Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz

 
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Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Kolloquium für Psychotherapie und Psychosomatik
               Zürich / 22. Oktober 2018

Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe

       Gynäkologisch-geburtshilfliche
       Psycho -
       Psychosomatik in der Schweiz,

                  Somatik
            was bringt es uns?

                         Sibil Tschudin
  Abteilung Gyn. Sozialmedizin und Psychosomatik / Frauenklinik
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Vorkommen psychosomatischer Störungen

Somatische Symptome ohne biomedizinischen Grund in
7 Fachgebieten:

 „medically unexplained symptoms“                     52%
      - Gynäkologie                                    66%
      - Neurologie                                     62%
      - Gastroenterologie                              58%
      - Kardiologie                                    53%

 häufiger bei:    - Frauen
                   - jüngeren Altersgruppen
                   - Berufstätigen
                            (Nimmnuan et al., J Psychosom Research, 2001)
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Gynäkologie / Geburtshilfe im 21. Jahrhundert
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Gynäkologie / Geburtshilfe im 21. Jahrhundert

                   cure
                Diagnose und
                 Behandlung

             GynäkologIn

                 Förderung
prevent       reproduktiver und     care
                  sexueller
                 Gesundheit
          ganzheitlicher Approach
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Ganzheitlich

                         Diagnose und
                          Behandlung

                      GynäkologIn
    Prävention                                 Krisenintervention
- Kontrazeption                                - Infertilität
- Mamma-CA-                                    - Intrauteriner und
  Screening
                       Entscheidungs-            perinataler Tod
- Schwangerschafts-        findung             - Krebsdiagnose
  vorsorge            - Pränatale Diagnostik
                      - Wunschsectio
                      - HRT
Somatik was bringt es uns? - Gynäkologisch-geburtshilfliche Psychosomatik in der Schweiz
Ganzheitlich

                         Diagnose und
                          Behandlung

                      GynäkologIn
    Prävention                                 Krisenintervention
- Kontrazeption                                - Infertilität
- Mamma-CA-                                    - Intrauteriner und
  Screening
                       Entscheidungs-            perinataler Tod
- Schwangerschafts-        findung             - Krebsdiagnose
  vorsorge            - Pränatale Diagnostik
                      - Wunschsectio
                      - HRT
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Betreuung / Prävention in der Schwangerschaft

                           Stress

  Drogen                             Depression

      © Annegret Soltau   Psychose
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Fallbeispiel

Psychiatr. Konsilium:                                     Übelkeit, Unwohlsein
Angst- und depressive                                     Müdigkeit
Störung                                                   Persistierend nach
Therapie:                                                 Ausschluss somatischer
- SRRI + Benzodiazepin                                    Ursache
- Support. Psychotherapie

                            Frau B., 23j.
                            St. n. sek. Sectio caesarea
                            Kind verstorben an zyanot.
                            Herzfehler
                            Getrennt vom Kindsvater
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Psychische Befindlichkeit in der Schwangerschaft

       Mythos                     Realität
                          10-12% der Schwangeren
                          haben eine antepartale
                          Depression
Depression in der Schwangerschaft

       Heron et al., J Affect. Disorder, 2004
Depression in der Schwangerschaft

 Prävalenz von depressiven Störungen bei
  Frauen im reproduktiven Alter ist generell
  hoch

 Die Prävalenz während ist vergleichbar mit
  derjenigen ausserhalb der Schwangerschaft

 Depressionen in der Schwangerschaft
  mindesten ebenso häufig wie postpartal

 Antepartale Depression = Risikofaktor für
  postpartale Depression
Risikofaktoren für die antepartale Depression

Anamnese                    Soziodemographische    chronische Stressoren
                            Faktoren
Affektive Störungen in      junges Alter          Partnerschaftskonflikt 
der PA
•Anzahl früherer Episoden   geringe Bildung       sozioökonomische         
•Früher Krankheitsbeginn                           Probleme
(Adoleszenz)                Multiparität
•Letzte Episode ≤ 6 Mt.
                                                   Wohnungsprobleme
•Zeitnahes Absetzen von
Antidepressiva
                                                   Mangel an sozialer
                                                   Unterstützung           
Sexuelle Gewalterfah-
rung in eigener Kindheit

Positive FA

                                                        Yonkers K et al., 2011
Auswirkungen der peripartalen Depression

Appetit- und Gewichtsverlust
                                          hohes Risiko für postpartale
Nikotin- / Drogen-/                       Depression
Alkoholkonsum
Malcompliance in                          Mutter-Kind-
SS-Untersuchungen                         Beziehungsstörungen

                                          Beeinträchtigung der kindlichen
vermindertes Geburtsgewicht
                                          neurobehavioralen Entwicklung
Frühgeburtsrisiko
höhere Rate an Sectiones
                                          Kindliche Langzeiteffekte
Geburtskomplikationen

                               Kelly et al., 2002; Evans et al., 2007; Bennett et al., 2004
Depression in der Schwangerschaft - Symptomatik

Typische Symptome                                              Atypische vegetative
                                                                Symptome
 Verstimmung,
  Traurigkeit                                                   Appetit-/ Gewichts-
                                                                 veränderungen
 Schlafstörungen
                                                                Angst
 Suizidgedanken
                                                                somatische
 Antriebsmangel
                                                                 Beschwerden
                                                                                 
 Gefühle von
  Wertlosigkeit

                    Indirekte Hinweise:
                    Nausea 
                    Vorzeitige Kontraktionen
                    Hoher Analgetikagebrauch
                                         Alder J et al. 2011
Depressions-Screening peripartal

ZWEI FRAGEN:

1) „Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen,
traurig, bedrückt oder hoffnungslos?“

        □ ja                           □ nein

2) „Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an
Dingen, die Sie sonst gerne tun?“

        □ ja                           □ nein

                 Beurteilung:
                 Wenn beide Fragen mit Ja beantwortet werden, besteht
                 ein weiterer Abklärungsbedarf im Hinblick auf eine
                 Depression.

                               Whooley MA et al. 1997
Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS)

 So fühlte ich mich während der letzten Woche:
1. Ich konnte lachen und das Leben von der         6. Mir ist alles zuviel geworden:
heiteren Seite sehen:                              □        Ja, ich wusste mir überhaupt nicht mehr zu helfen
□      Genauso oft wie früher                      □        Ja, ich wusste mir manchmal überhaupt nicht
□      Nicht ganz so oft wie früher                         mehr zu helfen
□      Eher weniger als früher                     □        Nein, ich wusste mir meistens zu helfen
□      Überhaupt nie                               □        Nein, ich konnte alles so gut wie immer bewältigen
2. Es gab vieles, auf das ich mich freute:         7. Ich war so unglücklich, dass ich kaum schlafen konnte:
□      So oft wie früher                           □        Ja, fast immer
□      Eher weniger als früher                     □        Ja, manchmal
□      Viel seltener als früher                    □        Nein, nicht sehr oft
□      Fast gar nicht                              □        Nein, nie
3. Ich habe mich unberechtigterweise Weise         8. Ich war traurig und fühlte mich elend:
schuldig gefühlt, wenn etwas danebenging:          □        Ja, sehr oft
□      Ja, sehr oft                                □        Ja, ziemlich oft
□      Ja, manchmal                                □        Nein, nicht sehr oft
□      Nicht sehr oft                              □        Nein, nie
□      Nein, nie                                   9. Ich war so unglücklich, dass ich weinen musste:
4. Ich war ängstlich und machte mir unnötige       □        Ja, sehr oft
Sorgen:                                            □        Ja, ziemlich oft
□      Nein, nie                                   □        Nur manchmal
□      Ganz selten                                 □        Nein, nie
□      Ja, manchmal                                10. Gelegentlich kam mir der Gedanke, mir etwas anzutun:
□      Ja, sehr oft                                □        Ja, oft
5. Ich fühlte mich verängstigt und wurde panisch   □        Manchmal
ohne wirklichen Grund:                             □        Selten
□      Ja, ziemlich oft                            □        Nein, nie
□      Ja, manchmal
□      Nein, fast nie
□      Nein, überhaupt nie                         Cut- off ≥ 10/30 Punkte
                                                                                             Cox et al., 1987
                             URL: www.postnatale-depression.ch
Depressions-Screening – Algorhythmus
Interdisziplinäres Betreuungskonzept – Behandlungspfad
Interdisziplinäre Betreuung – Frauenklinik USB

           AerztInnen der Abteilung für gynäkologische
           Sozialmedizin und Psychosomatik

           • Screening für Depression mittels EPDS
           • Konstante medizinische Schwangerschaftsbetreuung
           • Koordination der verschiedenen Spezialdienste

                 AerztInnen des ZASS und der KJPK der
                 UPK Basel, sowie externe PsychiaterInnen
                 • Supportive Psychotherapie
                 • Lichttherapie
                 • Medikamentöse Therapie

                 NeonatologInnen des UKBB

                 • Aufklärung betreffend Bonding und Stillen

                 Sozialarbeiterinnen

                 • Beratung bei sozialen und finanziellen Fragen
                 • Hilfe zur Planung der Betreuungsstruktur nach
                   Spitalaustritt
Interdisziplinäre Betreuung – Frauenklinik USB

                        „Runder Tisch“

                                     Ärztin
                        Schwangere   PSM
                                                Geburts-
                                                  helfer
         Sozialdienst                           Hebamme

                                                    Neonatologe
       Psychiater

                                              UPK
                         KJPK
Fallbeispiel

Psychiatr. Konsilium:                               Engmaschige SS-Kontrollen
Angst- und depressive                               mit
Störung                                             - Termin Sozialdienst
Therapie:                                           - Kontakt Neonatologie
- SRRI + Benzodiazepin                              - Beratung (Stillen / Bonding)
- Support. Psychotherapie

                        Geburt in der 40. SSW per prim.
                        Re-Sectio auf Wunsch
                        nach Stabilisierung bei erneuter
                        Dekompensation
Ganzheitlich

                         Diagnose und
                          Behandlung

                      GynäkologIn
    Prävention                                 Krisenintervention
- Kontrazeption                                - Infertilität
- Mamma-CA-                                    - Intrauteriner und
  Screening
                       Entscheidungs-            perinataler Tod
- Schwangerschafts-        findung             - Krebsdiagnose
  vorsorge            - Pränatale Diagnostik
                      - Wunschsectio
                      - HRT
Entscheidungsfindung bei der Pränataldiagnostik

   Amniocentese   Ultraschall   Chorionzotten-                              NIPT
                                   biopsie

1950      1960         1970         1980         1990         2000   2010    2020

                                      AFPplus    Ersttrimestertest
Pränatale Diagnostik

Schwangere
 Optionen
 Entscheidungs-
  möglichkeiten

                            ÄrztIn
                             Verantwortung
                             Aufgaben
Art der Entscheidung

                                    Individuelle
                                    Bewertung
effective decision      Evidenz

preference              Evidenz     Individuelle
                                    Bewertung
sensitive decision
Konsequenzen für die Beratung

Wie viel
Information?

                                    Recht auf
                                    Nichtwissen!

     Prinzipien der biomedizinischen Ethik
Ganzheitlich

                         Diagnose und
                          Behandlung

                      GynäkologIn
    Prävention                                 Krisenintervention
- Kontrazeption                                - Infertilität
- Mamma-CA-                                    - Intrauteriner und
  Screening
                       Entscheidungs-            perinataler Tod
- Schwangerschafts-        findung             - Krebsdiagnose
  vorsorge            - Pränatale Diagnostik
                      - Wunschsectio
                      - HRT
Glücklose Schwangerschaft

 Fehlgeburt

 Fehlbildungen
/Chromosomenstörungen

 Intrauterinen und
peripartalen Tod

                                        Lothrop H, 1991
Reaktionen auf den Verlust der Schwangerschaft

Die Phasen der Bindung zum Ungeborenen

1. Schwangerschaftsdrittel                     Phantasien

2. Schwangerschaftsdrittel                     innere, sinnliche Wahrnehmung

3. Schwangerschaftsdrittel                     Interaktion
                                               Objektkonstanz
                                               Projektion und Introjektion

                  Brandon AR et al., J Prenat Perinat Psychol Health, 2009
Reaktionen auf die Fehlgeburt

 innere Repräsentanz des Embryo ab der 10. SSW

 früher Verlust hat etwas Unreales, wird häufig (von Umwelt und
  ev. der Frau) banalisiert

 Typische Ambivalenz der Frühschwangerschaft erschwert
  Ablösung (Schuldgefühle)

 erschwerte Trauerarbeit, da das verlorene Objekt Teil des
  eigenen Körpers, nicht sicht- und fassbar ist

                 Cote-Arsenault D et al., 2001 / Kersting A et al., 2009
Reaktionen auf die Diagnose Fehlbildung

 belastende Wartezeit
  unklare Aussagen und Prognosen

 Entscheidungskonflikt
  (verlorener Traum vs. Befreiung)

 Verlust der Hoffnung auf ein gesundes Kind

 Verlust der Hoffnung auf Elternschaft
Auswirkungen der Aborteinleitung bei Fehlbildungen

 Verlust wird aktiv durch die Eltern herbeigeführt

 widersprüchliche Gefühle:
  Trauer - Erleichterung - Wut - Neid - Schuld- und Schamgefühle

 Erleben der Aborteinleitung – Konfrontation mit dem Kind (mit
  oder ohne äusserlich sichtbaren Veränderungen)

 ev. wird Trauerprozess nicht zugelassen („selbstverschuldet“!)
Reaktionen auf den intrauterinen und peripartalen Tod

 Tod am Beginn des Lebens

 reales Kind = entspricht mehr dem erfahrbaren und teilbaren
  Todeserleben

 Kein Kind, aber alle Zeichen einer durchgemachten
  Schwangerschaft

 Hilflose Reaktionen von Familie und Umwelt

 Häufig schwierige soziale Integration des Erlebten
Der Trauerprozess

Trauerphase               Reaktionsweise                  Stadium im                    Symptome
                                                          Verarbeitungsprozess
1. Schock                 körperlich-seelische Reaktion   Nichtwahrhaben wollen         - Weinen
(Stunden, Tage,           mit vegetativen Symptomen und                                 - unkontrollierbare
Wochen)                   dem Gefühl, den Boden zu                                      Gefühlsausbrüche
                          verlieren
                                                                                        - Verzweiflung
                                                                                        - mechanisches „Funktionieren“
2. Sehnsucht und Suche    Intrusive Bilder                unbeantwortete Fragen:        Grübeln
(4-6 Monate)                                              Warum? Schuld?                Unruhe
                                                                                        Frustration
                                                                                        Wut
                                                                                        Verzweiflung
                                                                                        Selbstanklage
                                                                                        Aggression
                                                                                        Eifersucht
                                                                                        Schlaflosigkeit
3. Desorganisation        Durchleben der Emotionen wird   Realität des Verlust wird     Apathie
(bis um den 1.Todestag)   bewusster                       deutlich                      Antriebslosigkeit
                                                                                        Appetitlosigkeit
                                                                                        Entscheidungsschwierigkeiten
                                                                                        Zurückgezogenheit
                                                                                        Probleme in Partnerschaft und
                                                                                        Sexualität
4. Reorganisation         langsame innerliche Ablösung    Akzeptanz / Integration des   neues affektives Gleichgewicht mit
(im 2. Jahr)              vom verlorenen Objekt und       Verlusts                      Abnahme der körperlichen
                          Fokussierung auf neue Ziele und                               Stressreaktionen
                          Bindungen

                                                    Bowlby J, 1980
Der Trauerprozess

 Bei der Mehrheit der Betroffenen dauert die Trauer 6-9 Monate

 pathologische Trauerreaktionen bei 20-30% der Betroffenen

 Inzidenz seelischer Morbidität abhängig von Art der glücklosen
  Schwangerschaft:

  Frühabort < Spätabort < Abbruch bei Fehlbildung < perinataler
  Kindstod

 Depressive Symptomatik bei 20% der betroffenen Frauen

       Scheidt CE et al., 2007 / Hughes P, Riches S, 2003 / KuseIsingschulte MW et al. 1996
Betreuung und Unterstützung

Aufgaben der Helfenden:

 helfen, den Tod als Realität zu erfahren

 Gefühle wahrnehmen, ansprechen, anerkennen

 über normalen Trauerprozess informieren

 auf individuelle Bedürfnisse eingehen

 Darauf achten, dass Trauerarbeit für alle (Mutter, Vater,
  Geschwister) stattfinden kann

 Selbsthilfe fördern
Betreuung bei nachfolgender Schwangerschaft

 Erfahrung überschattet Folgeschwangerschaft

 Trauerprozess kann reaktiviert werden

 Unverarbeitete Trauer kann des Bindungsverhalten
  nachgeborener Kinder beeinträchtigen

 Unterstützung bei der Integration der gemachten Erfahrungen

 intensive Betreuung vor und während einer folgenden
  Schwangerschaft!

                       Cote-Arsenault D et al., 2001
Somatoforme Störungen in der Gynäkologie

                            Vulvodynie – CVPS

CPPS – Chronischer Unterbauchschmerz
Fallbeispiel

Die 69-jährige Frau S. stammt aus Moldawien, war von Beruf
Chemieingenieurin, ist seit 48 Jahren mit ihrem 71-jährigen Ehemann
verheiratet und mehrfache Urgrossmutter.

Ein Jahr zuvor hatte die Abklärung von Magenbeschwerden eine
Besiedelung mit Helicobacter pylori ergeben. Fünf Tage nach Beginn
der antibiotischen Eradikation kam es zu einem Brennen genital,
perianal und in den Mundwinkeln.

Nachdem mehrere topische Behandlungsversuche nicht zur
Beschwerdebesserung führten, wurde eine Candida-Vulvovaginitis
diagnostiziert und systemisch mit einem Antimykotikum therapiert.
Fallbeispiel

Nach kurzfristiger Besserung intensivierte sich das Brennen wieder.
Bei altersbedingter Genitalatrophie liess die Rötung an eine
Vestibulitis denken.
Gemäss einer im Verlauf vorgenommenen Biopsie lag allenfalls ein
Anfangsstadium eines Lichen sclerosus et atrophicus vor.
Eine bei den gegebenen Befunden angezeigte Therapie mit einer
steroidhaltigen Salbe wurde eingeleitet, brachte aber keine
Besserung.
Im Gegenteil wurden die Konsultationen wegen unerträglichen
Brennens bei nunmehr weitgehend unauffälligem Lokalbefund immer
häufiger.
Aetiologie

CVPS (chronic vulvar pain syndrome)    CPPS (chronic pelvic pain syndrome)

          Gewebeschaden / entzündlicher Prozess
                             
     Absinken der Schmerzschwelle in den Nocizeptoren
                             
                  Zentrale Sensibilisierung

                             Multifaktoriell!
Prädisponierende Faktoren

CVPS                                        CPPS

 chronische Entzündung,                     Verwachsungen / Endo-
  Gewebeschädigung                            metriose / Varikosis

 Tendenz zu Depression                      Tendenz zu Depression

 erhöhte Ängstlichkeit                      erhöhte Ängstlichkeit

 hohes Stressniveau                         Somatisierung

 niedriger Selbstwert                       sexueller Missbrauch
Petersen C et al. Acta Ob Gyn, 2008         Walker E et al. Psychosomatics, 1995
Diagnostik

                            Gynäkologische
                            Untersuchung

                            Vulväre Veränderungen
                            Infekte
Urologisch                  Endometriose                Internistisch
Interstitielle Zystitis                                 Fibromyalgie
Urethralsyndrom                 Gyn. Ultraschall        IBS

Orthopädisch
rheumatologisch                                     Dermatologisch

                    Multidisziplinär / Konsiliaruntersuchungen

                                Laparoskopie ??
Charakteristika somatoformer Störungen

 Diskrepanz zwischen organischen Veränderungen und
  Ausmass und Chronizität der Beschwerden

 Beharren der Patientin auf körperlicher Ursache

 Probleme in der Arzt/Ärztin-Patientinnen-Beziehung

 häufiger Arztwechsel

 „dickes“ Krankendossier
Management

Grundannahmen:

    Das Symptom ist die Krankheit
    Das Symptom ist die Krankheit

    Breit angelegtes Konzept der Schmerzabklärung
    Fokus liegt mehr auf dem Wie als auf dem Warum
    Fokus liegt mehr auf dem Wie als auf dem Warum

    Care > cure
    Care > cure
Fallbeispiel

Die Patientin machte einen zunehmend depressiven, verängstigten
und zwanghaften Eindruck. Sie überprüfte ein- bis mehrmals täglich
die ihrer Ansicht nach weiterhin gerötete Stelle unterhalb der Klitoris
und äusserte grösste Sorge, dass dort eine Blutung auftreten könnte.

Anlässlich der zwei-, dann vierwöchentlichen Konsultationen
verlangt sie regelmässig nach einer Untersuchung und Überprüfung
des Befundes und genauesten Instruktionen betreffend die
Lokalbehandlung.
Zugang zur Patientin

 initiale Botschaft zulassen
  (Schmerz, Ohnmacht, Einschränkung)

 emotionale Antwort

 Bestätigung, Ermutigung

 Vorgeschichte, genaue Schmerzanamnese

 Laienhypothese erfragen

 Einführung von
                        Schmerzthema
                        Störungsmodellen
Schmerztypen

        Typ 1                           Typ 2

Schmerz als Signal             Verselbständigter Schmerz

  für Gewebeschaden          Schmerzgedächtnis
(traumatisch, infektiös,      Normale Körperempfin-
      neoplastisch)
                              dungen werden als
                              schmerzhaft empfunden

    Nozizeptiver                  Funktioneller,
     Schmerz                   Somatoformer Schmerz
Therapieausrichtung
Therapieausrichtung
Therapieplan

 Exploration der psychosozialen prädisponierenden,
  auslösenden und symptomerhaltenden Faktoren
                        Biologisch     Individual-      Sozial-
                                     psychologisch   Interaktionell

      Prädisponierend

      Auslösend

      Erhaltend
Therapieplan

 Exploration der Ressourcen / Empowerment
Therapieplan

 Information über die Palette der Therapieoptionen
  (biomedizinisch, psychologisch, sozial)
       unspezifische gesundheitfördernde Massnahmen
       gezielte, medikamentöse Interventionen

 Erarbeitung eines Lösungskonzeptes

 Definition realisierbarer Ziele
Therapiebegleitung

 strukturierte Kontrolle

        regelmässige Termine
        Schmerzskala
        Schmerztagebuch

 Geduld!

 Bewusstsein um Grenzen des
  Möglichen!
Fallbeispiel

Erst seit ein tragendes Vertrauensverhältnis in der Ärztin-Patientin-
Beziehung aufgebaut ist, kann die Patientin den Erklärungen, dass den
Veränderungen physiologische Alterungsprozesse zugrunde liegen
und Untersuchungen in 6- bis 12-monatlichen Intervallen
ausreichend sind, Glauben schenken.

In einer der letzten Konsultationen äussert sie ihrerseits, dass das
Brennen nachgelassen hat, weil sie weniger darauf achte.
Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe

 Ganzheitlicher Approach: prevent – cure – care

 Anwendung des bio-psycho-sozialen Modells

 Individualisierte und patientinnen-zentrierte
  Kommunikationsweise

 Interdisziplinäre Herangehensweise
Psychosomatik-Weiterbildung für gyn-geb FachärztInnen

    Integration einer strukturierten Weiterbildung in
     psychosomatischen Basiskompetenzen für den
     Facharzt Gynäkologie /Geburtshilfe seit 2002
Psychosomatik-Weiterbildung für gyn-geb FachärztInnen

 Blockkurs 1:
 Kommunikation und Beratung
 1. Shared decision-making / informed consent - das präoperative Gespräch
 2. Breaking bad news bei glückloser Schwangerschaft
 3. Betreuung von Gewaltopfern – Gewalt ansprechen
 4. Sexualanamnese

 Blockkurs Teil 2:
 Praktische Psychosomatik im gynäkologisch-geburtshilflichen
 Klinikalltag
 1. Begleitung der onkologischen Patientin
 2. Begleitung beim Spätabbruch: Grenzerfahrung – Selbstfürsorge
 3. Zugang zur Patientin mit somatoformer Störung am Beispiel chronischer
          Unterbauchschmerzen
 4. Begleitung bei psychosozialer Risikoschwangerschaft

 + obligatorischer Besuch einer Supervisionsgruppe
Psychosomatik-Weiterbildung für gyn-geb FachärztInnen
Psychosomatik - Lehrbücher
Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe

       Standard Operating Procedures (SOP)
        Gynäkologische Sozialmedizin und Psychosomatik
                         Frauenklinik

                   Sibil.Tschudin@usb.ch
Photo's courtesy of The Hague Convention Bureau

Don’t miss the opportunity to get an overview on latest research findings on psychosocial aspects in ObGyn

                               9-12 October 2019 | The Hague

                           www.ispog2019.org
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