Tätigkeitsbericht 2016 - Hans-Bredow-Institut

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Tätigkeitsbericht 2016 - Hans-Bredow-Institut
Tätigkeitsbericht 2016
Tätigkeitsbericht 2016 - Hans-Bredow-Institut
Hans‐Bredow‐Institut
für Medienforschung an der Universität Hamburg
Rothenbaumchaussee 36
20148 Hamburg
Tel.: (+49 40) 45 02 17‐0
45 02 17‐12 Verlag
45 02 17‐22 Bibliothek
45 02 17‐41 Redaktion
Fax: (+49 40) 45 02 17‐77
E‐Mail: info@hans‐bredow‐institut.de
Internet: www.hans‐bredow‐institut.de

Direktorium: Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Prof. Dr. Wolfgang Schulz (Vorsitz)
Bankverbindung: IBAN DE82 2105 0000 0173 9220 00, BIC HSHNDEHH
Finanzamt Hamburg‐Nord – Steuernummer 17/408/01380 – VAT DE 118 71 7458

Mai 2017
Tätigkeitsbericht 2016 - Hans-Bredow-Institut
ZUM TÄTIGKEITSBERICHT 2016
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK)           Einzelmedien zu betrachten. So kann ein differen‐
hat den Wissenschaftsrat und die Leibniz‐ Gemein‐     ziertes Bild gezeichnet werden: Meinungsbil‐
schaft im Oktober 2016 gebeten, die Aufnahme          dungsprozesse sind ohne Intermediäre nicht mehr
der Stiftung Hans‐Bredow‐Institut in die gemein‐      denkbar, weil diese die Informations‐ und Kommu‐
same Förderung durch Bund und Länder zu prüfen.       nikationspraktiken mittlerweile in vielfältiger
Dabei geht es um die Beurteilung der wissen‐          Weise durchdringen. Zugleich sind Intermediäre
schaftlichen Qualität, der überregionalen Bedeu‐      aber nur ein Baustein im Prozess der Meinungsbil‐
tung und der strukturellen Relevanz für das Wis‐      dung und greifen an verschiedenen Stufen dieses
senschaftssystem.                                     Prozesses unterschiedlich stark ein.
    Das Verfahren, über das in den letzten Jahren         Im Forschungsprogramm 2 wird die Relevanz
im Institut, aber auch bei seinen Freunden und        der Kooperation mit der Informatik besonders
Förderern viel gesprochen wurde, ist nun also an‐     deutlich. In digitalen Kommunikationsräumen ist
gestoßen und wird im Jahr 2018 formal beendet         der „Code“ ein normativer Faktor, der vom Institut
sein. Das Jahr 2017 ist dementsprechend von der       bereits im Zusammenwirken mit anderen Fakto‐
Aufnahme‐Evaluation geprägt.                          ren untersucht wurde. In Kooperation mit dem
    Dieser Bericht dokumentiert die Arbeit des In‐    Fachbereich Informatik der Universität Hamburg
stituts im Jahr 2016. Anders als früher berichten     und der TU Hamburg wird das Institut den Faktor
wir nur über dieses Kalenderjahr und nicht noch       Code jetzt weiter entschlüsseln und etwa die Ebe‐
über die ersten Monate des Folgejahres bis zur Be‐    nen Architektur und Engineering bei der Entste‐
richtserstellung. Eine kleine, aber symbolträchtige   hung von Software‐Strukturen getrennt betrach‐
Änderung, verweist sie doch darauf, dass die für      ten. Ziel ist zunächst die Erarbeitung eines gemein‐
die kontinuierliche Leistungsmessung bedeutsame       samen Begriffsrahmens für die Beantwortung von
Orientierung an Kalenderjahren Vorrang vor der        Grundfragen der Gestaltung von Informationssys‐
reinen Informationsfunktion des Berichtes ge‐         temen in Bezug auf „Information Governance
winnt.                                                Technologies“, um dann ein vertieftes Verständnis
    Das letzte Jahr war vor allen Dingen durch zwei   der Wechselwirkungen zwischen den Governance‐
Entwicklungen geprägt: zum einen die verstärkte       Faktoren zu erlangen. Dazu wurden 2016 Mittel
Profilierung durch die Orientierung an den For‐       der Landesforschungsförderung eingeworben. Zu‐
schungsprogrammen, die nun für die Zeit bis 2021      dem soll die Voraussetzung für eine größer ange‐
die Fokuspunkte der Arbeit bilden werden, zum         legte Verbundforschung zu dem Thema geschaf‐
anderen die disziplinäre Erweiterung der Perspek‐     fen werden.
tive durch Kooperationen mit der Informatik, die          Der Bericht über die Leistungen des Instituts im
sich in den Forschungsprogrammen niederschlägt.       letzten Jahr bietet Anlass, den institutionellen För‐
    Bei der Beantwortung der Frage, wie sich die      derern des Instituts zu danken, die die notwendi‐
Gesellschaft informiert, konzentriert sich die Ar‐    gen Voraussetzungen für diese Arbeit schaffen: die
beit am Forschungsprogramm 1 auf zwei Typen           Freie und Hansestadt Hamburg, die NDR Media
von Akteuren: Produzenten journalistisch‐redakti‐     GmbH, das Zweite Deutsche Fernsehen, die Medi‐
oneller Inhalte und Informations‐Intermediäre wie     enanstalten sowie die Medienstiftung Hamburg.
Social Media oder Suchanbieter. Hier bewährt sich
der Ansatz des Instituts, Informationsangebote im     Hamburg, im Mai 2017
Zusammenspiel zu untersuchen und nicht allein         Uwe Hasebrink, Wolfgang Schulz
INHALT

A.   FORSCHUNG FÜR DIE MEDIENGESELLSCHAFT: DAS PROFIL DES HANS‐BREDOW‐INSTITUTS.................. 9
     Forschungsprogramm 1: „Transformation öffentlicher Kommunikation:
     Journalistische und intermediäre Funktionen im Prozess der Meinungsbildung“ ................................. 11
     Forschungsprogramm 2: „Regelungsstrukturen und Regelbildung
     in digitalen Kommunikationsräumen“ ..................................................................................................... 18
     Forschungsprogramm 3: „Wissen für die Mediengesellschaft“ .............................................................. 26
     Postdoc‐Kolleg „Algorithmed Public Spheres“ ........................................................................................ 35

B.   NACHWUCHSFÖRDERUNG....................................................................................................................... 36

C.   KOOPERATION .......................................................................................................................................... 39

D.   WISSENSTRANSFER, BERATUNG UND SERVICEANGEBOTE ..................................................................... 46

E.   PUBLIKATIONEN UND VORTRÄGE ............................................................................................................ 48

F.   VERANSTALTUNGEN ................................................................................................................................ 59

G.   GESCHICHTE – ORGANE – BEIRAT – FINANZIERUNG ............................................................................... 61

H.   MITARBEITER/INNEN UND ORGANISATION DES INSTITUTS.................................................................... 64
PROJEKTÜBERSICHT

FORSCHUNGSPROGRAMM 1: „TRANSFORMATION ÖFFENTLICHER KOMMUNIKATION: JOURNALISTISCHE UND
INTERMEDIÄRE FUNKTIONEN IM PROZESS DER MEINUNGSBILDUNG“
Journalism: New Organisational Models, Changing Audience Relationships, and Their Effect on
Journalistic Output............................................................................................................................................... 12
Reuters Institute Digital News Survey ................................................................................................................. 12
Relevanz einzelner Medienangebote und digitaler Dienste für die Meinungsbildung ...................................... 13
Was bedeutet Meinungsmacht heute? Interdisziplinäre Dekonstruktion eines Begriffs .................................. 13
SCAN – Systematische, semi‐automatische Inhaltsanalyse von Nutzerkommentaren für Journalist(inn)en .... 14
Wenn aus Daten Journalismus wird: eine fortlaufende Inhaltsanalyse der Nominierungen
für den jährlichen Data Journalism Award .......................................................................................................... 14
Journalism Elsewhere .......................................................................................................................................... 15
Media Performance and Democracy................................................................................................................... 15
Media Pluralism Monitor ..................................................................................................................................... 15
Forschungsverbund „Transforming Communications“ ....................................................................................... 16
Public Connection ................................................................................................................................................ 16
Mediennutzung von Menschen mit Behinderung .............................................................................................. 17
Soziale Medien und vernetzte Öffentlichkeiten.................................................................................................. 17
Promotionsprojekt Nachrichtennutzung auf sozialen Netzwerkplattformen .................................................... 17
Promotionsprojekt Branded Journalists. Theoretische Konzeption und empirische Exploration von
Markenführung im Journalismus......................................................................................................................... 18

FORSCHUNGSPROGRAMM 2: „REGELUNGSSTRUKTUREN UND REGELBILDUNG IN DIGITALEN
KOMMUNIKATIONSRÄUMEN“
Information Governance Technologies: Ethics, Policies, Architectures, Engineering ........................................ 20
Doing Internet Governance: Constructing Normative Structures Inside and Outside
Intermediary Organisations ................................................................................................................................. 20
Die Macht der Informationsintermediäre – Erscheinungsformen, Strukturen und Regulierungsoptionen ...... 21
MIRACLE (Machine‐readable and Interoperable Age Classification Labels in Europe) ...................................... 21
Softwaresysteme, Öffentlichkeit und Teilhabe ................................................................................................... 22
Privacy in Deutschland und China: ein Rechtsvergleich...................................................................................... 22
Promotionsprojekt Inhaltliche Gebote aktiver staatlicher Informationstätigkeit .............................................. 23
Promotionsprojekt Netzneutralität im Internet – Gebotenheit und Gewährleistung
durch das bestehende Recht ............................................................................................................................... 23
Promotionsprojekt Gewährleistung der Möglichkeit internetbasierter Kommunikation –
eine Vermessung des grundgesetzlichen Schutzkonzepts.................................................................................. 24
Promotionsprojekt Code als neuralgischer Punkt der Internetregulierung ....................................................... 24
Promotionsprojekt Die Behandlung algorithmischer Kommunikate im deutschen Verfassungsrecht .............. 24
Promotionsprojekt Schulisches Disziplinarrecht und die Bekämpfung von Cyberbullying –
eine Analyse mit rechtsvergleichenden Elementen ............................................................................................ 25
Promotionsprojekt Die Rechtsfigur der Störerhaftung – Diskussion im Hinblick auf die
Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung ............................................................................................................. 25

FORSCHUNGSPROGRAMM 3: „WISSEN FÜR DIE MEDIENGESELLSCHAFT“
Kompetenzbereich "Aufwachsen in digitalen Medienumgebungen und Jungednmedienschutz"
EU Kids Online – Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen im europäischen Vergleich ......................... 27
Jugendmedienschutzindex .................................................................................................................................. 27
Digitale Audiostifte: Rolle und Nutzung in der Familie ....................................................................................... 28
Socialisation: Growing Up in a Changing Media Environment............................................................................ 28
COST‐Action „The Digital Literacy and Multimodal Practices of Young Children” (DigiLitEY) ............................ 28
Promotionsprojekt Entscheidungen unter Ungewissheit im Jugendmedienschutz – Untersuchung der
spielraumprägenden Faktoren gesetzgeberischer und behördlicher Entscheidungen bei Wissensdefiziten ... 29
Promotionsprojekt Mobile Medien in der elterlichen Medienerziehung........................................................... 29
Kompetenzbereich "Public Service und Public Value"
Gutachten für den Kommunikations‐ und Medienbericht der Bundesregierung 2016/2017 ........................... 29
Der individuelle Wert von Medienangeboten..................................................................................................... 30
Kompetenzbereich "Gesundheitskommunikation"
Entwicklung einer Informationsplattform zum Thema Komplementärmedizin ................................................. 30
Marktanalyse Gesundheitskommunikation ........................................................................................................ 30
Big Data & Health Communication...................................................................................................................... 31
Netzwerk „Medien und Gesundheitskommunikation“ ....................................................................................... 31
Pomotionsprojekt Audiovisuelles Framing in der Gesundheitskommunikation ................................................ 31
Kompetenzbereich "Mediengeschichte"
Ankunft im Radio. Flucht und Vertreibung in west‐ und ostdeutschen Hörfunkprogrammen 1945‐1961 ....... 32
Entangled Media Histories (EMHIS) .................................................................................................................... 32
Transnational Media Histories – eine Kooperation mit der Macquarie University in Sydney............................ 33
Media Memory: Kommunikation über Vergangenheit ....................................................................................... 33
Sounds like ... vergangene Töne und historische Kommunikationsprozesse ..................................................... 33
Privat und Öffentlich‐Rechtlich – Wie das duale Rundfunksystem in der Bundesrepublik eingeführt wurde .. 33
Imagined Communities: Space‐related Constructions of Cities’ Collectivity in Times of Analogue Media ....... 34
Promotionsprojekt „Fernseh‐Erinnerungen“. Eine Untersuchung subjektiv wahrgenommener
Medienwirkungen auf mentale und kollektive Repräsentationen vom Holocaust ............................................ 34
A. FORSCHUNG FÜR DIE MEDIENGESELLSCHAFT:
   DAS PROFIL DES HANS‐BREDOW‐INSTITUTS

Dem Hans‐Bredow‐Institut geht es in seiner For‐        Diese Programme sind jeweils disziplinübergrei‐
schung um medienvermittelte öffentliche Kom‐           fend konzipiert.
munikation, unabhängig davon, auf welchen tech‐            Aus der Aufgabe des Hans‐Bredow‐Instituts,
nischen Plattformen die Kommunikation stattfin‐        die Entwicklung öffentlicher Kommunikation in
det. Mit der Problemorientierung der Forschung         der Mediengesellschaft zu erforschen, leiten sich
geht dabei ein besonderes Interesse an den jeweils     seine drei aktuellen Forschungsprogramme (Lauf‐
„neuen“ Medien einher, zu deren Verständnis und        zeit: 2016–2021) ab, die quer zu den disziplinären
Gestaltung das Institut beitragen will.                Säulen verlaufen. Zwei dieser Programme gehen
    Dieser Gegenstandsbereich erfordert interdis‐      von konkreten Leitfragen aus, die in konzertierter
ziplinäre Forschung. Die fachlichen Hintergründe       Form beantwortet werden sollen; das dritte Pro‐
der Forscherinnen und Forscher am Institut sind        gramm bündelt die in den Kompetenzbereichen
entsprechend vielfältig; die Organisationsstruktur     des Instituts stattfindende Transferforschung und
des Instituts umfasst eine kommunikationswissen‐       rückt die Metafrage in den Fokus, wie die Ergeb‐
schaftliche und eine rechtswissenschaftliche           nisse dieser Forschung als Wissen über und für die
Säule. Zunehmende Bedeutung erlangt für das            Mediengesellschaft fruchtbar gemacht werden
Institut die international vergleichende Forschung;    können.
um dies zu erleichtern, ist das Institut in mehreren       Ergänzt werden diese Programme durch ein
internationalen Forschungsnetzwerken aktiv.            Nachwuchskolleg, in dem exzellente Nachwuchs‐
    Das wissenschaftliche Profil des Hans‐Bredow‐      wissenschaftlerinnen und ‐wissenschaftler aus
Instituts wird geprägt durch seine Forschungspro‐      dem In‐ und Ausland innovative Themen behan‐
gramme: Programmbezogene Forschung orien‐              deln, von denen Impulse für künftige Programme
tiert sich an grundlegenden und auf einen Zeit‐        ausgehen können. In der ersten Phase widmet sich
raum von mehreren Jahren angelegten Fragestel‐         das Kolleg dem Thema „Algorithmed Public Sphe‐
lungen, die durch aufeinander aufbauende Eigen‐        res“.
und Drittmittelforschung bearbeitet werden.

                                                                                                       9
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2016

10
FORSCHUNGSPROGRAMM 1:
„TRANSFORMATION ÖFFENTLICHER KOMMUNIKATION: JOURNALISTISCHE UND
INTERMEDIÄRE FUNKTIONEN IM PROZESS DER MEINUNGSBILDUNG“

   Wie stellt sich Journalismus auf die konvergente Medienumgebung ein?
   Wie verändern sich Nachrichtennutzung und öffentliche Teilhabe?
   Welchen Einfluss haben Informationsintermediäre auf Meinungsbildung und wie kann Regulierung darauf
    reagieren?

Ausgangspunkt des Forschungsprogramms 1 sind             denen sich Ansatzpunkte für eine Regulierung ab‐
die durch die Digitalisierung der Medienproduk‐          leiten lassen, die die Informationsfunktionen der
tion, ‐distribution und ‐nutzung ausgelösten Trans‐      Medien absichern will.
formationsprozesse der medienvermittelten öf‐                Konkret wird untersucht, wie sich etablierte
fentlichen Kommunikation. Sie haben Entgrenzun‐          und neue Anbieter im Feld des Journalismus auf
gen zur Folge, die dazu führen, dass die aus Anbie‐      die sich zunehmend ausdifferenzierende Medien‐
ter‐ und Nutzersicht, aber auch aus einer norma‐         umgebung und Mediennutzung, auf die Automati‐
tiv‐gesellschaftlichen Perspektive bislang relativ       sierung und Algorithmisierung der eigenen Ar‐
klar differenzierbaren Angebotstypen und Infor‐          beitsprozesse, aber auch auf die Konkurrenz durch
mationsfunktionen an Trennschärfe verlieren: Ne‐         funktional äquivalente Leistungen nicht‐journalis‐
ben professionellen Journalismus und klassische          tischer Dienste und Anbieter einstellen. Ziel ist die
Massenmedien treten neue Akteure, algorith‐              Entwicklung eines konzeptionellen, theoretischen
misch operierende Intermediäre sowie Nutzerin‐           und methodischen Rahmens, der die Abgrenzung
nen und Nutzer selbst, die sich zunehmend ein‐           „journalistisch‐redaktioneller“ Angebote von
flussreich an der Herstellung von Öffentlich‐            sonstigen Kommunikationsangeboten erlaubt.
keit(en) beteiligen. Dies wirft die Frage auf, zu wel‐   Entsprechend wird im Hinblick auf die Mediennut‐
chen Machtverschiebungen es hierbei in einem             zung untersucht, wie und mithilfe welcher kom‐
Kommunikationssystem kommt, dem in der Ge‐               munikativer Praktiken sich Menschen informieren
sellschaft traditionell die Kernfunktion zukommt,        und mit Öffentlichkeit(en) in Beziehung setzen.
Öffentlichkeit herzustellen und zur Meinungsbil‐         Hierbei stellt sich die Frage, welche Funktionen In‐
dung beizutragen.                                        termediäre einerseits und journalistisch‐redaktio‐
    Das zentrale Erkenntnisinteresse des For‐            nelle Angebote andererseits im Informationsre‐
schungsprogramms besteht darin, besser zu ver‐           pertoire unterschiedlicher Nutzergruppen erfül‐
stehen, wie unter diesen Bedingungen, und ausge‐         len.
handelt zwischen Anbietern und Nutzern, Öffent‐              Die gesellschaftliche Relevanz der so be‐
lichkeit hergestellt wird. Um diesen grundlegen‐         obachtbaren Veränderungen ergibt sich unter an‐
den Zusammenhang untersuchen zu können, wer‐             derem aus dem Einfluss, den medial vermittelte
den im Rahmen des Forschungsprogramms die                Kommunikation auf die Prozesse individueller und
Verschränkungen in den Blick genommen, die zwi‐          gesellschaftlicher Meinungsbildung hat bzw. ha‐
schen Informationsproduktion, Informationsange‐          ben kann. Für die Bestimmung unterschiedlicher
boten und Informationsnutzung bestehen und aus           Formen der Einflussnahme fehlt es derzeit aber an

                                                                                                          11
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2016

begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen. So        Rahmen für medienbezogene Einflüsse auf Mei‐
ist der Rechtsbegriff der „vorherrschenden Mei‐         nungsbildungsprozesse erarbeitet, der eine
nungsmacht“, auf den derzeit rundfunkrechtliche         Grundlage dafür schafft, auf die beschriebenen
Vielfaltskontrolle aufbaut, bei näherer Betrach‐        Transformationen rechtlich zu reagieren.
tung in allen Begriffsteilen unklar, etwa im Hinblick
                                                        Sprecher/in: W. Loosen, S. Dreyer
auf die Begriffsweite der „Meinung“ und die Frage
nach der Art des Einflusses und seiner Vermittlung,     Bearbeiter/in: K. Dankert, U. Hasebrink, A. Heldt,
aber auch in Bezug auf das Verständnis von „Mei‐           S. Hölig, M. Lose, L. Merten, J. Reimer, L. van
nungsbildungsprozessen“. Daher wird im Rahmen              Roessel, J.‐H. Schmidt, H.‐D. Schröder,
des Forschungsprogramms ein konzeptioneller                W. Schulz, L. Ziebarth

LEITPROJEKTE IM FORSCHUNGSPROGRAMM 1

Journalism: New Organisational Models,                  Reuters Institute Digital News Survey
Changing Audience Relationships, and Their
                                                        Das Hans‐Bredow‐Institut ist deutscher Partner
Effect on Journalistic Output
                                                        des Reuters Institute for the Study of Journalism
Wie wirkt sich die Entwicklung des Internets und        an der Universität Oxford, das seit 2012 jährlich
sozialer Medien auf die Organisation des Journa‐        Befragungen zur Nachrichtennutzung über sämtli‐
lismus, veränderte Publikumsbeziehungen und die         che Plattformen und Dienste hinweg durchführt.
Berichterstattung aus? Dies untersucht ein Projekt      Wie die Bevölkerung bzw. verschiedene Bevölke‐
im Rahmen des Forschungsverbundes „Transfor‐            rungsgruppen ihre Nachrichtennutzung verändern
ming Communications“.                                   und welche Rolle die verschiedenen technischen
    Die Publikumsbeziehungen von Journalistin‐          Plattformen und Nachrichtendienste dabei spie‐
nen und Journalisten wie auch die Organisation, in      len, steht im Zentrum des Reuters Institute Digital
die sie eingebettet sind, haben einen Einfluss auf      News Survey.
Produktion von Inhalten und Berichterstattung.              Hierfür wurden 2016 zeitgleich Befragungen in
Neue Medienangebote wie BuzzFeed, Correct!v,            26 europäischen und außereuropäischen Ländern
Edition F, Heftig.com und Huffington Post binden        realisiert, um generelle Trends, aber auch natio‐
beispielsweise das Internet und soziale Medien          nale Besonderheiten erkennen zu können. Die
auf neuartige und andere Weise ein als viele der        deutschen Ergebnisse für 2016 zeigen, dass die
etablierten Medien. In diesem Projektvorhaben           Nachrichtennutzung in der Gruppe der 18‐ bis 24‐
soll untersucht werden, welche neuen journalisti‐       Jährigen im Vergleich zum Vorjahr in allen Gattun‐
schen Organisationen und Organisationsformen            gen zurückgegangen ist, 21 Prozent beziehen
entstehen, wie Journalistinnen und Journalisten in      Nachrichten ausschließlich über Quellen aus dem
unterschiedlichen Organisationen ihre Beziehung         Internet, darunter 8 Prozent ausschließlich über
zu ihrem Publikum gestalten und wie dies ihre Ar‐       soziale Medien. Die gründlichere Nachrichtennut‐
beit und letztendlich ihre journalistischen Beiträge    zung erfolgt aber immer noch über klassische
beeinflusst.                                            Nachrichtenmedien wie die Tageszeitung morgens
    Das Vorhaben war Bestandteil des Verbundan‐         und die Fernsehnachrichten abends. Die im Rah‐
trags „Transforming Communications“ und wird            men der Untersuchung erhobenen Daten bilden
2017 als Einzelprojektantrag bei der DFG einge‐         eine wichtige Grundlage auch für weitere For‐
reicht.                                                 schungsprojekte des Instituts und für die Bewer‐
                                                        tung der Veränderung des Nutzungsverhaltens,
Bearbeiter/in: W. Loosen (Ansprechpartnerin),
   J. Reimer

12
Projekte Forschungsprogramm 1

die wiederum Grundlage etwa für Vorschläge im           und YouTube, in Teilen auch Instant‐Messaging‐
Bereich der Medien‐Regulierung bildet.                  Plattformen unterstützen – gerade auch im Zusam‐
   Die Ergebnisse 2016 sind als Arbeitspapier des       menspiel mit journalistisch‐publizistischen Angebo‐
Hans‐Bredow‐Instituts Nr. 38 erschienen.                ten – die Wahrnehmung von gesellschaftlich geteil‐
                                                        ten Problemlagen, Deutungen und Meinungsvertei‐
Bearbeiter: S. Hölig (Ansprechpartner),
                                                        lungen, indem sie Anschlusskommunikation von
   U. Hasebrink
                                                        Teilen des Publikums sichtbar machen. Für die For‐
Kooperationspartner: D. Levy, N. Newman, R. K.          mierung eigener Einstellungen und Meinungen so‐
   Nielsen, Reuters Institute for the Study of          wie daraus resultierender Handlungsabsichten sind
   Journalism                                           allerdings die Face‐to‐Face‐Kommunikation mit
Drittmittelgeber: die medienanstalten, ZDF              dem eigenen sozialen Umfeld sowie die Berichter‐
                                                        stattung publizistischer Medien, denen Vertrauen
Relevanz einzelner Medienangebote und                   entgegengebracht wird, nach wie vor bedeutsam.
digitaler Dienste für die Meinungsbildung               Bearbeiter/in: U. Hasebrink (Ansprechpartner),
Auch wenn die Nutzung von Intermediären weit               J.‐H. Schmidt, L. Merten
verbreitet ist, sind Online‐Intermediäre in der Re‐     Drittmittelgeber: die medienanstalten
gel nicht zentrale Quellen des Informationsreper‐
toires zu gesellschaftlich relevanten Ereignissen.      Was bedeutet Meinungsmacht heute?
Zu diesem Ergebnis kommt eine am Hans‐Bredow‐           Interdisziplinäre Dekonstruktion eines Begriffs
Institut durchgeführte Studie, die im Auftrag der
                                                        Der Begriff der „vorherrschenden Meinungsmacht“
Medienanstalten entstand. Nachdem erste Ergeb‐
                                                        (§ 26 Rundfunkstaatsvertrag) ist zentral für die
nisse der qualitativen Studie bereits in der Veran‐
                                                        Vielfaltssicherung im Rundfunkrecht. Umso er‐
staltung der Medienanstalten „Intermediäre und
                                                        staunlicher erscheint, dass kaum Einigkeit darüber
Meinungsbildung“ im November 2016 vorgestellt
                                                        besteht, was er bezeichnet. Geht es nur um Mei‐
wurden, ist auch der wissenschaftliche Endbericht
                                                        nungen zu gesellschaftlich relevanten Themen
online verfügbar.
                                                        und, wenn ja, wie sind diese zu bestimmen? Wann
    Die Studie basiert auf Gruppen‐ und Einzelin‐
                                                        hat jemand Macht darüber? Und kann das System
terviews mit insgesamt 27 Befragten und verfolgt
                                                        öffentlicher Meinungsbildung so umschlagen, dass
einen innovativen repertoire‐orientierten Ansatz,
                                                        jemand „vorherrschenden“ Einfluss besitzt?
gestützt auf visualisierte Medienrepertoirekarten
                                                            Die Beantwortung dieser Fragen drängt, denn
der einzelnen Befragten.
                                                        neben traditionellen Medien wird immer stärker
    Auch wenn Intermediäre Informations‐ und
                                                        auch Akteuren Macht im Meinungsbildungspro‐
Kommunikationspraktiken mittlerweile in vielfälti‐
                                                        zess zugesprochen, die Algorithmen kontrollieren
ger Weise durchdringen und somit aus den Prozes‐
                                                        bzw. Dienstleistungen anbieten, die auf „Künstli‐
sen der Meinungsbildung nicht mehr wegzudenken
                                                        cher Intelligenz“ basieren, etwa Suchmaschinen.
sind, entkräften die Ergebnisse die Befürchtungen
                                                        Auch diese neuen Formen Internet‐basierter Kom‐
der einseitigen Meinungsbildung durch algorith‐
                                                        munikation können derzeit nur über das Konstrukt
misch generierte Filterblasen. Intermediäre sind
                                                        der „medienrelevanten verwandten Märkte“ ein‐
nur ein Baustein im Prozess der Meinungsbildung
                                                        bezogen werden. Ein Grundlagenprojekt zur Be‐
und greifen an verschiedenen Stufen dieses Prozes‐
                                                        antwortung der o. g. Fragen befindet sich in der
ses unterschiedlich stark ein: Alle Intermediäre sind
                                                        Phase der Konzeption.
bei ihren Nutzerinnen und Nutzern Teil der Wis‐
sens‐ und Informationssuche, wenngleich sie sich        Bearbeiter/in: W. Schulz (Ansprechpartner),
unterschiedlich gut für unterschiedliche Informati‐        S. Dreyer, T. Mast
onsbedürfnisse eignen. Insbesondere Facebook

                                                                                                         13
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2015/2016

WEITERE PROJEKTE IM FORSCHUNGSPROGRAMM 1

SCAN – Systematische, semi‐automatische                Wenn aus Daten Journalismus wird: eine
Inhaltsanalyse von Nutzerkommentaren für               fortlaufende Inhaltsanalyse der
Journalist(inn)en                                      Nominierungen für den jährlichen Data
                                                       Journalism Award
Wie können Leserkommentare bei News‐Artikeln
semi‐automatisch ausgewertet werden? Im SCAN‐          Ob „Swiss Leaks“ oder „Panama Papers“ – „Daten‐
Projekt wird ein Software‐System entwickelt, das       journalismus“ ist derzeit hoch aktuell. Wie sich
Journalist(inn)en dabei unterstützen soll, Meinun‐     diese neue Form von Journalismus entwickelt,
gen, Anregungen zum Thema oder weiterführende          wird anhand journalistischer Texte untersucht, die
Informationen in Nutzerkommentaren zu identifi‐        für den Data Journalism Award nominiert wurden.
zieren und für journalistische Zwecke nutzbar zu           Datenjournalismus (oder: datengetriebener
machen.                                                Journalismus) ist nicht nur im Journalismus selbst,
    Journalistische Redaktionen sind mit einer zu‐     sondern auch in der Forschung zu einem Boom‐
nehmenden Menge von Publikumsfeedback, bei‐            Thema geworden. Bisher fehlte jedoch eine Stu‐
spielsweise in Foren, Kommentarbereichen und           die, die über mehrere Jahre und über Län‐
Social Media konfrontiert. Allein die Menge an         dergrenzen hinweg nachzeichnet, wie sich die
Kommentaren und anderen Rückmeldungen aus              neue datengetriebene Art der Berichterstattung
dem Publikum stellt Redaktionen vor enorme Her‐        (weiter‐)entwickelt. An diesem Punkt setzt das
ausforderungen. Ein Großteil der Anstrengungen         Projekt „Wenn aus Daten Journalismus wird“ an:
konzentriert sich bisher auf die Schattenseiten die‐   Seit 2013 wird jährlich analysiert, was man als den
ser Entwicklung: das Herausfiltern von Spam, Hate      „Gold‐Standard“ des internationalen Datenjour‐
Speech oder propagandaverdächtigen Inhalten.           nalismus bezeichnen kann: die Projekte, die für
    Das SCAN‐Projekt in Zusammenarbeit mit Prof.       den Data Journalism Award nominiert sind. Dieser
Dr. Walid Maalej und seinem Team von der Infor‐        Preis wird jedes Jahr vom Global Editors Network
matik der Universität Hamburg verfolgt demge‐          für die besten datengetriebenen Geschichten
genüber einen konstruktiven Ansatz und will Jour‐      vergeben.
nalist(inn)en dabei unterstützen, „journalistischen        Analysiert wird, welche Medien die Stücke
Sinn“ aus Nutzerkommentaren zu ziehen – für die        produzieren (Zeitungen, TV‐Sender usw.), welche
eigene Arbeit, aber auch für das Publikum selbst.      Themen sie behandeln (Politik, Wirtschaft, Sport
So sollen z. B. hilfreiche Kommentare schneller        usw.), welche Arten von Daten sie dafür nutzen
aufzufinden oder auch unterschiedliche Meinun‐         (Geodaten, Finanzdaten, Umfrageergebnisse
gen zu einem Thema zu identifizieren sein.             usw.), aus welchen Quellen diese stammen (Re‐
    Wiebke Loosen und Lisa Merten stellten die in‐     gierungsorganisationen, NGOs, Unternehmen
terdisziplinäre Kooperation im 15. Bredowcast vor.     usw.), mit welchen Mitteln sie visuell dargestellt
                                                       werden (Diagramme, Karten, Tabellen usw.) und
Bearbeiter/innen: W. Loosen
                                                       welche Möglichkeiten sie den Nutzerinnen und
   (Ansprechpartnerin), L. Merten, J. Reimer,
                                                       Nutzern bieten, die Daten selbst interaktiv zu
   L. van Roessel
                                                       erkunden (in Karten hineinzoomen, Daten nach
Kooperationspartner: Prof. Dr. W. Maalej,              dem eigenen Wohnort filtern usw.).
   Universität Hamburg                                     Durch den Vergleich über die einzelnen Jahre
Drittmittelgeber: Google Computational                 werden Trends in der Entwicklung des noch jungen
    Journalism Research Programme                      Berichterstattungsstils ebenso deutlich wie bisher
                                                       ungenutzte Potenziale.

14
Projekte Forschungsprogramm 1

Bearbeiter/in: W. Loosen (Ansprechpartnerin),          fragen behandeln. Doch wie ist es um die publizis‐
   J. Reimer                                           tische Qualität des Informationsangebots aller ta‐
                                                       gesaktuellen Medien im deutschsprachigen Raum
Journalism Elsewhere                                   bestellt?
Ein internationales Forscher(inn)en‐Netzwerk un‐           Das Institut beteiligt sich an einem Forschungs‐
tersucht, wie Journalismus an ungewöhnlichen Or‐       vorhaben, das unter Federführung der Universität
ten produziert wird oder von Menschen, die vor‐        Düsseldorf gemeinsam mit Kolleginnen und Kolle‐
mals gar nicht oder nicht vorrangig in die Nachrich‐   gen aus Mainz, Wien und Zürich vorbereitet wird.
tenproduktion eingebunden waren.                       Ziel ist die Realisierung einer vergleichenden Stu‐
    Drohnen‐Pilot(inn)en, die „Copter‐Journalis‐       die zur publizistischen Qualität des Informations‐
mus“ betreiben; Comic‐Zeichner(inn)en, die Re‐         angebots aller tagesaktuellen Medien in Deutsch‐
portagen mittels Graphic Novels erzählen; Statisti‐    land, Österreich und der Schweiz. Zentraler Be‐
kerInnen und Informationsdesigner(inn)en, die          standteil sind inhaltsanalytische Untersuchungen,
große Datenmengen in investigativen Recherchen         mit denen drei demokratietheoretisch abgeleitete
verarbeiten; Software‐Entwickler(inn)en, die Algo‐     Kriterienbündel erfasst werden sollen: Relevanz,
rithmen automatisch Berichte schreiben lassen;         Pluralität und Deliberation.
Satiriker(inn)en sowie Anchormänner und ‐frauen,           Das Institut bringt in diesen Verbund vor allem
die ihrem Publikum relevante Themen auf unter‐         seine Expertise im Hinblick auf die Rolle von Qua‐
haltsame Weise nahebringen: Im Zeitalter digital       lität für die Publika von Informationsangeboten
vernetzter Medien werden Nachrichten nicht             ein.
mehr nur von professionellen Journalist(inn)en         Bearbeiter: U. Hasebrink (Ansprechpartner),
produziert, sondern zunehmend auch von Akteu‐             S. Hölig
rInnen an der Peripherie des Journalismus.
                                                       Kooperationspartner: Prof. Dr. R. Weiß und Prof.
    Das Hans‐Bredow‐Institut ist Teil eines interna‐
                                                          Dr. O. Jandura (Universität Düsseldorf), Prof.
tionalen Netzwerks von Forscher(inn)en, das der‐
                                                          Dr. B. Stark und Dr. M. Magin (Universität
artige Fälle untersucht, in denen Journalismus an
                                                          Mainz), Dr. J. Seethaler (Institut für
außergewöhnlichen Orten, auf ungewohnte Art
                                                          Vergleichende Medien‐ und
und Weise oder unter Beteiligung von eher unüb‐
                                                          Kommunikationsforschung, Wien), Prof. Dr. O.
lichen Akteur(inn)en entsteht. Ziel ist, die „sich
                                                          Jarren (Universität Zürich)
ausfransenden Ränder“ des Journalismusfelds zu
erkunden und ihren Einfluss auf seinen „Kern“: die
                                                       Media Pluralism Monitor
großen Redaktionen der traditionellen Medien‐
häuser und ihre Berichterstattung.                     Wie steht es um die Medienvielfalt innerhalb der
                                                       EU? Wie schneiden verschiedene Länder im Ver‐
Bearbeiter/in: W. Loosen (Ansprechpartnerin),
                                                       gleich ab und welche Risiken sind erkennbar? In
   J. Reimer
                                                       der vergleichenden Untersuchung „Media Plura‐
Kooperationspartner/innen: Ass. Prof. Dr. T.           lism Monitor“ werden im Auftrag der EU‐Kommis‐
   Witschge (University of Groningen;                  sion die Medienvielfalt sowie Aspekte der Regulie‐
   Projektleitung) und 10 weitere                      rung und Organisation in den EU‐Mitgliedsländern
   Wissenschaftler(innen) aus fünf Ländern             bewertet und gegenübergestellt. Das Hans‐Bre‐
                                                       dow‐Institut lieferte Ergebnisse für Deutschland
Media Performance and Democracy                        zu.
Demokratie erfordert Informationsangebote, die             Die wiederkehrende Studie, durchgeführt vom
für die Gesellschaft relevante Themen und Streit‐      Centre for Media Pluralism and Media Freedom
                                                       des European University Institute (Florenz), erfasst

                                                                                                       15
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2016

insbesondere Aspekte der Medienregulierung und        Kooperationspartner: 30 Wissenschaftler(innen)
der Medienmärkte so, dass sie international ver‐         aus dem Zentrum für Medien‐,
gleichbar werden. Dabei geht es einerseits um ge‐        Kommunikations‐ und
setzliche Vorkehrungen, andererseits um Indikato‐        Informationsforschung (ZeMKI), dem
ren für tatsächliche Vielfalt in Medienorganisatio‐      Forschungszentrum für Ungleichheit und
nen und Medienangeboten. Neben der rechtli‐              Sozialpolitik (SOCIUM) und dem Institut für
chen Verankerung von Medienfreiheit und Medi‐            Informationsmanagement (ifib) in Bremen
envielfalt werden auch die kulturelle, die geogra‐       sowie von der Fakultät für
phische und die politische Vielfalt sowie die Medi‐      Geisteswissenschaften, der Fakultät für
enkonzentration und die Funktion der Rundfunk‐           Rechtswissenschaft, der Fakultät WiSo und
anstalten in den Blick genommen.                         em Research Center for Media and
                                                         Communication (RCMC) der Universität
Bearbeiter: W. Schulz, H.‐D. Schröder
                                                         Hamburg
   (Ansprechpartner), K. Dankert
Drittmittelgeber: European University Institute       Public Connection
                                                      Wie Menschen über Medien einen Bezug zur Öf‐
Forschungsverbund „Transforming
                                                      fentlichkeit herstellen und damit die kommunika‐
Communications“
                                                      tiven Figurationn von Öffentlichkeiten verändern,
Das Institut beteiligt sich an dem Forschungsver‐     untersucht ein Projekt im Rahmen des Forschungs‐
bund „Kommunikative Figurationen“ der Universi‐       verbunds „Kommunikative Figurationen“.
täten Bremen und Hamburg, welcher untersucht,             In tiefgreifend mediatisierten Medienumge‐
wie sich die tiefgreifende Mediatisierung auf die     bungen differenzieren sich die Formen, wie die
Konstruktion sozialer Zusammenhänge auswirkt.         Menschen sich mit Öffentlichkeit in Beziehung set‐
Soziale Zusammenhänge werden dabei als kom‐           zen, aus. Neben die etablierte Massenkommunika‐
munikative Figurationen analysiert; mit diesem ge‐    tion treten vielfältige Kommunikationsformen, die
meinsamen Konzept ist es möglich, ganz unter‐         sich auf ganz spezifische Öffentlichkeiten beziehen
schiedliche soziale Zusammenhänge im Hinblick         und mit ganz spezifischen Rollen verbunden sind.
darauf zu untersuchen, wie sie kommunikativ kon‐      Einige der neuen Formen werden als positiv wahr‐
struiert werden.                                      genommen (z. B. verstärkte Partizipationsmöglich‐
     Im Jahr 2016 stand die Zusammenarbeit ganz       keiten und eine größere Vielfalt), einige von ihnen
im Zeichen eines Antrags auf Einrichtung eines        aber auch negativ (z. B. Fragmentierung und eine
DFG‐Sonderforschungsbereichs/Transregio       mit     Entgrenzung von Privatheit und Öffentlichkeit).
dem Titel „Transforming Communications“. Dieser       Wie tragen diese individuellen Repertoires der Öf‐
erhielt zwar von der internationalen Begutach‐        fentlichkeitsanbindung zur Veränderung von Öf‐
tungsgruppe eine Förderempfehlung, wurde je‐          fentlichkeiten bei?
doch vom Senatsausschuss der DFG nicht bewil‐             Ziel dieses Projektvorhabens ist die Rekon‐
ligt. Der Verbund wird die gemeinsam entwickel‐       struktion individueller Praktiken der Öffentlich‐
ten Vorhaben nun in Form von Einzelprojekten re‐      keitsanbindung und deren Stellenwert in kommu‐
alisieren (siehe www.kommunikative‐figuratio          nikativen Figurationen von Öffentlichkeiten. Das
nen.de).                                              Vorhaben war Bestandteil des Verbundantrags
Bearbeiter/innen: U. Hasebrink                        „Transforming Communications“ und wird 2017
   (Ansprechpartner), C. Lampert, W. Loosen,          als Einzelprojektantrag bei der DFG eingereicht.
   M. Oermann, W. Schulz, M. Rechlitz, H.‐U.          Bearbeiter: U. Hasebrink
   Wagner

16
Projekte Forschungsprogramm 1

Mediennutzung von Menschen mit                        sich mit anderen Menschen zu vernetzen. Profes‐
Behinderung                                           sionelle Kommunikatoren, z. B. im Journalismus, in
                                                      der Politik oder in der Öffentlichkeitsarbeit, müs‐
Gesellschaftliche Teilhabe ist auch für Menschen
                                                      sen sich auf diesen Medienwandel genauso ein‐
mit Behinderungen ohne Medien nur schwer
                                                      stellen wie Privatpersonen, die Aspekte ihres per‐
denkbar. Doch wie nutzen sie Medien eigentlich,
                                                      sönlichen Alltags mit ihrem erweiterten sozialen
welche Motive und Erwartungen haben sie und
                                                      Netzwerk teilen wollen.
welche Hürden bei Zugang und Nutzung von Me‐
                                                          Die entstehenden Kommunikationsräume wei‐
dien gibt es? Um diese Fragen zu beantworten,
                                                      sen eine eigene „Architektur” auf, die starken Ein‐
führten das Hans‐Bredow‐Institut und die Fakultät
                                                      fluss auf die Verbreitung und Kontrolle von Infor‐
für Rehabilitationswissenschaften der TU Dort‐
                                                      mationen und Wissen hat. Zugleich verändert sich
mund eine Studie zur Mediennutzung von Men‐
                                                      unser Verständnis der Grenzen zwischen Öffent‐
schen mit Behinderungen durch, die von den Me‐
                                                      lichkeit und Privatsphäre. Der Verheißung, jeder
dienanstalten (DLM) und der Aktion Mensch ge‐
                                                      könne mit Hilfe der digitalen vernetzten Medien
fördert wurde. Die Ergebnisse der großen standar‐
                                                      an der Gesellschaft und ihrer Gestaltung teilha‐
disierten Befragung wurden am 26. Oktober 2016
                                                      ben, steht die Beobachtung entgegen, dass sich
auf den Medientagen München vorgestellt. Fern‐
                                                      Machtunterschiede nur verschieben oder sogar
sehveranstalter und Anbieter von Internet‐Be‐
                                                      noch verstärken.
wegtbildangeboten erfuhren dabei u. a., wie sie
                                                          Das Projekt „Soziale Medien und vernetzte Öf‐
ihre Programmangebote stärker auf die Bedürf‐
                                                      fentlichkeiten“ bündelt zahlreiche Publikations‐
nisse von Menschen mit Behinderungen ausrich‐
                                                      und Vortragsaktivitäten zu diesem Thema.
ten können. Und sie entdecken, welche Potenziale
sich durch eine barrierefreie Medienproduktion        Bearbeiter: J.‐H. Schmidt
ergeben.
    Ein Kernergebnis lautet: Das Fernsehen spielt     Promotionsprojekt Nachrichtennutzung auf
eine enorm wichtige Rolle. Die große Mehrheit der     sozialen Netzwerkplattformen
Befragten nutzt das Fernsehen regelmäßig, hier        Das kumulative Promotionsvorhaben untersucht
zeigen sich recht geringe Unterschiede zur Ge‐        Nutzerpraktiken im Hinblick auf Nachrichten auf
samtbevölkerung, dies gilt auch für blinde und        sozialen Netzwerkplattformen. Es wird von PD Dr.
sehbeeinträchtigte Menschen. In fast allen Teil‐      Wiebke Loosen und Prof. Dr. Uwe Hasebrink vom
gruppen sind es im Vergleich zur Gesamtbevölke‐       Hans‐Bredow‐Institut betreut.
rung sogar mehr Befragte, die regelmäßig fernse‐          Ein zunehmender Teil der Nachrichtendistribu‐
hen. Weitere Ergebnisse sind in einer Kurzzusam‐      tion und ‐Selektion geschieht im Kontext sozialer
menfassung online zugänglich.                         Netzwerkplattformen. Durch diese Verschiebung
Bearbeiter: S. Hölig (Ansprechpartner),               von herkömmlich dominanten Verbreitungswegen
   U. Hasebrink, S. Adrian                            massenmedialer Inhalte weg vom Muttermedium
                                                      sind „the people, formerly known as the audience“
Drittmittelgeber: die medienanstalten, Aktion
                                                      (Rosen, 2006) auf sozialen Netzwerkplattformen
    Mensch
                                                      mit einer Vielzahl von verschiedenen Nachrichten‐
                                                      quellen in Form von individuell kuratierten
Soziale Medien und vernetzte Öffentlichkeiten
                                                      „Streams“ konfrontiert. Ziel dieser kumulativen
Die digitalen vernetzten Medien tragen zu einem       Promotion ist es, näher zu beleuchten, mit wel‐
tiefgreifenden Strukturwandel von Öffentlichkeit      chen Intentionen, Strategien und Routinen sich
bei. Plattformen wie YouTube und Wikipedia, Fa‐       Nutzerinnen und Nutzer auf sozialen Netzwerk‐
cebook, Twitter oder Blogs senken die Hürden, In‐     plattformen personalisierte Öffentlichkeiten zur
formationen aller Art zugänglich zu machen und

                                                                                                     17
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2016

Nachrichtennutzung zusammenstellen und wel‐           potenziellen Arbeit‐ und Auftraggebern. Zugleich
che Relevanz die Nachrichtennutzung auf sozialen      steigt der Druck, diese neuen Möglichkeiten zu
Netzwerkplattformen im Vergleich zu traditionell‐     nutzen: Journalistinnen und Journalisten versu‐
publizistischen Angeboten besitzt.                    chen, selbst zur (Medien‐)Marke zu werden, um
                                                      sich im hart umkämpften Markt für Aufmerksam‐
Bearbeiterin: L. Merten
                                                      keit, Anstellungen und Aufträge einen Vorteil zu
Promotionsprojekt Branded Journalists.                verschaffen.
Theoretische Konzeption und empirische                    In seinem Promotionsprojekt untersucht Julius
Exploration von Markenführung im                      Reimer, welche Strategien der persönlichen Mar‐
Journalismus                                          kenbildung und ‐führung Journalistinnen und Jour‐
                                                      nalisten zur Verfügung stehen und welche Vor‐
Einzelne Journalistinnen und Journalisten werden      und Nachteile sich durch Personal Branding erge‐
zunehmend selbst zu (Medien‐)Marken – neben           ben: für sie selbst, für die Medienorganisationen,
denen der Redaktionen und Medientitel, für die        für die sie arbeiten, sowie für den Journalismus
sie arbeiten. Durch das Internet, insbesondere        und seine Aufgaben in einer demokratischen Ge‐
durch soziale Medien wie Facebook oder Twitter,       sellschaft.
sind einzelne Journalistinnen und Journalisten            Das Dissertationsprojekt war Thema in Folge
heutzutage „sichtbarer“ als zuvor. Sie haben direk‐   10 und 26 des BredowCast.
teren Kontakt zu ihrem Publikum und möglichen
Quellen und Informanten, aber auch zu Kollegin‐       Bearbeiter: J. Reimer
nen und Kollegen in anderen Redaktionen sowie

18
Projekte Forschungsprogramm 2

FORSCHUNGSPROGRAMM 2:
„REGELUNGSSTRUKTUREN UND REGELBILDUNG IN DIGITALEN KOMMUNIKATIONSRÄUMEN“

   Welche Faktoren bilden die normativen Strukturen digitaler Kommunikationsräume?
   Durch welche Prozesse und Praktiken entstehen die Regelungsstrukturen?
   Welche Akteure sind in welchen Konstellationen Teil von Regelbildungsprozessen?

Im Zentrum des Erkenntnisinteresses von For‐          und außerhalb der Räume (Prozessperspektive)?
schungsprogramm 2 stehen Fragen sozialer Ord‐         Welche Akteure sind in welchen Konstellationen
nung in digitalen Kommunikationsräumen. Das           Teil von Regelbildung und/oder Regelungsstruktu‐
Programm adressiert dazu Regelungsstrukturen          ren, wie sind die entsprechenden Machtverhält‐
und Regelbildung aus sozial‐ und rechtswissen‐        nisse konstituiert und wie werden darin Verant‐
schaftlicher Perspektive. Soziale Medien und an‐      wortung und Legitimität zugeschrieben (Akteurs‐
dere Informations‐Intermediäre, ob als Web‐An‐        perspektive)?
gebote oder Apps, erleichtern die Teilhabe an öf‐         Bisherige Vorarbeiten zeigen, dass aus Struk‐
fentlicher Kommunikation und schaffen neue Fo‐        turperspektive eine Differenzierung von Gesetzes‐
ren und Praktiken der gesellschaftlichen Selbstver‐   recht, Verträgen, sozialen Normen und techni‐
ständigung. Sie ermöglichen „niedrigschwellige“       schem Code als normativen Faktoren analytisch
Formen persönlicher oder kollaborativer Öffent‐       belastbar und empirisch ertragreich ist. Diese Fak‐
lichkeiten, die die Grenzen zwischen privat‐per‐      toren bilden komplexe, in sich nicht widerspruchs‐
sönlicher und öffentlicher Kommunikation ver‐         freie Regelungsstrukturen etwa im Hinblick auf die
schieben. Zugleich werfen Phänomene wie „Hate         Unterscheidung zwischen Privatsphäre und Öf‐
Speech“ oder die Interaktion mit Software, etwa in    fentlichkeit in sozialen Medien. Aufbauend auf der
Form von Algorithmen oder „Social Bots“, drän‐        Differenzierung der vier normativen Faktoren soll
gende Fragen nach den Regeln auf, die dieses          das Forschungsprogramm die auch für die Weiter‐
kommunikative Handeln beeinflussen, respektive        entwicklung von Internet Governance relevante
an denen es sich orientieren sollte.                  Frage untersuchen, wie sich normative Strukturen
    Analytisch lassen sich digitale Kommunikati‐      in solchen intermediären Organisationen heraus‐
onsräume und ihre Regeln aus unterschiedlichen        bilden, die für die oben genannten Phänomene
Perspektiven betrachten, die sich in den grundle‐     zentrale Positionen in der entsprechenden Ak‐
genden Forschungsfragen des Programms spie‐           teurskonstellation besetzen – also etwa Suchma‐
geln: Welche normativen Faktoren können in digi‐      schinen oder soziale Netzwerkseiten.
talen Kommunikationsräumen unterschieden wer‐
                                                      Sprecher: J.‐H. Schmidt, M. Oermann
den und welche Regelungsstrukturen bilden sich
im Zusammenspiel dieser Faktoren (Strukturper‐        Bearbeiter: K. Dankert, S. Dreyer, F. Krupar,
spektive)? Durch welche Prozesse und Praktiken           M. Lose, T. Mast, L. van Roessel, W. Schulz,
entstehen Regeln in und für digitale Kommunikati‐        L. Ziebarth
onsräume und welche Wechselwirkungen existie‐
ren zwischen Regelbildungsprozessen innerhalb

                                                                                                        19
Hans‐Bredow‐Institut – Tätigkeitsbericht 2016

LEITPROJEKTE IM FORSCHUNGSPROGRAMM 2

Information Governance Technologies: Ethics,          Informationssystemen in Bezug auf Information
Policies, Architectures, Engineering                  Governance Technologies.
                                                          Das Projekt startet am 1. Juli 2017.
In diesem im Dezember 2016 von der Landesfor‐
schungsförderung Hamburg bewilligten interdis‐        Bearbeiter: W. Schulz (Ansprechpartner), L. van
ziplinären und hochschulübergreifenden Projekt           Roessel
erforschen Forscherinnen und Forscher aus der In‐
                                                      Kooperationspartner: Prof. Dr. T. Böhmann, Prof.
formatik, Rechtswissenschaft und Ethik die men‐
                                                         Dr. H. Federrath, Prof. Dr. I. Schirmer
schenzentrierten technischen Möglichkeiten für
                                                         (Universität Hamburg), Prof. Dr. S. Schupp
einen verantwortlichen Umgang mit Daten.
                                                         (TU Hamburg), Prof. Dr. J. Simon (Universität
     Wie kann Informationsverarbeitung durch
                                                         Hamburg)
neuartige technische Mechanismen (wieder)
transparent und steuerbar für Individuen und In‐      Drittmittelgeber: Landesforschungsförderung
stitutionen gemacht werden? In der digitalen Ge‐          Hamburg, Fördermaßnahme
sellschaft werden durch neue Technologien in im‐          „Anschubförderung kooperativer
mer mehr Lebensbereichen Daten erhoben, aufge‐            Forschungsverbünde“
zeichnet und verarbeitet, die zunehmend Einfluss
auf Entscheidungen in Wirtschaft, Verwaltung, Po‐     Doing Internet Governance: Constructing
litik und Gesellschaft gewinnen.                      Normative Structures Inside and Outside
     Das auf die Schaffung einer DFG‐Forscher‐        Intermediary Organisations
gruppe hin ausgerichtete Projekt umfasst neben        Wie konstruieren sich normative Strukturen unter
der theoretischen Konzeption und dem Begriffs‐        den Bedingungen zunehmender Mediatisierung?
rahmen von Information Governance Technologies        Online‐Intermediäre sind zentrale Organisationen
anwendungsbezogene Module, in denen neuar‐            der „kommunikativen Figuration“ der Internet
tige Methoden, Muster und Mechanismen entwi‐          Governance. Innerhalb des Verbundprojekts
ckelt und getestet werden, die dem Verlust per‐       „Transforming Communications“ soll in dieser Stu‐
sönlicher Autonomie und der Schwächung demo‐          die untersucht werden, wie normative Strukturen
kratischer Selbstbestimmung bei der Nutzung von       unter den Bedingungen zunehmender Mediatisie‐
Software entgegenwirken sollen.                       rung in und um Online‐Intermediäre konstruiert
     Die übergeordneten wissenschaftlichen Ziele      werden. Ziel ist es, einen Einblick in die verwobe‐
bei der Bearbeitung des Forschungsfeldes sind,        nen Phasen der Setzung, Anwendung und Durch‐
     – ein vertieftes Verständnis der Wechselwir‐     setzung von Normen zu erhalten. In zwei Fallstu‐
kungen zwischen den vier Perspektiven Ethics, Ar‐     dien sollen Suchmaschineneinträge mit Personen‐
chitecture, Policies und Engineering zu erlangen,     bezug sowie die automatische Bewertung von Ein‐
     – die Entwicklung von neuartigen Methoden,       trägen auf Rating‐Plattformen untersucht werden,
Mustern und Mechanismen für Information               um Erkenntnisse bezüglich der Akteurskonstella‐
Governance voranzutreiben,                            tion und kommunikativer Praktiken von Internet
     – anhand exemplarischer Fragestellungen und      Governance zu gewinnen.
Anwendungskontexte die Phänomene des Zusam‐
                                                      Bearbeiter: W. Schulz (Ansprechpartner), M.
menspiels der vier Perspektiven zu konkretisieren
                                                         Oermann, T. Mast
sowie
     – die zunächst dafür erforderliche Erarbeitung
eines gemeinsamen Begriffsrahmens für die Be‐
antwortung von Grundfragen der Gestaltung von

20
Projekte Forschungsprogramm 2

Die Macht der Informationsintermediäre –               dem potenziellen Einfluss auf die individuelle und
Erscheinungsformen, Strukturen und                     öffentliche Meinungsbildung zu begegnen. Die Au‐
Regulierungsoptionen                                   toren stellen dabei fest, dass es schlicht unmöglich
                                                       ist, objektive Kriterien für einen Missbrauch kom‐
Zur Unterstützung des politischen Diskurses zu
                                                       munikativer Macht zu entwickeln und auch der
Diensten wie Suchmaschinen und sozialen Netz‐
                                                       Terminus der „Suchmaschinenneutralität“ nur be‐
werkdiensten blickt das vorliegende Gutachten
                                                       dingt hilfreich ist. Auch vollständige Transparenz
strukturierend auf derartige Dienste und be‐
                                                       (eine Offenlegung von Algorithmen) erscheint
schreibt mögliche Ansätze ihrer Regulierung.
                                                       nicht zielführend.
    Informationsintermediäre wie Suchmaschinen,
                                                            Stattdessen schlagen sie eine Selbstverpflich‐
Micro‐Blog‐Plattformen, App‐Portale oder soziale
                                                       tung in Form einer Deklarationspflicht vor, die Ma‐
Netzwerkdienste gewinnen zunehmend an Rele‐
                                                       ximen der Programmierung maßgeblich am Nut‐
vanz für die öffentliche Meinungsbildung. Sie neh‐
                                                       zerinteresse auszurichten. Zusätzlich wird eine Re‐
men Einfluss über die Auswahl und Sortierung von
                                                       gelung für App‐Portale in Anlehnung an Art. 31
Drittangeboten, also darauf, ob und wie mediale
                                                       Abs. 1 S. 1 UDRL diskutiert für Apps, die journalis‐
Angebote wahrgenommen werden können. Kom‐
                                                       tisch‐redaktionell veranlasst sind.
munikationswissenschaftlich ist der Blick auf die‐
                                                            Die Kurzzusammenfassung des Gutachtens fin‐
sen Dienstetyp differenziert, da nicht nur die Re‐
                                                       det sich unter http://library.fes.de/pdf‐files/aka‐
zeption in den Blick zu nehmen ist, sondern auch
                                                       demie/12408.pdf.
die Etablierung sozialer Nutzungspraktiken. Das
Gutachten „Die Macht der Informationsintermedi‐        Bearbeiter: W. Schulz (Ansprechpartner),
äre“ untersucht, inwieweit derzeitige Regulierung,        K. Dankert
insbesondere das Kartellrecht, ausreichend ist, um
                                                       Drittmittelgeber: Friedrich‐Ebert‐Stiftung

WEITERE PROJEKTE IM FORSCHUNGSPROGRAMM 2

MIRACLE (Machine‐readable and Interoperable            der als auch für Eltern und Kinder. Das Datenmo‐
Age Classification Labels in Europe)                   dell wurde in fünf verschiedenen Systemen imple‐
                                                       mentiert. Auf Basis dieses Grundbestands in‐
Altersbewertungen und Alterskennzeichen sind
                                                       teroperabler MIRACLE‐Daten hat das Projekt die
traditionelle Instrumente im Jugendmedien‐
                                                       Entwicklung von Anwendungen und innovativen
schutz. Je nach Land sind die Alterseinstufung und
                                                       Diensten unterstützt, die den Mehrwert technisch
Kennzeichnung von Medieninhalten jedoch unter‐
                                                       interoperabler Alterskennzeichen aufzeigen und
schiedlich. Dadurch bleiben viele der bestehenden
                                                       ihre Nutzung in ganz Europa ermöglichen. An MI‐
jugendschutzrelevanten Informationen den End‐
                                                       RACLE sind Klassifikationsstellen, Selbstkontroll‐
nutzern vorenthalten oder können nicht automa‐
                                                       einrichtungen, Safer Internet‐Knoten und Filter‐
tisch von Computern verarbeitet werden.
                                                       software‐Anbieter aus fünf EU‐Mitgliedsstaaten
    Das von der EU mitfinanzierte Pilotprojekt
                                                       beteiligt.
möchte das ändern: MIRACLE hat ein gemeinsa‐
mes technisches Datenmodell erstellt, das für alle     Bearbeiter/in: S. Dreyer (Ansprechpartner),
bestehenden Klassifizierungssysteme genutzt wer‐          A. Herzog, K. Dankert
den kann. Dies verbessert die Informationsbasis
                                                       Kooperationspartner: BBFC (British Board of Film
sowohl für die Klassifikationsstellen einzelner Län‐
                                                          Classification, UK), NICAM (Nederlands

                                                                                                       21
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