Sonderausgabe zur Finanz- und Wirtschaftskrise - Nummer 219 März 2009

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Nummer 219 · März 2009

        Sonderausgabe zur Finanz- und Wirtschaftskrise

        Für MitarbeiterInnen, Freundinnen und Freunde der
        Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung Oberösterreich

8292_Inf_Disk.indd 1                                                                  11.02.2009 15:11:26 Uhr
Vorwort
        Schwerpunkt
                                                                                                                     Herbert Kuri, Gallneukirchen
                                                                                                                        Vorsitzender der KABOÖ

      Liebe Freundinnen und Freunde der KAB!

      Täglich werden wir mit neuen Mel-                                     dem das Geld die Oberhand gegenüber                               sung haben oder die alleinigen Weisen
      dungen zur Finanzkrise konfrontiert.                                  dem Menschen gewonnen hat.                                        sind, aber wir glauben an die Würde des
      Die Zahlen, die dabei genannt wer-                                    Ja, Geld regiert die Welt und alles wirt-                         Menschen, die Göttlichkeit der Schöp-
      den, gehen in das Unvorstellbare: 700                                 schaftliche, politische und ökologische                           fung und an die Zusage Jesu einer neuen,
      Mrd. Dollar (700.000.000.000,--) Ret-                                 Handeln hat sich diesem Grundsatz un-                             gerechteren Welt. Gespeist von dieser
      tungspaket in den USA, 100 Mrd. Euro                                  terworfen. Der Mensch ist weit nach hin-                          Zuversicht, haben wir uns zu dieser
      (100.000.000.000,--) Rettungspaket in                                 ten gereiht, als Kostenfaktor, als bloße                          Sondernummer entschlossen.
      Österreich (obwohl das Jahresbudget                                   Arbeitskraft, der man sich jederzeit entle-                       Geleitet von unserer vertrauten Methode
      der Republik Österreich gerade 70 Mrd.                                digen kann, oder als Sozialschmarotzer.                           „Sehen-Urteilen-Handeln“, wollen wir
      ist), 2 Billionen (2.000.000.000.000,--)                              Die Auswirkungen dieser von Gier und                              dem Thema näher kommen. Über die
      Verlust an den Börsen, und, und, und ...                              Habsucht geprägten Wirtschaftsordnung                             Information (Sehen) und die Bewertung
      Diese Zahlen sind für einen Normalver-                                trägt zum Großteil aber die kleine Frau/                          aus der Sicht unseres christlichen Men-
      braucher kaum vorstellbar, sie erzeugen                               der kleine Mann mit dem Verlust des                               schenbildes (Urteilen) wollen wir auch
      eher Unsicherheit und Angst. Oft wissen                               Arbeitsplatzes oder einem Einkommen                               Zeugnis von Menschen geben, die be-
      wir nicht, was wir davon halten sollen,                               ohne Auskommen.                                                   ginnen zu handeln. Ein Handeln, dass
      was kommt da auf uns zu, was können                                   Nein: „Wir können (dürfen) nicht schwei-                          aus der Resignation führt und Mut macht
      wir – oder was müssen wir in dieser Si-                               gen über das, was wir gesehen und ge-                             zur Veränderung dieses unmenschlichen
      tuation tun. Unsicherheit und Angst, aber                             hört haben …“, wir dürfen uns befreien                            Systems.
      auch Unwissenheit, hemmen unser Tun,                                  von den Meinungen dieser Experten und                             Ja, es gibt ein Leben neben Konsum
      bremsen unsere Handlungsbereitschaft.                                 Finanzgurus, die uns Glauben machen                               und Wachstumswahn, und die Entschei-
      Diese Krise ist nicht nur eine Finanzkrise,                           wollen, die Weltwirtschaft müsse so sein                          dung „Gott oder Mammon“ ist noch
      die ein paar Banken oder Versicherun-                                 wie sie ist. Es ist ein Muss, als KAB zu                          nicht endgültig zu Gunsten des Mam-
      gen betrifft, vielmehr handelt es sich hier                           diesem Thema Stellung zu beziehen. Wir                            mons gefallen.
      um eine Systemkrise – ein System, in                                  sind uns bewusst, dass wir nicht DIE Lö-                          Herbert Kuri

        Inhalt

                   SCHWERPUNKT                                              Pensionen sind finanzierbar ...
                                                                            Severin Renoldner .............................. Seite 10
                                                                                                                                                                 SERVICE
       Theologisches                                                        Aktien als Geldanlage                                             Literaturliste,
       „Ihr könnt nicht Gott dienen ...                                     Anonym ............................................... Seite 11
                                                                                                                                              Termine ........................................... Seite 16
       Edeltraud Artner-Papelitzky ................... Seite 3
                                                                            Stell dir vor es ist Finanzkrise ...
                                                                            Klaus Svoboda .................................... Seite 12       IMPRESSUM:
       Der totale Markt und die                                                                                                               Kommunikationsorgan der Kath. ArbeitnehmerInnen-
       systemische Gier ...                                                 Prekäre Arbeit trifft ...
                                                                                                                                              bewegung Oberösterreich (KAB/OÖ)
                                                                                                                                              Alleininhaberin, Herausgeberin und Redaktion:
       Josef Kiesenhofer ................................. Seite 4
                                                                            Otto Singhuber ................................... Seite 12       Diözese Linz, KAB/OÖ, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz
                                                                                                                                              Zulassungsnummer: GZ02Z031831M
       „ANWN-Gesetz“ statt „Lassen                                                                                                            Redaktionsteam: Gudrun Bernhard, Reinhard Gratzer,
                                                                            Wirtschaftskrise ...
       Sie Ihr Geld arbeiten“                                               Heinz Häubl ........................................ Seite 13
                                                                                                                                              Otto Singhuber, Heinz Stricker, Heinz Mittermayr,
       Stephan Schulmeister ........................... Seite 5                                                                               Andreas Ullmann, Elisabeth Zarzer
                                                                                                                                              Titelbild: Edith und Kurt Rohrhofer
                                                                            Was mir durch den Kopf geht                                       Fotoquelle: KAB OÖ, falls nicht anders angegeben
       Vom Aufstieg der Finanzmärkte                                        Christa Krain ....................................... Seite 14    Korrektur: Claudia Höglinger
       attac .................................................. Seite 6–7                                                                     Layout: Renate Moser
                                                                                                                                              Herstellerin: Diözesandruckerei des Pastoralamtes,
       Neue Werte für die Wirtschaft                                        Chuck und sein Gaul                                               Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz
       Christian Felber .................................... Seite 7        Satire ............................................... Seite 14   Verlags- und Herstellungsort: Linz
                                                                                                                                              Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht
                                                                            Auf und Ab                                                        mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.
       Was ist zu tun?                                                                                                                        Information-Diskussion: Für Mitarbeiterinnen und Mit-
       Reinhard Gratzer ............................... Seite 8–9           Gerald Roller ....................................... Seite 15    arbeiter, Freundinnen und Freunde der Katholischen
                                                                                                                                              ArbeitnehmerInnenbewegung Oberösterreich.

        2                                                                                                                          Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09

2009-März_ID_Nr.219.indd 2                                                                                                                                                                    11.02.2009 11:55:03
Theologisches
                                                                                                                  Schwerpunkt
                                 Edeltraud Artner-Papelitzky,
                                 Bereichsleiterin mensch & arbeit, Bad Großpertholz

                                 „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem
                                 Mammon.“ (Mt 6,24)
      Das hört sich recht einfach an. Entweder das Eine oder das Andere, beides zusam-             Es ist die Logik des Mangels und der Ab-
      men geht nicht. Aber was steckt hinter diesem Loyalitätskonflikt? Mammon bedeu-              grenzung.
      tet Geld und Vermögenswerte. Aber ist Geld etwas an und für sich Schlechtes oder
      wann wird Geld zum Mammon, zum Götzen?
                                                                                                   Das Reich Gottes und
                                                                                                   seine Gerechtigkeit
      S   chon Aristoteles hat festgestellt, dass
          Geld das einzige Gut sei, das unbe-
      grenzt hortbar und bis ins Unermessliche
                                                    gelehrt, nicht jene in den Palästen. Die
                                                    Menschen haben ihn verstanden. Da ist
                                                    z. B. seine Geschichte vom reichen Korn-       All dem stellt Jesus eine andere Logik
      vermehrbar ist. Durch seine Anhäufung         bauern, der immer größere Scheunen             gegenüber, die Logik der gemeinsamen
      haben wir Menschen offenbar das Gefühl        baut, um Getreide zu horten (Lk 12,16ff).      Sorge, am Gottes Reich und seiner Ge-
      ins Unendliche, ins Unsterbliche zu rei-      Damit entzieht er es dem Markt und treibt      rechtigkeit mitzuwirken. Diese Logik baut
      chen.                                         den Preis künstlich hoch. In der realen        auf Vertrauen und befreit. Sie wirkt hei-
      Geld ist Tauschmittel. In der aramäischen     Welt, die die Menschen tagtäglich er-          lend. Es ist die Logik der Fülle und Her-
      Wortwurzel hat „Mammon“ die Bedeutung         fahren haben, starben die Armen, wenn          einnahme.
      von „vertrauen“, von „zuverlässig sein“.      Getreide unerschwinglich wurde. In der         Die Gerechtigkeit Gottes richtet eine so-
                                                    Erzählung Jesus ist es der Kornbauer, der      lidarische Ordnung auf, die Bestand hat
                                                    hinweggerafft wird, der Reiche, der stirbt.    und in der Leben für alle in Würde und
      Zuverlässlich oder                            Göttliche Rache oder Balsam für neidige        Freiheit möglich ist.
      trügerisch                                    Ohren jener, die es                                       Basis dafür ist eine andere Öko-
                                                    nicht so weit gebracht                                    nomie, die sich an dem Lebens-
      Manche unserer älteren MitbürgerInnen         haben wie der reiche                                      notwendigen, an der Grundver-
      kennen noch die Erfahrung der Geldent-        Kornbauer?       Oder                                     sorgung und dem Gemeinwohl
      wertung in den 1930er-Jahren. Wir kennen      lapidar die Feststel-                                     orientiert. Statt uns nur noch als
      die Inflation in Form von Teuerungen bei      lung, dass, wer sein                                      KonsumentInnen zu verstehen,
      Mieten, Treibstoffen, bei Nahrungsmitteln.    Streben und Tun dem                                       sind wir in erster Linie BürgerIn-
      Andererseits wurden in den letzten Jahren     Mammon verschreibt,                                       nen. Demokratie bedeutet, dass
      Renditen in zweistelliger Höhe verspro-       sein Leben dadurch                                        die Macht vom Volk ausgehen
      chen. Wie wäre es mit 25 % Rendite pro        verfehlt?                                                 muss und im Dienst aller steht.
      Jahr? Da zahlt es sich doch aus, Geld                                                                   Es braucht Spielregeln, Normen,
      „anzulegen“ oder? Bei einem Wirtschafts-      Oft war in letzter Zeit von Casinokapitalis-   Vereinbarungen, die durchgesetzt werden.
      wachstum von z. B. 2,5 % im Jahr ist das      mus die Rede. Lust am Spiel oder auch          Auch die Bibel ist voll solcher Regelun-
      das 10fache. Wer begleicht die Differenz?     ein Stück Spielsucht? Die Loyalität ge-        gen wie Sabbat, Schutz der Witwen und
                                                    genüber dem Mammon wird zur Sucht als          Waisen, dem Lohn des Tagelöhners etc.
      Geld kann entwertet werden. Geld kann         Ersatzbefriedigung und Zwangsmechanis-         Wir wissen, wie leicht es ist, Ängste des
      vermehrt werden. Geld bietet Sicherheit.      mus. Die vermeintliche Freiheit der Süch-      „Zu-Kurz-Kommens“ zu schüren statt Er-
      Doch ist es nicht Illusion, bleibende Le-     tigen führt letztlich zur Zerstörung ihrer     fahrungen des „Genug“ zu ermöglichen.
      benssicherheit zu erkaufen? Das biblische     selbst und häufig auch ihres Umfeldes. Bei     Lernfeld für Solidarität zu ermöglichen ist
      Bild hierfür ist das Sammeln von vergäng-     der Geldsucht sind jene, die zuschanden        Auftrag an die Gemeinschaften, die sich
      lichen Schätzen.                              kommen, oft weit weg – Kinder, die wegen       auf Jesus berufen. Wenn vermeintliche Si-
                                                    Spekulationen auf Reis, Mais und Weizen        cherheiten zusammenbrechen und Ideo-
                                                    verhungern, Menschen, die um Hunger-           logien ihre Plausibilität verlieren, braucht
      Mammon als Gott der                           löhne arbeiten, damit die Aktionäre ihre       es unsere gegenseitige Stärkung. All jene,
      Marktlogik                                    Rendite bekommen. Mammon ist der Gott          die sich ohnmächtig fühlen, zornig sind,
                                                    der Marktlogik, der Sachzwänge von An-         oder einfach von einer lebenswerten Welt
      Wenn man Geld anhäuft um des Geldes           gebot und Nachfrage. Ein Götze, wo Gier        träumen, möchte ich einladen, in Grup-
      und seiner Vermehrung willen, wird Geld       und Neid nicht Sünde, sondern Ansporn          pen die Bibel zur Hand zu nehmen. Das
      zum Mammon. Wenn Profitmaximierung            für wirtschaftliche „Cleverness“ sind. Doch    sei unsere Vergewisserung in Zeiten der
      zum obersten Anspruch wird, ist es egal,      Mammon ist nur scheinbar etwas, das            ökonomischen, politischen und religiösen
      was oder unter welchen Bedingungen            man besitzt. In Wirklichkeit ergreift es Be-   Wirren. Dem Gott des Lebens zu dienen
      produziert wird. Es ist egal, auf wessen      sitz von Menschen und Gesellschaften.          und so für den Nächsten und damit auch
      Kosten Geld vermehrt wird. Es kommt           Die Folge ist die Spaltung der Welt in         für uns selbst zu sorgen, bedeutet, auch
      zu einem Götzendienst, dem Menschen           die Besitzenden und die Besitzlosen, ist       uns als Liebende zu erfahren. In der Loya-
      geopfert werden.                              die Unberührbarkeit durch das Elend der        lität zu Gott erleben wir Würde und eine
      Jesus hat die Menschen auf der Straße         anderen, ist die Verhärtung der Herzen …       Freiheit, die mutig und lebendig macht.

        Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09                                                                                               3

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Schwerpunkt

      Umkehr                                          durch Einsparungen bei der Allgemeinheit
                                                      bis hin zur sekündlichen Ermordung durch
      Die einzige Chance, den todbringenden           Hunger.
      Kapitalismus in die Schranken zu weisen,
      ist, ihn streng zu regeln. Kein Markt re-       Es gibt also viel zu tun. Fangen wir an – es
      gelt sich selbst, sondern jeder Markt hat       ist unsere „Kernaufgabe“ als Christen, wie
      Regeln und wenn er angeblich keine hat,         es schon in einem Lied heißt: „Wir können
      dann herrscht das Gesetz des Stärkeren          nicht schweigen über das was wir gese-
      – also auch eine Regel, die mit Mensch-         hen und gehört haben und wer genau
      lichkeit, sozialem Wesen oder Christentum       hinschaut wird viel sehen.“
      nichts zu tun hat.

      Politik reagiert nur auf Druck. Es liegt also
      an uns, mehr Druck zu erzeugen als es die        10 Gebote (Lügen) des Neoliberalismus
      Kapitalinteressen tun. Zugegeben, das ist        •    Freiheit des Kapitals, der Waren, der Dienstleistungen, der Personen (Arbeits-
      nicht einfach, aber ich kenne keine andere            kräfte), frei von demokratischer Regulierung.
      Möglichkeit, um Druck von unten zu erzeu-        •    Deregulierung – die unsichtbare Hand des Marktes wird alles lösen.
      gen, als sich zu organisieren.                   •    Privat ist gut, Staat ist schlecht („Weniger Staat, mehr privat“).
      Widerstand auf allen Ebenen. Beginnend           •    Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten.
      beim eigenen Alltag bis hin zur „großen          •    Flexibilität schafft Arbeitsplätze.
      Politik“.                                        •    Wachstum garantiert Wohlstand.
                                                       •    Wettbewerb (Konkurrenz) ist die einzige Triebfeder für Leistung.
                                                       •    Leistung ist messbar.
      Alltagswiderstand                                •    Der Mensch ist Konsument und Kunde.
      Beispiele für persönlichen Widerstand            •    Eigenverantwortung – jeder ist seines Glückes Schmied.
      gibt’s unendlich viele und sie haben un-
      terschiedlich große Auswirkungen. Weg
      mit eigenen Aktien und der privaten Pen-
      sionsvorsorge, Unterstützung von Wider-
                                                       Die Dreifaltigkeit des Neoliberalismus
                                                       Liberalisierung – Deregulierung – Privatisierung
      standsbewegungen (KAB, Gewerkschaft,
      attac …), kritische Beteiligung in Gesprä-
      chen, kritischer (Medien)-Konsum, selbst-        Wem nützt oder schadet
      verständliche Beteiligung an Kundgebun-          • das Bankgeheimnis, die Tabuisierung des Themas Geld und das Verstecken von
      gen und Mailaktionen, Beschwerdemails              Besitz und Vermögen?
      (-briefe) an den Rundfunk, Leserbriefe ...       • das Geldverstecken und Geldwaschen in Steueroasen?
                                                       • die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer?
      Ein wichtiger Stichtag wird der 2. April         • die private Pensionsvorsorge?
      2009. An diesem Tag werden die führen-           • die niedrige bis kaum vorhandene Vermögensbesteuerung?
      den 20 Wirtschaftsnationen (G20) über die        • der Spitzensteuersatz?
      weitere Vorgangsweise in Bezug auf die           • das Spiel an den Börsen?
      Weltwirtschaftskrise beraten. Wenn es im
      Vorfeld nicht gelingt, den nötigen Druck zu      Sicher nicht den „NormalverdienerInnen“ und schon gar nicht den Schwächeren,
      erzeugen, dann wird wohl nicht viel pas-         sondern nur jenen, die etwas verbergen möchten. Hier stellt sich die Frage, warum
      sieren (vor allem, weil in der G20 der Bock      wer etwas verbergen möchte? Schlechtes Gewissen, weil sie ihren Anteil an der
      zum Gärtner gemacht wird – die jeweiligen        Communio nicht leisten?
      Länder sind durch ihre Finanzminister und
      Zentralbankchefs vertreten), außer dass
      weiterhin mit Steuergeldern (welches vor         Weitere mögliche Forderungen:
      allem Geld der BürgerInnen ist) das Wei-         • Auszahlungsstopp von Dividenden bei Inanspruchnahme der Staatsgarantie.
      terbestehen des Wahnsinns unterstützt            • Verbot von (börsenkurs-) betriebsergebnisbezogenen Managementeinkommen.
      wird. Nicht einmal ein Auszahlungsstopp          • Dynamische Einkommensbesteuerung bis zu 100 % (Brutto darf jede/r endlos viel
      von Dividenden bei Inanspruchnahme der             „verdienen“, aber netto ist z. B. beim 30-fachen des Grundeinkommens – von dem
      Staatsgarantie ist im Gespräch. Es geht            man Leben können muss – Schluss).
      also um die weltweite Reichenförderung

        Information – Diskussion Nr. 219 / 03-09                                                                                           9

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Schwerpunkt
                                                                                               Christa Krain,
                                                                                         Hausfrau, Alberndorf

                                                                                              Was mir durch den
                                                                                                      Kopf geht
                                                                                       Am 31. Dezember 2008 sah ich um Mitternacht das
                                                                                       gigantische Feuerwerk und ich dachte mir: „Haben
                                                                                       wir nicht eine Wirtschaftskrise?“
                                            HELLO – IS THIS

                                                                                       T
                                            THE WAY TO THE
                                                BÖRSE?                                     rotzdem wird in wenigen Minuten eine für mich
                                                                                           unvorstellbare Menge Geld in den Wind „geschos-
                                                                                       sen“ und der Handel freut sich über das enorm gute
                                                                                       Weihnachts- und Silvestergeschäft. Mir scheint, durch
                                                                                       die düsteren Prognosen für das kommende Jahr haben
                                                                                       die Menschen das trügerische Gefühl, jetzt noch alles
                                                                                       kaufen zu müssen, bevor sie es sich nicht mehr leisten
                                                                                       können.

                                                                                       Die Medien berichten täglich, wie hart das Jahr 2009
                                                                                       werden wird. Sorgenvoll betrachte ich die Prognose für
                                                                                       die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr. Gott sei Dank
                                                                                       hat mein Mann einen halbwegs sicheren Arbeitsplatz,
                                                                                       das gibt mir Sicherheit für unsere Familie und ich kann
                                                       Illustration: Gerhard Haderer   mit bestem Gefühl zu Hause bleiben, um meine Zeit
                                                                                       und Energie unseren drei Kindern zukommen zu las-
                                                                                       sen. Somit spüre ich momentan persönlich die Finanz-/
                                                                                       Wirtschaftskrise noch nicht so direkt, andererseits hat
         „Chuck und sein Gaul“ oder:                                                   sie sich ja schleichend bereits seit Jahren angebahnt.
         „Wie das amerikanische Finanz-System                                          Ein so profitorientiertes Wirtschaftssystem kann nicht
                                                                                       von Dauer sein, es entsteht ein Ungleichgewicht.
         funktioniert“
                                                                                       Doch ich bin ein Teil dieses Systems – und ich kann
         Der junge Chuck will mit einer eigenen Ranch reich werden. Als Anfang         mitgestalten indem ich z. B. noch konsequenter und
         kauft er einem Farmer ein Pferd ab. Er übergibt dem Farmer seine              bewusster „konsumiere“. Ich ernte viele Lebensmittel
         ganzen 100,-- Dollar und dieser verspricht, ihm das Pferd am nächsten         im eigenen Garten, kaufe regionale, biologische und
                                                                                       fair gehandelte Produkte, kaufe Kleidung wenn möglich
         Tag zu liefern. Am nächsten Tag kommt der Farmer vorbei und teilt
                                                                                       im Second Hand Shop, um Ressourcen an Rohstoffen
         Chuck eine schlechte Nachricht mit: „Es tut mir leid, Kleiner, aber das
                                                                                       zu sparen. Doch befinde ich mich auch oft im Zwiespalt:
         Tier ist in der Nacht tot umgefallen.“ Meint Chuck: „Kein Problem. Gib
                                                                                       Bei einer Jacke im Ausverkauf um nur Euro 12,-- freue
         mir einfach mein Geld zurück.“ „Geht nicht“, eröffnet ihm der Farmer.
                                                                                       ich mich, günstig eingekauft zu haben. Aber wenn ich
         „Ich habe das Geld gestern bereits für Dünger ausgegeben.“ Chuck
                                                                                       es mir recht überlege: Der lange Reißverschluss alleine
         überlegt kurz. „Na dann“, fängt er an, „nehme ich das tote Biest trotz-
                                                                                       kostet normal schon mehr – also auf welche Kosten
         dem.“ „Wozu denn?“ fragt der Farmer. „Ich will es verlosen“, erklärt
                                                                                       leben wir „Reichen“?
         ihm Chuck. „Du kannst doch kein totes Pferd verlosen!“, staunt der
         Farmer. Doch Chuck antwortet: „Kein Problem! Ich erzähl‘ einfach kei-         Diese Ungerechtigkeit, dass einige wenige reiche Län-
         nem, dass es schon tot ist ...“ Monate später laufen sich Chuck – fein        der auf Kosten vieler ausgebeuteter Staaten leben,
         in Anzug und schicken Schuhen – und der Farmer in der Stadt über              bringt keinen Frieden, und wenn wir nichts ändern,
         den Weg. Fragt der Farmer: „Chuck! Wie lief‘s denn mit der Verlosung          eine ökologische Katastrophe noch dazu. Unser Wirt-
         des Pferdekadavers?“ „Spitze“, erzählt ihm Chuck. „Ich habe über 500          schaftssystem muss sich grundlegend ändern.
         Lose zu je 2,-- Dollar verkauft und meine ersten 1.000,-- Dollar Profit
         gemacht.“ „Ja ... gab‘s denn keine Reklamationen?“ „Doch – vom                Meine eigenen Handlungen und bewussten Entschei-
         Gewinner“, sagt Chuck. „Dem habe ich dann einfach seine 2,-- Dollar           dungen kommen mir zwar oft wie ein Tropfen auf den
         zurückgegeben.“ Heute verkauft Chuck strukturierte Finanzprodukte             heißen Stein vor, doch ich gebe die Hoffnung nicht
         bei einer Investmentbank.                                                     auf, dass jede/r in ihrem/seinem Wirkungsbereich die
                                                                                       Zukunft positiv verändern kann.

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