Schulabschluss geschafft! Und jetzt? - Ein Ratgeber zur Studien- und Berufswahl Ulrike Bentlage - AWS

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Schulabschluss geschafft! Und jetzt? - Ein Ratgeber zur Studien- und Berufswahl Ulrike Bentlage - AWS
Ulrike Bentlage   Schulabschluss
                  geschafft!
                  Und jetzt?
                  Ein Ratgeber
                  zur Studien- und Berufswahl
Schulabschluss geschafft! Und jetzt?

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            Aus U. Bentlage: Schulabschluss geschafft! Und jetzt? (ISBN 9783840930423) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Ulrike Bentlage

     Schulabschluss
     geschafft!
     Und jetzt?
     Ein Ratgeber
     zur Studien- und Berufswahl

     Mit einem Geleitwort von
     Anselm Grün

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            Aus U. Bentlage: Schulabschluss geschafft! Und jetzt? (ISBN 9783840930423) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Ulrike Bentlage, geb. 1970. 1989 – 1995 Studium der Germanistik, Romanistik und Mathematik in Müns-
     ter und Nantes (Frankreich). 1995 Erstes Staatsexamen. 1995 – 1997 Referendariat für das Lehramt an
     Gymnasien in Bochum und zweites Staatsexamen für das Lehramt der Sekundarstufe I und II. 1998 – 2001
     Projektleiterin für Bildungsprojekte der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh. 2001 – 2005 Strategieberate-
     rin bei der Boston Consulting Group in Düsseldorf mit Schwerpunkt HR und Organisation. 2007 – 2013
     Director Management Development im Bertelsmann-Konzern mit Verantwortung für die internationale
     Entwicklung von Führungskräften. Seit 2014 selbstständig in der Karriereberatung mit Schwerpunkt auf
     der Berufsorientierung für Abiturienten.

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     Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / baona
     Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen
     Illustrationen: Rumi Benecke
     Format: PDF

     1. Auflage 2021
     © 2021 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen
     (E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3042-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3042-4)
     ISBN 978-3-8017-3042-0
     https://doi.org/10.1026/03042-000

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Inhaltsverzeichnis

     Vorwort. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .    7

     1                Schulabschluss geschafft! Und jetzt?. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                               10
     1.1              Wer die Wahl hat …. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                           10
     1.2              Das Orakel von Delphi und die Delphi-Methode .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                             12
     1.2.1            Erkenne dich selbst: das Orakel von Delphi .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                   13
     1.2.2            Zusammen sind wir klüger: die Delphi-Methode .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                                15
     1.2.3            Eine Mini-Delphi-Studie für dich .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                  17

     2                 So findest du deinen Weg – die acht Schritte
                       deiner Delphi-Studie .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                               19
     2.1               Schritt 1: Bestimme deinen Expertenrat .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                19
     2.2               Schritt 2: Stell die richtigen Fragen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                  27
     2.3               Schritt 3: Sammle Antworten in Interviews .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                   35
     2.4               Schritt 4: Befrage dich selbst. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                         44
     2.5               Schritt 5: Setz das Puzzle zusammen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                          51
     2.6               Schritt 6: Finde die passenden Berufsfelder .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                    59
     2.7               Schritt 7: Sprich mit Menschen, die sich
                       in deinem Zielberuf auskennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                           67
     2.8               Schritt 8: Triff deine Entscheidung – und dann los! .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                              75

     3                 Pater Anselm Grün: Mut zur Entscheidung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                                                        87
     3.1               Vier Gründe für die Schwierigkeit,
                       sich zu entscheiden .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                          87
     3.2               Vier Hilfen für die Entscheidung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                              89
     3.3               Bei sich selbst bleiben. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                              91

     4                 Wenn du noch mehr wissen möchtest.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  92
     4.1               Zu Schritt 1: Was bringen Selbsttests?.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  92
     4.2               Zu Schritt 2: 10 Tipps für Berater, Eltern und
                       andere Unterstützer. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  98
     4.3               Zu Schritt 3: Von der Kunst, gute Gespräche zu führen .  .  .  .  .  .  104
     4.4               Zu Schritt 4: Das kleine 1×1 der Motivation . . . . . . . . . . . . . . . .  110
     4.5               Zu Schritt 5: Wie du deine Neigungen entdecken kannst. .  .  .  .  116

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6                Inhaltsverzeichnis

     4.6              Zu Schritt 6: Beispiele aus der Beratungspraxis –
                      vom Profil zum Ziel.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  122
     4.7              Zu Schritt 7: Tipps, wie du dein beruf­liches Zielfeld
                      näher kennenlernst .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  127
     4.8              Zu Schritt 8: Anfangen, statt aufzuschieben .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  136

     Nachwort.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  145

     Literatur. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  147

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Vorwort
     Warum ich dieses Buch schreibe

     Wenn du diese Seite aufschlägst, hast du schon eine erste gute Entschei-
     dung getroffen: dich mit der Frage zu beschäftigen, wie es nach der Schule
     für dich weitergehen soll, und dir Gedanken darüber zu machen, welcher
     Weg der richtige für dich sein könnte. Diese Überlegungen sind wichtig,
     daher solltest du sie in Ruhe weiterverfolgen. Nach dem Schulab­schluss
     den nächsten Schritt in Richtung Ausbildung und Beruf zu gehen, das ist
     heute viel schwieriger geworden, als es noch in der Generation deiner El-
     tern und Lehrer war. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ausbildungs-
     wege und -möglichkeiten haben sich verändert und erweitert und auch
     die Zahl der Studiengänge hat sich vervielfacht. Das Angebot, vor dem
     du heute stehst, ist selbst für Experten kaum noch überschaubar, und es
     kommt ständig etwas Neues dazu. Abgesehen davon, dass du mit einer
     längeren Auszeit oder Orientierungsphase – dem berühmten „Gap Year“ –
     oder einem freiwilligen sozialen Jahr die Entscheidung auch erst einmal
     vertagen kannst. Was also tun? Wie findest du heraus, was jetzt aus dir
     werden soll? Wo ist der Anfang für den roten Faden, der dich durch die
     nächsten Jahre leiten könnte?

     Mit diesen Fragen kommen seit vielen Jahren junge Menschen zu mir,
     die in der gleichen Situation sind wie du. Ich kann dir also erst einmal
     versichern, dass es vielen so geht wie dir. Manche stehen kurz vor dem
     Schulabschluss, andere kommen nach der Abschlussparty – oder später,
     wenn auch die Auszeit nach dem Prüfungsstress keinen rettenden Ein-
     fall hervorgebracht hat. Das ist dann aber schon die größte Gemeinsam-
     keit. Denn jeder von ihnen kommt mit einer ganz eigenen Geschichte,
     mit ganz persönlichen Talenten und Schwächen, Wünschen, Träumen
     und Fragen: Studium oder Ausbildung? Vernunftfach oder Leidenschaft?
     Langfristig die Karriere planen oder Raum lassen für Experimente?

     Noch vor zwei Generationen waren solche Fragen der reinste Luxus. Die
     wenigsten konnten es sich erlauben, in ihrer Berufswahl den eigenen
     Neigungen nachzugehen. Der Sohn oder die Tochter folgte beruflich
     dem, was die Eltern machten oder was die Umstände bestimmten. Bis
     heute gibt es Arztfamilien, Juristenfamilien und Handwerksbetriebe in

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8           Vorwort

     der dritten Generation. Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts hat
     sich mit der sogenannten Bildungsexpansion ein breiter Zugang zur
     Schul- und Hochschulausbildung eröffnet und entsprechend die Frei-
     heit, sich seinen späteren Beruf selbst zu wählen – oder wählen zu müs-
     sen. Zwar hat das Elternhaus bis heute, gerade in Deutschland, einen
     enormen Einfluss auf die Entscheidungen und späteren Berufswege.
     Doch die Verantwortung hat sich auf das Individuum verschoben. Heute
     gilt: „Jeder ist seines Glückes Schmied!“ Jeder ist auch seiner Entschei-
     dungen und Berufswege Schmied. Und wo es viele Wege gibt, kann man
     sich leicht und lange verirren, sich zum Beispiel in falsch eingeschätzten
     Studiengängen, in abgebrochenen Ausbildungen und in dauerhaften Ne-
     benjobs verzetteln.

     Nichts gegen verschlungene Berufswege. Wie aber lässt sich vermeiden,
     dass du zu lange im falschen Film unterwegs bist? Was kann dir helfen,
     eine Entscheidung zu treffen, die wirklich deine ist? Das war für mich der
     Grund, dieses Buch zu schreiben: Ich glaube nicht daran, dass es den ein-
     zig richtigen Weg in die Berufs- und Arbeitswelt gibt. Ich glaube, dass es
     für dich einen Weg gibt, der dich in die richtige Richtung führt und der
     zu dir passt. Auf große Expeditionen soll man sich gut vorbereiten. Ich
     bin überzeugt, dass du mit einem gut angelegten Entscheidungsprozess
     deine Antwort auf die große Frage finden kannst: „Was soll ich jetzt ma-
     chen? Was ist der Plan, wenn ich noch keinen Plan habe?“

     Zwar sitzen wir uns nicht direkt gegenüber, wie das in der persönlichen
     Beratungssituation der Fall ist. Dafür erfährst du hier, wie du dir viele
     andere „gute Geister“, Helfer, Berater, Experten an deine Seite holen
     kannst, die dir auf unterschiedliche Weise bei deiner Entscheidung hel-
     fen können.

     Du findest in diesem Ratgeber weder Erfolgstipps noch ein Ranking der
     besten Berufsfelder. Es geht in diesem Buch nicht um ein „Mehr“ an In-
     formationen. Davon gibt es genug. Du findest stattdessen eine erprobte
     Methode, wie du zu einer guten Entscheidung kommst. Und ich habe hier
     bewusst das Wort „Beruf “ weggelassen. Denn viele der Schritte, die du
     hier mit mir gehen kannst, lassen sich genauso gut auf andere Entschei-
     dungen übertragen, die du vor dir hast.

     Bevor es losgeht, will ich dir Mut machen: Entscheidungen zu treffen, er-
     fordert immer Mut. Mit deiner Bereitschaft, dich der Unsicherheit zu stel-

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Vorwort               9

     len und dich mit der Frage nach deinem weiteren Weg auseinanderzu-
     setzen, hast du schon den ersten großen Schritt getan, um dein Leben
     selbst in die Hand zu nehmen.

     Also fangen wir an!

     Gütersloh, im Mai 2020                                                                           Ulrike Bentlage

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1                Schulabschluss geschafft!
                      Und jetzt?

     1.1              Wer die Wahl hat …

            Beispiel: Luise
            Luise reicht mir ihr Handy und zeigt mir ein Foto vom Bodensee.
            Dort hat sie die letzten Monate verbracht, die bisher letzte Station
            ihrer Ausbildungsodyssee. „Tanzen war mein großes Hobby, also
            dachte ich, Tanzlehrerin ist eine gute Idee“, erzählt sie. Luise ist 22
            und es ist die dritte Ausbildung, die sie begonnen und nach einigen
            Monaten abgebrochen hat. Nach dem Abi studierte sie erst Geowis-
            senschaften – „Das war aber viel Physik und Mathe …“ –, danach
            wechselte sie in den Studiengang Gesundheitsmanagement („Lie-
            ber was mit Menschen“). Auch da fühlte sie sich fehl am Platz.
            Schließlich entschied sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen – das
            Tanzen. Die Ausbildung am Bodensee war weit weg von zu Hause,
            es sollte auch so sein. Anfangs war alles gut, dann fühlte sie sich von
            den Ausbildern zu streng beurteilt („Die haben mich dauernd kriti-
            siert“) und kehrte zurück nach Düsseldorf. Ihre Eltern machen sich
            Sorgen. Luise hat im Moment keine Idee, was sie als Nächstes ma-
            chen will, und jobbt in einem Bistro.

     Luise ist ein Beispiel für viele, die sich nach dem Schulabschluss im
     Dschungel von Ausbildungs- und Studienangeboten verirren. Inzwi-
     schen bricht fast die Hälfte der Studierenden den ersten Studiengang
     ab, bei den Auszubildenden sieht es ähnlich aus. Die Gründe sind leicht
     nachzuvollziehen: In der Schule gelten klare Anforderungen, und je
     näher der Abschluss rückt, desto höher ist der Zeitaufwand für Lernen,
     Klausurenschreiben, Punktesammeln, Praktika. Es bleibt kaum genug
     Zeit, sich noch um Freunde und Hobbys zu kümmern. Das Ziel ist immer
     klar: die nächste Klausur, das nächste Referat, der Abschluss. Wie es
     danach weitergeht? Das steht auf einem anderen Blatt. Und das ist trotz
     dicker Broschüren und uferloser Informationen im Netz oft ein ziem-
     lich leeres.

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            Aus U. Bentlage: Schulabschluss geschafft! Und jetzt? (ISBN 9783840930423) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Schulabschluss geschafft! Und jetzt?                            11

     Was will ich, was kann ich, was passt zu mir? Darauf haben die wenigs-
     ten Schulabgänger eine klare Antwort. Wann soll man denn darüber
     nachdenken? Es gibt Lieblingsfächer und Problemfelder – „Ich hasse
     Mathe!“ –, es gibt Vorstellungen der Eltern („Am besten wirst du Lehre-
     rin!“), und in der Zeitung stehen immer neue Prognosen („Diese Berufe
     werden durch KI bald verschwinden“). Nichts davon hilft dir wirklich
     weiter. Denn es geht mit der Entscheidung für deinen Einstieg in eine
     Berufslaufbahn um mehr als die nächste Qualifikationsstufe. Die Ent-
     scheidung, welchen beruflichen Weg du nach dem Abschluss einschlägst,
     markiert den ersten Schritt in dein Erwachsenenleben. Schon deshalb
     lohnt es sich, einmal in Ruhe darüber nachzudenken, was eine gute und
     kluge Entscheidung ausmacht, und wie du die Antworten finden kannst,
     die du brauchst.

     Anders als früher verlaufen die allermeisten Berufswege heute weit we-
     niger geradlinig, planbar und überschaubar. In den meisten Branchen
     und Feldern öffnen sich für dich im Lauf der Zeit noch viele Verzweigun-
     gen, weitere Karriere- und Lebenswege. So lassen sich praktische Ausbil-
     dung und Studium parallel oder nacheinander kombinieren sowie Qua-
     lifikationen auf allen möglichen Wegen erwerben. Und immer mehr
     Firmen sind offen für „Auszeiten“, sogenannte Sabbaticals, oder bieten
     flexible Modelle für verschiedene Lebensphasen. Vielfalt also, wohin du
     schaust. Auch die noch in meiner Generation oder der deiner Eltern re-
     lativ abgegrenzten Berufsbilder haben sich erweitert und täglich kom-
     men neue Kombinationen, Spezialisierungen und Varianten dazu, fanta-
     sievolle Jobtitel inklusive. Was macht eine UX-Designerin den ganzen
     Tag? Und was ein Zerspanungsmechaniker? Wie wird man Key-Account-
     Manager und was muss man da können? Oder Kriminalkommissarin?

     Womit wir bei einem weiteren Punkt wären, der die Entscheidung für
     dich um einiges schwieriger macht, als sie für deine Eltern war: Face-
     book, Instagram, YouTube und die vielen anderen neuen und alten Me-
     dien vermitteln durchaus auch (Berufs-)Bilder, die der Realität mal mehr,
     mal weniger nahekommen. Da haben Superman und Superwoman die
     perfekten Jobs, erleben aufregende Abenteuer, sind rundum glücklich
     und zufrieden. „Lebe deinen Traum!“ und „Folge deiner Berufung!“,
     fordern die Bilder. Tja, wenn es so einfach wäre. Wer schon in der Grund-
     schule wusste, dass er in der siebten Generation Arzt oder Anwalt wer-
     den will (oder soll), hat es auch nicht immer leicht – aber ein ganz ande-
     res Problem als Luise.

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12          Kapitel 1

     „Wenn ich wüsste, was ich wirklich will, dann würde ich bestimmt auch
     durchhalten“, sagt sie. Gut möglich. Aber mit dem Wollen allein ist es,
     wie man in jeder Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ oder
     „Das Supertalent“ beobachten kann, auch nicht getan. Wenn die Jury mal
     mehr, mal weniger feinfühlig bescheinigt, dass die Töne nicht getroffen
     wurden und die Stimme wie Froschquaken klingt, hilft weder der mitge-
     reiste Fanclub weiter noch die Selbstüberzeugung, der nächste Stern am
     Schlagerhimmel zu sein. Neigung und Eignung sind zwei sehr verschie-
     dene Dinge, und beides spielt eine Rolle. Wenn du dein Hobby zum Beruf
     machst, sind andere Eigenschaften oft genauso wichtig wie Talent oder
     Spaß, das „Gesamtpaket“ heißt es in den Casting-Shows. Wenn du dein
     Hobby unter ganz anderen Bedingungen ausübst – macht es dann noch
     genauso viel Spaß? Woher weißt du eigentlich, welche Talente in dir
     schlummern?

     Ein Meer von Möglichkeiten vor dir, ein Labyrinth von Fragen in deinem
     Kopf. Wie schön wäre es, du könntest es machen wie die Könige in der
     Antike. Wenn sie nicht mehr weiterwussten, begaben sie sich auf die
     Reise nach Delphi. Dort konnten sie mit der weisen Apollopriesterin
     einen Blick in die Zukunft werfen, um aus dieser Perspektive die aktuell
     beste Entscheidung zu treffen. Die gute Nachricht ist, so etwas Ähnliches
     kannst du auch tun: mit der Delphi-Methode, die ihren Namen vom be-
     rühmten Orakel von Delphi geliehen hat, weil sie auf anderem Weg das
     gleiche Problem lösen kann.

     1.2              Das Orakel von Delphi und
                      die Delphi-Methode

            Beispiel: Jonas
            „Delphi?“ Oft begegnen mir am Anfang von Vorträgen, bei Schüler-
            workshops zur Berufsorientierung oder im konkreten Beratungsge-
            spräch erstmal fragende Blicke, wenn ich die Delphi-Methode erläu-
            tere. So auch bei Jonas, der ein halbes Jahr vor dem Abitur steht.
            Geschichte war nie sein Lieblingsfach. Von den Römern und Grie-
            chen hat er natürlich gehört, aber die meisten Details sind im Dun-
            kel der Mittelstufe verschwunden. Muss man auch nicht wissen, wo-

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Schulabschluss geschafft! Und jetzt?                            13

            zu gibt es Google, Wikipedia und Smartphones? Auch Jonas würde
            direkt sein Smartphone befragen, aber das bleibt in den Gesprächen
            ausgeschaltet. Schwer vorstellbar, dass etwas so alt ist und doch
            damit zu tun haben könnte, dass er einer Antwort auf seine Frage
            nach dem „Wie weiter?“ näherkommt. „Orakel klingt schräg“, stellt
            er fest, nach Kaffeesatzlesen und Horoskopen, was für ihn so ziem-
            lich das Letzte ist, „meine Oma glaubt noch an sowas“. Ich erzähle
            ihm trotzdem kurz die Geschichte vom Orakel von Delphi und von
            der Delphi-Methode. Mir geht es dabei um etwas ganz anderes als
            das Vorhersagen seiner Zukunft. Es geht mir um zwei Besonderhei-
            ten, die die Delphi-Methode von den meisten anderen Testverfah-
            ren und Beratungsangeboten unterscheiden.

     1.2.1            Erkenne dich selbst: das Orakel von Delphi

     Wenn du nicht weiterweißt …

     … gehe nach Delphi, hätten die alten Griechen dir geraten. Delphi liegt
     am Hang des Berges Parnass in Griechenland. Dort befand sich das be-
     deutendste Heiligtum des antiken Griechenlands, ein Tempel, der Apollo
     geweiht war. Sprachrohr des Orakels war die einzige Priesterin dort, Py-
     thia. Außer in den Wintermonaten gab sie an jedem Monatssiebten zu
     Fragen aller Art Auskunft. Sie empfing die göttlichen Eingebungen, wenn
     sie zuvor im Wasser der heiligen Quelle Kastalia gebadet hatte. Dann
     stieg sie auf einen Dreifuß, der über einer Erdspalte stand, und begann
     zu reden. Allerdings war, was sie sagte, ziemlich wirr. Ihre Reden wurden
     deshalb von den Priestern interpretiert und oft in Form eines Reimes
     wiedergegeben.

     Die Weissagungen des Orakels waren über jeden Zweifel erhaben. Alle,
     die bei einem wichtigen und wirklich kniffligen Problem nicht weiter-
     wussten, suchten das Orakel von Delphi auf und bekamen dort eine Ant-
     wort. Dazu gehörten der sagenhafte Krösus, König Laios und Alexander
     der Große, um nur ein paar zu nennen. Aber man musste nicht reich,
     mächtig oder berühmt sein, um beim Orakel vorzusprechen, auch einfa-
     che Bauern konnten sich nach Delphi begeben, um sich die Zukunft vor-
     hersagen zu lassen. Allerdings durften diese nur Fragen stellen, die mit
     „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten sind. Die Antwort bekamen sie auch

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14          Kapitel 1

     nicht von Pythia, sondern von den Priestern – diese nahmen aus einem
     Tonkrug mit schwarzen und weißen Bohnen dann eine Bohne heraus.
     Weiß für „Ja“, schwarz für „Nein“, – schon war die Sache entschieden.

     Ein Rätsel und seine Auflösung

     Ganz anders lief es mit Pythias Orakelsprüchen. Denn was sie sagte, war
     gerade nicht schwarz oder weiß, ja oder nein. Es war auch nicht annä-
     hernd so klar formuliert wie heute ein Eintrag bei Wikipedia. Man musste
     das, was sie von sich gab, erst noch richtig deuten. Das konnte auch schief-
     gehen und dann direkt in eine Katastrophe führen.

     Berühmt ist die Geschichte von Krösus, eigentlich Kroîsos, dem sprich-
     wörtlich reichen letzten König der Lydier, der wissen wollte, ob er den
     Feldzug gegen die Perser beginnen sollte. Er zog mit der doppeldeutigen
     Antwort ab, er werde ein großes Reich zerstören. Krösus nahm an, dass
     das Reich der Perser gemeint war. War es aber nicht: Im Krieg gegen die
     Perser verlor er selbst Land und Leben.

     Natürlich gehört vieles, was vom Orakel von Delphi bekannt ist, ins Reich
     der Sagen, Legenden und Märchen. Warum es über so lange Zeit eine
     solche Bedeutung für die Menschen hatte, lässt sich – zum Teil jeden-
     falls – aber auch aus heutiger Sicht erklären, und zwar so: Die Könige und
     Feldherren erzählten den Priestern von ihren Plänen, ihren Träumen,
     ihren Geheimnissen. Diese Informationen konnten die Priester nutzen
     und daraus Schlüsse ziehen, vor allem, weil sie von so vielen Menschen
     aus dem ganzen Land aufgesucht wurden. Sie waren in gewisser Weise
     mit den Trends und den Problemen viel besser vertraut, weil sie den Men-
     schen ihr Ohr liehen. Und damit lagen sie in ihren Antworten oft genug
     auch richtig.

     Der Blick in den Spiegel

     „Schöne Geschichte“, magst du jetzt wohl denken, „aber was hab ich nun
     davon?“ Das Orakel ist ja längst geschlossen. Dabei habe ich ein wichti-
     ges Detail noch gar nicht erwähnt: Der Überlieferung zufolge sollen am
     Eingang des Tempels von Delphi zwei Inschriften angebracht worden
     sein. Die erste besagte: „Erkenne dich selbst!“ und die zweite empfahl:

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Schulabschluss geschafft! Und jetzt?                            15

     „Nichts im Übermaß“. Aus der ersten Inschrift – die keine Aussage, son-
     dern eine Aufforderung ist – wird der wahre Clou des Orakels erkennbar:
     Die Lösung von individuellen Problemen und Fragen liegt in der Ausei-
     nandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit. Wer in der Außenwelt ein
     wichtiges und kniffliges Problem lösen will, kann aus der Innenwelt sei-
     ner Persönlichkeit einen Zugang dazu finden.

     Die weisen Griechen wussten, dass die Frage, wie man sich an einem be-
     stimmten Punkt im Leben entscheiden soll, viel damit zu tun hat, sich zu
     fragen, wer man selbst ist, was man will, was man kann. Und sie wussten
     auch, dass wir von uns selbst oft nur ein untaugliches Zerrbild haben aus
     dem, was wir gerne wären, was wir befürchten zu sein, und dem, was wir
     meinen, was wir eigentlich sein sollten. Deshalb lohnt sich ein Blick in
     den Spiegel. Und diesen Spiegel finden wir in den Augen der anderen. Vor
     allem, wenn wir uns mit mehreren Spiegeln und Sichtweisen befassen –
     statt mit nur einer einzigen Betrachtungsweise, der eigenen oder der eines
     einzelnen Experten –, erhalten wir ein reicheres und besseres Bild von uns
     selbst. Das ist das zweite große Erfolgsgeheimnis des Orakels.

     1.2.2            Zusammen sind wir klüger:
                      die Delphi-Methode

     Pythias Sprüche wurden von den Priestern gedeutet. Die Zukunft vorher-
     zusagen war also Teamwork, schon in der Antike. Auf dieser Idee grün-
     dete viele Hundert Jahre später dann die Delphi-Methode. Sie zeigt dir
     noch viel besser, warum du damit in deiner Entscheidungsfindung ein
     großes Stück weiterkommen wirst, wenn du dich auf den Weg machst,
     anstatt im stillen Kämmerlein auf eine Eingebung zu warten.

     Die Delphi-Methode ist, lange nach den alten Griechen, in den 1950er
     und 1960er Jahren entwickelt worden. Sie heißt so, weil sie das gleiche
     Ziel verfolgt wie damals das Orakel von Delphi: den Ratsuchenden etwas
     über die Zukunft mitzuteilen. Ursprünglich eingesetzt wurde die Delphi-
     Methode in den 1950er Jahren in den USA von der RAND Corporation
     im Rahmen von geheimen Studien für die Planung strategischer Waffen-
     systeme (Ammon, 2005). Um gute Antworten zu langfristigen Zukunfts­
     trends zu bekommen, wurde eine strukturierte Expertenbefragung kon-
     zipiert, die heute den Kern der Delphi-Methode ausmacht. Dabei kommt

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16          Kapitel 1

     es auf zwei Punkte an: Erstens, die Experten werden zu den einzelnen
     Themen getrennt voneinander befragt. So kann sich keine Gruppendy-
     namik bilden. Jeder, der schon mal Teamwork gemacht hat, weiß, wie
     leicht man sich an den Antworten von anderen orientiert. Wenn dreimal
     das Gleiche gesagt wird, fällt es deutlich schwerer, etwas anderes zu
     sagen – auch wenn man selbst anderer Meinung ist. Dieses Phänomen
     ist in vielen Studien immer wieder bestätigt worden. Der zweite Punkt
     ist: Die Antworten der Experten werden zusammengefasst und anony-
     misiert in die gesamte Runde zurückgegeben, damit jeder seine Einschät-
     zung im Lichte der anderen Antworten nochmal prüfen kann.

     Richtig bekannt geworden ist die Delphi-Methode erst später, Mitte der
     1960er Jahre in der zivilen Zukunftsforschung. Es waren die Jahre gro-
     ßer Fortschrittsträume, von der Mondlandung bis zur Unterwasserstadt
     schien technisch gesehen damals alles möglich – aber wie sollte man er-
     kennen, was von den vielen Ideen zu halten ist? Worauf sich einstellen
     und in welche Visionen investieren? Kurz: Wie lässt sich etwas über die
     Zukunft herausfinden, ohne sich auf Spekulationen zu verlassen? Am
     ehesten, wenn wir von schon Vorhandenem ausgehen und die Möglich-
     keiten, Einflüsse und Entwicklungen in die Zukunft fortschreiben. Das
     dachten sich zwei Wissenschaftler der Denkfabrik RAND, Olaf Helmer
     und Norman Dalkey, und entwickelten eine neue Methode, um die Wahr-
     scheinlichkeit prognostischer Aussagen zu erhöhen. Sie nannten sie Del-
     phi-Methode und stellten sie beim Kongress für Internationale Zukunfts-
     forschung im September 1965 in Oslo vor.

     Der Kerngedanke: Wenn eine Gruppe möglichst unterschiedlicher Men-
     schen ihr Wissen zusammenträgt, kommt man der Zukunft sehr viel
     näher, als wenn man nur eine einzelne Person befragt oder wild speku-
     liert. Also baten Helmer & Co. Experten aus verschiedenen Gebieten um
     ihre Prognosen. Sie sollten aus ihrem Fachgebiet heraus die denkbaren
     Entwicklungen nennen und danach die Wahrscheinlichkeit deren Ein-
     tritts einschätzen. Die Aussagen der anderen Befragten wurden ihnen,
     anonymisiert zusammengefasst, in einer weiteren Befragungsrunde vor-
     gelegt, sodass sie ihre Einschätzung nochmal überdenken konnten. Die-
     ses Vorgehen, die Delphi-Methode, hat sich seither in vielen Experimen-
     ten als ausgesprochen leistungsfähig erwiesen. In den folgenden Jahren
     wurden immer wieder für neue Studien Teams von Fachleuten aus ver-
     schiedenen Wissensgebieten zusammengestellt, die erstaunlich treffsi-
     chere Prognosen ausarbeiteten.

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Schulabschluss geschafft! Und jetzt?                            17

     Mit der Zeit breitete sich die Delphi-Methode von Amerika nach Westeu-
     ropa aus. Bekannt wurde sie in Deutschland 1970 mit der Vorstellung der
     Ergebnisse aus der RAND-Studie in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft.
     In Deutschland gab unter anderem das Bundesministerium für Forschung
     und Technologie (BMFT) Anfang der 1990er Jahre die erste Delphi-Stu-
     die zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik in Auftrag.

     1.2.3            Eine Mini-Delphi-Studie für dich

     So, und was heißt das jetzt für dich als Schulabsolvent? Erstens, die Zu-
     kunft lässt sich nicht ausrechnen, weil es viel zu viele Unbekannte in der
     Gleichung gibt. Zweitens, bei deiner Entscheidungsfindung ist eine Sicht-
     weise – deine – zu wenig; die unzähligen Tipps und Informationen, die
     du zum Beispiel im Netz findest, sind allerdings definitiv zu viele. Mit
     einer Mini-Delphi-Studie hast du die goldene Mitte gefunden: Du fängst
     bei dir selbst an, befragst die richtigen Experten, fasst ihre Antworten zu-
     sammen und bekommst am Ende ein gutes Bild davon, welche berufli-
     che Zukunft zu dir passt.

     Eine Mini-Delphi-Runde umfasst acht Schritte, sie beschäftigt sich mit
     deinem persönlichen Umfeld, und ihr Aufwand hält sich in Grenzen. Was
     du dabei über dich und deine Berufswahl herausfindest, wird dir nicht
     nur bei deiner jetzt anstehenden Entscheidung enorm helfen. Auch für
     andere Entscheidungen kannst du viele Erkenntnisse gewinnen. Abge-
     sehen davon, dass diese Methode spannend und nützlich ist, macht sie
     auch Spaß und hält – so viel kann ich dir jetzt schon verraten – einige Über-
     raschungen bereit. Du hast bei deiner Mini-Delphi-Studie selbst die Pro-
     jektleitung inne. Das heißt, dass du mehr Aufgaben hast als in vielen an-
     deren Testverfahren, die es zum Thema Persönlichkeit und Berufswahl
     gibt. Dazu findest du in Kapitel 4.1 einen Überblick.

       Hier nun eine kurze Vorschau, wie deine
       Mini-Delphi-Studie abläuft
       1.	 Im ersten Schritt wählst du deine „Experten“ aus.
       2.	 Im zweiten Schritt erstellst du eine Liste mit Fragen.
       3.	 Im dritten Schritt befragst du deine Experten einzeln in Interviews.

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18          Kapitel 1

       4.	 Im vierten Schritt befragst du dich selbst und steuerst deine eigene
           Sichtweise zum Gesamtbild bei.
       5.	 Im fünften Schritt führst du alles, was du an Informationen hast,
           zusammen.
       Damit hast du deinen „Standort“ bestimmt: wer du bist, was dich aus-
       zeichnet, was dich motiviert und was dir wichtig ist. Das ist der Start-
       punkt, von dem aus du in den letzten drei Schritten einen Blick in die
       Berufswelt wirfst.
       6.	 Im sechsten Schritt übersetzt du das Bild deiner Persönlichkeit in
           mögliche Berufsfelder, die dazu passen könnten.
       7.	 Im siebten Schritt holst du dir in einer zweiten Befragungsrunde In-
           formationen zu den Berufsfeldern ein.
       Damit kannst du nun dein Ziel klar genug bestimmen: Welche Ausbil-
       dung, welcher Beruf würde gut zu dir passen?
       8.	Im achten und letzten Schritt ist „walk the talk“ angesagt: Was
          kannst du jetzt konkret tun, um dorthin zu kommen, wohin du willst?
          Was ist die erste Etappe, dein nächster Schritt? Und mit der letzten
          Antwort fehlt nur noch eins: losgehen!

            Beispiel: Jonas (Fortsetzung)
            „Und wie ging es mit dem Orakel von Delphi aus?“, fragte mich Jonas
            am Ende unseres ersten Treffens. Ich fasste mich extra kurz und hielt
            mein Tablet hoch. Mit dem Aufstieg des Christentums war es mit
            Orakeln vorbei. Im Jahr 391 n. Chr. hob der römische Kaiser Theo-
            dosius I. den Sonderstatus aller Orakelstätten auf. Auf Wikipedia
            gibt’s die Details. Und tatsächlich spiegelt unser Sprachgebrauch
            diese alte Form der Auskunft über das Unbekannte gelegentlich
            wider. Ich höre es häufig, dass jemand sagt: „Ich befrage mal schnell
            das Orakel!“, wenn bei Google ein Suchbegriff eingegeben wird.

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