SPECHTE AM MEISENKNÖDEL - Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner (Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus - Ernst Barlach ...

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SPECHTE AM MEISENKNÖDEL - Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner (Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus - Ernst Barlach ...
SPECHTE AM MEISENKNÖDEL
Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner
(Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus
SPECHTE AM MEISENKNÖDEL - Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner (Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus - Ernst Barlach ...
AUSGESTELLTE WERKE

Vor dem Museum Nikola Hausen, Sander Schaper, Fidelia Schäftlein
und Larah Stieper: Litfaßsäule, 2021, Stein, Holz, Metall // Gamze Arslan,
Nora Berndt, Hannah Bohnen, Lisa Friedrichs-Dachale, Nikola Hausen,
Max Holzer, Lisa Karnauke, Lilian Nachtigall, Fidelia Schäftlein, Oskar
Schroeder, Larah Stieper und Alina Studt: Plakate, 2021

Kasse Benedikt Lübcke: open end, 2020/21, Visitenkarten mit Telefon-
nummern, Audiospur (15 Min.) Kino Anne Nitzpan: dead garden legend,
2020/21, 2-Kanal-Video (10 Min.) Café Anne Nitzpan und Benedikt
Lübcke: textnotes to fellow birds, 2021, Birdpen, Windowcolor

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SPECHTE AM MEISENKNÖDEL - Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner (Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus - Ernst Barlach ...
1 Marissa Wittenhagen: Aufbau und Zusammenfall, 2020, Kies, Splitt,
Klebstoff, Pappe 2 und Lisa Friedrichs-Dachale, Annemarie Jessen und
Anne Nitzpan: Chamaechorie, 2020/21, Teppiche 3 (Atrium) Leandra
Bigale, Melina Bigale, Ana Gomez, Lisa Karnauke, Benedikt Lübcke und
Lilian Nachtigall: VSG Foulard, 2020/21, Windschutzscheiben, Lasten-
kran, Stahl, Schrauben 4 (Atrium) Elisabeth Wagner: Klunker, 2017–20,
bemalte Pappe 5 Nikolai Renée Goldmann: Exhale [Screaming With
Your Mouth Shut], 2020, Tieftöner, Multiplex, Spiegel, Teppich, Spann-
gurte 6 Sander Wolfgang Schaper: Betackert, 2020, Holz, Tackernadeln
7 Lilian Nachtigall: Paris, Montparnasse 1993, 2020, Aquarelle 8 Côme
Ferrasse: Foto[d‘]apparat, 2021, Keramik, Stativ 9 Côme Ferrasse: Kein
Signal, 2021, teils glasierte Keramik, Stoff 10 Constantin Schröder:
Gulliver, 2019, 2-Kanal-Videoinstallation (24 Min.) 11 Benedikt Lübcke:
Aplomb, 2020/21, Gips, Spitzenschuh 12 Hannah Bohnen: Obsession,
2020, lackiertes MDF 13 Regine Schulz: formation, 2021, Zement, Stahl
14 Marissa Wittenhagen: Umbauten, 2019, Draht, Jute, Gips 15 Lilian
Nachtigall: Räumung, 2020, Beton, Stahl, Pappe, Gurt 16 Melina Bigale:
Hammer, 2018, Fotografien 17 Melina Bigale: o. T., 2015, Videoloop (10
Min.), Fernseher 18 Melina Bigale: Einfriedung, 2021, Thuja 19 Elisa-
beth Wagner: Schwimmende Hunde, 1980, bemalte Pappe 20 Anne-
marie Jessen: Ohne Tisch, 2020, Baumwollgaze, Latex, Faden 21 Niko-
lai Renée Goldmann: Passé, 2020, Kette, Roboterarm, Florett, Steuerein
heit 22 Benedikt Lübcke: Samstag, 2020, Lüftungsgitter, Extensions
23 Oskar Schroeder: Applikate, 2021, Stuckmarmor, Beton, Sperrholz
24 Constantin Schröder: Schach, 2017, Dachlatten, Kokosseil, Draht,
Müllbeutel, Klebeband, Sprühlack, Bauschaum

25–37 Ernst Barlach: 25 Der Dorfgeiger, 1914, Eiche 26 Der Durstige,
1933, Mahagoni 27 Moses, 1919, Eiche 28 Der Berserker, 1910, Italie-
nischer Nussbaum 29 Der Schwertzieher, 1911, Eiche 30 Die Flamme,
1934, Eiche 31 Das Wiedersehen, 1926, Sapeli-Mahagoni 32 Der
Asket, 1925, Nussbaum 33 Gruwelmann, 1908, Kiefer 34 Tot im Leben,
1926, Makassar 35 Verhüllte Bettlerin, 1919, Nussbaum 36 Frierendes
Mädchen, 1917, Mooreiche 37 Weinende Frau, 1923, Linde
Spechte
                                                                                 Spechte
                                                                               trommeln,
                                                                              trommeln,
                                                           picken knurrend an die Wände.
                                                          picken knurrend an die Wände.
                                                          Sie hämmern nicht an der Form,
                                                         Sie hämmern nicht an der Form,
                                                                   um sie zu modellieren,
                                                                  um sie zu modellieren,
                                                            sondern weil sie hungrig sind.
                                                           sondern weil sie hungrig sind.

 Ostfries / Nordfries (Detail: Ostfries), 2021, digitale Fotocollage von Gamze Arslan, Lisa Friedrichs-
 Dachale,
Ostfries    Nikolai Renée
         / Nordfries      Goldmann,
                     (Detail:            Ana Gomez,
                              Ostfries), 2021, digitaleNikola Hausenvon
                                                        Fotocollage   und Benedikt
                                                                        Gamze      Lübcke
                                                                               Arslan, Lisa Friedrichs-
Dachale, Nikolai Renée Goldmann, Ana Gomez, Nikola Hausen und Benedikt Lübcke

 Sind Spechte die Bildhauer unter den Vögeln? Die Künstlerin Elisabeth
Sind Spechte die Bildhauer unter den Vögeln? Die Künstlerin Elisabeth
 Wagner, Professorin an der Muthesius Kunsthochschule Kiel, nimmt im
Wagner, Professorin an der Muthesius Kunsthochschule Kiel, nimmt im
 Frühjahr 2021 mit ihrer Bildhauereiklasse Kurs auf den Hamburger
Frühjahr 2021 mit ihrer Bildhauereiklasse Kurs auf den Hamburger
 Jenischpark und klopft beim Ernst Barlach Haus an. Mehr als zwanzig
Jenischpark und klopft beim Ernst Barlach Haus an. Mehr als zwanzig
 junge Künstlerinnen und Künstler präsentieren neue, teils eigens für
junge Künstlerinnen und Künstler präsentieren neue, teils eigens für
 diesen Ort geschaffene Einzel- und Gruppenarbeiten. Zwischen Aquarell-
diesen Ort geschaffene Einzel- und Gruppenarbeiten. Zwischen Aquarell-
 malerei und Zementskulptur, Audiotapes und Windschutzscheiben steckt
malerei und Zementskulptur, Audiotapes und Windschutzscheiben steckt
 der Parcours ein weites Feld heutiger Bildhauerei ab: ideenreich, über-
der Parcours ein weites Feld heutiger Bildhauerei ab: ideenreich, über-
 raschend und gewitzt, materialbetont und mit Sinn für Übersinnliches –
raschend und gewitzt, materialbetont und mit Sinn für Übersinnliches –
 Kontaktaufnahmen mit Barlach nicht ausgeschlossen!
Kontaktaufnahmen mit Barlach nicht ausgeschlossen!
Seinen Anfang nahm das Projekt Spechte am Meisenknödel als Beitrag
zu einem Jubiläumsprogramm im Jahr 2020: Zum 150. Geburtstag seines
»Hauskünstlers« wünschte sich das Ernst Barlach Haus einen doppelt
frischen Blick auf den expressionistischen Altmeister und die Institution
»Künstlermuseum«. Studierende der Kunstgeschichte an der Universität
Hamburg sollten die Barlach-Schau »Werden, das ist die Losung!« kura-
tieren, Studierende der Bildhauerei an der Muthesius Kunsthochschule
Kiel das Museum wenige Monate später mit eigenen Werken bespielen.
Während »Werden, das ist die Losung!« bis März 2020 mit großem Erfolg
gezeigt werden konnte, brachte Corona eine Zwangspause für die
Spechte. Nun sind sie voller Elan an den Start gegangen. Dabei ist der
bereits 2019 gewählte Ausstellungstitel Spechte am Meisenknödel nicht
nur in seiner witzig paradoxen Zusammenführung verschiedener Sphären
und seinem Gestus beherzter Vereinnahmung Programm, sondern auch
in seiner (durch Corona gesteigerten) Dringlichkeit: Es geht um den
Hunger nach Kultur, um Kunst als Lebensmittel und Energiequelle.

Experimentierlust im Umgang mit Material und Raum, neugieriges
Suchen und freudiges Finden setzen den Grundton der Spechte-Schau.
Das Umfeld dafür ist aufgeladen. Dank seiner präzise in den Jenischpark
komponierten Architektur von Werner Kallmorgen ist das Ernst Barlach
Haus selbst schon ein Objekt mit starken skulpturalen Qualitäten, in dem
sich Entschiedenheit im bildhauerischen Denken und Machen auszahlt.
Und mit dem »Hauskünstler« Ernst Barlach, einem der bedeutenden Bild-
hauer des vorigen Jahrhunderts, steht ein gewichtiger Sparringspartner
im Ring und verweist auf den weiten Echoraum künstlerischer Traditionen
und kunsthistorischer Bezüge, in dem sich junge Kunst heute positio-
nieren muss. Die Studierenden Gamze Arslan, Lisa Friedrichs-Dachale,
Nikolai Renée Goldmann, Ana Gomez, Nikola Hausen und Benedikt
Lübcke erweisen Barlach eine besondere Reverenz: Ihre Fotocollage Ost-
fries / Nordfries spielt mit feiner Ironie auf dessen berühmte Skulpturen-
reihe Fries der Lauschenden (1930–35) und ikonische Gewandfiguren wie
Verhüllte Bettlerin (1919 [35]) an, um mit Requisiten und Modellen das
eigene Projekt zu inszenieren.
»Ich arbeite archaisch. Die meiste Zeit habe ich keine Ahnung,
          wie ich ein Werkzeug zu nutzen habe.« Lisa Friedrichs-Dachale

  Ein spiritistischer Audioguide ins Barlach’sche Jenseits, zu dem man über
  Visitenkarten mit Telefonnummern Zugang erhält (Benedikt Lübcke: open
  end [Kasse]), und eine punktuelle Einbindung von Sammlungswerken
  [25–37] in die Ausstellung sorgen für weitere dialogische Momente.
        beugen, erkunden das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und
          »Was mich
        Gruppe     ähnlichselbst    an meiner
                             pointiert     wie eine    Arbeit
                                                         561-teilige
                                                                open endArbeitfasziniert,
                                                                                 von Liliansind     die
                                                                                               Nachtigall:
          unterschiedlichen
        Paris,  Montparnasse 1993              [7] geht auf der
                                     Zugangsweisen                   Betrachtenden
                                                               Andreas     Gurskys berühmt bzw. gewor-
          Hörenden
        dene   Fotografiezur Arbeit.      Der Versuch, mit
                              einer »Wohnmaschine«                desBarlach     im Jenseits
                                                                       Architekten                in
                                                                                        Jean Dubuisson
          Kontakt
        zurück   undzu    treten,den
                        verleiht     mag  mehr für als
                                                     die500
                                                         Meisten     erst einmal
                                                              Wohneinheiten           wie ein
                                                                                   in Handarbeit     auf je
        8Scherz      klingen. Sicherlich
           mal 4 Zentimeter       großen Aquarellen ist es eineinen
                                                                 humorvoller       Blick auf
                                                                       jeweils eigenen       Charakter,
          Barlachs
        der            Auseinandersetzung
             auf die Vielfalt    individueller Leben     mit dem
                                                              hinterIrdischen       und Meta-
                                                                       der gemeinsamen          Fassade
          physischen.
        verweist.    Vom Aber       für mich
                            Bedürfnis      nachselbst        bleibt es
                                                     Individualität   undnicht
                                                                            ihrernur    bei einem
                                                                                   Sichtbarkeit     erzählt
          humorvollen
        auch                 Blick. IchFassadenkosmetik
               die variantenreiche          empfinde open end          annicht     als bloßen Doppel-
                                                                           den stereotypen
          Witz. Es istdie
        haushälften,      fürMelina
                               mich eine Bigale  ernste       Fotoserie Hammer [16]
                                                           Auseinandersetzung
                                                     in ihrer                             mit versam-
                                                                                               dem
          Thema,
        melt.  Und wie     verbunden ichChamaechorie
                      die Gruppenarbeit              mich den Menschen [2] von Annemarie
                                                                                  fühle, die mir Jessen,
          besonders
        Anne    NitzpanvielundinLisa
                                   meinem          Leben bedeuten.«
                                         Friedrichs-Dachale                  Benedikt
                                                                     verschränkt           Lübcke
                                                                                      die Ornamentik
        unterschiedlicher Perserteppiche zu einem Patchwork, das in seiner
  Auchraumgreifenden          Ausdehnung
          kraftvolle Statements         im Hinblick Einzelteile
                                                          auf die inArchitektur
                                                                     neuen Zusammenhängen
                                                                                    scheuen die
        aufgehennicht.
  Studierenden       lässt. Bereits
                             Benanntdas    ist Gemeinschaftswerk
                                                 die Arbeit nach einem                     [vor dem
                                                                               Ausbreitungsmecha-
                                                                           Litfaßsäule
  Museum]
        nismus, vonbei  dem Hausen,
                      Nikola   sich Pflanzen Sander   oder  Pflanzenteile
                                                         Schaper,     Fideliaals   »Bodenroller«
                                                                                Schäftlein    und
  Larahdurch    Wind
          Stieper,   dasforttragen
                           die Gäste   lassen.
                                          vor dem Museum empfängt, setzt mit seiner
  zylindrischen Form einen markanten skulpturalen Akzent. Die surreal
Transmediation
  anmutende            einer  Musik
        Neben Kontextverschiebung
                 diesem     Werk,    das  – zu
                                             im Eingangsraum       vonder
                                                  des innenstädtischen
                                                  Obsession             Hannah      Bohnen
                                                                           Ausstellung
                                                                                Werbeträgerszu sehen
                                                                                                   in ist,
        kreist auch das Schlusswerk
  den Landschaftsgarten           Jenischpark     derlädt
                                                        Schau     um Identität und
                                                            zur Abweichung         von Differenz:
                                                                                         gewohntenIn
   ihrerConstantin
InDenk-   ganzen        Schröders
           und Wahrnehmungspfaden
                    Virtuosität    erklingt
                                       Schach        [24]
                                                 dieein.   stehen
                                                         Bespielt
                                                      Violine  in denzwei
                                                                     wird  lebensgroße
                                                                           die
                                                                        vier    Säule der
                                                                              Sätzen     im Zwillings-
                                                                                              zwei-
ten  Solosonate
        figuren einander
  Wochentakt      mit   eigens
                     Obsession      des    belgischen
                              aufgestalteten
                                    Leitersprossen          Komponisten
                                                            gegenüber,
                                                     Großplakaten              Eugè
                                                                        voninGamze
                                                                               dunkle neArslan,
                                                                                          Ysaÿe
                                                                                         Müllbeutel
  Noragekleidet,
(1858–1931).          die Köpfe
         Berndt,Gespielt
                    Hannah   von    und Hände
                               Bohnen,
                                   Philipp    Lisa     mit Seilen    bandagiert.
                                                      Friedrichs-Dachale,
                                                 Bohnen,     Violinist  bei den      Eine
                                                                                Nikola      rätselhafte,
                                                                                          Hausen,
                                                                                   Berliner
  Max offene
        Holzer,Stimmung
Philharmonikern,  Lisaertönen   umgibt
                         Karnauke,          sie, Nachtigall,
                                         Lilian
                                  die Noten        die
                                                    malinkraftvoll
                                                           der Schwebe
                                                                  Fidelia     lässt, ob Zwiegespräch
                                                                           Schäftlein,
                                                                    und sprunghaft,        Oskar
                                                                                           mal
        dieund
  Schroeder,
verspielt    Figuren
                 zart. verbindet
                 Larah    Stieper
                        Als           oderAlina
                                     und
                             akustisches        Zwietracht     sie trennt.
                                                      Studt.bleiben
                                                 Erlebnis     Fantasievoll   Umringt     sind
                                                                               und wandelbar
                                                                        die Melodien           Schröders
                                                                                          jedoch
  kapern    sie das           von
                      Reklameobjekt  Holzskulpturen
                                              für
abstrakt. Sie sind weder sichtbar noch greifbar.
        Schach-Figuren                             ihre     Ernst   Barlachs
                                                         künstlerischen          [25–37].
                                                                             Ideen,          In ihrer
                                                                                      demonstrie-
Hannah  Mehrzahl
  ren eine Bohnen    waren
             auch durch       sie zuletzt
                             Lockdowns
                      transformiert      dasim       Dresdner
                                                 nicht            Albertinum
                                                         zu bremsende
                                                 Violinenspiel     und macht     ausgestellt,
                                                                            Kreativität,
                                                                                  es visuell     im Rah-
                                                                                            dieer-
  immer
fahrbar.menMiteiner
           wieder     großen
                Hilfeneue       Retrospektive
                       des ästhetische
                            Motion              Brücken zumins
                                       Tracking-Verfahrens    150.  Geburtstag
                                                                 Innere   des Museums
                                                                      übersetzt      desdie
                                                                                    sie    Künstlers.
                                                                                              schlägt. Die
                                                                                             musi-
zierendeAuswahl     umfasst
            Bogenhand           Stücke aus allen Schaffensphasen,
                            in Bewegungsmuster.              Die Handlung alsvon         einem frühen
                                                                                     Ursprung
        Gelegenheitswerk         –  dem     für   seinen    Sohn
des Tons wird zum zentralen Gegenstand ihrer gleichnamigen Arbeit   Nikolaus    zu  Weihnachten       1908
»Ihren Ausgang nimmt meine künstlerische Arbeit in der Suche
     nach Freiheit und Autonomie. Jedes Individuum produziert
     Welten und spezifische Narrative, bringt zusammen, dekons-
     truiert und kreiert neu. Das Zusammenbringen von verschiede-
     nen Positionen ermöglicht einen Blick über den Tellerrand
     hinaus, das Anecken an Grenzen, ein An- und Verknüpfen,
     ein erzählerisches Miteinander im Nebeneinander, das stets in
     Bewegung ist und Änderungen unterliegt.« Lisa Karnauke

Dort treiben einige Werke die produktive Verwirrung voran: Ein Fotoappa-
rat und ein Beamer aus glasierter Keramik überführen Digitaltechnik ins
handgemacht Analoge (Côme Ferrasse: Foto[d‘]apparat [8], Kein Signal
[9]), während aus Gips abgeformte Rohrleitungen den White Cube des
Museums in eine Altbauwohnung verwandeln (Marissa Wittenhagen: Um-
bauten [14]). Ein starkes Interesse an Werte-, Hierarchie- und Bedeu-
tungsverschiebung lässt sich auch an der Europalette ablesen, die San-
der Schaper mit einem dichten Überzug aus Metallnadeln verkleidet hat
(Betackert [6]). In langwieriger, monotoner Handarbeit zum schimmern-
den Schmuckstück veredelt, ist aus dem abgenutzten Holzobjekt ein
Symbol für künstlerische (Zweck-) Freiheit geworden.

     »Pluralismus und Interdisziplinarität sind wichtig für die Kunst
     der Gegenwart. Unsere Welt lebt von ihrer Vielfalt an Kulturen
     und Menschen, und es wäre eine Schande, sollte man sich in
     der Kunst »monotheistisch« positionieren.« Sander Schaper

Der subversive Witz, der Sander Schapers Palette kennzeichnet, findet
sich auch in Arbeiten von Benedikt Lübcke, Anne Nitzpan und Melina
Bigale. So sehen wir Haare, die sich durch ein Lüftungsgitter hindurch
zum Zopf verzwirbeln (Benedikt Lübcke: Samstag [22]); eine Thujahecke,
die, aus einem Vorgarten ausgegraben und zum Wandbild erhoben, ihre
innere Spannung zwischen Gewachsensein und Zurichtung, Wurzelwerk
und Schnittkante offenbart (Melina Bigale: Einfriedung [18]); oder ein
gekapptes Ballerinenbein aus Porzellan, das in der höchsten Anspannung
einer Pirouettendrehung körperlich-entkörperlicht am Platz verharrt
(Benedikt Lübcke: Aplomb [11]). Und Vögel im Park sehen Botschaften,
die in nur für sie lesbarer Tinte an Glasscheiben geschrieben sind (Anne
Nitzpan und Benedikt Lübcke: textnotes to fellow birds [Cafeteria]).

      »Ich habe mir die Frage gestellt, was die Vögel eigentlich
      denken: Ist der Meisenknödel quasi vom Himmel gefallen, oder
      verstehen sie, dass der Mensch sie füttert?« Anne Nitzpan

Andere Werke – etwa die Rauminstallation VSG Foulard von Leandra
Bigale, Melina Bigale, Ana Gomez, Lisa Karnauke, Benedikt Lübcke und
Lilian Nachtigall [3, Atrium], Räumung von Lilian Nachtigall [15] oder for-
mation von Regine Schulz [13] – sind betont materialintensiv. Bildhauerei
wird hier in klassischer Weise erfahrbar als ein Arbeiten mit physischer
Präsenz und Massenverteilungen im Raum, mit Materialien und ihrer
Wandelbarkeit. So halten die teils auf Stelzen gehobenen Zementgüsse in
formation eine Balance zwischen bloßer Anhäufung und Gebirgszug-
Suggestion, und die zersplitterten Windschutzscheiben in VSG Foulard
gleiten wie Stoffbahnen über Metallstangen und reflektieren dabei das
Tageslicht im gläsernen Innenhof des Museums – der Autoschrott offen-
bart eine ungeahnt sanfte, poetische Seite.

      »Ich denke, dass der physische Kontakt zu den Dingen uns zu-
      nehmend verloren geht. Ich will den Dingen nicht nur gegen-
      überstehen, sondern sie erfahren: In der Auseinandersetzung
      mit dem Material fühle ich mich gegenwärtig. Die Bildhauerei
      erscheint mir somit real und nahbar – so wie wir die Welt durch
      Handeln begreifen, habe ich durch die Bildhauerei direkten
      Zugang zu ihr.« Regine Schulz

Auch die an Tierhäute erinnernden Latexhüllen von Annemarie Jessen
sind Relikte einer Materialverwandlung, denn wie ihr Titel verrät, wurden
die so organisch wirkenden Objekt von Möbelstücken abgeformt: Ohne
Tisch [20].
»Wenn
       »Wenn man
       »Wenn man   den
             man den   Dingen
                   den Dingen Aufmerksamkeit
                       Dingen Aufmerksamkeit      schenkt,
                              Aufmerksamkeit schenkt,       bekommt
                                                  schenkt, bekommt
                                                            bekommt
       man
       man dafür
           dafür etwas
                 etwas  zurück,
                        zurück, es
                                es ist
                                   ist nie
                                       nie ein
                                           ein einseitiger
                                               einseitiger Prozess.«
                                                           Prozess.«
       man dafür etwas zurück, es ist nie ein einseitiger Prozess.«
       Annemarie
       Annemarie Jessen
       Annemarie  Jessen
                  Jessen

Dass
Dass   die
Dass die   Neugier
       die Neugier  auf
           Neugier auf  das
                    auf das  ästhetische
                        das ästhetische    Potenzial
                             ästhetische Potenzial    und
                                           Potenzial und  die
                                                      und die Raumwirkung
                                                          die Raumwirkung
                                                              Raumwirkung
unterschiedlicher
unterschiedlicher Materialien, die die Werke der Studierenden so
unterschiedlicher   Materialien,
                    Materialien,  die
                                  die die
                                      die Werke
                                          Werke   der
                                                  der Studierenden
                                                      Studierenden   so deutlich
                                                                     so deutlich
                                                                        deutlich
prägt,  maßgeblich
prägt, maßgeblich
prägt,               von
        maßgeblich von   ihrer
                     von ihrer Professorin
                         ihrer Professorin   Elisabeth
                               Professorin Elisabeth    Wagner
                                             Elisabeth Wagner    angefacht,
                                                        Wagner angefacht,
                                                                 angefacht,
wenn
wenn   nicht
wenn nicht    gar
       nicht gar  geweckt
              gar geweckt  wurde,
                  geweckt wurde,    lässt
                           wurde, lässt   sich
                                    lässt sich an
                                          sich an  zwei
                                               an zwei  Arbeiten
                                                   zwei Arbeiten  Wagners
                                                        Arbeiten Wagners    ab-
                                                                  Wagners ab-
                                                                            ab-
lesen,
lesen,  die
        die  das
             das studentische
                 studentische  Ensemble
                               Ensemble    ergänzen.
                                           ergänzen.   Sowohl
                                                       Sowohl  ihre
                                                               ihre
lesen, die das studentische Ensemble ergänzen. Sowohl ihre Schwim-  Schwim-
                                                                    Schwim-
menden
menden     Hunde von
menden Hunde
           Hunde   von 1980 [19]
                   von 1980
                       1980  [19] als
                             [19] als auch
                                  als  auch ihre
                                       auch ihre Klunker von
                                            ihre Klunker
                                                 Klunker  von 2017–20 [4,
                                                          von 2017–20
                                                              2017–20   [4,
                                                                        [4,
Atrium]
Atrium]   sind
Atrium] sind    aus
          sind aus  Pappe
                aus Pappe   gestaltet,
                    Pappe gestaltet,   doch
                            gestaltet, doch  wird
                                       doch wird   dem
                                             wird dem   »armen«
                                                   dem »armen«    Material
                                                                  Material in
                                                        »armen« Material   in
                                                                           in
raffinierter
raffinierter Reduktion
             Reduktion  ein
                        ein bemerkenswerter
                            bemerkenswerter      Reichtum
                                                 Reichtum  an
                                                           an skulpturalen
                                                              skulpturalen
raffinierter Reduktion ein bemerkenswerter Reichtum an skulpturalen
Möglichkeiten
Möglichkeiten    zwischen
Möglichkeiten zwischen      Figuration
                 zwischen Figuration    und
                            Figuration und   Abstraktion
                                        und Abstraktion   abgewonnen.
                                             Abstraktion abgewonnen.
                                                          abgewonnen.

       »Man beginnt,
       »Man
       »Man  beginnt, obwohl
             beginnt, obwohl man
                      obwohl man noch
                             man  noch nicht
                                  noch nicht weiß,
                                       nicht weiß, wie
                                             weiß, wie es
                                                   wie es geht.
                                                       es geht. Wie
                                                          geht. Wie
                                                                Wie
       bei einer
       bei
       bei einer Wette…«
           einer Wette…« Elisabeth
                 Wette…« Elisabeth Wagner
                         Elisabeth Wagner
                                   Wagner

Neben
Neben
Neben demdem   starken
         dem starken     Interesse
               starken Interesse
                         Interesse anan  Materialerkundungen
                                     an Materialerkundungen
                                         Materialerkundungen und und  an
                                                                 und an   den
                                                                      an den   Wahr-
                                                                          den Wahr-
                                                                               Wahr-
nehmungsfunken,
nehmungsfunken,        die
                       die sich
                           sich  aus
                                 aus  ungewöhnlichen
                                      ungewöhnlichen     Transformationen
                                                         Transformationen
nehmungsfunken, die sich aus ungewöhnlichen Transformationen schla-           schla-
                                                                              schla-
gen
gen  lassen,
gen lassen,    sind
     lassen, sind   einige
               sind einige   thematische
                    einige thematische      Stränge
                             thematische Stränge     auszumachen,
                                            Stränge auszumachen,
                                                     auszumachen, die  die den
                                                                       die den
                                                                           den
Ausstellungsparcours
Ausstellungsparcours       leitmotivisch   durchziehen.   Ein  zentraler
Ausstellungsparcours leitmotivisch durchziehen. Ein zentraler Aspekt ist
                           leitmotivisch   durchziehen.   Ein  zentraler Aspekt
                                                                         Aspekt     ist
                                                                                    ist
etwa
etwa   der
etwa der    Wunsch,
       der Wunsch,     Bewegungspuren
            Wunsch, Bewegungspuren           festzuhalten
                                             festzuhalten ––
                       Bewegungspuren festzuhalten            Bewegung
                                                           – Bewegung
                                                              Bewegung in in all
                                                                          in all  ihrer
                                                                             all ihrer
                                                                                  ihrer
Körperlichkeit,
Körperlichkeit,    Vergänglichkeit,    mitunter  auch  Vergeblichkeit.
Körperlichkeit, Vergänglichkeit, mitunter auch Vergeblichkeit. Anders als
                   Vergänglichkeit,    mitunter  auch  Vergeblichkeit.   Anders
                                                                         Anders     als
                                                                                    als
Benedikt
Benedikt    Lübcke
            Lübcke   mit
                     mit  der
                          der  abrupt
                               abrupt  erstarrte
                                       erstarrte  Ballettdrehung
                                                  Ballettdrehung   in
                                                                   in
Benedikt Lübcke mit der abrupt erstarrte Ballettdrehung in Aplomb [11]Aplomb
                                                                      Aplomb     [11]
                                                                                 [11]
versucht
versucht    Hannah
versucht Hannah      Bohnen
            Hannah Bohnen
                     Bohnen in  in ihrer
                                in ihrer mehrteilige
                                   ihrer mehrteilige  Arbeit
                                         mehrteilige Arbeit   Obsession   ([12],
                                                              Obsession ([12],
                                                      Arbeit Obsession             siehe
                                                                          ([12], siehe
                                                                                   siehe
auch
auch   den
auch den    ergänzenden
       den ergänzenden
            ergänzenden Text Text am
                             Text  am  Ende
                                   am Ende    dieser
                                       Ende dieser   Broschüre),
                                              dieser Broschüre),   musikalische
                                                     Broschüre), musikalische
                                                                   musikalische
Bewegung
Bewegung
Bewegung in   in ihrer
              in ihrer Zeitlichkeit
                 ihrer Zeitlichkeit  zu
                       Zeitlichkeit zu   bannen:
                                     zu bannen:   Schwarz
                                         bannen: Schwarz     lackierten
                                                  Schwarz lackierten     Tafeln
                                                             lackierten Tafeln    sind
                                                                         Tafeln sind
                                                                                  sind
gestische
gestische    Schwünge
             Schwünge     eingeschrieben,
                          eingeschrieben,     die
                                              die sich
                                                  sich aus
                                                       aus  den
                                                            den
gestische Schwünge eingeschrieben, die sich aus den ArmbewegungenArmbewegungen
                                                                 Armbewegungen
des
des Violinisten
des Violinisten    Philipp
    Violinisten Philipp     Bohnen
                   Philipp Bohnen     herleiten;
                            Bohnen herleiten;    er
                                      herleiten; er »umspielt«
                                                 er »umspielt«   diese
                                                    »umspielt« diese    Arbeit
                                                                 diese Arbeit   immer
                                                                        Arbeit immer
                                                                                immer
wieder
wieder
wieder inin Konzertperformances
         in Konzertperformances
            Konzertperformances und    und  ist
                                       und ist  auch
                                            ist auch  im
                                                auch im  Ernst
                                                      im Ernst  Barlach
                                                         Ernst Barlach   Haus
                                                                Barlach Haus     mehr-
                                                                         Haus mehr-
                                                                                 mehr-
fach
fach  live
      live zu
           zu  erleben.
               erleben.
fach live zu erleben.

Derweil
Derweil  zeigt
Derweil zeigt  ein
         zeigt ein Film
               ein Film von
                   Film von Melina
                        von Melina Bigale,
                            Melina Bigale, wie
                                   Bigale, wie Hefeteig
                                           wie Hefeteig  dank
                                               Hefeteig dank   der
                                                         dank der  Mechanik
                                                               der Mechanik
                                                                   Mechanik
eines
eines elektrisch
eines elektrisch  betriebenen
      elektrisch betriebenen  Fernsehsessels
                  betriebenen Fernsehsessels   aufgeht  [17];
                                               aufgeht [17];
                              Fernsehsessels aufgeht          im
                                                        [17]; im Video
                                                              im Video dead
                                                                 Video dead
                                                                       dead
garden
garden  legend
        legend   [Kino]
                 [Kino] von
                        von Anne
                            Anne Nitzpan
                                 Nitzpan   hastet
                                           hastet ein
                                                  ein kapuzenmantel-
                                                      kapuzenmantel-
garden legend [Kino] von Anne Nitzpan hastet ein kapuzenmantel-
umhülltes Wesen über eine neu bewachsene Brachfläche und reißt mit
raschem Griff Blütenbüschel aus; Nikolai Renée Goldmann lässt in seiner
kinetischen Plastik Passé [10] einen an Ketten aufgehängten Roboter-
arm Fechtübungen ohne Gegenüber ausführen, sodass die ziellos und
selbstreferenziell gewordenen Bewegungen wie ein ruckartiges, suchen-
des Tasten um die eigene Achse erscheinen. Goldmanns Arbeit Exhale
[Screaming With Your Mouth Shut] [5] vermag den Betrachter in vibrie-
rende (Mikro-) Bewegung zu versetzen: Die längliche, verspiegelte MDF-
Kiste birgt einen Tieftöner, dessen niederfrequentes Grollen die um-
gebende Luft extrem verdichten und den menschlichen Körper druckvoll
bedrängen und durchdringen kann. Eine Inbetriebnahme von Exhale im
Rahmen der Ausstellung wurde deshalb von der Behörde für Wissen-
schaft & Forschung, Arbeitsgruppe für Kryptoakustik und Schallemission,
untersagt.

      »Maschinen sind Akkumulatoren investierter menschlicher
      Energie. Sie konservieren das Potenzial, transferieren es durch
      Zeit und Raum und konzentrieren es im Jetzt. Im Grunde sind
      sie Kunst, und die Kunst ist wie sie.« Nikolai Renée Goldmann

Dagegen lädt Oskar Schroeders Raum mit Applikaten [23] den Besucher
zu gedanklichen Bewegungen ein: Die individuell marmorierten, zugleich
mit industrieller Präzision gestanzten Teile seiner Installation wollen im
Geiste immer wieder neu kombiniert und arrangiert werden.

      »Für mich ist Bildhauerei die interessanteste Disziplin in den
      freien Künsten, da sie sich am unmittelbarsten zum Physi-
      schen und Räumlichen verhält. Bildhauerei ist immer ein
      direkter Teil unserer Welt.« Oskar Schroeder

Die Fragen von Identität, Diversität und Zusammengehörigkeit, die
Schroeders Applikate aufwerfen, finden sich als weiteres Leitmotiv in der
Ausstellung. Die uniformierten Mitglieder eines Spielmannszugs, die sich
in der Videoinstallation Gulliver [10] von Constantin Schröder über
Memory-Karten mit uniformierten Mitglieder ihres Spielmannszugs
beugen, erkunden das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und
Gruppe ähnlich pointiert wie eine 561-teilige Arbeit von Lilian Nachtigall:
Paris, Montparnasse 1993 [7] geht auf Andreas Gurskys berühmt gewor-
dene Fotografie einer »Wohnmaschine« des Architekten Jean Dubuisson
zurück und verleiht den mehr als 500 Wohneinheiten in Handarbeit auf je
8 mal 4 Zentimeter großen Aquarellen einen jeweils eigenen Charakter,
der auf die Vielfalt individueller Leben hinter der gemeinsamen Fassade
verweist. Vom Bedürfnis nach Individualität und ihrer Sichtbarkeit erzählt
auch die variantenreiche Fassadenkosmetik an den stereotypen Doppel-
haushälften, die Melina Bigale in ihrer Fotoserie Hammer [16] versam-
melt. Und die Gruppenarbeit Chamaechorie [2] von Annemarie Jessen,
Anne Nitzpan und Lisa Friedrichs-Dachale verschränkt die Ornamentik
unterschiedlicher Perserteppiche zu einem Patchwork, das in seiner
raumgreifenden Ausdehnung Einzelteile in neuen Zusammenhängen
aufgehen lässt. Benannt ist die Arbeit nach einem Ausbreitungsmecha-
nismus, bei dem sich Pflanzen oder Pflanzenteile als »Bodenroller«
durch Wind forttragen lassen.

Neben diesem Werk, das im Eingangsraum der Ausstellung zu sehen ist,
kreist auch das Schlusswerk der Schau um Identität und Differenz: In
Constantin Schröders Schach [24] stehen zwei lebensgroße Zwillings-
figuren einander auf Leitersprossen gegenüber, in dunkle Müllbeutel
gekleidet, die Köpfe und Hände mit Seilen bandagiert. Eine rätselhafte,
offene Stimmung umgibt sie, die in der Schwebe lässt, ob Zwiegespräch
die Figuren verbindet oder Zwietracht sie trennt. Umringt sind Schröders
Schach-Figuren von Holzskulpturen Ernst Barlachs [25–37]. In ihrer
Mehrzahl waren sie zuletzt im Dresdner Albertinum ausgestellt, im Rah-
men einer großen Retrospektive zum 150. Geburtstag des Künstlers. Die
Auswahl umfasst Stücke aus allen Schaffensphasen, von einem frühen
Gelegenheitswerk – dem für seinen Sohn Nikolaus zu Weihnachten 1908
geschnitzten Gruwelmann [33] – bis zur späten Eichenholzfigur Die
Flamme von 1934 [30]. Deren zweideutige, zwischen Akzeptanz und
Abwehr changierende Handstellung führt in einer Geste das breite Spek-
trum menschlicher Regungen und Haltungen zusammen, das sich facet-
tenreich in Barlachs – und Schröders – Figurenensembles widerspiegelt.
»Glas,
        »Glas, schwarzer
               schwarzer Lack,
                          Lack, Bäume
                                Bäume // Orientalische
                                         Orientalische Note
                                                       Note mit
                                                             mit Mar-
                                                                 Mar-
        ching  Band / Beton, Haar, Kampfsport, Totenreich  / Holz-
        ching Band / Beton, Haar, Kampfsport, Totenreich / Holz-
        schnitzerei
        schnitzerei und
                    und Instagram
                        Instagram –– auf
                                     auf das
                                         das Zusammenspiel
                                             Zusammenspiel unter
                                                             unter
        einem Dach!«
        einem  Dach!« Constantin
                      Constantin Schröder
                                  Schröder

Mit
Mit Schröders
    Schröders figurativer
                 figurativer Plastik
                             Plastik setzt
                                     setzt die
                                           die Ausstellung
                                               Ausstellung Spechte
                                                            Spechte amam Mei-
                                                                         Mei-
senknödel   nochmals    einen  klassisch  bildhauerischen   Akzent.
senknödel nochmals einen klassisch bildhauerischen Akzent. InsgesamtInsgesamt
offenbart sie
offenbart  sie eine
               eine große
                     große Lust
                            Lust an
                                 an Cross-Over,
                                     Cross-Over, Remix
                                                   Remix und
                                                          und Sampling,
                                                               Sampling, ver-
                                                                          ver-
bindet das
bindet das plastische
             plastische Arbeiten
                         Arbeiten mit
                                    mit Malerei,
                                        Malerei, Fotografie,
                                                 Fotografie, Film,
                                                             Film, Video
                                                                   Video und
                                                                         und
Performance.    Außerdem     dringt das  Projekt in die Verästelungen
Performance. Außerdem dringt das Projekt in die Verästelungen der      der
sozialen
sozialen Netzwerke
          Netzwerke vor,
                       vor, etwa
                            etwa durch
                                  durch eine
                                         eine audiovisuelle
                                              audiovisuelle Performance,
                                                             Performance, die
                                                                           die
Lisa Karnauke
Lisa Karnauke undund Sanna
                      Sanna Maier
                              Maier mit
                                     mit Sven
                                         Sven Miesner
                                               Miesner und
                                                         und Christian
                                                             Christian Werner
                                                                       Werner
Sierra als
Sierra als Livestream
           Livestream gestalten.
                         gestalten. Denn
                                    Denn selbstverständlich
                                           selbstverständlich steuern
                                                               steuern analoge
                                                                       analoge
Spechte   heute   auch  digitale Meisenknödel
Spechte heute auch digitale Meisenknödel an.     an.
                                                                  Karsten
                                                                  Karsten Müller
                                                                          Müller

Ostfries    Nordfries (Detail:
Ostfries // Nordfries          Nordfries), 2021,
                      (Detail: Nordfries), 2021, digitale
                                                 digitale Fotocollage
                                                          Fotocollage von
                                                                      von Gamze
                                                                          Gamze Arslan,
                                                                                 Arslan, Lisa
                                                                                         Lisa Friedrichs-
                                                                                              Friedrichs-
Dachale,
Dachale, Nikolai
            Nikolai Renée
                    Renée Goldmann,
                          Goldmann, AnaAna Gomez,
                                             Gomez, Nikola
                                                      Nikola Hausen
                                                             Hausen und
                                                                     und Benedikt
                                                                          Benedikt Lübcke
                                                                                   Lübcke
Transmediation einer Musik – zu Obsession von Hannah Bohnen

In ihrer ganzen Virtuosität erklingt die Violine in den vier Sätzen der zwei-
ten Solosonate Obsession des belgischen Komponisten Eugène Ysaÿe
(1858–1931). Gespielt von Philipp Bohnen, Violinist bei den Berliner
Philharmonikern, ertönen die Noten mal kraftvoll und sprunghaft, mal
verspielt und zart. Als akustisches Erlebnis bleiben die Melodien jedoch
abstrakt. Sie sind weder sichtbar noch greifbar.
Hannah Bohnen transformiert das Violinenspiel und macht es visuell er-
fahrbar. Mit Hilfe des Motion Tracking-Verfahrens übersetzt sie die musi-
zierende Bogenhand in Bewegungsmuster. Die Handlung als Ursprung
des Tons wird zum zentralen Gegenstand ihrer gleichnamigen Arbeit
Obsession. Es entstehen vier schwungvolle Linien, die den Raum durch-
dringen und den Rhythmus der einzelnen Sätze widerspiegeln. Mit einer
Fräse schreibt die Künstlerin die Konturen in großformatige Holztafeln
ein, um sie abschließend mit einem schwarzen, stark glänzenden Lack zu
überziehen. Dabei bilden sich Strukturen und Unterbrechungen, die die
Oberfläche scheinbar in Bewegung versetzen und die Dynamik der Linien
betonen.
Der ephemere Moment des Spiels wird aus seiner Flüchtigkeit genom-
men und eingefangen. Im Prozess der Transmediation materialisiert er
sich in Bewegungslinien und erhält eine Körperlichkeit. Über die Reflexion
des Lacks erscheint das Spiegelbild des Raums auf den Tafeln. Ihre
Oberflächenbeschaffenheit verändert und verformt mit jeder Bewegung
der Betrachtenden die gespiegelte Umwelt aufs Neue. Die Paneele
vergegenwärtigen das Violinenspiel und setzen es in Relation zu ihrer
Umgebung. Daraus resultiert eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen
Raum und Zeit. Die verklungene Musik wird mit dem gegenwärtigen
Spiegelbild konfrontiert und schafft einen anachronistischen Moment.
Zeitlichkeit ruft sich auf der Oberfläche der Tafeln ins Bewusstsein und
wird dort erlebbar.
                                                           Peggy Schoenegge

Zu Obsession ist eine Schallplatten-Edition (Auflage 200 Exemplare)
erschienen, die an der Kasse erhältlich ist.
KATALOG

Ein Katalog, der die Ausstellung ausführlich dokumentiert,
erscheint Anfang Mai 2021 und ist an der Kasse erhältlich.

VERANSTALTUNGEN

In der Ausstellung (unter Vorbehalt)

Kuratorenführungen / Künstlergespräche
Dienstag, 8. Juni, 6. Juli, 3. August und 7. September 2021,
jeweils 18 Uhr

Obsession
Konzertperformance mit Philipp Bohnen (Berliner Philharmoniker)
Sonntag, 13. und 20. Juni 2021, jeweils 13, 14 und 15 Uhr
vor dem Werk Obsession [12] von Hannah Bohnen
Weitere Termine sind in Planung.

Digital

Spechte (Remix)
Audiovisuelle Performance von Lisa Karnauke und Sanna Maier
mit Sven Miesner und Christian Werner Sierra
Freitag, 23. April 2021 um 20 Uhr
Livestream aus dem Innenhof des Ernst Barlach Hauses via
www.barlach-haus.de oder YouTube
Moderation: Janina Trienekens

Aktuelle Veranstaltungshinweise auf www.barlach-haus.de
und Instagram / ernstbarlachhaus.hamburg
Diese Broschüre erscheint anlässlich der Ausstellung

SPECHTE AM MEISENKNÖDEL
Die Bildhauereiklasse von Elisabeth Wagner
(Muthesius Kunsthochschule Kiel) stellt aus

Ernst Barlach Haus Hamburg
28. März – 12. September 2021

MUSEUMSTEAM

Leitung Karsten Müller Verwaltung, Kommunikation Annette Nino
Bildung & Vermittlung, Provenienzforschung Dagmar Lott-Reschke
Museumsshop Kerstin Raue Buchhaltung Ekaterina Smurawski
Bibliothek Christiane Harriehausen Haus- und Ausstellungstechnik
Arne Steffan Rath, Sven Schwarz Art Handling, Assistenz Haustechnik
Jan Jacobi Unterstützung Hausmeisterei Ulrich Wenzlaff Kasse &
Aufsicht Regina Besche, Gabriele Dolmer-Frenken, Susanne Feyll,
Eeltjen Gillis, Roberta Schneider, Margrit Sparkes, Cornelia Wend,
Margret Wittler, Sabine Wolter Führungen Charlotte Gaitzsch, Manya
Gramsch, Dagmar Lott-Reschke, Annika Christina Sprünker, Janina
Trienekens, Stefanie Wessel-Müller Konzertorganisation Klang & Form
Ingrid Reichling.
Werke von                    Ana Gomez               Sander Schaper
                             Nikola Hausen           Constantin Schröder
Gamze Arslan                 Max Holzer              Oskar Schroeder
Nora Berndt                  Annemarie Jessen        Regine Schulz
Leandra Bigale               Lisa Karnauke           Larah Stieper
Melina Bigale                Benedikt Lübcke         Alina Studt

                                                                           Aus: Ostfries/Nordfries (Detail), 2021, digitale Fotocollage von Gamze Arslan, Lisa Friedrichs-Dachale, Nikolai Renée Goldmann, Ana Gomez, Nikola Hausen und Benedikt Lübcke
Hannah Bohnen                Sanna Maier             Elisabeth Wagner
Côme Ferrasse                Lilian Nachtigall       Marissa Wittenhagen
Lisa Friedrichs-Dachale      Anne Nitzpan
Nikolai Renée Goldmann       Fidelia Schäftlein      und Ernst Barlach

E r nst B a r lach H a u s
Stiftung Hermann F. Reemtsma
Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, 22609 Hamburg
Tel. 040-82 60 85, info@barlach-haus.de
www.barlach-haus.de
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