(T)Räume für Kleine - Dokumentation Niedersächsisches Kultusministerium

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(T)Räume für Kleine - Dokumentation Niedersächsisches Kultusministerium
Niedersächsisches
Kultusministerium

Dokumentation

(T)Räume für Kleine
Niedersächsischer Wettbewerb 2010/2011
Qualität in der Raumgestaltung für Krippen

                                         I
(T)Räume für Kleine - Dokumentation Niedersächsisches Kultusministerium
Inhalt
Vorwort
Dr. Bernd Althusmann, Niedersächsischer Kultusminister                           1

Erläuterungen zum landesweiten Wettbewerb                                       2

Referat
Den Kleinsten Raum geben
Dr. Gabriele Haug-Schnabel (Leiterin der Forschungsgruppe
Verhaltensbiologie, FVM Kandern)                                                4

Jurymitglieder                                                                  8

Beiträge aus der Jury
Sicher „drinnen und draußen“, Kleinkinder in der Kita
Martina Willenborg, Gemeinde-Unfallversicherungsverband
Hannover (GUVH) Landesunfallkasse Niedersachsen (LUKN)                          9
Räume für Kleine noch ohne Träume?
Kinderkrippen aus dem Blickwinkel der Bauaufsicht,
Dr. Erich Breyer, Bauaufsicht, Stadtverwaltung Hannover                        10
Räume für Kleine aus sozialmedizinischer Sicht
Dr. Bettina Langenbruch, Fachausschuss KJG,
Landesverband der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen
Gesundheitsdienst, Hildesheim                                                   11

Preisträger – Platz 1 bis 5 der besten Beispiele                                13

15 weitere herausragende Beiträge                                              30

Zusammenfassende Informationen zur räumlichen Qualität
in Kindertagesstätten                                                          60

Literaturverzeichnis, Hinweise auf weitere Informationen im Internet           64

                                     Grundriss Ev. Kita Johannes (55), Bad Pyrmont
                                           Brandstetter Architekten, Bad Pyrmont
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Vorwort

          Sehr geehrte Damen
          und Herren,

          die ersten Jahre sind ein wichtiger      Vor diesem Hintergrund hat das
          Schritt in der Bildungsbiografie         Niedersächsische Kultusministerium im
          unserer Kinder. Eine frühe Förderung     Juli 2010 den Wettbewerb „(T)Räume
          gewährleistet, dass Kinder unabhän-      für Kleine“ ausgeschrieben. Ziel dieses
          gig von ihrer sozialen und kulturellen   Wettbewerbs war es, eine Sammlung
          Herkunft ihre Chancen auf Bildungser-    gelungener Raumkonzepte für die
          folg und gesellschaftliche Teilhabe      Bildung und Erziehung von Kindern
          nutzen können. Bund, Länder und          unter drei Jahren zu erstellen und zur
          Kommunen arbeiten in einer gemein-       Nachahmung weiter zu empfehlen.
          samen Kraftanstrengung daran,            Die Sieger dieses Wettbewerbs haben
          bedarfsgerechte Betreuungsangebote       wir im Rahmen einer Veranstaltung
          für Kinder im Alter bis zu drei Jahren   am 15.4.2011 prämiert und die besten
          zu schaffen. Zur Einführung eines        20 Wettbewerbsbeiträge in dieser
          Rechtsanspruchs auf ein Betreuungs-      Broschüre dokumentiert.
          angebot für jedes Kind ab dem
          vollendeten ersten Lebensjahr in 2013    Mein Dank gilt allen Fachkräften, die
          wurden seit 2007 in Niedersachsen fast   ihr Wissen und ihre Erfahrungen im
          20.000 neue Betreuungsplätze in          Rahmen des Wettbewerbs und der
          Krippen und in Kindertagespflege         nun vorliegenden Dokumentation zur
          geschaffen.                              Verfügung gestellt haben. Ihre
                                                   Beispiele für gelungene Raumgestal-
          Neben der rein quantitativen Sichtwei-   tung in niedersächsischen Krippen sind
          se gilt es, auch dem Qualitätsaspekt     ein wichtiger Qualitätsimpuls für den
          ausreichend Beachtung zu schenken.       weiteren Ausbau der Bildungs- und
          Kinder im Alter unter drei Jahren sind   Betreuungsangebote für unter
          in ganz besonderem Maße schutzbe-        dreijährige Kinder. „(T)Räume für
          dürftig. Ihr Entwicklungsalter stellt    Kleine“ können nun bald auch in
          sehr spezifische Anforderungen an die    vielen weiteren Einrichtungen zu
          Betreuungssituation. Das gilt sowohl     guter Praxis werden.
          für die Qualifikation und Haltung des
          Personals in den Gruppen als auch für
          die Gestaltung und Ausstattung der
          Räume, in denen Erziehung, Bildung       Mit freundlichem Gruß
          und Betreuung stattfinden. Altersge-
          mäße Bildungsräume im Innen- und
          Außenbereich der Kindertagesstätte,
          in denen die Kinder auf vielfältige
          Weise in ihrer Entwicklung angeregt      Dr. Bernd Althusmann
          werden, aber auch Ruhe- und Rück-        Niedersächsischer Kultusminister
          zugsmöglichkeiten haben dabei einen
          besonderen Stellenwert.

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Erläuterungen zum Wettbewerb

Ausschreibung und Durchführung des Wettbewerbs
Im Zuge des Ausbaus von Betreuungs-     de. In diesem Zusammenhang stellen       gen zur Gestaltung von Räumen für
angeboten für Kinder unter drei         sich immer wieder Fragen zur Funk­       Kleine in der vorhandenen Krippen-
Jahren werden in vielen Einrichtungen   tionalität und Qualität der neuen        landschaft zu finden und beispielhaft
bereits vorhandene Räumlichkeiten       Räume. Ziel des Wettbewerbs war es,      aufzuzeigen.
umgebaut oder erweitert, es entste-     landesweit gute und bereits in der
hen aber auch gänzlich neue Gebäu-      Praxis erprobte und bewährte Lösun-

Einsendungen                            • Funktionalität im Sinne zeitge­mäßer   gaben der Ausschreibung die fünf
                                          Krippenpädagogik,                      Gewinner des Wettbewerbs ermit-
Die eingesandten Konzepte zur           • Sicherheit, Gesundheit und Hygiene,    telt.
Raumgestaltung in Krippen bezogen       • Bedürfnisse und Wohlbefinden von
sich überwiegend auf die Gestaltung       Säuglingen und Kleinkindern,           Am 15. April 2011 fand eine landes­
und Ausstattung der Gruppenräume,       • Ergonomie, Akustik, Lichtverhält­      weite Fachtagung zum Wettbewerb
der Sanitärbereiche oder der Schlaf-      nisse, Belüftung,                      statt, auf der die fünf ausgezeichneten
räume. Etliche Beiträge haben auch      • Wahrnehmung, Anregung, Bildung.        Beiträge und weitere 15 herausragen-
die Gestaltung des Außengeländes                                                 den Einsendungen gewürdigt wurden.
berücksichtigt. Dagegen gab es nur      Weitere Bewertungskriterien waren
wenige Aussagen zur Gestaltung von      ein deutlich erkennbar fundiertes
Räumlichkeiten für altersübergreifen-
                                                                                 Dokumentation
                                        Fachwissen im Team, sorgfältige Vor-
de Gruppen oder zur Betreuung von       bereitung auf die Arbeit mit kleinen     Neben den Perspektiven von Fachjury
Säuglingen.                             Kindern sowie eine überlegte Planung     und Referenten der Fachtagung
   Die Bedeutung des Themas Bewe-       und ausgewogene Zusammenarbeit           wurden die ungekürzten Wettbe-
gung für das Aufwachsen kleiner         zwischen Baufachleuten, pädagogi-        werbsbeiträge der fünf Gewinner und
Kinder wurde bei vielen Raumkon­        schen Fachkräften und den Entschei-      – in gekürzter Form – die weiteren
zepten berücksichtigt.                  dungsträgern über die Finanzen in        15 besten Beiträge dokumentiert.
                                        dem jeweiligen Bauprojekt.
                                                                                 Wenn über diese Broschüre hinaus
Auswahlverfahren                        In Vorgesprächen wurden die Mit­         Interesse besteht, welche Einrichtung
                                        glieder auf ihre Aufgabe vorbereitet.    sich mit ihren Ideen und Konzepten an
Bei der Vorauswahl galten folgende      Während einer ganztägigen Sitzung        dem Wettbewerb beteiligt haben, so
Maßstäbe:                               im Januar 2011 erarbeiteten elf          finden Sie eine Liste aller Bewerber
• Eignung der Räume für Kinder in       Jurymitglieder in wechselnd zusam-       (siehe auch Nummerierung unter den
  der Altersspanne von acht Wochen      mengesetzten kleinen Arbeitsgruppen      Fotos) und ihrer Schwerpunktsetzung
  bis etwa 3,5 Jahren, die gemeinsam    die Ergebnisse. Aus den 20 besten        im Internet unter
  in einer Gruppe betreut werden,       Beiträgen wurden anhand der Vor­         www.mk.niedersachsen.de

Funktionalität
Qualität
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(T)Räume für Kleine

Herzlich Willkommen

                         Eingangsbereich   Kindertagesstätte Rasselbande (82), Hildesheim

                                                                                       3
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Referat

Den Kleinsten Raum geben
Räume aktivieren für Entwicklungsqualität
Dr. Gabriele Haug-Schnabel (Leiterin der Forschungsgruppe Verhaltensbiologie, FVM Kandern), auf
der Fachtagung zum Wettbewerb am 15. April 2011, Hannover

Was bedeutet „Raum“ in der Früh­        ergänzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt        – mit einem bestimmten „Lern-Ziel“
pädagogik? – Zu den Pionieren der       war dies die Mehrzahl der Kindergär-      vor Augen. Kinder haben eigene Ideen
Raumgestaltung für Krippenkinder in     ten weder pädagogisch noch räumlich.      im Kopf, da sie eigene Fragen an die
Deutschland zählen Angelika von der     Auch gab es häufig von Behörden           Welt haben. Immer wieder überrascht
Beek, viele Jahre Kindergartenbeauf-    Ablehnungen der Erteilung einer           Erwachsene die Kreativität von
tragte der Stadt Hamburg und            Betriebserlaubnis für diese Altersgrup-   Kindern, mit der sie ihre eigenen Pläne
Matthias Buck, Leiter des Teams         pe, weil im Gruppenraum vorhandene        in die Tat umsetzen. Meist machen sie
„Kameleon“, das neue Raumideen          Stufen als ernsthafte Gefahrenquelle      das nicht allein, sondern umgeben
entwirft und handwerklich umsetzt.      und als nicht mit der Krippenpädago-      oder gar gemeinsam mit anderen
Im Film „Im Frühlicht“ (von Elschen-    gik vereinbare Bauweise angesehen         Kindern, so dass in sozialen Situatio-
broich und Schweitzer), in Auftrag      wurden.                                   nen gemeinsames Tun entsteht – über-
gegeben vom damaligen Bundesminis-                                                raschend bald von lautlicher oder
terium für Familie, Senioren, Frauen    Seither hat sich vieles grundlegend       sprachlicher Kommunikation begleitet.
und Jugend, wurden die pädagogi-        geändert. Anhand von Beobachtun-             Diese Effekte einer eigenen „Kin-
schen Intensionen und Wirkungen         gen und Bilddokumentationen,              derkultur“ werden von Erfahrungen
dieser veränderten Raumgestaltung       zusammengestellt aus frühpädagogi-        aus ethnologischen Forschungen
anschaulich dargestellt, z. B. in der   schen Einrichtungen, Spielplätzen und     bestätigt.
Hamburger Krippe Tornquiststraße.       Familienumgebungen, wird deutlich,
   Die ersten Reaktionen auf diese      dass Kinder bereits im ersten Lebens-     Eine Krippenpädagogik, die diesen
ungewöhnlichen Räume mit vielfälti-     jahr und als Ein- und Zweijährige dann    Erfahrungen folgt, muss Räume zu
gen Herausforderungen für Kopf,         immer differenzierter und mit einem       Freiräumen, zu Gestaltungsräumen
Füße und Hände waren trotz großem       „Plan im Kopf“ Räume erobern, sich je     werden lassen.
Interesse eher Irritation und Abwehr:   nach Befinden für bestimmte Lokalitä-        Konzeptionsüberlegungen im Team
Podeste, Treppen, überall Stufen,       ten entscheiden und für ihre Aktivitä-    klären, welche Einstellungen die
verschiedene Ebenen im Raum. Die        ten, ja sogar orientiert an den Bedürf-   pädagogischen Fachkräfte haben, z. B.
bisherigen primär an Sicherheit, klar   nissen ihrer Mitspieler passende Orte     zu den Fragen: freier Zugang der
zugewiesenen Beschäftigungsberei-       suchen und feste Vorstellungen davon      Kinder zu den einzelnen Räumlichkei-
chen und erleichterter Beaufsichti-     haben, was dieser Ort zu bieten haben     ten – einschließlich des Außengelän-
gung orientierten Vorstellungen von     muss, z.B.:                               des sowie zu den Materialien. Wie
einem „Kitaraum“ schienen grob          • ein besonderes Naturphänomen            wird mit dem Gestaltungswillen der
missachtet. Die Erfahrung beim             wie Licht- und Schatteneffekte;        Kinder umgegangen und wie steht das
Beobachten der Kinder bestätigte die    • eine Rückzugsmöglichkeit, die           Team zu den „Spuren“, die Kinder bei
neuartige Gestaltung – die Sicherheit      schützt und von den anderen            ihrem Tun hinterlassen, die ein
der Kinder war nicht in Gefahr, ihr        trennt, dennoch erlaubt, diese         Zeugnis ihrer momentanen Themen
Erkundungsdrang und ihre Lernanrei-        weiterhin zu beobachten;               geben?
ze wurden stattdessen immens            • sich allein oder in ausgewählter           Kinder als „aktive Gestalter“ ihrer
vermehrt. So setzte sich die auf           Kleingruppe erleben;                   Lebenswelt zu begreifen, ist eine
Anregung von Bewegung und Ent-          • mittels Kostümen und Requisiten         anspruchsvolle Aufgabe, mit der sich
wicklung ausgerichtete Raumgestal-         sich eine eigene Welt schaffen;        das Team in der Vorbereitung, in der
tung immer mehr durch.                  • sich ein gemeinsames Arbeitsfeld        Nachbereitung, bei den Beobachtun-
   Entsprechende Fortbildungen nicht       suchen, um hier etwas bearbeiten       gen und Beantwortungen der Kinder
nur für Erzieherinnen, sondern auch        zu können, was niemand allein          auseinandersetzen muss.
für Träger, Fachberatung sowie             bewerkstelligen könnte …                  Die neuen Raumvorstellungen
Architekten und Handwerker sind zur        Es geht darum, dass Kinder ihren       spiegeln eine Kinderwelt wider, die
Sensibilisierung nötig:                 Ort wählen, ihn auch gestalten, also      motorisches, kognitives und sozial-
Was bedeutet es, Räume für Kinder zu    aktiv in ihre Umgebung eingreifen. Sie    emotionales Lernen ermöglicht und
planen und zu bauen, die diese          tun dies bereits in sehr frühem Alter,    bereits mehr als erste Annäherungen
täglichen Fortschritte und wachsende    von sich aus und ohne Aufforderung.       an Ästhetik erlauben. Es sind Lern-
Selbstwirksamkeit spüren lassen?           Und das ist wichtig, da ein Kind so    werkstätten, es sind auch Treffpunkte,
                                        viel über seine personelle und dingli-    Räumlichkeiten für eine Kinderge-
Das Landesjugendamt Baden vergab        che Umwelt erfährt, seine Einfluss-       meinschaft, ebenso ein Bereich für ein
1998 einen Expertisenauftrag an die     möglichkeiten und seine Selbstwirk-       einzelnes Kind wie Platz für zwei, die
FVM zur Frage „Sind Zweijährige reif    samkeit.                                  sich zum intensiven Spiel oder vorsich-
für den Kindergarten?“ deren Titel         Kleinstkinder sind nicht passive       tigen Kennenlernen gefunden haben,
vom beauftragten Forschungsteam         Konsumenten ihrer Umgebung, die sie       oder für vier, fünf Kinder, die eine
durch die weitere Frage: „Ist der       „brav so nutzen, wie der Erwachsene       Interessengemeinschaft auf Zeit
Kindergarten reif für Zweijährige?“     es vorgesehen und vorbereitet hat         bilden, wie auch für die gesamte

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Referat

                                             einzulassen, sich ernsthaft mit ihm       dene Annäherungswege an ein
                                             auseinanderzusetzen. Diebold weist        Thema. Es ist auch nicht erforderlich,
                                             darauf hin, dass der Standort, die        dass für jedes Kind in jedem Raum
                                             Lichtverhältnisse, der freie Zugang       immer ein Stuhl mit Platz am Tisch zur
                                             und die Anordnung des Materials eine      Verfügung steht. Die neuartigen
                                             große Rolle spielen, wo und wann die      Klapptische und Stapelstühle erlauben
                                             Kinder in die Tiefe gehen, genau          flexible Nutzung und schaffen Raum,
                                             erforschen, explorieren, Selbsterfah-     z. B. zur Entwicklung neuer Pläne, um
                                             rungen sammeln, sich kontaktieren,        Wahrnehmungen zu ordnen und zu
                                             austauschen und allein oder gemein-       vertiefen.
                                             sam Neues erschaffen können.
                                                Was die Kinder jeweils anregt, was     Material – Zeug zum Spielen statt
                                             sie lockt, herausfordert und zum          Spielzeug, möglichst „Echtzeug“ ist
                                             Nachdenken bringt, hängt neben            vor allem dann attraktiv, wenn es auch
                                             individuellem Interesse, vom Entwick-     zweckentfremdet und somit unerwar-
                                             lungsstand, den momentanen Lernthe-       tet vielfältig bespielbar ist, am besten
                                             men und der „Ansteckung“ durch die        von mehreren Kindern zusammen. Es
                                             Aktionen anderer Kinder ab.               kann um die Erfahrung mit Alltagsge-
                                                                                       genständen gehen, die die Kinder aus
                                             Im frühen Krippenalter erlebt das         anderen Zusammenhängen kennen
Herausforderung                              lange Zeit unterschätzte Parallelspiel    oder um Verpackungsmaterial, das
Ev. Kita St. Martin (35), Nienburg           seine Hochform: die Kinder spielen in     ihnen bereits als wertloser Abfall
                                             unmittelbarer Nähe zueinander, aber       vermittelt wurde, oder um Naturmate-
„Community für Kinder“ (Reinhard             dennoch „getrennt“ von einander.          rialien aus dem Garten, dem Wald,
Kahl), die sich hier in ihrer Welt täglich   Immer wieder schaut ein Kind auf,         dem Stadtpark.
von Neuem trifft, manchmal sechs             beobachtet die Aktivitäten des               Das Material soll sie verleiten,
Jahre lang.                                  anderen Kindes und zeigt durch            „Spuren“ zu hinterlassen, die sie am
                                             Mitlachen oder Mitstaunen erste           nächsten Tag wieder an Freude,
Kinder machen etwas mit Räumen und           Anteilnahme an dessen Geschehen.          gemeinsame Aktivitäten, Erkenntnisse
sie mit ihnen.                               Oft übernimmt ein Kind beim Nach-         und beeindruckende Leistungen
   „Allein dadurch, dass Kinder sich in      barkind gesehene Handgriffe und           erinnern. Räume müssen nicht, sollen
Innen- und Außenräumen aufhalten,            imitiert dessen Umgang mit Gegen-         nicht, nach jedem Krippentag so
werden Räume zu einem Teil früh-             ständen oder Materialien. Bald            aufgeräumt werden, dass die Kinder
kindlicher Erziehung und Bildung.Als         werden bei günstigen Gelegenheiten        jeden Morgen wieder „bei Null“
unentrinnbare Lebenswelt sind sie der        vorsichtige Spielkontakte geknüpft, so    anfangen und lange kämpfen müssen,
Ausgangspunkt vielen kindlichen              dass z. B. auf einem verbreiterten        bis sie ihr „Werk von gestern“ wieder
Wahrnehmens, Fragens und For-                Fenstersims – so ganz nebenbei – ein      erkennen, an dem sie weiterdenken
schens.“ (Angelika von der Beek).            vorsichtiges „Sich-Anspielen“ startet.    wollen. Es ist ein pädagogisch bedeut-
Damit sind die Erwachsenen, die diese           Es handelt sich hierbei nicht um ein   samer Schritt, den Rahmen zu schaf-
Räume planen, gestalten und mit              noch unreifes Sozialverhalten, sondern    fen, dass Kinder nach eigenem
Leben füllen lassen, in der Verantwor-       um eine vom Kind aktiv betriebene         Zeitplan spielen, denken und lernen
tung, sie als angemessene Entwick-           Strategie zur langsamen Kontaktauf-       können, eben nicht: alle „im Gleich-
lungsimpulse zu verstehen.                   nahme: aus sicherer Distanz werden        schritt“, alle gleichzeitig dasselbe tun.
   Unverstellte freie Fläche, Ordnung        Bewegungen, Aktivitäten und Hand-            Räume machen etwas mit Kindern,
und Struktur, Übersicht und funktio-         ling imitiert und dabei nachempfun-       indem sie etwas Besonderes möglich
nale Erkennbarkeit fordern Kinder zu         den, so dass Informationen und            machen oder dies verhindern. Wo ist
Vertiefung, Exploration und lustvoller       Anregungen weitergegeben werden           in unseren Räumen die „Tankstelle“?
Selbsterfahrung heraus (Sigrid Die-          können. Je nach Temperament kann          Wo ist die „Denkstelle“? Und wo die
bold/Kita Vauban, Freiburg). Eine klare      jedes Kind selbst die Geschwindigkeit     „Knallstelle“?
Orientierung erleichtert es, einen Plan      der Annäherung bestimmen, Zwei               „Tankstellen“ – hier wird entspannt
im Kopf zu spüren und ihn in die Tat         Pionierinnen der Frühpädagogik,           und ausgeruht, über Neues nachge-
umzusetzen. Gibt es eine Frage, eine         Kornelia Schneider und Wiebke             dacht und viel geplant und geplau-
selbst gestellte Aufgabe oder gar            Wüstenberg, haben diese spannenden        dert. Hier trifft man sich für neue
einen Plan, bestimmt das Angebot, die        Zusammenhänge untersucht.                 Ideen, hier kommt man an beim
Ästhetik eines Raumes und die Wahl              Möbelstücke auf Rollen, damit sie      Weltenwechsel von Zuhause‚ ein Ort
eines Arbeitsplatzes darüber, wie sehr       gegebenenfalls zur Seite geschoben        zum „sozialen Lausen“ (social groo-
sich Kinder davon angezogen und              oder wieder herbeigeholt werden           ming), wie das verhaltensbiologische
animiert fühlen, sich auf ihr Thema          können, erleichtern Kindern verschie-     Wort für „sich und seine Gruppe

Selbstwirksamkeit
                                                                                                                              5
(T)Räume für Kleine - Dokumentation Niedersächsisches Kultusministerium
Referat

spüren“ heißt. „Tankstellen“ ‚entste-     (ohne auf Lösungen der Kinder zu ach-      scheitern. Pädagogische Konzeptionen
hen’, wenn das Gesamtklima und die        ten), behalten „Kinder mit Etikett“ im     stellen Anforderungen an Räume. In
Eroberung von Räumen durch Kinder         Auge, so dass Fehlverdächtigungen          diesem Sinne muss die Pädagogik
möglich werden – sie sind eher selten     drohen. Als Konsequenz bleiben             Einfluss auf den Raum als Spiel-,
im Voraus planbar, da erst die Kinder     „Bauecken“ oft Tage gesperrt –             Bewegungs-, Lern-, Gesprächs- und
sie durch entsprechende Nutzung mit       zumindest für einzelne Kinder –, in der    Ausruhmöglichkeit nehmen, als
Leben füllen.                             Hoffnung, dadurch die Konfliktzahl         möglichst vielfältige Chance, Kontakt
   „Denkstellen“ – das sind nicht die     verringern zu können.                      aufzunehmen, Erfahrungen zu
vorbereiteten ‚Forscherlabore’ mit           Warum „knallt“ es? Und warum            sammeln, Erkenntnisse zu gewinnen
Arbeitsblättern und eingeschweißten       jeweils an Orten, an denen spielende       und Selbstwirksamkeit zu erleben.
Versuchskarten zum Abarbeiten von         Kinder sich zu nahe kommen? Zu                Die Erzieherin, die mit den Augen
vorher festgelegten Themen. Sie sind      kleine, enge Bauecken, in denen            der noch ganz kleinen Kinder, der
keine „Veranstaltungsorte“ zur            großen Bauideen zu viele Regeln, zu        mittleren und dann der großen Kinder
intendierten Bildungsvermittlung mit      wenig Platz und Material und vor           durch ihre Räume geht, erkennt, wo
vorgegebenem Ziel. Sondern Denkfrei-      allem zu kurze Zeiteinheiten entge-        sich für den jeweiligen Entwicklungs-
räume, Werkstätten und Antwort-           genstehen, sind Knallstellen für           stand und das individuelle Lerninteres-
Suchstellen auf kindliche Fragen. Hier    Kleinstkinder, deren Spiel irritabel und   se noch Möglichkeiten des Wachsens
wird ausprobiert, getüftelt, verworfen    ihre Kommunikationsfähigkeit noch          finden.
und neu nachgefragt. Positive Irritati-   zu gering ist. Das gilt nicht nur für         Für die Kinder muss es „sich loh-
on – Warum ist das so? Wie geht das?      Bauecken, auch für den Rollenspielbe-      nen“, in ihrer Kita fünf oder sechs
Warum klappt das nicht? – ist nicht       reich, das Vorlese-Nest…                   Jahre zu verbringen.
nur erlaubt, sondern die Vorausset-
zung. Die Planung orientiert sich an      Die Veränderungen müssen im Kopf           Überlegungen zur Raumgestaltung für
den Fragen der Kinder, an ihrer           passieren, wenn es um neue Raumge-         die Jüngsten sind insbesondere dann
Motivation und ihrem Engagement.          staltung und Lebenswelten von              von besonderer Bedeutung, wenn diese
Wenn es den pädagogischen Fachkräf-       Kindern von null bis drei oder gar null    Kinder aus einem eher anregungs-
ten gelingt, eine Atmosphäre grund-       bis sechs Jahren geht.                     armen Zuhause in die Kindertagesstät-
sätzlicher Dialog- und Mitmachbereit-        Für ein wirklich anderes Arbeiten       te kommen. Kindern aus Familien, in
schaft zu schaffen, gehen die Kinder      und erlebten Reichtum an Erfahrun-         denen kein Elternteil in einem Arbeits-
davon aus, dass die Erwachsenen ihre      gen für jede Altersgruppe reicht es        verhältnis steht, in denen meist enge
sprachlichen und nichtsprachlichen        nicht, ab und an die Türen zu öffnen,      Wohnverhältnisse herrschen und
Signale aufmerksam wahrnehmen und         um eigeninitiativ andere Bereiche          vielfältige Belastungen den Kinderall-
ihre Aktivitäten mit Interesse verfol-    kennen zu lernen, und zeitweilig           tag beschatten, fehlt es an Erfahrun-
gen.                                      Möbel zu rücken, um mal ein bisschen       gen mit eigener Leistungsfähigkeit
   „Beobachtung – Dialog – Impuls“        mehr Platz zu haben, Die von der           ebenso wie mit Erholungszeiten. Sie
nennen Tietze und Viernickel im           Erzieherin „vorbereitete Umgebung“         kennen keinen Unterschied zwischen
Nationalen Kriterienkatalog die           bildet die pädagogische Konzeption         Arbeits- und Ferienzeiten, zwischen
professionelle Reaktionskette, die es     ab, macht diese möglich oder lässt sie     Wochentagen und Wochenende.
möglich macht, je nach Situationsver-
lauf entweder mit Freiraum gebender
Zurückhaltung zu reagieren und den
Kindern den weiteren Handlungsver-
lauf zu überlassen oder aber aktiv zu
werden und einen deutlich anregen-
den Impuls zu setzen, mit dem die
Pädagogen ihr Wissen und ihre
Erfahrung in den weiteren Ablauf des
Geschehens einbringen.
   „Knallstellen“ – kennen alle und
können sie lokalisieren: die Atmosphä-
re wird hier schnell angespannt, es
besteht die Gefahr, dass die Stimmung
kippt. Zu bestimmten Zeiten im
Tages- oder Wochenablauf – zu den
gefürchteten „Knall-Zeiten“ – zeigt
sich diese Situation noch stärker als
gewöhnlich. Auf die Anspannung der
Kinder reagieren die Erzieherinnen
mit eigener Anspannung: sie greifen
früher ein (bestärken nicht beginnen-
de Selbstregulationsfähigkeiten der
Kinder), reglementieren verstärkt         Licht und Schatten                              Ev. Kita St. Marien (74), Lilienthal

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Referat

Dass etwas unbedingt heute erledigt                                                    altersgemäßen Ausscheidungskon­
werden muss und deshalb Vorrang                                                        trolle und einem positiven Körper­
hat, eine Handlung die Voraussetzung                                                   gefühl.
für die nächste sein kann, sollten diese
Kinder in unterschiedlichsten Zusam-                                                   Diese Faktoren brauchen Zeit. Die
menhängen in den Kindertagesstätten                                                    Wickel-Situation ist eine pädagogisch
kennenlernen, um eine strukturierte                                                    potente 1:1-Situation zwischen der
Zeiteinteilung ebenso zu erleben wie                                                   Erzieherin und dem sehr kleinen Kind,
die Hierarchisierung von Handlungs­                                                    die regelmäßig stattfindet. Sie scheint
abläufen. Es ist ein pädagogischer Auf-                                                so wichtig zu sein, dass Erzieherinnen
trag Räume sowie deren Ausstattung                                                     gelegentlich beobachten, dass Kinder,
sowie die Tagesabläufe entsprechend                                                    die bereits ohne Windel zurecht
zu gestalten und zu strukturieren.                                                     kommen, plötzlich wieder in die Hose
                                                                                       machen, wenn nicht andere Zuwen-
 Die Gestaltung des Alltags in den                                                     dungsmöglichkeiten den Verlust an
 Räumen der Kindertagesstätte ist ein                                                  kostbarer Privatzeit wettmachen.
 Kernstück des Erziehungs- und                                                         Verständlich, denn die Kinder beob-
 Bildungsauftrages. Den Alltag erfolg-                                                 achten, wie andere Kinder mit viel
 reich zu bewältigen, erfordert eine                                                   Zuwendung weiterhin gewickelt
 hohe Anpassungsleistung. Für alle                                                     werden und wünschen sich diese
 Kinder ist der tägliche Aufenthalt in                                                 Intensivzeit wieder herbei.
 der Kindertagesstätte ein nicht zu
 unterschätzendes Bildungsangebot.                                                     Die weiteren Angebote des Sanitär-
    „Der Alltag ist die längste Bildungs-                                              raumes, z. B. die Nasszonen des
zeit, die Kindern zur Verfügung steht.      Wer ist das?   Kiara-Emilia, 10 Monate     Spaßbades sind ein neuartiger vielfäl-
Er bietet – in der Regel – auch den                                                    tiger Erfahrungsraum für die Kinder,
Sinnzusammenhang, den Kinder                                                           aber auch ein wichtiges Thema für
­brauchen, um diesen Alltag als             hier in diesem großen Haus. Gerade in      klärende Teamgespräche, um den
 Bildungszeit zu nutzen.“ (Gerd E.          vielgruppigen Einrichtungen ist dies       entstehenden Begleitungsaufwand
 Schäfer). Der Alltag ist voll von          wichtig.                                   mit Wertschätzung und genügend
 Bildungsangeboten, er ist Lernglück,                                                  Zeitkapazität auszustatten.
 Sinnesstimulation, Gemeinschafts- und      Möglichkeiten zum ungestörten
 Diversitätserlebnis (Vielfalt) – nicht     Rückzug, auch zum Schlafen – auch          Neue Beobachtung zur Anbringung
 künstlich ins Haus geholt, sondern         zwischendurch innerhalb des Grup-          von Spiegeln in Krippen:
 entstanden aus dem Erleben des heuti-      penraumes! Die Erfahrung zeigt, dass          Positive Effekte sind vor allem zu
 gen Tages und dem gemeinsamen              Kinder Vorlieben für bestimmte             erwarten bei Kindern, die etwa ab
 Gestalten von Situationen.                 Ruhezeiten und -orte entwickeln            Mitte des zweiten Lebensjahres ihr
                                            können. Werden diese berücksichtigt,       Selbstkonzept entwickeln und sich
Was müssen Räume bieten? Sie sollen         stellen die Erzieherinnen fest, dass die   zeitgleich im Spiegel erkennen. Auch
Geborgenheit ausstrahlen, dank derer        Kinder ihren Rhythmus finden und           für frühere Altersstufen sind Spiegel
Nachdenken, Sich-Vertiefen, Träumen         dann auch ruhiger schlafen und ausge-      zur Beobachtung des „Spiegelkindes“
und Ausruhen in der Nähe aller              ruhter spielen. Ein Schlafraum, ein        anregend. Mit ca. 2 Jahren, nach
möglich wird, ohne vom übrigen              Ruheraum als Nebenraum und                 Entwicklung eines stabilen Selbstkon-
Geschehen ausgeschlossen zu sein.           Ausweichmöglichkeit – für Spiel und        zeptes, beginnen Kinder vor dem
Räume sollen für den ganzen Tag             Aktion außerhalb der Ruhezeiten –          Spiegel ihren Gesichtsausdruck bei
Platz/Plätze bieten – zum Ankommen,         kann bei entsprechender Gestaltung         unterschiedlichen Stimmungen zu
Abwarten, Zusehen, Mitspielen, Allein-      eine wichtige Rolle zur Differenzie-       erforschen – sie arbeiten an ihrem
spielen, Ausprobieren, Lachen,              rung des Angebotes spielen (Schlaf-        inneren Bild von sich, ein wichtiger
Weinen, Traurigsein, Fröhlichsein,          raum-Plus-Konzept).                        Entwicklungsschritt.
gemeinsam essen, Ausruhen und                                                             Im Gegensatz dazu sind Zerrspiegel
Schlafen.                                   Alle Gegebenheiten müssen „dem             oder Kippspiegel für Krippen eher
                                            kindlichen Maßstab“ entsprechen, also      ungeeignet, während sie im Atelier
Aus solchen Räumen heraus kann              selbständig, ohne fremde Hilfe von         der Großen durchaus ihren Platz
Kontakt zur „Welt draußen“ aufge-           den Kindern erreicht und benutzt           haben. Solche Gegenstände wirken
nommen werden, in sie kann etwas            werden können. Diese Forderung gilt        verwirrend, manchmal sogar verstö-
aus der „Welt von draußen“ hereinge-        gerade auch für einen der oft unter-       rend auf die Kleinstkinder, da sie die
bracht werden. Hier braucht jedes           schätzten (Erfahrungs-)Räume in            Abweichung von ihrer Vorstellung
Kind übrigens einen „Eigentumsplatz“        Krippen: den Sanitär-Bereich.              eines Gesichtes noch nicht kognitiv
– nicht nur, um eigene Gegenstände,         Hier geht es nicht nur um Erfordernis-     auflösen können und ihr sich gerade
Werke und seine (Ideen-) Sammlungen         se der Hygiene, hier geschieht             stabilisierendes Selbstbild durch das
aufzubewahren, es braucht ihn als Ort       Be­ziehungsaufbau und wichtige             verzerrte Spiegelbild verunsichert
seiner Identität: Dies ist „mein Platz“     Entwicklungsbegleitung zu einer            werden kann.

                                                                                                                             7
(T)Räume für Kleine - Dokumentation Niedersächsisches Kultusministerium
Die Mitglieder der Jury

• Heinz Wilke, freier Architekt,   • Martina Willenborg, Gemein-      • Kathrin Bax, Leiterin einer
  Braunschweig                       de-Unfallversicherungsver-         Kindertageseinrichtung,
                                     band Hannover (GUVH)               Wolfsburg
• Anke Winter, Architektin,          Landesunfallkasse Nieder-
  Bausachverständige im              sachsen (LUKN)                   • Reinhold Rohloff, freier
  Kirchenkreisamt, Hildesheim                                           Dozent, Braunschweig
                                   • Dr. Bettina Langenbruch,
• Dr. Erich Breyer, Leiter           Ärztin, Fachausschuss Kinder-    • Aus dem Niedersächsischen
  Bereich Bauordnung, Stadt-         und Jugendgesundheit im            Kultusministerium
  verwaltung Hannover, Ein-          ärztlichen Landesverband,          Ute Klingemann
  trachtweg 19, 30173 Hanno-         Hildesheim                         Wolfgang Köhler
  ver                                                                   Marina Kuban
                                                                        Christiane Reckmann

Ordnung und Überschaubarkeit                            Geschwister-Sperling-Kindergarten (6), Braunschweig

8
Beiträge aus der Jury

Sicherheit
Freiheit
Sicher „drinnen und draußen“ – Kleinkinder in der Kita
Martina Willenborg, Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover (GUVH)
Landesunfallkasse Niedersachsen (LUKN)

Viele Verantwortliche stehen zurzeit     So können die Kinder sicher spielen      Checkliste
vor der Herausforderung, Kindertages-    und das Personal wird bei der Aufsicht   1. Gibt es ein gutes pädagogisches
stätten an den Bedarf von Kleinkin-      entlastet.                                   Konzept für die Arbeit mit Kindern
dern anzupassen oder ganz neu zu           Freiräume und modelliertes Gelände         unter drei Jahren?
gestalten. Die Betreuung von Kindern     regen zur Bewegung an. Die DIN           2. Sind von Anfang an alle Beteiligten
unter drei Jahren fordert eine beson-    18034 „Spielplätze und Freiräume zum         (Träger, Planer, pädagog. Fachkräf-
dere Qualität.                           Spielen“ gibt viele Anregungen für die       te) eingebunden?
   Basis ist ein durchdachtes pädago­    Gestaltung. Naturmaterial, Wasser,       3. Ist das Außengelände vom Grup-
gisches Konzept. Alle Beteiligten        Sand, Hügel und Mulden bieten viele          penraum leicht erreichbar (Erdge-
sollten von Beginn an gemeinsam          (und preiswerte!) Möglichkeiten, die         schoss)?
mitwirken. Das Motto könnte „soviel      die Kleinen herausfordern.               4. Sind die Sicherheitsanforderungen
Sicherheit wie nötig – soviel Freiraum                                                der GUV-V S 2 und DIN EN 1176-1
wie möglich“ lauten.                     Weitere Informationen finden sich in         erfüllt?
   Die Sicherheitsanforderungen          • GUV-V S 2 und GUV-SR S2 „Kinder-       5. Können die Kinder altersangemes-
aus der GUV-V S 2 sind schon bei           tageseinrichtungen“,                       sen „Risiko und Wagnis“ erproben?
der Auftragsvergabe zu beachten,         • DIN EN 1176-1 „Spielplatzgeräte und    6. Bietet das Gelände ausreichend
da die Aufnahme von Kleinkindern           Spielplatzböden“,                          Freiräume für vielfältige Bewe-
eine wesentliche Nutzungsänderung        • UK-NRW | 40 „Sicher bilden und             gung und für Rückzug?
darstellt. Dies gilt sowohl für die        betreuen“,                             7. Werden viele Sinne angeregt und
Innenräume als auch im Außenbe-          • UK-Hessen: „Außengelände für               elementare Erfahrungen ermög-
reich.                                     Krippenkinder“                             licht?
   Draußen können wenige, für Kinder     • GUV –SI 8017 „Außenspielflächen        8. Gibt es kreativ gestaltbare Elemen-
dieser Altersgruppe gezielt ausge-         und Spielplatzgeräte“,                     te wie Pflanzen, Holz, Sand,
wählte Spielplatzgeräte und natur­       • GUV-SI 80 14 „Naturnahe Spiel­             Wasser?
nahe Gestaltungselemente kombi-            flächen“.                              9. Werden Sozialkontakte und
niert werden. Beide müssen die                                                        Sprechanlässe (Rollenspiel, Begeg-
Anforderungen der DIN EN 1176- 1                                                      nungsplätze) ermöglicht?
„ohne deutsche A-Abweichung“                                                      10. Ist das Gelände gegen unerlaubtes
erfüllen oder für die Kleinsten muss                                                  Verlassen gesichert?
der Zugang erschwert sein.

                                                                                                                       9
Beiträge aus der Jury

Transparenz und Durchblick                                             Betriebskindertagesstätte Biberburg (30), Oldenburg

Kinderkrippen aus dem Blickwinkel der Bauaufsicht
Dr. Erich Breyer, Bereichsleiter OE 61.3 Bauordnung, Stadt Hannover

Aus der Traum, wenn sich erst einmal       innerhalb dessen freie Beweglichkeit      Zunächst handelt es sich um das
die Behörden einmischen? Es ist            garantiert ist. Denn gemäß dem im         städtebauliche Planungsrecht, nieder-
sicherlich zunächst eine ernüchternde      Grundgesetz verankerten Prinzip der       gelegt im Baugesetzbuch, vom Bun­-
Erfahrung für Initiativen, Eltern,         Baufreiheit darf ein Gestaltungsspiel-    destag beschlossen. Hauptsächlich
Erzieher, Vorhabenträger, die mit viel     raum nur über gesetzliche Bestim­         betrifft es die Eignung von Standorten
Idealismus an die Errichtung und Ge-       mungen eingeschränkt werden. Und          innerhalb der Siedlungsstruktur. Und
staltung einer Kinderkrippe herange-       da sind die Varianten viel weiter         da ist das Gesetz gegenüber Einrich-
hen, wenn sich dann Behörden mel-          gesteckt, als oftmals befürchtet wird.    tungen für Kinder recht großzügig,
den und es um die Beachtung                   Nach aller Erfahrung ist schlicht-     sieht man vom Außenbereich oder von
schnöder Rechtsvorschriften und            weg kaum zu erwarten, dass sich           Industriegebieten ab.
Regularien geht. Und trägt eine            pädago­gische Konzepte und gesetz­           Aber wer möchte dort schon eine
Bauaufsicht nicht schon häufig ihren       liche Bestimmungen des öffentlichen       Kinderkrippe oder eine Kindertages-
schlechten Ruf voraus, durch ihre          Baurechts gegenseitig ausschließen.       stätte ansiedeln? Viel Furore hat vor
Forderungen vieles an Kreativität und      Da bleibt es eher dem Geschick der        einiger Zeit die Rechtsprechung eines
Einfallsreichtum auszubremsen?             Entwurfsverfasserin oder des Ent-         Verwaltungsgerichts gemacht, welche
   Richtig ist, dass das öffentliche       wurfsverfassers überlassen, in Zusam-     aufgrund einer Nachbarklage die
Baurecht (um das es hier geht) ein         menarbeit mit dem Betroffenen             Zulässigkeit einer Kindertagesstätte in
Sammelsurium von Regelungen                pädagogische Leitbilder in räumliche      einem Wohngebiet ausgeschlossen
beinhaltet, welche die grundsätzliche      Konzepte und Angebote zu übertra-         hatte – wegen der zu erwartenden
Zulässigkeit und die Ausführung            gen, ohne in Kollision mit Vorschriften   Lärmbelastung.
sogenannter baulicher Anlagen              des öffentlichen Baurechts zu geraten.
erfassen. Richtig ist aber auch, dass es   Denn auch das gehört zu den Pflichten     Das hat den Gesetzgeber auf den Plan
sich hierbei nur um Vorschriften           der Entwurfsverfasserseite.               gerufen, um noch bestehende gesetz-
handelt, die einen Rahmen setzen,          Doch worum geht es dabei eigentlich?      liche Schranken weiter zu öffnen.

10
Beiträge aus der Jury

Allerdings handelt es sich um einen        Deshalb ist sicherzustellen, dass so ein   zu den Sonderbauten, bei denen in
Einzelfall und es gibt keinen Grund        Gebäude nach Zahl und Qualität             Niedersachsen die Bauaufsicht im
zur Panik. Denn grundsätzlich wird         ausreichend gesicherte Möglichkeiten       Rahmen einer Ermessensentscheidung
Kinderlärm als sozialverträglich           bietet, es im Gefahrenfall unverzüg-       eigene Forderungen formulieren
eingestuft und nur in Extremfällen         lich zu verlassen, und zwar bevor die      darf, um den gesetzlich geforderten
können sich Nachbarn mit Erfolg            Feuerwehr kommt. Und da unterschei-        Standard an Sicherheit zu gewähr­
gegen die Ansiedlung wehren.               den sich eine Kindertagesstätte und        leisten.
                                           noch mehr eine Kinderkrippe von dem           Die Errichtung oder Nutzung einer
Von großer Bedeutung ist das Bau­          Normalfall, weil Krabbel- und Klein-       derartigen Einrichtung erfordert
ordnungsrecht, die Gesetzgebung            kinder eben nicht in der Lage sind,        ohnehin eine Baugenehmigung. Es
des Landes. Denn da geht es ganz           auf eine Gefahrensituation angemes-        empfiehlt sich aber, der Bauaufsicht
entscheidend um die Fragen der             sen zu reagieren.                          nicht das Feld zu überlassen, sondern
Sicherheit und zwar vorrangig um              Es müssen also nicht nur die            im Vorfeld eines Antrages kooperativ
den Brandschutz.                           ohnehin erforderlichen Flucht- und         mit Entwurfsverfasser und Betreiber
   Und so hat die Bauordnung als           Rettungswege angeboten werden,             Lösungen zu entwickeln, die ein
erstes strategisches Ziel, die Wahr-       darüber hinaus ist eine rechtzeitige       harmonisches Gesamtkonzept ermög-
scheinlichkeit für den Eintritt eines      Alarmierung über Rauch- und Brand-         lichen.
Brandereignisses weitestgehend zu          melder erforderlich und es sollten            Viel zu häufig wird noch immer
minimieren, und wenn das Unge­             auch ausreichend Löschgeräte zur           damit argumentiert, dass die Furcht
wollte dann doch passiert, die Aus-        Verfügung stehen, um einen evtl.           vor derartigen Gefahren übertrieben
breitung von Rauch und Feuer               Brand noch während der Entstehung          sei und der Vollzug dieser Gesetze viel
möglichst räumlich einzuschränken.         bekämpfen zu können.                       zu engstirnig verfolgt werde. Man
Nur kann ein Gebäude allein durch             Und das erfordert ausreichend           mag darüber streiten, ob nicht gerade
seine Gestaltung und Ausführung            qualifiziertes, d. h. geschultes Perso-    die gesetzlichen Bestimmungen mit
nicht die wünschenswerte Sicherheit        nal, welches in der Lage ist, schnell      dazu beigetragen haben, dass bisher
bieten, so dass ein vorrangiges Ziel die   und angemessen zu reagieren, um die        so wenig passiert ist.
schnelle Evakuierung im Schadensfall       schnelle und gefahrlose Evakuierung           Nur zeigen andere bedauerliche
ist. Und es hat sich inzwischen herum-     in die Wege zu leiten.                     Ereignisse mit Verletzten oder
gesprochen, dass nicht vom Feuer,             Diese Forderungen stehen nicht so       sogar Todesfällen, wie wichtig
sondern zunächst von der Rauchent-         unmittelbar im Gesetz. Kindertages-        derartige vorbeugende Maßnah-
wicklung die höchste Gefahr ausgeht.       stätten, Kinderkrippen u. Ä. gehören       men sind.

Räume für Kleine unter sozialmedizinischen Aspekten
Dr. Bettina Langenbruch, Sprecherin des Fachausschusses Kinder- und Jugendgesundheit im Landes-
verband der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, Hildesheim

Qualitätskriterien für institutionelle     unter drei Jahren deutlich andere             Auch der Aspekt „Geräusch“ darf
Betreuung von Kindern unter drei           sind, als bei der Betreuung älterer        als Belastungsfaktor nicht vernach­
Jahren in Krippen finden sich auch im      Kinder, und dass altersgemischte           lässigt werden. Weil die auditive
Positionspapier der Deutschen              Gruppen auch in dieser Hinsicht ganz       Wahrnehmung über Jahre geübt
Gesellschaft für Sozialpädiatrie und       besondere Aufmerksamkeit benöti-           werden muss, ist eine ausreichende
Jugendmedizin von 2009. Die Autoren        gen.                                       akustische Hygiene eine wichtige
formulieren empfehlenswerte Stan-             Weil Raumkonzepte und pädagogi-         Voraussetzung für den Spracherwerb,
dards aus Sicht der Fachgesellschaft.      sche Konzepte in enger Wechselwir-         aber oftmals im häuslichen Umfeld
Dabei messen sie die Qualität der          kung stehen, sollten alle Planungen        der Kinder nicht ausreichend gege-
Betreuung primär an den Entwick-           mit dem pädagogischen Team                 ben. Es ist natürlich gerade im
lungsbedürfnissen der kleinen Kinder.      gemeinsam erfolgen. Dabei darf man         Gruppenalltag nicht einfach, aus­
   Thematisiert wird neben vielen          die gesundheitlichen Aspekte der           reichend ruhige Situa­tionen herbeizu-
anderen Aspekten selbstverständlich        Betreuung von kleinen Kindern nicht        führen. Weil dies aber für die spätere
auch die Bedeutung, die den räumli-        vergessen. Allein unter dem hygieni-       Sprachkompetenz vieler Kinder von
chen Gegebenheiten zukommt.                schen Aspekt ist klar, dass genug Platz    ganz hervorragender Bedeutung ist,
Räumliche Bedingungen wirken               für jedes Kind vorgehalten werden          sollten die ent­sprechenden baulichen
modulierend auf das Alltagsgesche-         muss. „Crowding“ (übermäßige Enge)         Bedingungen diesbezüglich beachtet
hen in der Krippe. Sie können Abläufe      ist nachgewiesenermaßen eine               werden.
erleichtern oder erschweren. Es ist        Ursache für eine gesteigerte Infekt-          Der kindliche Übergang zur auf-
inzwischen erfreulicherweise Allge-        häufigkeit, die ohnehin im Krippenall-     rechten Mobilität erfordert viel
meingut, dass die Anforderungen im         tag ein häufig sehr belastendes            kompetente Begleitung und Aufsicht
Kontext der Betreuung von Kindern          Problem darstellt.                         mit entsprechenden Anforderungen

                                                                                                                          11
Beiträge aus der Jury

an die Übersichtlichkeit der Räume          Für viele Fragen gibt es sicherlich   Vorbildcharakter. Alle Versuche, mit
und die Grundregeln der Unfallverhü-     oft verschiedene gute Antwortmög-        verbalen Ratschlägen, Broschüren u.Ä.
tung, damit für die kleinen Kinder die   lichkeiten. Aus sozialpädiatrischer      für eine kindgerechte Gestaltung des
Möglichkeit der selbstbestimmten         Sicht jedoch sollte sich jede Überle-    Alltags zu werben, werden erfolglos
Entwicklung gewährleistet ist.           gung primär an den kindlichen            bleiben, wenn in der Krippe diesbe-
  Schließlich müssen bei der Planung     Bedürfnissen orientieren. Dabei          züglich kein nachahmenswertes
der räumlichen Gegebenheiten auch        müssen wir bedenken, dass uns            Beispiel vorgelebt wird. Deswegen
zeitliche Aspekte bedacht werden:        oftmals Kinder anvertraut werden, in     können wir uns schlechte Qualität in
wer macht was, wann, wo und mit          deren Familien weder räumliche noch      der Betreuung der Kleinsten weder in
wem? Besonders bei altersgemischten      zeitliche oder personelle Strukturen     Bezug auf die räumliche Gestaltung,
Gruppen sind hier alle Abläufe           als verlässliche Grundlage für die       noch bezogen auf die personelle
sorgfältig auch unter dem Zeitaspekt     kindliche Entwicklung existieren.        Ausstattung der Einrichtungen
zu überdenken.                              Gerade für diese Familien hat das,    schlicht nicht leisten.
                                         was in der Krippe geschieht, und vor
                                         allem, wie es geschieht, Beispiel- und

Gesundheit

Farben begreifen                                                    Ev. Kindertagesstätte St. Johannis (32), Nordstemmen

12
Preisträger - Platz 1 bis 5 der besten Beispiele aus der Praxis

                                                                                            (Eingangsnummer 45)

                            Kindertagesstätte „Christophorus„ Kaarßen
                                                                Platz 1

Zwischen Landesgrenzen und Elbe          Das Außengelände verfügt über        Daraufhin entstanden wunder­
ist diese ganz außergewöhnliche        einen alten trocken gelegten Elb-    schöne, ergonomisch passende
Kindertagesstätte zu finden. Ein       kahn zwischen hohen Tannen und       Kleinkinderspielbereiche mit multi-
sorgfältig durchdachtes Gesamt­        un­zählige attraktive Aktionsräume   funktionalen Möbeln aus besten
konzept zur Raumplanung wurde          für Kinder aller Altersgruppen.      Hölzern.
gemeinsam mit dem Architekten, mit       Das Innere der Einrichtung ist       Mit interessanten raumsparenden
Pädagoginnen, Fachhandwerkern,         durch Ästhetik, Funktionalität und   Ideen und künstlerischen I-Tüpfelchen
Künstlern und Kindern entwickelt und   Kindorientierung geprägt. Vor        konnte ein kleiner Waschraum zu
umgesetzt. Dieses Bündnis erzeugte     Anfertigung der Inneneinrichtung     einem kleinen „Jungbrunnen“
soviel positive Energie, dass die      wurden die Krippenkinder bei ihren   gestaltet werden.
kommunale Politik sowie einige Spon-   selbstbestimmten Alltagsbeschäfti-
soren begeistert mit ins Boot kamen.   gungen beobachtet und fröhlich       Nachfolgend der ungekürzte Wett­
   Aus diesem Grunde erweiterte sich   zappelnd vermessen.                  bewerbsbeitrag:
der Rahmen des anfangs sehr knapp
bemessenen Budgets.

                                                                                                               13
Preisträger - Platz 1 bis 5 der besten Beispiele aus der Praxis

Bezug nehmend auf die Ausschrei-                                                     Gemeinsam setzten wir folgende
bungsunterlagen wählten wir das                                                      Ideen um:
Thema:
                                                                                     Anforderung/ Umsetzung
Einrichtung und Ausstattung                                                          bzw. Praxiserfahrungen
des Gruppenraums als Basis-                                                          Henning Schulze und Mitarbeiter/
station                                                                              innen Krippenbereich

Unsere Kindertagesstätte findet man                                                  Arbeitsfläche mit Blick nach draußen.
im Landkreis Lüneburg, in Amt                                                        Hier wählte ich eine unbesäumte
Neuhaus .                                                                            70mm Zedernholzbohle als Fenster-
   Die Eltern bringen ihre Kinder aus                                                bank, mit untergeschobenen Kästen
den umliegenden Orten zu uns. Der                                                    zum Lagern von Spielzeug.
                                                                                       Die große natur belassene Fenster-
Anfahrweg beträgt bis zu 15 km. Seit      Anmerkungen von Henning                    bank, mit ausgesuchtem Spielmaterial,
vielen Jahren betreuen wir Krippen-
kinder in altersgemischten Gruppen.       Schulze zur Planung und                    lädt die Kinder zum Untersuchen
Der Bedarf an Krippenplätzen stieg        Ausführung                                 und Ausprobieren ein. Sie bietet den
ständig. Um diesem gerecht zu                                                        jüngeren Kindern Anreiz, allein auf-
werden, entschied sich die Gemeinde       Die Leitung der Kita beauftragte mich      zustehen und sich seitlich zu bewegen.
2009 für einen Anbau.                     mit der Entwicklung eines Raumkon-         Von hier aus erweitern die jüngeren
                                          zeptes für den Krippenbereich. Der         Kinder ihren Aktionsradius und
                                          Raum ist für die gewünschte Nutzung        erforschen immer neue Ecken im
                                                                                     Raum. Das Spielzeug in den Rollkästen
Umbau und Erweiterung                     relativ klein und zusätzlich durch die
                                                                                     wird von den Kindern selbstständig
                                          Verkehrswege und Fensteröffnungen
Krippenbereich Kindertages-               nicht frei gestaltbar. In meinem           genutzt.
stätte Kaarßen/ Angaben                   Entwurf versuchte ich nun alle
                                                                                     Um Bewegungsbereiche möglich
zum Entwurf                               Wünsche der Mitarbeiter und die
                                                                                     als Kreisläufe zu gestalten, wählte
Architekt: Dipl. Ing. Robert Heinrich     Anforderungen der Kinder zu berück-
                                          sichtigen. Hierbei ist für mich wichtig,   ich eine Krabbelwelle und eine
                                          durch die Verwendung von natürli-          Rutsche. Unter den Podesten gibt es
Das Gebäude der Kindertagesstätte
                                          chen Materialien und Formen die            kleinere Durchgänge und Höhlen,
Kaarßen ist ein langgestreckter
                                          Kinder zum („Begreifen“, Tasten,           diese laden ein zum Entdecken und
Zweckbau mit Vollunterkellerung. Es
                                          Erleben, Bewegen) zu animieren.            Bewegen.
bestand erheblicher Sanierungsbedarf.
                                             Als tragende Konstruktion verwen-          Dieser Kreislauf wird von den
Nach langer Planungszeit konnte eine
                                          dete ich entrindete und geschliffene       Kindern gut angenommen. Stufen,
umfangreiche Sanierung durchgeführt
                                          Hainbuche. Ihre verwachsenen Formen        Wellenaufgang und die verschiedenen
werden.
                                          und ihre Oberfläche sind lebendig und      Handläufe aus Naturholz fordern die
  In diesem Zusammenhang wurden
                                          geben dem ganzen Raum eine                 Kinder immer wieder heraus. Besonde-
ein Krippenbereich und ein Hauptein-
                                          natürliche Ausstrahlung. Der Belag         re Freude haben sie daran, Gegenstän-
gang neu angebaut. Aufgrund der
                                          wurde mit Kiefer-Dreischichtplatten        de auf die unterschiedlich hohen
Bestandsgröße und der Grenzabstände
                                          ausgeführt. Für die Brüstung wählte        Ebenen zu tragen z. B. Kissen.
konnte der Anbau nur in begrenzter
Größe ausgeführt werden. Zusätzlich       ich Netze, um ein hohes Maß an
                                          Sicherheit bei gleichzeitiger guter        Spielräume zum Gestalten
bestand aufgrund des sehr engen
Kostenrahmens nur geringer Gestal-        Einsicht zu erhalten. Alle Oberflächen     Das große Podest kann durch die
tungsspielraum.                           sind natur belassen und mit speichel-      Kinder sowohl zum Schlafen als auch
                                          festen Naturölen behandelt.                zum Spielen genutzt werden. Der
Anlage, Bauzeichnung                         Die Anordnung der Fenster ermög-        Raum unter dem Podest mit Spiel­
Wir Mitarbeiter der Kita haben uns        lichte mir mit unterschiedlichen           küche und Sitzecke ist Hauptanlauf-
intensiv mit dem Thema Raumgestal-        Podesthöhen zu arbeiten. Zum einen         punkt und kann den Spielbedürfnissen
tung auseinandergesetzt. Daraus           wurde dadurch die gesamte nutzbare         angepasst werden.
ergaben sich konkrete Anforderungen       Spielfläche erweitert bzw. eine              Durch die verschiedenen Ebenen
und Wünsche. Mit dem Architekten,         abwechslungsreiche Struktur aufge-         hat sich die Spielfläche vergrößert. Die
Herrn R. Heinrich und Herrn H. Schulze    baut. Ziel war hierbei auf die unter-      Kinder haben die Wahl, miteinander
als Raumplaner und -gestalter trafen      schiedlichen Anforderungen einzuge-        zu spielen oder sich aus dem Weg zu
wir auf kreative Fachleute.               hen.                                       gehen.

Wertschätzung
14
Preisträger - Platz 1 bis 5 der besten Beispiele aus der Praxis

Kreativität
Von der oberen Spielebene haben
die Kinder einen guten Ausblick in
den Gruppenraum oder in die Natur.
                                         Schwenktisch. Dieser wird nur bei
                                         Bedarf in eine zentrale Position
                                         geschwenkt.
                                                                                    abgeteilt. Hier waren der Wunsch
                                                                                    nach leichter Demontierbarkeit und
                                                                                    Transparenz die wichtigsten Kriterien.
Der untere Spielraum wird von den           Die Stühle lassen sich auch durch die   Auch hier entschied ich mich für natur-
Kindern flexibel genutzt und immer       Kinder unterhängen.                        belassene Hainbuche (verankert in
wieder anders gestaltet: zum Kochen,        Dieser Tisch ist sehr praktisch und     Bodenhülsen) mit dazwischen gehäng-
Verkleiden, Wickeln, Kuscheln usw.       schafft mehr Bewegungsfreiheit im          ten Netzen.
   Der Gruppenraum wurde zusätzlich      Gruppenraum. Mehrmals täglich wird           Unseren Eingangsbereich können
zur Deckenbeleuchtung mit vielen         er gemeinsam mit den Kindern               wir so nach Bedarf umgestalten und
unterschiedlichen Beleuchtungsmög-       bewegt. Dies zählt zu den Alltagser-       multifunktional nutzen, z. B. für
lichkeiten ausgestattet (verschiedene    fahrungen, die die Kompetenz der           Veranstaltungen, Ausstellungen, als
Strahler und Lichtschläuche). Dadurch    Kinder fördern.                            Treffpunkt aller Kindergruppen u.Ä.
ist es möglich, durch die jeweils                                                   Die Garderobe dient den Kindern als
angepasste Lichtstimmungen immer         Flexibilität der Spielgeräte               zusätzlicher Spielbereich. Die transpa-
neue Atmosphären im Raum zu              Das an der Decke befestigtes Schie-        rente Abgrenzung (Netze) regt zur
erzeugen.                                nensystem ist sehr vielseitig einsetz-     Kommunikation an.
                                         bar. Es erlaubt den leichten Wechsel
Rückzugsbereich                          von hängenden Spielgeräten. Zur
Seitlich gelegene Bereiche wie das       Erhöhung der Sicherheit sind im            Das Raumkonzept unserer Krippe mit
Krähennest, der Schaukeltropfen bzw.     Fußboden Bodenanker eingelassen,           der zentralen Lage des Gruppenrau-
die Höhlen unter dem großen Podest       zur Zeit hängt dort bodennah eine          mes ermöglicht den Kindern einen
schaffen Geborgenheit, bei gleichzei-    Motorikrolle, die bekrabbelt, beklet-      freien Zugang zum künstlerisch
tig guter Einsichtnahme und Erreich-     tert und beschaukelt wird.                 gestalteten Waschraum und zum
barkeit durch die Erzieher.                Durch das Schienensystem bieten          ebenfalls künstlerisch gestalteten
   Das Krähennest ist bei den Kindern    wir den Kindern immer neue Bewe-           Ruheraum sowie zur überdachten
beliebt, mit Kissen und Decken           gungsanreize, um sie in ihrer Entwick-     Terrasse.
machen sie es sich dort gemütlich. Der   lung zu unterstützen, denn Kinder
Platz unter dem Krähennest, vor der      erfahren ihre Welt über ihren Körper       Durch die intensive, konstruktive
großen Fensterfläche, wird von den       und über ihre Sinne. Sie testen die        Zusammenarbeit zwischen H. Schulze
Kindern auch gern zum Sitzen,            Grenzen ihrer Möglichkeiten ständig        als Raumgestalter, H. Heinrich als
Beobachten und Verweilen genutzt.        aus.                                       Architekten und dem Kita-Team
                                                                                    entstand unsere Traumkrippe, in der
Funktionalität                           Eingangsbereich                            sich die Kinder wohl fühlen, alle Mitar-
                                                                                    beiter gerne arbeiten und die Eltern
Um die Spielfläche nicht einzuschrän-    Zusätzlich zum Krippenbereich wurde
                                                                                    begeistert sind.
ken, entschied ich mich für einen        im Eingangsbereich eine Garderobe

                                                                                                                         15
Preisträger - Platz 1 bis 5 der besten Beispiele aus der Praxis

(Eingangsnummer 17)

Städtische Kindertagesstätte Zeppelinstraße
Hildesheim
Platz 2

Die Mitarbeiterinnen dieser Kinder­         In den beiden Gruppenräumen           Die Krippengruppen haben eine
tagesstätte orientieren sich an der      wurden Pavillons gebaut. Hier sind       eigene Terrasse. Der große Außen­
Lehre von Sebastian Kneipp (1821-97)     Orte der Harmonie, zum Rückzug           bereich gliedert sich in verschiedene
mit seiner ganzheitlichen Sicht für      inmitten des Geschehens, zum             Funktionen und Bereiche, wodurch
frühkindliche Erziehung, Gesundheit      Beobachten, zum ruhigen Spiel. Mit       Orientierung und Überschaubarkeit
und Bildung. Fünf Elemente spielen       Kinderküchenzeilen und angrenzen-        gegeben ist. Es gibt viele Möglichkei-
bei der Gestaltung der Umgebung          den Schlafräumen haben beide             ten zu sinnlichen Erfahrungen außer
eine wesentliche Rolle: Lebensord-       Gruppen für sich individuelle Krippen-   der üblichen „Möblierung“ mit
nung – natürliche Reize – Wasser –       bereiche geschaffen.                     Rutsche, Schaukel, Klettergerüst und
Bewegung – Ernährung/Kräuter.               Die Gestaltung aller Räumlichkeiten   Sandkasten umgebende Bäume,
   Es gibt ein sehr großzügiges          ist naturnah, schön und gemeinsam        Sträucher, Hecken, große Granitsteine,
Platzangebot in einem Gebäude,           mit Kindern vorgenommen. Gestrickte      kleine Kieselsteine. Außer Rasenflä-
dessen Grundriss an einen Bienen-        Söckchen an langen Wäscheleinen,         chen gibt es eine Wiese und Beete mit
stock erinnert. Möblierung und           Eimer und Wannen verraten etwas          Blumen, deren essbare Blüten mit
Ausstattung des gesamten Gebäudes        über regelmäßige Wassergüsse und         Zuckerguss leckere Kekse schmücken.
und der Gruppenräume bieten              Tautreten.
variationsreiche Bewegungs- und             Ein großes Atrium befindet sich in    Nachfolgend der ungekürzte Wett­
Bildungsmöglichkeiten für alle           der Mitte zwischen drinnen und           bewerbsbeitrag:
kindlichen Interessen für klein oder     draußen. Dort wird gerade an einem
groß, mit oder ohne besonderen           Erlebnispfad für die Füße getüftelt
Förderbedarf.                            und gearbeitet.

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