Sonderausgabe zur Finanz- und Wirtschaftskrise - Nummer 219 März 2009
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Nummer 219 · März 2009 Sonderausgabe zur Finanz- und Wirtschaftskrise Für MitarbeiterInnen, Freundinnen und Freunde der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung Oberösterreich 8292_Inf_Disk.indd 1 11.02.2009 15:11:26 Uhr
Vorwort Schwerpunkt Herbert Kuri, Gallneukirchen Vorsitzender der KABOÖ Liebe Freundinnen und Freunde der KAB! Täglich werden wir mit neuen Mel- dem das Geld die Oberhand gegenüber sung haben oder die alleinigen Weisen dungen zur Finanzkrise konfrontiert. dem Menschen gewonnen hat. sind, aber wir glauben an die Würde des Die Zahlen, die dabei genannt wer- Ja, Geld regiert die Welt und alles wirt- Menschen, die Göttlichkeit der Schöp- den, gehen in das Unvorstellbare: 700 schaftliche, politische und ökologische fung und an die Zusage Jesu einer neuen, Mrd. Dollar (700.000.000.000,--) Ret- Handeln hat sich diesem Grundsatz un- gerechteren Welt. Gespeist von dieser tungspaket in den USA, 100 Mrd. Euro terworfen. Der Mensch ist weit nach hin- Zuversicht, haben wir uns zu dieser (100.000.000.000,--) Rettungspaket in ten gereiht, als Kostenfaktor, als bloße Sondernummer entschlossen. Österreich (obwohl das Jahresbudget Arbeitskraft, der man sich jederzeit entle- Geleitet von unserer vertrauten Methode der Republik Österreich gerade 70 Mrd. digen kann, oder als Sozialschmarotzer. „Sehen-Urteilen-Handeln“, wollen wir ist), 2 Billionen (2.000.000.000.000,--) Die Auswirkungen dieser von Gier und dem Thema näher kommen. Über die Verlust an den Börsen, und, und, und ... Habsucht geprägten Wirtschaftsordnung Information (Sehen) und die Bewertung Diese Zahlen sind für einen Normalver- trägt zum Großteil aber die kleine Frau/ aus der Sicht unseres christlichen Men- braucher kaum vorstellbar, sie erzeugen der kleine Mann mit dem Verlust des schenbildes (Urteilen) wollen wir auch eher Unsicherheit und Angst. Oft wissen Arbeitsplatzes oder einem Einkommen Zeugnis von Menschen geben, die be- wir nicht, was wir davon halten sollen, ohne Auskommen. ginnen zu handeln. Ein Handeln, dass was kommt da auf uns zu, was können Nein: „Wir können (dürfen) nicht schwei- aus der Resignation führt und Mut macht wir – oder was müssen wir in dieser Si- gen über das, was wir gesehen und ge- zur Veränderung dieses unmenschlichen tuation tun. Unsicherheit und Angst, aber hört haben …“, wir dürfen uns befreien Systems. auch Unwissenheit, hemmen unser Tun, von den Meinungen dieser Experten und Ja, es gibt ein Leben neben Konsum bremsen unsere Handlungsbereitschaft. Finanzgurus, die uns Glauben machen und Wachstumswahn, und die Entschei- Diese Krise ist nicht nur eine Finanzkrise, wollen, die Weltwirtschaft müsse so sein dung „Gott oder Mammon“ ist noch die ein paar Banken oder Versicherun- wie sie ist. Es ist ein Muss, als KAB zu nicht endgültig zu Gunsten des Mam- gen betrifft, vielmehr handelt es sich hier diesem Thema Stellung zu beziehen. Wir mons gefallen. um eine Systemkrise – ein System, in sind uns bewusst, dass wir nicht DIE Lö- Herbert Kuri Inhalt SCHWERPUNKT Pensionen sind finanzierbar ... Severin Renoldner .............................. Seite 10 SERVICE Theologisches Aktien als Geldanlage Literaturliste, „Ihr könnt nicht Gott dienen ... Anonym ............................................... Seite 11 Termine ........................................... Seite 16 Edeltraud Artner-Papelitzky ................... Seite 3 Stell dir vor es ist Finanzkrise ... Klaus Svoboda .................................... Seite 12 IMPRESSUM: Der totale Markt und die Kommunikationsorgan der Kath. ArbeitnehmerInnen- systemische Gier ... Prekäre Arbeit trifft ... bewegung Oberösterreich (KAB/OÖ) Alleininhaberin, Herausgeberin und Redaktion: Josef Kiesenhofer ................................. Seite 4 Otto Singhuber ................................... Seite 12 Diözese Linz, KAB/OÖ, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz Zulassungsnummer: GZ02Z031831M „ANWN-Gesetz“ statt „Lassen Redaktionsteam: Gudrun Bernhard, Reinhard Gratzer, Wirtschaftskrise ... Sie Ihr Geld arbeiten“ Heinz Häubl ........................................ Seite 13 Otto Singhuber, Heinz Stricker, Heinz Mittermayr, Stephan Schulmeister ........................... Seite 5 Andreas Ullmann, Elisabeth Zarzer Titelbild: Edith und Kurt Rohrhofer Was mir durch den Kopf geht Fotoquelle: KAB OÖ, falls nicht anders angegeben Vom Aufstieg der Finanzmärkte Christa Krain ....................................... Seite 14 Korrektur: Claudia Höglinger attac .................................................. Seite 6–7 Layout: Renate Moser Herstellerin: Diözesandruckerei des Pastoralamtes, Neue Werte für die Wirtschaft Chuck und sein Gaul Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz Christian Felber .................................... Seite 7 Satire ............................................... Seite 14 Verlags- und Herstellungsort: Linz Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht Auf und Ab mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Was ist zu tun? Information-Diskussion: Für Mitarbeiterinnen und Mit- Reinhard Gratzer ............................... Seite 8–9 Gerald Roller ....................................... Seite 15 arbeiter, Freundinnen und Freunde der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung Oberösterreich. 2 Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09 2009-März_ID_Nr.219.indd 2 11.02.2009 11:55:03
Theologisches Schwerpunkt Edeltraud Artner-Papelitzky, Bereichsleiterin mensch & arbeit, Bad Großpertholz „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt 6,24) Das hört sich recht einfach an. Entweder das Eine oder das Andere, beides zusam- Es ist die Logik des Mangels und der Ab- men geht nicht. Aber was steckt hinter diesem Loyalitätskonflikt? Mammon bedeu- grenzung. tet Geld und Vermögenswerte. Aber ist Geld etwas an und für sich Schlechtes oder wann wird Geld zum Mammon, zum Götzen? Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit S chon Aristoteles hat festgestellt, dass Geld das einzige Gut sei, das unbe- grenzt hortbar und bis ins Unermessliche gelehrt, nicht jene in den Palästen. Die Menschen haben ihn verstanden. Da ist z. B. seine Geschichte vom reichen Korn- All dem stellt Jesus eine andere Logik vermehrbar ist. Durch seine Anhäufung bauern, der immer größere Scheunen gegenüber, die Logik der gemeinsamen haben wir Menschen offenbar das Gefühl baut, um Getreide zu horten (Lk 12,16ff). Sorge, am Gottes Reich und seiner Ge- ins Unendliche, ins Unsterbliche zu rei- Damit entzieht er es dem Markt und treibt rechtigkeit mitzuwirken. Diese Logik baut chen. den Preis künstlich hoch. In der realen auf Vertrauen und befreit. Sie wirkt hei- Geld ist Tauschmittel. In der aramäischen Welt, die die Menschen tagtäglich er- lend. Es ist die Logik der Fülle und Her- Wortwurzel hat „Mammon“ die Bedeutung fahren haben, starben die Armen, wenn einnahme. von „vertrauen“, von „zuverlässig sein“. Getreide unerschwinglich wurde. In der Die Gerechtigkeit Gottes richtet eine so- Erzählung Jesus ist es der Kornbauer, der lidarische Ordnung auf, die Bestand hat hinweggerafft wird, der Reiche, der stirbt. und in der Leben für alle in Würde und Zuverlässlich oder Göttliche Rache oder Balsam für neidige Freiheit möglich ist. trügerisch Ohren jener, die es Basis dafür ist eine andere Öko- nicht so weit gebracht nomie, die sich an dem Lebens- Manche unserer älteren MitbürgerInnen haben wie der reiche notwendigen, an der Grundver- kennen noch die Erfahrung der Geldent- Kornbauer? Oder sorgung und dem Gemeinwohl wertung in den 1930er-Jahren. Wir kennen lapidar die Feststel- orientiert. Statt uns nur noch als die Inflation in Form von Teuerungen bei lung, dass, wer sein KonsumentInnen zu verstehen, Mieten, Treibstoffen, bei Nahrungsmitteln. Streben und Tun dem sind wir in erster Linie BürgerIn- Andererseits wurden in den letzten Jahren Mammon verschreibt, nen. Demokratie bedeutet, dass Renditen in zweistelliger Höhe verspro- sein Leben dadurch die Macht vom Volk ausgehen chen. Wie wäre es mit 25 % Rendite pro verfehlt? muss und im Dienst aller steht. Jahr? Da zahlt es sich doch aus, Geld Es braucht Spielregeln, Normen, „anzulegen“ oder? Bei einem Wirtschafts- Oft war in letzter Zeit von Casinokapitalis- Vereinbarungen, die durchgesetzt werden. wachstum von z. B. 2,5 % im Jahr ist das mus die Rede. Lust am Spiel oder auch Auch die Bibel ist voll solcher Regelun- das 10fache. Wer begleicht die Differenz? ein Stück Spielsucht? Die Loyalität ge- gen wie Sabbat, Schutz der Witwen und genüber dem Mammon wird zur Sucht als Waisen, dem Lohn des Tagelöhners etc. Geld kann entwertet werden. Geld kann Ersatzbefriedigung und Zwangsmechanis- Wir wissen, wie leicht es ist, Ängste des vermehrt werden. Geld bietet Sicherheit. mus. Die vermeintliche Freiheit der Süch- „Zu-Kurz-Kommens“ zu schüren statt Er- Doch ist es nicht Illusion, bleibende Le- tigen führt letztlich zur Zerstörung ihrer fahrungen des „Genug“ zu ermöglichen. benssicherheit zu erkaufen? Das biblische selbst und häufig auch ihres Umfeldes. Bei Lernfeld für Solidarität zu ermöglichen ist Bild hierfür ist das Sammeln von vergäng- der Geldsucht sind jene, die zuschanden Auftrag an die Gemeinschaften, die sich lichen Schätzen. kommen, oft weit weg – Kinder, die wegen auf Jesus berufen. Wenn vermeintliche Si- Spekulationen auf Reis, Mais und Weizen cherheiten zusammenbrechen und Ideo- verhungern, Menschen, die um Hunger- logien ihre Plausibilität verlieren, braucht Mammon als Gott der löhne arbeiten, damit die Aktionäre ihre es unsere gegenseitige Stärkung. All jene, Marktlogik Rendite bekommen. Mammon ist der Gott die sich ohnmächtig fühlen, zornig sind, der Marktlogik, der Sachzwänge von An- oder einfach von einer lebenswerten Welt Wenn man Geld anhäuft um des Geldes gebot und Nachfrage. Ein Götze, wo Gier träumen, möchte ich einladen, in Grup- und seiner Vermehrung willen, wird Geld und Neid nicht Sünde, sondern Ansporn pen die Bibel zur Hand zu nehmen. Das zum Mammon. Wenn Profitmaximierung für wirtschaftliche „Cleverness“ sind. Doch sei unsere Vergewisserung in Zeiten der zum obersten Anspruch wird, ist es egal, Mammon ist nur scheinbar etwas, das ökonomischen, politischen und religiösen was oder unter welchen Bedingungen man besitzt. In Wirklichkeit ergreift es Be- Wirren. Dem Gott des Lebens zu dienen produziert wird. Es ist egal, auf wessen sitz von Menschen und Gesellschaften. und so für den Nächsten und damit auch Kosten Geld vermehrt wird. Es kommt Die Folge ist die Spaltung der Welt in für uns selbst zu sorgen, bedeutet, auch zu einem Götzendienst, dem Menschen die Besitzenden und die Besitzlosen, ist uns als Liebende zu erfahren. In der Loya- geopfert werden. die Unberührbarkeit durch das Elend der lität zu Gott erleben wir Würde und eine Jesus hat die Menschen auf der Straße anderen, ist die Verhärtung der Herzen … Freiheit, die mutig und lebendig macht. Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09 3 2009-März_ID_Nr.219.indd 3 11.02.2009 11:55:04
Schwerpunkt Umkehr durch Einsparungen bei der Allgemeinheit bis hin zur sekündlichen Ermordung durch Die einzige Chance, den todbringenden Hunger. Kapitalismus in die Schranken zu weisen, ist, ihn streng zu regeln. Kein Markt re- Es gibt also viel zu tun. Fangen wir an – es gelt sich selbst, sondern jeder Markt hat ist unsere „Kernaufgabe“ als Christen, wie Regeln und wenn er angeblich keine hat, es schon in einem Lied heißt: „Wir können dann herrscht das Gesetz des Stärkeren nicht schweigen über das was wir gese- – also auch eine Regel, die mit Mensch- hen und gehört haben und wer genau lichkeit, sozialem Wesen oder Christentum hinschaut wird viel sehen.“ nichts zu tun hat. Politik reagiert nur auf Druck. Es liegt also an uns, mehr Druck zu erzeugen als es die 10 Gebote (Lügen) des Neoliberalismus Kapitalinteressen tun. Zugegeben, das ist • Freiheit des Kapitals, der Waren, der Dienstleistungen, der Personen (Arbeits- nicht einfach, aber ich kenne keine andere kräfte), frei von demokratischer Regulierung. Möglichkeit, um Druck von unten zu erzeu- • Deregulierung – die unsichtbare Hand des Marktes wird alles lösen. gen, als sich zu organisieren. • Privat ist gut, Staat ist schlecht („Weniger Staat, mehr privat“). Widerstand auf allen Ebenen. Beginnend • Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. beim eigenen Alltag bis hin zur „großen • Flexibilität schafft Arbeitsplätze. Politik“. • Wachstum garantiert Wohlstand. • Wettbewerb (Konkurrenz) ist die einzige Triebfeder für Leistung. • Leistung ist messbar. Alltagswiderstand • Der Mensch ist Konsument und Kunde. Beispiele für persönlichen Widerstand • Eigenverantwortung – jeder ist seines Glückes Schmied. gibt’s unendlich viele und sie haben un- terschiedlich große Auswirkungen. Weg mit eigenen Aktien und der privaten Pen- sionsvorsorge, Unterstützung von Wider- Die Dreifaltigkeit des Neoliberalismus Liberalisierung – Deregulierung – Privatisierung standsbewegungen (KAB, Gewerkschaft, attac …), kritische Beteiligung in Gesprä- chen, kritischer (Medien)-Konsum, selbst- Wem nützt oder schadet verständliche Beteiligung an Kundgebun- • das Bankgeheimnis, die Tabuisierung des Themas Geld und das Verstecken von gen und Mailaktionen, Beschwerdemails Besitz und Vermögen? (-briefe) an den Rundfunk, Leserbriefe ... • das Geldverstecken und Geldwaschen in Steueroasen? • die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer? Ein wichtiger Stichtag wird der 2. April • die private Pensionsvorsorge? 2009. An diesem Tag werden die führen- • die niedrige bis kaum vorhandene Vermögensbesteuerung? den 20 Wirtschaftsnationen (G20) über die • der Spitzensteuersatz? weitere Vorgangsweise in Bezug auf die • das Spiel an den Börsen? Weltwirtschaftskrise beraten. Wenn es im Vorfeld nicht gelingt, den nötigen Druck zu Sicher nicht den „NormalverdienerInnen“ und schon gar nicht den Schwächeren, erzeugen, dann wird wohl nicht viel pas- sondern nur jenen, die etwas verbergen möchten. Hier stellt sich die Frage, warum sieren (vor allem, weil in der G20 der Bock wer etwas verbergen möchte? Schlechtes Gewissen, weil sie ihren Anteil an der zum Gärtner gemacht wird – die jeweiligen Communio nicht leisten? Länder sind durch ihre Finanzminister und Zentralbankchefs vertreten), außer dass weiterhin mit Steuergeldern (welches vor Weitere mögliche Forderungen: allem Geld der BürgerInnen ist) das Wei- • Auszahlungsstopp von Dividenden bei Inanspruchnahme der Staatsgarantie. terbestehen des Wahnsinns unterstützt • Verbot von (börsenkurs-) betriebsergebnisbezogenen Managementeinkommen. wird. Nicht einmal ein Auszahlungsstopp • Dynamische Einkommensbesteuerung bis zu 100 % (Brutto darf jede/r endlos viel von Dividenden bei Inanspruchnahme der „verdienen“, aber netto ist z. B. beim 30-fachen des Grundeinkommens – von dem Staatsgarantie ist im Gespräch. Es geht man Leben können muss – Schluss). also um die weltweite Reichenförderung Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09 9 2009-März_ID_Nr.219.indd 9 11.02.2009 11:55:11
Schwerpunkt Christa Krain, Hausfrau, Alberndorf Was mir durch den Kopf geht Am 31. Dezember 2008 sah ich um Mitternacht das gigantische Feuerwerk und ich dachte mir: „Haben wir nicht eine Wirtschaftskrise?“ HELLO – IS THIS T THE WAY TO THE BÖRSE? rotzdem wird in wenigen Minuten eine für mich unvorstellbare Menge Geld in den Wind „geschos- sen“ und der Handel freut sich über das enorm gute Weihnachts- und Silvestergeschäft. Mir scheint, durch die düsteren Prognosen für das kommende Jahr haben die Menschen das trügerische Gefühl, jetzt noch alles kaufen zu müssen, bevor sie es sich nicht mehr leisten können. Die Medien berichten täglich, wie hart das Jahr 2009 werden wird. Sorgenvoll betrachte ich die Prognose für die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr. Gott sei Dank hat mein Mann einen halbwegs sicheren Arbeitsplatz, das gibt mir Sicherheit für unsere Familie und ich kann Illustration: Gerhard Haderer mit bestem Gefühl zu Hause bleiben, um meine Zeit und Energie unseren drei Kindern zukommen zu las- sen. Somit spüre ich momentan persönlich die Finanz-/ Wirtschaftskrise noch nicht so direkt, andererseits hat „Chuck und sein Gaul“ oder: sie sich ja schleichend bereits seit Jahren angebahnt. „Wie das amerikanische Finanz-System Ein so profitorientiertes Wirtschaftssystem kann nicht von Dauer sein, es entsteht ein Ungleichgewicht. funktioniert“ Doch ich bin ein Teil dieses Systems – und ich kann Der junge Chuck will mit einer eigenen Ranch reich werden. Als Anfang mitgestalten indem ich z. B. noch konsequenter und kauft er einem Farmer ein Pferd ab. Er übergibt dem Farmer seine bewusster „konsumiere“. Ich ernte viele Lebensmittel ganzen 100,-- Dollar und dieser verspricht, ihm das Pferd am nächsten im eigenen Garten, kaufe regionale, biologische und fair gehandelte Produkte, kaufe Kleidung wenn möglich Tag zu liefern. Am nächsten Tag kommt der Farmer vorbei und teilt im Second Hand Shop, um Ressourcen an Rohstoffen Chuck eine schlechte Nachricht mit: „Es tut mir leid, Kleiner, aber das zu sparen. Doch befinde ich mich auch oft im Zwiespalt: Tier ist in der Nacht tot umgefallen.“ Meint Chuck: „Kein Problem. Gib Bei einer Jacke im Ausverkauf um nur Euro 12,-- freue mir einfach mein Geld zurück.“ „Geht nicht“, eröffnet ihm der Farmer. ich mich, günstig eingekauft zu haben. Aber wenn ich „Ich habe das Geld gestern bereits für Dünger ausgegeben.“ Chuck es mir recht überlege: Der lange Reißverschluss alleine überlegt kurz. „Na dann“, fängt er an, „nehme ich das tote Biest trotz- kostet normal schon mehr – also auf welche Kosten dem.“ „Wozu denn?“ fragt der Farmer. „Ich will es verlosen“, erklärt leben wir „Reichen“? ihm Chuck. „Du kannst doch kein totes Pferd verlosen!“, staunt der Farmer. Doch Chuck antwortet: „Kein Problem! Ich erzähl‘ einfach kei- Diese Ungerechtigkeit, dass einige wenige reiche Län- nem, dass es schon tot ist ...“ Monate später laufen sich Chuck – fein der auf Kosten vieler ausgebeuteter Staaten leben, in Anzug und schicken Schuhen – und der Farmer in der Stadt über bringt keinen Frieden, und wenn wir nichts ändern, den Weg. Fragt der Farmer: „Chuck! Wie lief‘s denn mit der Verlosung eine ökologische Katastrophe noch dazu. Unser Wirt- des Pferdekadavers?“ „Spitze“, erzählt ihm Chuck. „Ich habe über 500 schaftssystem muss sich grundlegend ändern. Lose zu je 2,-- Dollar verkauft und meine ersten 1.000,-- Dollar Profit gemacht.“ „Ja ... gab‘s denn keine Reklamationen?“ „Doch – vom Meine eigenen Handlungen und bewussten Entschei- Gewinner“, sagt Chuck. „Dem habe ich dann einfach seine 2,-- Dollar dungen kommen mir zwar oft wie ein Tropfen auf den zurückgegeben.“ Heute verkauft Chuck strukturierte Finanzprodukte heißen Stein vor, doch ich gebe die Hoffnung nicht bei einer Investmentbank. auf, dass jede/r in ihrem/seinem Wirkungsbereich die Zukunft positiv verändern kann. 14 Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09 2009-März_ID_Nr.219.indd 14 11.02.2009 11:55:17
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