zwei                                                                                                                                                               trotz unterschiedlicher kultureller Hintergründe innert kurzer Zeit
unvergessliche Wochen in der Schweiz.                                                                                                                                                                               zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammen.

                                                                                        Sich fallen lassen und aufgefangen werden:             Luka, 15, Polen                          Nera, 16, Kroatien                         Adrianna, 15, Kroatien
                                                                                  Vertrauensübungen sind ein zentraler Bestandteil
                                                                                               des Workshops zum Thema Identität.       «Die ersten Tage waren seltsam für      «Das Summer Camp hat meine Erwar-           «Ich bin ins Summer Camp gekommen,
                                                                                                                                      mich. Ich kannte niemanden und hing          tungen übertroffen. Ich habe hier        um Englisch zu lernen, Spass zu haben
                                                                                                                                     meist nur mit meinen zwei Freunden ab.       gelernt, dass es ok ist, mit fremden      und um wundervolle Leute kennenzuler-
                                                                                                                                       Irgendwie konnte ich nicht ich selber    Menschen ein Gespräch zu beginnen.          nen - was ich hier auch tat. Anfangs war
                                                                                                                                     sein. Das hat sich durch die Workshops     Vorher war ich ängstlich und brauchte          ich sehr gestresst, da ich nicht gut
                                                                                                                                     verändert. Jetzt fühle ich mich geerdet.    Zeit, um mich anderen gegenüber zu           Englisch spreche. Das hat sich aber
                                                                                                                                      Ich habe begonnen, mich mehr einzu-       öffnen. Jetzt weiss ich, dass man sich,          gelegt, da hier alle so offen sind.
                                                                                                                                     bringen und mich mehr mit anderen zu        auch ohne viel gemeinsam zu haben,         Mittlerweile habe ich keine Angst mehr,
                                                                                                                                                   unterhalten.»                   unterhalten und trotzdem Freunde          etwas zu sagen. Am liebsten möchte
                                                                                                                                                                                   werden kann. Diese Erkenntnis ist            ich all die Beziehungen und all die
                                                                                                                                                                                wirklich grossartig. Ich werde zu Hause     Leute, die ich hier kennenlernen durfte,
                                                                 Beim Speeddating sprechen die Teilnehmenden                                                                       definitiv versuchen, eine offenere               mit nach Hause nehmen.»
                                                                 mit abwechselnden Gegenüber – dies fördert                                                                                  Person zu sein.»
                                                                 das gegenseitige Kennenlernen sowie das
                                                                 Verständnis füreinander.

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Magazin - Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen Persönliche Begegnung überwindet Grenzen - Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
SUMMER CAMP                                                                                                                        MOLDAWIEN

Ein zweiter unvergesslicher Sommer                                                                                                 Lernen, auf eigenen Beinen zu stehen
Vasilissa hat im Kinderdorf letzten Sommer eine Lagerwoche erlebt, die ihr in bester                                               In Kinderheimen wie jenem von Anenii Noi landen Kinder wie Ludmila, die durch Moldawiens
Erinnerung geblieben ist und Lust auf mehr geweckt hat. Spricht die 15-Jährige über                                                soziales Netz gefallen sind. Das Projekt der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi fängt sie auf,
ihre Erfahrungen, schwingt viel Freude und Dankbarkeit mit.                                                                        integriert sie in die Schule und versucht sie so für ein selbstständiges Leben vorzubereiten.

«Im Ferienlager habe ich viele interes-                                                                                                                                                                                        Ludmila ist noch klein, als ihre Mutter
sante Menschen getroffen und ich                                                                                                                                                                                               an Tuberkulose erkrankt. Die Behörden
konnte diverse Freundschaften knüp-                                                                                                                                                                                            stecken das Mädchen in ein speziali-
fen, die bis heute halten», schwärmt                                                                                                                                                                                           siertes Center – für den Fall, dass die
Vasilissa in ihrem Dankesbrief ans                                                                                                                                                                                             Krankheit sie auch befallen hat. Bis sie
Kinderdorf. Gerade in Zeiten von                                                                                                                                                                                               elf ist, lebt Ludmila an diesem für sie
Corona seien diese Freundschaften                                                                                                                                                                                              fremden Ort. Auch danach kann sie
ausserhalb ihrer Klasse noch wertvoller                                                                                                                                                                                        nicht nach Hause zurück, denn ihre
als sonst.                                                                                                                                                                                                                     Eltern können aus finanzieller Not nicht
                                                                                                                                                                                                                               für sie sorgen. So kommt sie ins Kinder-
Über den eigenen Schatten springen                                                                                                                                                                                             heim von Anenii Noi.
Im Austausch mit den anderen Teilneh-
menden lernte die gebürtige Russin                                                                                                                                                                                             Gelungene Integration
auch die Schweiz besser kennen und                                                                                                                                                                                             Center-Leiterin Svetlana Balan erinnert
begann, Schweizerdeutsch zu lernen.                                                                                                                                                                                            sich: «Sie war sehr traurig und unglück-
Ein für sie bedeutender Schritt, wie sie                                                                                                                                                                                       lich, als sie zu uns kam.» Im letzten
in ihrem Schreiben betont:                                                                                                                                                                                                     halben Jahr hat sie sich sehr verändert.
«Weil ich mich in einer neuen Gruppe                                                                                                                                                                                           «Sie hat grosse Freude fürs Lernen
befand, konnte ich diesen Schritt                                                                                                                                                                                              entwickelt und sieht wieder wie ein
einfacher wagen. Im Kinderdorf habe                                                                                                                                                                                            glückliches Kind aus.» Dazu beigetragen
ich mich weiterentwickelt und kehrte                                                                                                                                                                                           haben die gelungene Integration an der
dadurch auch selbstbewusster in die                                                                                                                                                                                            Schule und die Unterstützung durch
Schule zurück.»                              Das Kinderdorf ist Vasilissa ans Herz gewachsen:                                                                                                                                  Lehrpersonen sowie Klassenkameradin-
                                             Im Ferienlager 2020 und im Summer Camp 2021 konnte                                                                                                                                nen und -kameraden
Als im Frühjahr 2021 die Anmeldeunter-       die 15-Jährige ihr Selbstbewusstsein stärken und
lagen für das Summer Camp im Brief-          Freundschaften knüpfen, die bis heute halten.
kasten ihrer Eltern landen, rechnet                                                                                                                                                                                                «Sie hat grosse Freude
Vasilissa nicht damit, an einem weiteren                                                                                                                                                                                           fürs Lernen entwickelt
Lager teilnehmen zu können. Sie lässt        Mehr Tiefgang dank Workshops                 muss, sein Gegenüber zu verstehen.»
es sich aber nicht nehmen, ihren             Vier Monate später sitzt Vasilissa unter     Es bringe nichts, wenn man stur an                                                                                                   und sieht wieder wie ein
Dankesbrief ans Kinderdorf mit der           einem Baum im Kinderdorf und strahlt:        seiner eigenen Meinung festhalte,                                                                                                        glückliches Kind aus.»
Anfrage zu senden, ob man ihr noch-          «Als ich erfuhr, dass ich ins Summer         anstatt offen zu sein für Kompromisse.
                                                                                                                                                                                                                                      Svetlana Balan, Center-Leiterin
mals einen unvergesslichen Sommer er-        Camp kann, habe ich mich riesig
möglichen könne.                             gefreut.» Im Gegensatz zum Ferienlager
                                             ist das internationale Summer Camp
                                                                                           «Im Summer Camp habe                                                                                                                «Am ersten Schultag war ich sehr
                                             stärker mit Workshops strukturiert, die                                                                                                                                           unsicher und hatte Angst, da ich die
«Im Kinderdorf habe ich                      sich verschiedenen Themen wie Identi-            ich realisiert, dass                                                                                                             anderen Kinder nicht kannte», erinnert
    mich weiterentwickelt
                                             tät oder Diskriminierung widmen. In den
                                                                                             man in Diskussionen                                                                                                               sich Ludmila. Sie habe sich jedoch
                                             Augen der 15-Jährigen macht genau                                                                                                                                                 rasch wohlgefühlt und sogar eine beste
     und kehrte dadurch                      dies den Charme dieses interkulturellen       stets versuchen muss,                                                                                                               Freundin gefunden. «Cristina war mir
                                                                                                                                   Die gelungene Integration in der Projektschule hat
    auch selbstbewusster
                                             Austauschprogrammes aus. «Im
                                                                                                  sein Gegenüber zu                Ludmilas Freude am Lernen geweckt. Sie träumt
                                                                                                                                                                                                                               von Anfang an am nächsten. Wir
                                             Summer Camp habe ich realisiert, dass                                                                                                                                             sprechen viel und unterhalten uns
    in die Schule zurück.»                   man in Diskussionen stets versuchen                     verstehen.»                   davon, eines Tages Designerin zu werden.
                                                                                                                                                                                                                               gerne.» Im Kinderheim hat Ludmila

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Magazin - Damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen lernen Persönliche Begegnung überwindet Grenzen - Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
MOLDAWIEN

damit begonnen, Freundschaftsbänd-
chen zu knüpfen. Die 13-Jährige träumt
davon, eines Tages Designerin zu
werden und eigene Kleider zu produzie-
ren.

      «Ich habe mich in
      der Schule rasch                                                                                                                                    «Kinder brauchen
 wohlgefühlt und sogar
                                                                                                                                                        insbesondere auch
     eine beste Freundin
           gefunden.»                                                                                                                             nach dem Heimaustritt
                 Ludmila
                                                                                                                                                   emotionale und soziale
                                                                                                                                                            Unterstützung.»
Individuelle Kompetenzen und
Zusammenarbeit stärken
Das Projekt «Schuleingliederung von
benachteiligten Kindern» startete 2017                                                                                                                      Cristina Coroban, Projektleiterin
und konzentriert sich in den kommenden
drei Jahren verstärkt auf die Zeit nach
dem Heimaustritt. «Kinder brauchen
insbesondere auch in dieser Phase
emotionale und soziale Unterstützung»,
betont Projektleiterin Cristina Coroban.
Darum sei es wichtig, im Projekt ihre
individuellen Kompetenzen bzw. ihre
Sozialkompetenz für ein unabhängiges
Leben zu verbessern.

                                                                                          Ihr Schicksal berührt und ihre Stärke
Gleichzeitig arbeitet man darauf hin, die
                                                                                            beeindruckt: Natalia Balta, Länder­
Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure     Vorurteile fallen
                                                                                       verantwortliche der Stiftung Kinderdorf
weiter zu intensivieren. Diesbezüglich hat   Auch die Veränderungen bei den Eltern     Pestalozzi, mit der 13-jährigen Ludmila.
sich in den letzten Jahren viel getan. So    der Mitschülerinnen und Mitschüler sind
hiess es zu Beginn des Projektes in den      ein Erfolg der ersten, dreijährigen
Schulen oft: «Die Kinder aus den Heimen      Projektphase. Zu Beginn wehrten sie
sind nicht unsere Kinder.» Die intensiven    sich gegen die Integration der Kinder
Trainings und Workshops mit Lehrperso-       aus den Kinderheimen. Jetzt kann es
nen, Schulsozialarbeitenden oder den         sein, dass die Heimkinder zu ihren
Gemeinschaften haben die Einstellung         Klassenkameraden nach Hause ein­
gegenüber den Kindern verändert.             geladen werden, sie zum Coiffeur
Heimleiterin Svetlana Balan nennt als        gebracht werden oder man ihnen eine
Beispiel den Mathematiklehrer von            Pizza spendiert. Ein anderes Beispiel
Ludmila. Da ihr ein Schuljahr fehlt, hinkt   sind die Exkursionen, die jeweils zum
sie in diesem Fach nach wie vor hinter-      Abschluss des Schuljahres stattfinden:
her. Der Lehrer sagte gleich zu Beginn zu    Eltern sammeln Geld für diejenigen                                                   Mit viel Geduld, Zuneigung und Herzlichkeit unterstützen die Mitarbeiterinnen
ihr: «Ich werde mein Bestes geben, damit     Kinder aus den Heimen, die es sich                                                   des Kinderheimes von Anenii Noi die Kinder bei den Hausaufgaben.
du aufholen kannst.»                         nicht leisten können.

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    Herausgeberin: Stiftung Kinderdorf               Bildnachweis: Archiv Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
    ­Pestalozzi, Kinderdorfstrasse 20, 9043 Trogen   Gestaltung und Satz: one marketing services, Zürich
     Telefon: +41 71 343 73 29, info@pestalozzi.ch   Druck: CH Media Print AG
     Postkonto 90-7722-4                             Ausgabe: 04 | 2021
     Texte: Stiftung Kinderdorf Pestalozzi           Erscheint: fünfmal jährlich
     Redaktion: Stiftung Kinderdorf Pestalozzi,      Auflage: 50 000 (geht an alle SpenderInnen)
     one marketing services                          Abo-Beitrag: CHF 5.– (wird mit der Spende verrechnet)
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