STADT DER ZUKUNFT - INGENIEURE SIND GEFORDERT - Ausgabe 10|2018
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www.think-ing.de Oktober 2018 kompakt D e i n E i n bli c k i n d i e We l t d e r In ge ni e u r e STADT DER ZUKUNFT © Volocopter INGENIEURE SIND GEFORDERT Die Städte sind das große Versuchslabor der Menschheit. In den Metropolen und Megacitys entscheidet sich, wie wir in Zukunft leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen werden. Welt- weit wohnt bereits über die Hälfte der Menschen in Städten, in F E AT U R E Deutschland sind es sogar 70 Prozent. Verkehrschaos, verstärkte URBANE INGENIEURSKUNST CO2-Emissionen und die Folgen des Klimawandels bereiten den Städteplanern schon lange Kopfzerbrechen. Die Stadt der Zu- ab Seite 2 kunft soll deshalb grüner, autarker und vernetzter werden. Be- grünte Hochhäuser, vertikale Farmen, neuartige Transportsyste- me und regenerative Energiemodelle werden die Stadtlandschaft T R EN D S U N D P R OJ E K T E verändern. Zur Bewältigung der Probleme der Stadt der Zukunft F U T U R I S T I S C H U N D Ö KO L O G I S C H sind – neben Stadtplanern und Architekten – auch Ingenieure aus verschiedenen Fachrichtungen gefordert, ihr Know-how und ab Seite 5 ihre Kreativität einzubringen.
URBANE INGENIEURSKUNST Noch vor 70 Jahren glaubte man, dass die Menschen anno 2000 in intelligenten Hoch- häusern wohnen, fliegende Autos durch die Schluchten architektonischer Gebilde sausen und die Automation allüberall die täglichen Mühen ablöst. Eine bequeme Roboterwelt. Und doch ist es ein Zerrbild, das vor allem auf die technischen Ideale der Nachkriegszeit aufsetzt. Ein Mischung aus Vision, Hokuspo- kus und (noch) Unmöglichem. Naturwissenschaftler, Ingenieure, Wirt- schaftsfachleute, Psychologen und Philoso- phen – kurz: Vertreterinnen und Vertreter al- ler Wissenschaften – setzen sich heute in der Morgenstadt-Initiative mit dem städtischen Leben von Morgen auseinander. Einer von ihnen ist Dr.-Ing. Marius Mohr vom Fraun- hofer-Institut für Grenzflächen- und Bio- verfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Mit ihm spazierten wir durch die fantastische Stadt der Zukunft und blickten auf die zahlreichen Einzelbausteine, die das Übermorgen formen und darauf, welche Ingenieurinnen und Inge- nieure zur Realisierung benötigt werden. Um eine Stadt der Zukunft zu NAHRUNG erschaffen, hat die Fraunhofer- Gesellschaft die Initiative nur 2,5 Prozent des Wassers weltweit überhaupt Süß- Wie sehr wir uns auch die Zukunft als Science-Fiction-Ku- Morgenstadt ins Leben gerufen. wasser, und das steckt noch zu zwei Dritteln gefro- lisse vorstellen: Menschen müssen essen – egal wo oder In diesem Rahmen entwickelt ren in den Polkappen. Smarte Wasserversorgung und wann sie leben. Daher wird mit einer prognostiziert stei- sie gemeinsam mit zahlreichen intelligente Regenwasserbewirtschaftung sind daher genden Zahl städtischer Bewohner auch die Nahrungs- Partnern aus der Industrie nur zwei Möglichkeiten, dem wortwörtlichen Durst mittelproduktion innerhalb der Städte immer wichtiger. und den Kommunen Lösungen nach frischem Wasser zu begegnen. Im Projekt DEUS Vertikale Gärten, neue Möglichkeiten innerstädtische für den städtischen Alltag der 21 entwickeln Ingenieure beispielsweise ein Vaku- Flächen zu bewirtschaften und der Nährstoffgewinn Zukunft. umsystem, das in den Häusern eines Neubaugebiets aus dem Abwasser sind nur einige Möglichkeiten. Auch zuverlässig die Abwässer sammelt, während unterir- das Modellprojekt BioEcoSim – koordiniert durch das dische Zisternen das Regenwasser sammeln. Anschlie- Fraunhofer IGB – hilft der Nahrungsgewinnung in der ßend werden beide Wasserarten aufbereitet und für Stadt von morgen: Hier wird normale Tiergülle so be- die Anwohner nutzbar gemacht. arbeitet, dass die das Grundwasser belastenden Stoffe herausgefiltert werden. Übrig bleiben jene Bestandteile, Tätigkeitsfelder: Bauingenieurwesen, Umwelt- die den Boden verbessern und den Pflanzen nützen. ingenieurwesen, Water Science, Verfahrens- Und natürlich sind die Themen weitaus vielschichtiger, technik denn eine gigantische Zahl städtischer Bewohner for- dert eine nicht minder gigantische Nahrungsmenge. Neben den urbanen Lebensmitteln werden auch die M O B I L I TÄT U N D L O G I S T I K Produktion, der Transport und die Lagerung extrastädti- scher Nahrungsmittel immer wichtiger. E-Mobility und autonomes Fahren sind die beiden Bereiche, an denen zurzeit die meisten Ingenieure ar- Tätigkeitsfelder: Umweltingenieurwesen, Bioin- beiten, die sich mit Mobilität von Morgen befassen. genieurwesen, Chemieingenieurwesen, Logistik Doch es gibt noch mehr Aufgabenstellungen, für die kurzfristige Lösungen benötigt werden. Um von A nach B zu kommen, besitzen die meisten Menschen WA S S E R mehr Fahrzeuge, als sie gleichzeitig (be)nutzen kön- nen. Auto, Fahrrad, Motorroller und dazu noch eine In Deutschland verbraucht eine Person am Tag 4.000 Busfahrkarte – Mobilität ist und bleibt eins der höchs- Liter Süßwasser. Hierbei wird natürlich nicht nur der ten Güter individueller Lebensphilosophie. Aber: Die- private Gebrauch zum Duschen, Waschen, Spülen ser Ansatz bindet viele Ressourcen, die sich durchaus und Trinken berechnet, sondern auch das Wasser, das reduzieren lassen. Zum Beispiel durch einen Mobility in der Agrarwirtschaft und Industrie pro Person zum Hub, der für die räumliche und technische Vernet- Einsatz kommt. Als rechnerischer Kontrast zur hohen zung verschiedener Mobilitätslösungen und Dienst- Wassermenge pro Kopf ist der Zugang zu sauberem leistungen sorgt: Durch Bike- und Car-Sharing, den Wasser bekanntlich äußerst begrenzt. Tatsächlich sind öffentlichen Nahverkehr, intelligente Buchungs- und 02
© L AVA digitale Navigationssysteme, Smart Parking sowie muss anders gespeichert werden als langfristig ge- neue Raumnutzungskonzepte soll der Verkehr besser lagerte. Das gleiche gilt für verschieden starke Leis- aufeinander abgestimmt werden. tungsabgaben. In Zukunft ist es daher vorstellbar, auf Das eine sind die Fahrzeuge, das andere sind die Ver- hybride Energiesysteme und Speichermöglichkeiten kehrswege selbst und die Koordination des Verkehrs zu setzen. Auf diese Art wird es möglich, Städte so- darauf – oder darin. Logistik ist kein Synonym für den wohl kurz-, als auch langfristig mit Strom und Wärme LKW-Verkehr, sondern steht schon heute für den zu versorgen. Ingenieure entwickeln hierbei die Pro- komplexen Transport von Mensch und Sache. Pro- duktions- und Speichermedien und legen Städte auf duktion und die Versorgung von Haushalten, Handel ihre Benutzung aus. und Industrie sind logistische Herausforderungen, die nach Lösungen verlangen. Der Blick in die Zukunft Tätigkeitsfelder: Elektrotechnik, Tiefbauingeni- offeriert neben Schienen und Luftwegen unter- und eurwesen, Wirtschaftsingenieurwesen oberirdische Straßen mit vollautomatischen Leitsys- temen. Dazu neue gesetzliche Regelungen für das autonome Fahren. Hier ist ein spannender Entwick- WOHNEN lungsmarkt für technische, bauliche, datenspezifische Lösungen, die abermals interdisziplinär entstehen Natürlich braucht der Mensch auch in der Stadt der und endlose Ingenieurfelder einbinden. Zukunft ein Dach über dem Kopf, um leben und ar- beiten zu können. Doch in ferner Zeit sollen Häuser Tätigkeitsfelder: Elektrotechnik, Maschinen- mehr sein, als nur ein Lebens- und Arbeitsmittel- bau, Bauingenieurwesen, Vertrieb, Wirtschafts- punkt. Sie können der Anker für vertikale Gärten sein, ingenieurwesen, Informationstechnik als Smarthome die Lebensqualität steigern und/oder mehr Energie herstellen als die Bewohner verbrau- chen. Letzteres testen die Ingenieure des Fraunho- ENERGIE fer-Instituts mit dem Effizienzhaus Plus in Berlin. Das Haus versorgt sich über eine Fotovoltaik-Anlage selbst Während die konventionellen fossilen Energieträger und deckt so den Bedarf einer vierköpfigen Familie und politisch, sozial, ökologisch und auch wirtschaftlich zweier Elektromobile ab. Unter normalen bis idealen immer kritischer betrachtet werden, wachsen die Bedingungen produziert das Haus einen Überschuss, Möglichkeiten, umweltschonende Energien zu pro- den es in das allgemeine Energienetz einspeist. Und duzieren. Knackpunkt in der gesamten regenerativen das Beste ist: Diese Technik funktioniert bereits heute. Thematik ist nach wie vor die Speichermöglichkeit Diese Zukunft hat also längst begonnen. von Wind-, Wasser- und Sonnenenergie. Doch die Forschung wird uns in den kommenden Jahren neue Tätigkeitsfelder: Bauingenieurwesen, Physik, Speicher vorstellen, die nach und nach diese Proble- Facility Management, Informationstechnik, matik auflösen. Fakt ist: Kurzfristig benötigte Energie Elektrotechnik 03
© Fraunhofer IGB FINANZEN DER Während digitale Bezahlsysteme und Kryptowäh- rungen vom Hype zum Flop und zurück mutieren, MORGENSTÄDTLER prognostizieren die Finanzexperten der analogen Welt die nächste Wirtschaftskrise für die kommen- Dr. Ing. Marius Mohr ist gelernter Bauinge- den Jahre. Seit der Erfindung des Papiergeldes im nieur und seit 2013 Gruppenleiter für das 11. Jahrhundert hat dieses Zwischentauschmittel in Feld Urban Water am Fraunhofer-Institut keiner Weise an Strahlkraft verloren. Und natürlich für Grenzflächen- und Bioverfahrenstech- spielt Geld auch morgen noch eine elementare Rolle. nik. Gemeinsam mit seinen Kollegen arbei- Denn die urbanen Lebensräume der Zukunft kosten tet er an der Initiative Morgenstadt, in der nicht nur unendlich viel. In ihnen fließt auch unend- Projekte für die Stadt der Zukunft entwi- lich viel Geld. Mit Blick in die Zukunft gilt es also die ckelt werden. städtische Ökonomie zu stärken, die Entwicklung von Wirtschaftsclustern anzutreiben und neue Business- WA S I S T D I E Gesamt betrachtet ist es nicht ein einzelnes Projekt, modelle für nachhaltige Technologien und sichere I N I T I AT I V E sondern ein Netzwerk aus Fraunhofer-Instituten und Finanzierung zu schaffen. Das alles ist vielleicht kein M O R G E N S TA D T Wirtschaftsunternehmen, durch deren Zusammen- typisch technikorientiertes Ingenieurfeld, und den- FÜR EIN PROJEKT? arbeit sich viele einzelne Projekte entwickeln. Diese noch spielen die Ingenieure auf den vermeintlichen drehen sich alle, in verschiedenen Bereichen, um die Nebenschauplätzen ihre Stärken aus, indem sie nicht Stadt der Zukunft. nur die naheliegende Sicherheit des Geldtransfers op- timieren, sondern unter anderem als Wirtschaftsinge- BERUHEN DIE PLÄNE Ich würde sagen, es ist eine gesunde Mischung. Wir nieure helfen, jedwede Kosten zu minimieren. F Ü R E I N E S TA D T haben verschiedene Punkte festgemacht, an denen DER ZUKUNF T AUF es zu arbeiten gilt. Dafür muss man allerdings inter- Tätigkeitsfelder: Wirtschaftsingenieurwesen, W I S S E N S C H A F T- disziplinär arbeiten und sein eigenes Fachgebiet ver- Informationstechnik, Elektrotechnik L I C H E N E R K E N N T- lassen. Sobald man das tut, bewegt man sich schnell NISSEN ODER auf dünnem Eis, aber es ist notwendig, weil sonst je- IST ALLES REINE des Feld für sich arbeitet und keine neuen Lösungen DIGITALISIERUNG UND GOVERNANCE S P E K U L AT I O N ? findet, auf die ein Außenstehender vielleicht kommt. Durch diese Vermischung der Spezialgebiete ist strik- Durch Datenerhebungen und -analysen können die te Wissenschaftlichkeit schwierig. Dazu kommt natür- Bedürfnisse der Bürger von morgen immer präzise er- lich, dass ein Blick in die Zukunft immer auf Annah- fasst und Veränderungen daran ausgerichtet werden. men beruht. Wir sehen uns dafür an, wie etwas in der Auch die Verwaltung der Städte wird immer digitaler, Vergangenheit passiert ist und überlegen, ob es sich ebenso die Information der Bürger. Natürlich müs- wohl auch in der Zukunft so fortsetzt oder eben nicht. sen all diese Daten zuverlässig übermittelt und da- Damit diese Annahmen wissenschaftlich verwertbar bei bestmöglich vor Fremdzugriffen geschützt wer- werden, betreiben wir beim Fraunhofer Institut ange- den. Weiter zunehmende Sicherheitsverschärfungen wandte Forschung. Das ist ein Vorteil der Ingenieure sind hier unabdingbar – die Blockchain kann dabei gegenüber den Naturwissenschaftlern, bei denen es hilfreich sein. Und auch politische Lösungen müssen wesentlich strenger zugeht. Sicherheit und Überwachung intelligent gegenüber- stellen. Dabei sind nicht nur die IT-Experten gefragt, WIE VIEL ZUKUNFT Das ist eine schwierige Frage. In einigen Bereichen, die für die nötigen Soft- und Hardware-Lösungen STECK T HEUTE wie dem Umgang mit Daten und Sensortechnik, gibt sorgen sollen, sondern auch das Ingenieurwesen, das SCHON IN DEN es schon sehr viel Zukunft in unseren Städten. Theore- durch die bauliche Entwicklung der Stadt eine solche S TÄ D T E N ? tisch könnte man bereits alle möglichen Daten erfas- Extremvernetzung vorantreibt. sen, sei es über Kameras, Mikrofone oder Sensoren. Zugleich fordert der organisatorische Betrieb eines Natürlich stellt sich in diesen Bereichen die Frage, ob Gebildes wie der Stadt von morgen auch einen im- man das in Zukunft ausbauen, so behalten oder eher mensen Organisationsaufwand. Unzählige Menschen verringern möchte. In anderen Bereichen gibt es hin- sorgen für den im besten Fall reibungslosen Ablauf gegen bisher wenig zu sehen, weil die Entwicklung der Morgenstädte. Wobei: Ein städtebauliches Pro- langsamer passiert. So halten Stahlbetonbauten 50 jekt in Deutschland funktioniert auf Island wahr- bis 100 Jahre. Daher gibt es in diesem Bereich eher scheinlich nur unzureichend. Also müssen neue gene- kleine innovative Spots als große Entwicklungen. relle Lösungen für jeden Ort der Welt immer wieder individuell angepasst werden. Ungeachtet der Tatsa- PLANEN SIE Im Alltag sprechen wir eher über kurzfristig mögliche che, dass die Stadt der Zukunft selten am Reißbrett DENN MIT IHREN Projekte. Denn in der angewandten Forschung müs- entsteht, sondern in Generationen erwächst. Auch KO L L E G E N E H E R sen wir die Dinge schnell realisieren. Ab und zu gibt die heutigen Städte sind schließlich das Ergebnis ihrer K U R Z- O D E R es aber auch Workshops, in denen wir auch mal in die Geschichte. Aus diesem Grund müssen nahezu alle L ÄNGERFRISTIG? weitere Zukunft denken. Akteure für die urbane Zukunft interdisziplinär an der Idee arbeiten. Und die Arbeit der Ingenieure ist dabei INTERESSIEREN Ja, ich finde das sehr interessant. Wenn man sich zum ein unerlässlicher Bestandteil. SIE SICH NOCH FÜR Beispiel die Bücher von Jules Vernes ansieht, ist da SCIENCE-FICTION? sehr viel zu finden, was damals ferne Zukunft war, Tätigkeitsfelder: Informationstechnik, Elektro- heute aber normal ist. Das gleiche gilt auch für Filme technik, Wirtschaftsingenieurwesen, und Serien. Hoch- und Tiefbauingenieurwesen 04
© Vincent Callebaut Architectures 2015 ins Leben. Bei diesem visionären Verkehrsmittel beschleunigen in einer speziellen Röhre Transport- kapseln bis an die Grenze der Schallgeschwindigkeit. Damit das möglich ist, herrscht in diesen Röhren ein Teilvakuum. Die Kapseln sollen eines schönen Tages Menschen blitzschnell durch den Untergrund über- füllter Megastädte transportieren, aber auch über längere Strecken eingesetzt werden. So könnte man von Berlin nach Paris in unter einer Stunde reisen. Stu- dierende aus der ganzen Welt reichten ihre Entwürfe ein. Am Ende standen München, Delft und Lausan- FUTURISTISCH ne im Finale. Das Team aus Bayern hatte in Sachen Geschwindigkeit bis in die dritte Runde des Wettbe- UND ÖKOLOGISCH Agora Gardens in Taipeh – werbs die Nase vorn. Es erhielt nicht nur die begehrte Trophäe, sondern zusätzlich einen Innovation Award ein futuristisches Symbol für für das Design und ein selbst entwickeltes Schwe- AG O R A G A R D E N S – Harmonie und Balance besystem. Der Hauptpreis für das beste Gesamtkon- D E R V E R T I K A L E W O H N PA R K zept ging an die TU Delft. Bei der Entwicklung dieses ambitionierten Projekts konnten die Studierenden Der belgische Architekt Vincent Callebaut, der sich der TU München auf finanzielle und technische Hil- selbst auch als Archibiotect bezeichnet, ist seit Jah- fe ihrer Uni zählen. „Was manche – selbst Techniker ren neuen und spektakulären ökologischen Baukon- – als Spinnerei abtun, kann in nicht allzu ferner Zu- zepten auf der Spur. In seinem Büro in Paris hat er kunft Realität werden“, kommentiert TUM-Präsident schwimmende Gärten entworfen, die Flüsse reinigen Professor Wolfgang A. Herrmann die Leistung. Man und Unterwasserhochhäuser aus Müll, der im Meer müsse die jugendliche Faszination an den schwierigs- herumschwimmt. Er plante eine 132 Stockwerke ten Herausforderungen fördern. Nur so stärke man hohe Großstadtfarm für New York und ein Projekt, das weltweite Markenzeichen German Engineering. das Paris bis 2050 zur Green Smart City machen soll. © WARR Hyperloop Team Für seine ambitionierten Vorhaben benötigt er unzäh- lige Ingenieurinnen und Ingenieure unterschiedlicher Fachbereiche. So auch für das spektakuläre Ago- ra-Gardens-Hochhaus in Taiwans Hauptstadt Taipeh, das im Herbst 2018 in Betrieb gehen soll. Das impo- sante Gebäude windet sich nach dem Modell einer DNA-Doppelhelix vom Fundament bis zur Spitze um 90 Grad. Eine Fusion westlicher und orientalischer Technologie und Kultur sowie ein Symbol für Har- monie und Balance, wie der Stararchitekt betont. Das Ein Student der TU Gebäude ist Wohnanlage und vertikaler Park zugleich München legt in der und trägt insgesamt 23.000 Bäume und Sträucher. Hyperloop-Röhre letzte Zum Vergleich: das entspricht etwa dem Bestand des Hand an New Yorker Central Park. Die Pflanzen werden jähr- lich etwa 130 Tonnen CO2 absorbieren und damit die Großstadt ein klein wenig sauberer machen. Der 21 U R B A N M I N I N G – S C H ÄT Z E A U S Stockwerke hohe Appartementkomplex nutzt außer- S TÄ D T I S C H E M M Ü L L dem natürliches Licht und Belüftung, hat eine Regen- wasser-Recycling-Anlage und Solarkollektoren auf Was bisher als unbrauchbarer Müll galt, erfährt heute dem Dach. Die urbane Wohnungsnot wird durch sol- eine neue Wertschätzung. Städte sind oft wahre Roh- che Projekte indes nicht gelöst. Die jeweils zwei Luxu- stofflager, die mit zunehmender Rohstoffknappheit sappartements pro Stockwerk dürften nur für Super- und steigenden Preisen immer wertvoller werden. reiche erschwinglich sein. Die haben dann nicht nur Seit Jahrhunderten verbaut man hier Materialien wie viel Raum und einen Autoparkplatz auf ihrer Etage, Kupfer, Blei, Zink, Zinn und Aluminium. Und auch Ab- sondern auch noch Wald, Obst- und Gemüsegärten fälle wie Klärschlamm, Hausmüll und Bauschutt ber- vor der Wohnungstür; Swimmingpools, Fitnessräume gen oft erhebliche Rohstoffanteile, die durch Rückge- und Clubs inklusive. winnung wieder nutzbar gemacht werden können. Idealerweise sollten Rohstoffe etwa beim Abriss von Gebäuden getrennt und in den Produktionsprozess HYPERLOOP – DIE SCHNELLSTE TU zurückgeführt werden. Daran haben unsere sorglo- D E R W E LT sen Vorfahren aber meistens nicht gedacht. 61 stu- dentische Forscherteams aus ganz Deutschland, die Mit sagenhaften 467 Stundenkilometern Geschwin- sich am Urban Mining Student Award Architektur digkeit raste eine Kapsel des Hyperloop-Teams der der Bergischen Universität Wuppertal beteiligten, TU München im Sommer durch eine Teströhre in holten das jetzt nach. Die Aufgabenstellung: Ent- Los Angeles. Die Anlage befindet sich auf dem Fir- wurf eines Naturschutzzentrums für die Stadt Rheine. mengelände von Space X. SpaceX- und Tesla-Grün- Gemeinsam mit Bauingenieuren sollten die Teams der Elon Musk rief die Hyperloop Pod Competition ein Bauwerk mit einem minimalen ökologischen 05
© agn Niederberghaus & Partner GmbH Fußabdruck entwickeln. Rückbaufreundlichkeit PASSENDE und Recyclingfähigkeit der Materialien standen STUDIENGÄNGE dabei im Mittelpunkt. Mit- initiator und Sponsor des Wer die Stadt der Zukunft mitgestalten möchte, Wettbewerbs ist die agn kann sich, je nach Neigung, über verschiedene Stu- Niederberghaus & Partner diengänge annähern. Die Wahl des Studiums hängt GmbH, die sich seit Jahren davon ab, welcher Aspekt der Stadtentwicklung auf intensiv mit dem Lebens- Die stolzen Preisträgerinnen das größte Interesse stößt. Das klassische Bauwesen zyklus von Gebäuden beschäftigt. Die stolzen Gewin- Nathalie Sophie Hans und ist dabei ebenso gefragt wie Studiengänge, die sich nerinnen sind: Nathalie Hans und Vera Quasten von Vera Quasten mit Anja Rosen mit städtischer Mobilität oder Infrastruktur wie etwa der Bergischen Universität. Zwei dritte Preise gingen (Urban Mining e.V.), Prof. der Wasserversorgung oder der Müllentsorgung be- nach Leipzig und Stuttgart. Annette Hillebrand (BUW) und schäftigen. Ingenieurinnen und Ingenieure der Elek- Bernhard Busch (agn) trotechnik und IT sind ebenfalls zur Planung moder- ner urbaner Infrastruktur unerlässlich. VO L O C O P T E R – S TA D T TA X I S H E B E N A B BAUINGENIEURWESEN Welcher Autofahrer hat im Stadtstau nicht schon Bachelor an der Dualen Hochschule Baden-Württem- einmal davon geträumt, die Rotoren anzuwerfen, berg abzuheben und die kriechende Blechlawine im Flug s.think-ing.de/bauing-dhbw hinter sich zu lassen? In Bruchsal nördlich von Karlsru- he arbeitet das Unternehmen Volocopter seit sieben B A U E N U N D E R H A LT E N – B U I L D I N G A N D Jahren daran, den Traum zu ermöglichen. Was auf C O N S E R VAT I O N den ersten Blick wie ein Hubschrauber anmutet, ent- Master an der Brandenburgischen Technischen Uni- puppt sich auf den zweiten als riesige Drohne. Statt versität eines großen Rotors finden sich hier 18 elektrisch s.think-ing.de/bauen-erhalten-btu angetriebene kleine Propeller. Dadurch soll das Ve- hikel effizienter, sicherer und erheblich leiser sein als VERKEHRSINGENIEURWESEN UND ein Hubschrauber. Alexander Zosel, Mitgründer des M O B I L I TÄT Unternehmens und technischer Kopf bei Volocopter, Bachelor an der RWTH Aachen sieht das als entscheidendes Erfolgskriterium. Das Flie- s.think-ing.de/verkehr-mobilitaet-aachen gen habe ihn schon immer fasziniert, sagt der Inge- nieur und Erfinder. Schon als 15-Jähriger konstruierte INFR ASTRUK TURSYSTEME und baute er zusammen mit Freunden eine der ersten Bachelor (dual) an der Fachhochschule Potsdam Skateboard Halfpipes Deutschlands. Während des s.think-ing.de/infrastruktur-potsdam Bauingenieurstudiums entwickelte er sein erstes Pa- tent. Anfang 2011 kam sein alter Skateboard-Freund, der Softwareentwickler Stephan Wolf, mit der Idee eines bemannten Multicopters auf ihn zu. Die meisten Finde Studiengänge, die deinen Interessen, Stärken schüttelten damals skeptisch den Kopf. Heute inte- und Zielen entsprechen, mit dem think ING. Finder ressieren sich Airbus, Google und einige chinesische unter s.think-ing.de/finder Unternehmen für das Projekt. Ein Versuch unter Ex- trembedingungen fand im September 2017 im Emirat Dubai statt. In der glühend heißen Wüste funktionier- te der Volocopter tadellos. Die Bruchsaler hoffen auf einen Großauftrag aus Dubai, wenn das Emirat 2030 IMPRESSUM Lufttaxis in sein Verkehrskonzept einbindet. In den Technischer Kopf bei Volocopter: kommenden Jahren will Dubai dazu die technischen Der Ingenieur und Erfinder Herausgeber Voraussetzungen testen. Alexander Zosel GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und © Volocopter Elektro-Industrie e.V. Voßstraße 16 - 10117 Berlin Verantwortliche Leitung Wolfgang Gollub Redaktion und Gestaltung concedra GmbH, Bochum Druck color-offset-wälter GmbH & Co. KG, Dortmund Alle in dieser kompakt enthaltenen Inhalte und Informationen wurden sorgfältig auf Richtigkeit überprüft. Dennoch kann keine Garantie für die Angaben übernommen werden. 06
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