Text und Fotos: Andi Dick grünen

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Text und Fotos: Andi Dick grünen
Nein, ein Spaziergang – wie wir diese Tour benannt
haben – ist das natürlich nicht. Aber zumindest
zeitweise erlauben die grünen Kämme zwischen
Fieberbrunn, Kitzbühel, Saalbach und Zell am
See traumhaftes Schlendern mit Aussicht. Und je
nach Variante fordern sie auch mal Zupacken und
Durchhalten.

Text und Fotos: Andi Dick
                                                                        grün
M
             an könnte die Tour auch an-             Das Gebiet zwischen Fieberbrunn-Hoch-
             dersrum angehen. Dann gäbe           filzen, Kitzbühel, Saalbach-Hinterglemm
             es als Grande Finale einen           und Zell am See ist geprägt vom Pisten­
             zeitgemäßen Höhepunkt: „Ti-          skilauf. Der findet bevorzugt auf Wiesen­
moks Wilde Welt“ im Skigebiet von Fie-            gelände statt, und das eignet sich auch
berbrunn mit Waldseilgarten, Kletterpark          zum Wandern. Eigentlich logisch also, dass
und rasanter Talfahrt auf dem Alpine              die Bahnmanager nach Sommer-Klientel
Coaster. Wer das nicht braucht, weil das          Ausschau halten, wenn die Winter wärmer
Original „Berg“ eh viel besser ist, wird lieber   werden – ziemlich erfolgreich betreibt das
hier in Fieberbrunn beginnen und dem              schon Kitzbühel mit der Streif-Wande-
Event-Areal davonlaufen. Über einer               rung und dem KAT-Walk. Auch im Fieber-
braungepflügten Pistenbaustelle samt              brunner Gebiet sind die Beschilderungen
Speicherteichloch schweben die Gondeln            gut, wurden zwei neue Klettersteige einge-
hinauf zum Lärchfilzkogel, gegenüber steht        richtet, um den Sommergenuss noch ner-
das monströse begehbare Gipfelkreuz               venkitzlig-schmackhafter anzureichern.
über Hochfilzen, ein paar Skipisten wer-          Aber die Erschließung kommt glücklicher-
den im Lauf des Tages noch gekreuzt, die          weise nicht überall hin …
Nordflanke des Wildseeloder ist im Win-              Der Marokka- und der Henne-Kletter-
ter Schauplatz eines Freeride-Contest, am         steig sind dennoch zwei vergnügliche Optio­
Einstieg zum Marokka-Klettersteig erlau-          nen für den Anfahrtstag, wenn der bloße
ben große Holzplattformen gemütliches             Aufstieg zum beliebten Wildseeloderhaus
Anlegen des Klettergurts.                         oder zum Hausgipfel Wildseeloder zu we-
                                                  nig erscheint. Beide sind im Stil der Zeit
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Text und Fotos: Andi Dick grünen
Hüttentour: Fieberbrunn

ünen
  Kitzbüheler Spaziergang

  Auf der                          Die Bergromantik beginnt schon
                                   in Sichtweite der Liftstation: das
                                   Wildseeloderhaus am Wildsee;
                                   den Horizont bildet der Kamm
                                   der Loferer Steinberge.

         Seite

                                   Trittstufen über senkrechte Aufschwünge
                                   hinauf. Am Marokka wartet eine wacklige
                                   Seilbrücke auf Neo-Abenteurer, die dann
                                   steil zum Gipfel-Kalkklotz hinaufturnen;
                                   an der Henne lässt sich die Schwierigkeit
                                   vierstufig wählen: Panoramasteig, Da Luf-
                                   tig, Da Rassig, Da Zache. So werden die Mus-
                                   keln eingestimmt aufs Kommende, es gibt
                                   Gipfelgefühle und Aussicht auf die Fels-
                                   kämme von Loferer Steinberg und Wildem
                                   Kaiser; und vom gastlichen Wildseeloder-
                                   haus am grünblauen Seeauge klingt ein
                                   Trompetenständchen herauf – auch wenn
                                   nicht jeder Ton genau getroffen ist.
                                      Das klassische Bergerleben ohne Draht-
                                   seilhilfe beginnt dann, sobald man den
                                   Wildseeloder-Kessel verlässt. Die Fleißauf-
                                   gabe am Hohen Mahdstein pfeift steil
                                   durch die schrofige Nordflanke zum
                                   schmalen Gipfel, der Abstieg fordert
                                   gründliches Hinschauen und Festhalten.
                                   Wieder zurück am gar nicht immer leicht
                                   zu findenden Hauptweg, geht es in nicht
                                   wirklich mühelosem Auf und Ab durch

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Text und Fotos: Andi Dick grünen
Wiesenflanken, an kleinen Gumpen vor-          Das zweite Nachtquartier Bochumer
bei, unter dem stotzigen Aufschwung des     Hütte ist etwas ganz Besonderes – sie ist
Bischofs hindurch. Und mit jeder Ecke än-   älter als der Alpenverein. Schon 1835 wurde
dert sich die Aussicht.                     sie als Unterkunft für die Knappen gebaut,
   Wenn man die hier be-                                    die seit 1447 in den Kitzbühe­
schriebene Grundroute kon-
                               Mit jeder Ecke               ler Bergen nach Erz schürf-

                                 ändert sich
sequent um jede Gipfelmög-                                  ten und zur Blütezeit jähr-

                                   die
lichkeit anreichert, kom-                                   lich 134 Tonnen Kupfererz
men gut zwei Dutzend Gipfel                                 förderten (mittlerweile

                              Aussicht
und Kogel zusammen. Das                                     wird freilich am weißen
sind jede Menge lohnende                                    Gold Kunstschnee besser
Erlebnisse; sie fordern aber                                verdient …). Auf der Terrasse
teils ein gehöriges Maß an                                  wird in milder Abendluft der
alpiner Erfahrung auch in steilerem         mit Orangenzesten aromatisierte Schwei-
Schrofengelände. Und da die letzte Etappe   nebraten serviert, die Hütte trägt das Siegel
ein ziemlicher Konditionshammer ist und     „So schmecken die Berge“ und bietet Berg-
die vorletzte auch nicht gerade ein Ruhe-
tagsprogramm, muss man sich nicht
schämen, wenn man mal was auslässt.
Also zum Beispiel von der Bischofscharte
zur Hochwildalm – einer Hütte der Na-
turfreunde – hinuntermarschiert und
dann das weite Auracher Tal in großem
Bogen ausläuft, statt die aussichtsreiche
Gratlinie vom Bischof zum Saalkogel
auszubalancieren.

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Hüttentour: Fieberbrunn

Der Auftakt lässt sich        ferien mit Kindern an. Ilona, ehemalige So-   Tümpel, dieses Setting bestimmt das Am-
sportlich mit Draht-          zialarbeiterin, und der Bergführer Gerhard    biente ab nun.
seil-Einlagen anreichern:
relativ gemütlich am          sind Überzeugungstäter; Gerhard hat viele       So wird der Weiterweg nicht langweilig,
Panoramasteig zur Henne       Tourenmöglichkeiten rund um seine Wir-        wenn auch langwierig. Denn es gibt noch
(l.) oder zackig-steil am     kungsstätte online dokumentiert.              einiges Auf und Ab, bevor es auf dem
Tristkogel. Dazwischen
                                 Auch die nächste Etappe offeriert ein      „Wandsteig“ zügig steil hinaufgeht zum
liegt die Nacht auf der
Bochumer Hütte. Am            Extra-Erlebnis: In der Schrofenflanke des     Geißstein, dem „höchsten Grasberg Euro-
Pinzgauer Spaziergang         Tristkogels findet ein Klettersteig ratten-   pas“, und dann hinunter zum Etappenziel
(o.) dann belohnt der freie
                              steile Felswände, die er mit frei hängen-     Bürglhütte. Das schnuckelig-rustikale
Blick auf die Tauerngipfel
fürs lange Durchhalten.       den Leitern überwindet, bevor es dann an      Holzhaus ist mit üppigen Geranienkästen
                              Riesengrasbollen zum Gipfel geht. Wer’s
                              weniger wild mag, wandert direkt zum Tor
                              und ein Stück höher zum Torsee, der
                              wunderbar harmonisch in einer Wiesen-
                              senke zum Pausieren einlädt. Eine Etage
                              höher führt dann ein Wiesengrat wie ein
                              Laufsteg im Himmel vom Gamshag zum            geschmückt, auf der Terrasse stehen Liege-
                              Teufelssprung; das Panorama wird ab hier      stühle am Ententeich. Gut, dass man sich
                              durch die Eispyramide des Großvenedi-         hier ausruhen kann.
                              gers ergänzt. Gletschergipfel im Süden,         Denn nach einer recht langen Etappe
                              Felswände im Norden, dazwischen endlose       folgt nun zum Abschluss eine richtig lan-
                              Wiesenhänge, Blaubeerfelder und kleine

                                                                                        DAV             4/2019     91
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KITZBÜHELER SPAZIERGANG
Charakter: Mehrtagestour durch grünes Wandergelände mit
prächtiger Aussicht und langer Schlussetappe. Schwierigkei-
ten wählbar von leicht-mittelschwer (rot, T3) bis zu schwieri-
gen Klettersteigen (T4, KS D). Für die Klettersteige braucht
man Gurt, Klettersteigset und Helm. Durch die relativ niedri­­-
gen Gipfelhöhen sollte die Route von Mitte Juni bis Oktober
begehbar sein.
Ausgangspunkt: Fieberbrunn (780 m); per Bahn über Wörgl           Kurz vor der Schmitten-
erreichbar, dann Bus zur Seilbahn-Talstation.                     höhe zeigen sich neben       die AV-Karte; teils gemütliche Wiesenmu-
Endpunkt: Zell am See (758 m); Bahn- oder Busverbindung           den Leogangern auch die
                                                                  Berchtesgadener Berge
                                                                                               gel, gelegentlich hat man aber auch mal
zurück nach Fieberbrunn und Wörgl oder nach Salzburg.
                                                                  über dem nebelgefüllten      Gras oder Fels in der Hand. Dass man hier
Informationen:
                                                                  Glemmtal. Gipfelerlebnisse   im Einzugsgebiet des nördlich gelege-
›› Infobüro Fieberbrunn, Dorfplatz 1, A-6391 Fieberbrunn, Tel.:   wie am Tristkogel gibt es
   0043/(0)5354/563 04, info@pillerseetal.at, fieberbrunn.at                                   nen Skigebiets Saalbach-Hinterglemm ist,
                                                                  genug, Heidelbeeren fast
›› Zell am See-Kaprun Tourismus GmbH, Brucker Bundesstr. 1a,      noch mehr.                   merkt man, wenn neben dem Gipfelkreuz
   A-5700 Zell am See, Tel.: 0043/(0)6542/770,                                                 eine Selbst- sorry: Selfieschussanlage steht:
   welcome@zellamsee-kaprun.com, zellamsee-kaprun.com
                                                                                               Absolventen der „Seven Summits“ können
Etappen:
                                                                                               sich hier fotografieren – und wer die „Saal-
1) Fieberbrunn, Seilbahn zum Lärchfilzkogel (1654 m) –
    Wildseeloderhaus (1854 m). o 300 Hm, a 100 Hm, 1 Std.                                      bach Wander Challenge“ aus drei Weit-
    Optional: Marokka-Klettersteig (B/C, + 2 Std., 100 Hm),                                    wanderwegen erfolgreich dokumentiert
    Henne-Klettersteig (B, Varianten C-D, + 2 ½ Std., 300 Hm),
    Wildseeloder (2118 m, + 1 ½ Std., 270 Hm)                                                  hat, kriegt einen persönlichen Pokal.
2) Wildseeloderhaus – Bischof (2127 m) – Saalkogel (2006 m)                                       Ob es solcherlei extrinsische Motivation
    – Bochumer Hütte (1432 m). o 990 Hm, a 1410 Hm, 7-9 Std.                                   braucht, sei mal dahingestellt. Wer Augen
3) Bochumer Hütte (1430 m) – Gamshag (2178 m) – Murnauer                                       hat zu sehen und ein Herz zu spüren, darf
    Scharte (1959 m) – Bürglhütte (1699 m). o 860 Hm, a 800 Hm,
                                                                                               sich auch einfach freuen am tageslangen
    6 Std.
    Optional: Tristkogel-Klettersteig (D, + 2 Std., 160 Hm),                                   Schlendern durch diese alpine Tundra
    Geißstein (2363 m, + 1 ½ Std., 300 Hm)                                                     mit üppig wuchernder und gleichzeitig
4) Pinzgauer Spaziergang: Bürglhütte (1699 m) – Schmitten­                                     karg anmutender Flora. Am kabbeligen
    höhe (1965 m) – Seilbahn nach Zell am See (757 m).
    o ca. 1100 Hm, a 900 Hm, ca. 25 km, 7-10 Std.                                              Wellenspiel der Graskämme. An ständig
    Extremvariante: Pinzgauer Gipfelgang: o ca. 1900 Hm,                                       wechselnden Perspektiven auf Eisgipfel
    a ca. 1700 Hm, ca. 12 Std.                                                                 rechts und Felsenburgen links. Am Mur-
                                                                                               meltiergepfeife und den segelnden Doh-
                                                                                               len. Und wenn man dann auf der Schmit-
ge. Der „Pinzgauer Spa-
                               Schlendern durch                     erngipfel mit Wiesbach-    tenhöhe wieder eintaucht in die Pis-

                                           alpine
ziergang“ zieht sich hoch                                           horn und Großglockner      ten-Kultur, mit Discgolf, E-Motocross und
über dem namensgeben-                                               immer wieder zum Ste-      „Kunst am Berg“, dann ist man für einige

                                          Tundra
den Tal am Hang ent-                                                hen und Schauen ver-       Zeit imprägniert mit dem echten Ge-
lang; auf rund 25 Kilo­                                             führen. Gut, wenn die      schmack der Natur.
metern kommen gut                                                   Heidelbeeren gerade
tausend Höhenmeter zu-                                              nicht reif sind …                  Auch wenn hier ein Riesenskige-
sammen. Da heißt es früh aufstehen,                   Absolute Konditionstiger machen                  biet zusammenwächst: Ein paar
                                                                                                       Meter im Abseits genoss der
wenn man die letzte Bahn an der Schmit-             aus dem Spaziergang einen Gipfel-                  Panorama-Redakteur Andi Dick
tenhöhe er­wischen will – zumal die Tau-            gang: 14 Kögel und Gipfel verzeichnet              die Einsamkeit des Grasgebirges.

92    DAV               4/2019
Text und Fotos: Andi Dick grünen Text und Fotos: Andi Dick grünen Text und Fotos: Andi Dick grünen Text und Fotos: Andi Dick grünen Text und Fotos: Andi Dick grünen
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