THE BONN-MANNHEIM BERKELEY GUIDE1 - UNI BONN

Die Seite wird erstellt Jennifer Jansen
 
WEITER LESEN
IAS Programm Berkeley für VWLer

              The Bonn-Mannheim Berkeley Guide1

Einleitung
Ein Auslandsaufenthalt ist eine prägende Erfahrung—und natürlich eine sehr
schöne. Fehler zu machen und Dinge neu zu entdecken kann durchaus spannend
und gewinnbringend sein, aber trotzdem hätte ich mir vor allem im Vorfeld eine
Art Leitfaden gewünscht, der schon einmal ein bisschen auf die Zeit dort vor-
bereitet und ein paar Tipps enthält. Im Nachhinein habe ich mich dann dazu
entschlossen, den Versuch zu starten, einen solchen “Guide” zu erstellen. Er ist
nicht für die Ablage gedacht, sondern richtet sich an Interessenten und Bewer-
ber. Mir ist es sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass man es dort ohne weiteres
schaffen kann, 24 Stunden am Tag zu arbeiten. Hin und wieder mag es un-
vernünftig erscheinen, sich das Wochenende freizunehmen, aber im Nachhinein
hat es sich jedes mal gelohnt.

Vor der Abreise
Mit der Zusage kommt neben der Freude natürlich auch etwas Arbeit auf Euch
zu. Die folgenden Personen und Dinge sind dabei für Euch wichtig:

Frau Toe-Bender vom Auslandsamt
Normalerweise läuft eine Bewerbung für ein Auslandsstudium über das Akade-
mische Auslandsamt, die für Berkeley gehen jedoch z.Z. an Prof. Kneip. Das
Programm ins Leben gerufen hat allerdings Prof. Hildebrandt, welcher früher
auch für die gesamte Organisation verantwortlich war. Die Finanzierung erfolgt
durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), und muss jedes
Jahr neu beantragt werden. Dieser wiederum ist durch das Auslandsamt vertre-
ten. Nach der Zusage durch den Lehrstuhl leitet der Programmverantwortliche
(im letzten Jahr Thomas Gall, aber das ist wohl nicht mehr aktuell) daher die
Namen der Teilnehmer an Frau Toe-Bender weiter, die sich daraufhin bei euch
meldet, euch den Stipendienvertrag zuschickt und euch um die Unterzeichnung
einer Annahmeerklärung bittet. Mit Berkeley müsst ihr euch zunächst nicht in
Verbindung setzen, da eure Namen etc. direkt an das Economics Department
übermittelt werden. Die Unterlagen, die ihr aus Berkeley erhaltet, solltet ihr
   1 Dieser Guide wurde von Tobi Klein, Austauschstudent der Uni Mannheim im Jahr

2001/2002, aufgesetzt und ist seitdem von den nachfolgenden Studenten regelmäßig auf den
neuesten Stand gebracht und um hilfreiche Tipps erweitert worden. Im Jahr 2007/2008 haben
sich auch die Bonner Studenten erstmals daran beteiligt, und eine Version für Studenten der
Uni Bonn geschrieben. Wir hoffen, dass dies in den nächsten Jahren fortgesetzt wird, denn
dieser Guide ist tatsächlich ungemein hilfreich. Der “Ich-Erzähler” ist variabel, aber wenn
ihr die Leute kennt, wird es Euch nicht zu schwer fallen herauszufinden, wer was geschrieben
hat. Bei Fragen zur aktuellen Version wendet Euch an Christoph (christophroling@gmx.de),
Markus (markus.pelger@arcor.de), Nikita (ksilton@web.de) oder Tom (tomzim@gmx.de).

                                             1
sobald wie möglich wieder zurückschicken, da ihr erst danach euer I-20 bekom-
men könnt (siehe Visum“). In diesen Unterlagen müsst ihr, wie ihr bald sehen
                   ”
werdet, belegen, dass ihr die Kosten des Studiums auch tragen könnt. Hierbei
ist es nicht notwendig die Stipendienbescheinigung mitzuschicken, sondern es
reichen auch einfach die Unterschriften eurer Eltern und deren Bank.
In den letzten Jahren hatten sich viele Berkeley-Studenten um eine externe Fi-
nanzierung bemht. Die finanziell lohnenswertesten Stipendien sind hierbei Fulb-
right, DAAD-Jahresstipendium und die Stipendien der Begabtenförderungswer-
ke. Die Internetseite des DAAD2 bietet eine gute Übersicht über die Fördermöglich-
keiten. Zu beachten sind die sehr früehen Bewerbungsfristen, die vor der Berke-
leybewerbung enden.

Visum
Um ein Visum zu bekommen, muss man beim Amerikanischen Generalkonsu-
lat in Frankfurt (alternativ auch bei den Konsularabteilungen in Mnchen oder
Berlin) verschiedene Unterlagen einreichen. Das genaue Verfahren ist auf deren
Homepage ausführlich erklärt. Eines der wichtigsten Dokumente ist das I-20,
das von einer US-amerikanischen Schule ausgestellt werden muss (in eurem Fall
also von der UC Berkeley, genauer gesagt: von der UC Extension). Nachdem ihr
also im Frühjahr (schätzungsweise März/April) die notwendigen Formulare er-
halten habt, solltet ihr wie gesagt die ausgefüllten Bögen so schnell wie möglich
an die zuständige Stelle zurückschicken. Keine Angst, wenn ihr nichts von den
Bögen versteht—es sind z.T. dieselben Bögen, die die normalen Bewerber um
einen Platz im PhD-Programm ausfüllen. Irgendwann mal kommen neue Bögen
von der UC Extension zurück. Diese Bögen sind lebenswichtig, darunter eben
das besagte I-20, das ihr für das Visum braucht.
Um das Visum solltet ihr euch rechtzeitig kümmern, auch wenn die Wartezeit
letztes Jahr zumindest recht kurz war. Man muss entweder telefonisch oder auf
der Homepage der Botschaft einen Termin vereinbaren—alle notwendigen In-
formationen, inklusive der .pdf-Versionen der Formulare und einer Anleitung,
wie das Passfoto aussehen muss, findet ihr entweder auf der Seite des General-
konsulats Frankfurt3 oder des State Departments4 . Denkt dran: in das Gebäude
des Generalkonsulats darf man nichts mitnehmen, außer der notwendigen Pa-
piere. Wenn ihr einen Rucksack dabeihabt, gibt es keine andere Lösung, als es
dem indischen Kioskbesitzer um die Ecke anzuvertrauen, der euch gerne die
Last für 5 Euro abnimmt. Und: kräftig frühstücken! Im Konsulat wartet man in
der Regel 2-3 Stunden, und die Getränke- und Snacks-Automaten im Konsulat
funktionieren nur mit Dollarmünzen.
Macht Euch keine zu großen Sorgen über das Visum. Z.B. wird in der Regel nicht
nach einem Nachweis über die Absicht, die USA wieder zu verlassen, gefragt.

Krankenversicherung
In den Unterlagen, die aus Berkeley kommen, ist auch eine Angabe zur Kran-
kenversicherung zu machen. Es gibt eine verpflichtende Versicherung seitens der
  2 www.daad.de
  3 www.usembassy.de/frankfurt
  4 travel.state.gov

                                         2
Universität. Dabei ist ein Betrag von ca. 880$ zu errichten. Diese Versicherung
ist allerdings nur eine Grundversorgung und sollte durch eine Auslandskranken-
versicherung erweitert werden. Auerdem ist es empfehlenswert vor der Abreise
den Hausarzt aufzusuchen, um Impfungen aufzufrischen oder zu ergnzen. Es
kann auch nicht schaden, einen Impf-oder Brillenpass mitzunehmen.

Beurlaubung
Vor der Abreise sollte man sich noch beurlauben lassen. WICHTIG: Wenn ihr
mit dem Gedanken spielt, nach eurer Rückkehr Klausuren im Sommersemester
zu schreiben, solltet ihr euch fr dieses Semester auf keinen Fall beurlauben lassen.
Zum Beurlauben geht ihr zunächst mit einem Nachweis darüber, dass ihr nach
Berkeley geht (z.B. Vordruck vom organisierenden Lehrstuhl), zum Studieren-
densekretariat und lasst euch dort vom Beitrag für die folgenden zwei Semester
befreien. Vergesst jedoch nicht, dass ihr natürlich dennoch den Verwaltungsko-
stenbeitrag bezahlen müsst! Dadurch wendet ihr die Gefahr ab, wegen Nichtzah-
lung des Studentenwerksbeitrags exmatrikuliert zu werden (Man kommt aber
auch wieder hinein :) Bei Rückfragen dazu bitte Markus ansprechen.).

Flug
Möglichst früh zu fliegen ist auch empfehlenswert: entweder hat man dann mehr
Zeit zur Wohnungsuche, oder man kann sich schon mit der Stadt und der Ge-
gend vertraut machen. A propos fliegen, wundert euch nicht über die teuren
Preise (wir haben damals 750 bezahlt). August ist Hochsaison, und der Rück-
flug nach mehreren Monaten macht die Sache noch viel teurer. Man sollte sich
auf jeden Fall schon im Frühling darum kümmern. Beabsichtigt ihr ber die Win-
terferien(immerhin 3 Wochen) nach Deutschland zu fliegen, knnt ihr aber auch
gnstiger fliegen, falls ihr rechtzeitig bucht. STA Travel in der Mensa ist für
solche Fragen ein guter erster Ansprechpartner, allerdings kann man dies auch
selbst auf dem Internetangebot der Fluggesellschaften organisieren. Wir haben
unseren Flug damals bei FRS in Bonn (gegenber vom Hofgarten) gebucht aber
keine guten Erfahrungen gemacht. Spart euch den Ärger!

Bankverbindungen
Ein kostenfreies Studenten-Girokonto bei der Deutschen Bank zu eröffnen ist
auch durchaus empfehlenswert. Damit kann man bei der Bank of America ko-
stenfrei Geld abheben—wenn ihr das Stipendium auf das Deutsche Bank-Konto
überweisen lasst, habt ihr somit die günstigste Möglichkeit, über dieses Geld
in den USA zu verfügen. Alternativ bietet sich das kostenfreie Girokonto bei
der comdirect-Bank an (www.comdirect.de), mit deren VISA-Karte man im
Ausland kostenfrei abheben kann. Eine Kreditkarte ist sehr sinnvoll, diese Zah-
lungsmöglichkeit ist in den USA sehr verbreitet. Insbesondere bei groen Be-
trägen (z.B. Studiengebühren) erleichtert die Bezahlung mit der Kreditkarte
das Leben. Informiert euch aber frhzeitig bei eurer Bank über die Höhe der
Beträge, die ihr mit der Kredikarte bewegen könnt, und bittet gegebenfalls um
eine Erhöhung der Grenze.

                                         3
Wer in Deutschland Geld brig hat, kann es zu hervorragenden 4.5% Zinsen
bei der Bank of America auf ein Festzinskonto anlegen, und hoffen, dass der
Wechselkurs nicht einbricht.

In Berkeley angekommen
Ankunft und Zeit vor Semesterbeginn
Am Flughafen kann man entweder einen Mietwagen nehmen, den man am besten
in Deutschland vorbucht, mit BayPorter—ein Kollektivtaxi—für etwa 30$ nach
Berkeley fahren, mit der BART (der U-Bahn) für 5,90$ oder, wenn man stark
von dem Flug gestresst ist, mit dem Taxi, 70$. In allen Fällen dauert die Fahrt
eine bis anderthalb Stunden, inklusive Stau auf der Bay Bridge (daran führt
kein Weg vorbei).

Wohnungsuche
Falls man nicht schon vorher auf eine Wohngelegenheit kommt (die derzeitigen
Austauschstudenten fragen!), empfiehlt sich ultimativ craigslist5 . Sollte man
noch keine Wohnung haben, kann man in der Jugendherberge oder in einem
Motel unterkommen, günstig ist dies allerdings nicht. Der Wohnungsmarkt ist
gerade im August relativ angespannt und je früher man kommt, desto einfacher
ist es, etwas zu finden. Mit mindestens 700-800$ für ein WG-Zimmer oder in
einer Familie sollte man doch auf jeden Fall rechnen. Normalerweise hinterlässt
man bei potentiellen Vermietern eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und
wird dann, wenn man nett klingt, zurückgerufen. Ein Leihhandy kann dabei
sehr von Nutzen sein. Ein Wohnheim für internationale Studenten gibt es auch,
das so genannte “International House” oder einfach “I-House”; gibt man sich
dort als “International Graduate Student” aus und lsst nicht erkennen, dass
man über die UC Extension eingeschrieben ist, so kann man ein Einzelzimmer
ergattern (ihr bekommt einen Brief vom Department der sagt dass ihr Graduate
Students seid, das reicht als Nachweis). Die Miete ist zwar recht hoch (ca. 1200$
pro Monat), dafür sind drei Mahlzeiten am Tag im Preis enthalten (was viel Zeit
spart), die Lage direkt am Campus garantiert kurze Wege und die Atmosphäre
ist mit 600 Studenten aus über 60 Ländern unglaublich international. Es lohnt
sich, darüber nachzudenken, in ein Zimmer mit “Bay View” zu ziehen—sind die
auch noch etwas teurer, so wird man durch den direkten Blick auf die Bay mehr
als entschädigt.
Bezüglich der Wohngegenden, ein rascher Überblick. Grundsätzlich: Westlich
von Shattuck und südlich von University würde ich eher nicht wohnen (schlechte
Stadtviertel, eher industriell und zudem noch wenige Studenten). Nördlich vom
Campus ist eine sehr nette Gegend—jedoch relativ reich und teuer, aber man
kann durchaus auch etwas für ca. 650$ finden. Außerdem ist es dort natürlich
recht hügelig (=anstrengend mit dem Rad)! Südlich vom Campus: Das Rechteck
Shattuck-Bancroft-College-Dwight begrenzt die Gegend mit den Wohnheimen
(für amerikanische undergrads). Alles, was darunter kommt, bis zur Ashby, ist
  5 www.craigslist.org

                                       4
generell sehr nett. Links von Telegraph etwas günstiger (schätzungsweise wegen
rent control), rechts von Telegraph deutlich schicker. Südlich von Ashby fangen
Viertel von Berkeley und Oakland an, die nicht zu empfehlen sind. Lediglich das
Dreieck Regent-Ashby-Claremont ist sehr nett—viele Geschäfte, schöne Häuser.
Hat man eine Bleibe gefunden, sollte man es sich bis zum Semsterbeginn noch
gut gehen lassen und die Akkus aufladen. Es gibt einen Mathematikvorkurs
(Econ 204), dessen Besuch zwar hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig ist—
günstig ist dabei eventuell die Gelegenheit, einige der first years kennenzulernen.
Die meisten Studenten haben sich bisher für ein schönes Alternativprogramm
(siehe Reisen) und gegen den Vorkurs entscheiden.

Handy
Ein Prepaid-Handy von T-Mobile hat sich als die preiswerteste Alternative her-
ausgestellt. Ziemlicher Quatsch ist es, sich bereits in Deutschland eine SIM-
Karte von BlueTello zuzulegen. Um kostenlos per Sms aus Deutschland erreich-
bar zu sein, kann es nicht schaden, ein Tri-Band-Handy mit deutscher SIM-Karte
einzupacken. Auf Shattuck Avenue finden sich Läden von T-Mobile und AT &
T.

Patrick Allen6 , Econ Graduate Advisor
Patrick ist als “graduate advisor” für die Bürokratie bzgl. aller graduate stu-
dents zuständig und somit ganz besonders zu Beginn des Semesters begehrte
Anlaufstelle. Ihr solltet gleich in den ersten Tagen bei ihr Besuch abstatten.
Sein Büro findet ihr im 5. Stock von Evans Hall (549 Evans Hall). Er wird
euch einige Formulare geben—unter anderem zur Beantragung der PC-Pool-
Kennung—und euch eure Rechte und Pflichten erklären (z.B. erhält man ein
Postfach). Schließlich braucht er eure Adresse und Telefonnummer für die Jahr-
gangsliste.

CalNet ID
Da ihr keine “richtigen” Studenten seid, bekommt ihr von der UC Extension nur
eine elektronische ID und nicht den normalen Ausweis, den alle anderen Studen-
ten haben. Außerdem erhaltet ihr diese ID erst nachdem ihr mindestens einen
Kurs bezahlt habt und ihr formal eingeschrieben seid. Das heißt, dass ihr erst
nach ca. einem Monat damit rechnen könnt. Mit dieser ID könnt ihr dann wie-
derum Eure Kennung für “Park Avenue” beantragen und endlich auch Airbears
(das W-LAN der Universität) nutzen. Es empfiehlt sich aus den vorgenannten
Grnden, zumindest einen Kurs so schnell wie mglich zu zahlen!
  6 pallen@econ.berkeley.edu

                                         5
Graham Patterson, Windows-Pool Administrator
Der Brite Graham Patterson7 ist für den PC-Pool zuständig. Er signiert Eure
Anträge um eine EML-Kennung und sagt euch, wo diese abzugeben ist. Die
EML-Kennung braucht man, um in den Econometrics Labs zu arbeiten (Com-
puter mit Unix-Systemen). Gleichzeitig ist das auch eure Email-Adresse (eml-
Kennung@econ.berkeley.edu), über die ihr täglich an die 5-10 Emails von der
Fakultät bekommt. Lindenbauer ist dagegen ein schweigsamer Typ. Neben den
Econometrics Labs gibt es noch den Windows-Pool (“Park Avenue”). Um hier
Zugang zu bekommen braucht ihr jedoch zunächst Eure CalNetID.

Olga Paly von der University Extension
Formal sind wir Austauschstudenten bei der “UC Extension” eingeschrieben,
obwohl wir dann am Department alle Rechte und Pflichten der normalen grads
genießen. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, dass nicht die üblichen hohen
Studiengebühren fällig sind, sondern nur die von “Extension” für “Concurrent
Enrollment”. Die UC Extension bietet eine Einführungsveranstaltung an, die
einen gewissen Unterhaltungswert besitzt (z.B. Sicherheitstips vom lokalen Po-
lizeichef), und die vor allem deshalb wichtig ist, weil dort das Foto für den Stu-
dentenausweis geknipst wird. Ansonsten ist diese Veranstaltung jedoch wenig
informativ und man könnte die wichtigen Informationen sicherlich auch prima
in einer Stunde vermitteln. Man wird euch erzählen, was ihr machen müsst, wenn
ihr krank werdet usw. Außerdem gilt es zu erwähnen, dass die UC Extension
immer eine Stunde als Puffer am Anfang einplant, in der ihr dann rumsitzen
und Kaffee trinken könnt, wenn ihr rechtzeitig da wart. Demnach würde ich
euch empfehlen erst ca. eine Stunde nach offiziellem Beginn dort zu erscheinen.
Generell ist deutsche Pünktlichkeit sowieso nicht so gefragt. Auch die Kurse
beginnen hier in der Regel immer mit akademischen zehn Minuten. Die UC Ex-
tension ist vor allem relevant, weil sie Eure Noten registriert. Olga Paly ist stets
sehr hilfreich, z.B. wenn ihr so etwas wie eine Studienbescheinigung braucht.

(Pseudo)Studi-Ausweis
Was zu Beginn eine eher unangenehme und bisweilen ärgerliche Entdeckung ist,
ist dass wir keine “richtigen” Studenten sind. Zum Beispiel hat dann euer Studi-
ausweis (als “Concurrent Enrollment Student”) keine Matrikelnummer. Damit
darf man nicht kostenfrei auf den Bussen herumfahren, noch gilt der auch als
Bibliotheksausweis. Für die Bibliothek müsst ihr einen Semesterausweis für 25$
erwerben, mit dem man zudem noch nur maximal 20 Bücher ausleihen kann
(wenn man Economic History besucht, stößt man irgendwann mal an diese
Grenze)—um diesen blauen Ausweis zu erhalten, geht ihr an das Circulation
Desk in der Doe Library (= der Eingang zu den Main Stacks). Außerdem könnt
ihr nicht verbilligt das Fitness-Studio der Universität nutzen (die Kosten belau-
fen sich aus 140$).
    7 Während wir dies verfassten, ist der Kollege in den Ruhestand gegangen. Der Nachfolger

ist uns unbekannt, die personenunabhängigen Informationen in diesem Absatz bleiben aber
sicher gültig.

                                             6
Mit der Zeit aber merkt man, dass der Status als Halb-Student doch nicht so
schlimm ist. Wo es Studentenrabatte gibt (sehr seltene Spezies in den USA),
erhält man diese: Zum Beispiel kann man bei der Uni-Augenklinik ein vollstän-
diges Check-Up zum Studententarif (31$) erhalten. Beschwichtigend kann zum
Beispiel auch die Erkenntnis wirken, dass man als Extension-Student für nur 25$
Zugang zu der drittgrößten Bibliothek der USA hat (leider nicht zur Fernleihe),
während andere Austauschstudenten für dieses Privileg 200$ zahlen. Rasch hat
man sich also an diesen Zustand gewöhnt. Und spätestens wenn Matt Rabin
in der P&E-Vorlesung sagt: “All exchange students: please leave! Except the
exchange students from Mannheim and Bonn”—spätestens dann ist alles Friede
Freude Eierkuchen.

Einschreiben in Kurse und Erhalten des Visastatus
Wie gesagt, ist für die Verwaltung die UC Extension zuständig. Diese stellt das
I-20 aus und kontrolliert, ob ihr genügend Kurse belegt, so dass ihr weiterhin als
Studierende geltet. Ihr besucht die Kurse offiziell im “Concurrent Enrollment”-
Status, d.h. als nicht-ordentliche Studenten besucht ihr die regulären Kurse
und legt Prüfungen ab. Das Einschreiben funktioniert mittlerweile elektronisch.
Wie man euch bei der Einführungsveranstaltung erklären wird, könnt ihr euch
ab einem gewissen Zeitpunkt auf einer Website8 einloggen und dort angeben,
welche Kurse ihr in dem Semester besuchen wollt. Vorher müsst ihr jedoch auf
jeden Fall mit den Professoren abklären, ob ihr die Vorlesung besuchen dürft,
was jedoch in der Regel kein Problem ist. Es ist ratsam, diese bereits vor der
Ankunft in Berkeley anzuschreiben, um sich einen Platz zu sichern—gerade bei
den Mikro- und Makrokursen des ersten Jahres (201A/B, 202A/B), die auch
Studenten anderer Fakultäten hören müssen, ist die Nachfrage groß. Füer die
Kurse des zweiten Jahres ist in der Regel keine Eile geboten, rein kommt man
immer, man kann daher ruhig eine Woche hineinschnuppern. Die Kursliste auf
der Seite der UC Extension müsst ihr dann ausdrucken und damit zur Extension
in 1995 University Avenue (Suite 110) gehen, um eure Kurse zu bezahlen. Die
Originale der Rechnungen sind dann an Frau Toe-Bender9 beim Auslandsamt
zu schicken.

Bürokratie
Über die Unibürokratie hinaus eigentlich keine. Es gibt kein Einwohnermelde-
amt, und sobald man in das Land eingedrungen ist, wird man von keiner Behörde
genervt. Eine Social Security Number erhaltet ihr nicht, solange ihr nicht ar-
beiten wollt, von daher darf die Telefongesellschaft (SBC PacBell) auch nicht
danach fragen, wenn ihr einen Anschluss beantragt (geht erstaunlich schnell,
nebenbei gesagt).
  8 https://sis.berkeley.edu/ucbx/ce   stu login
  9 programme-assist@uni-bonn.de

                                               7
Leben in Berkeley
Berkeley ist eine Studentenstadt und spätestens seit dem “free speech move-
ment” auch nicht-Akademikern ein Begriff. Obwohl die dortige Universität nicht
privat ist ist die Forschung und Lehre auf allen Gebieten erstklassig. Hin und
wieder bemerkt man zwar eine für staatliche Institutionen typische Bürokra-
tie, aber dies tut der Freude keinen Abbruch. Das Economics Department ist
in Evans Hall zentral auf dem Campus untergebracht und besonders aus dem
P-Room heraus hat man einen herrlichen Blick auf die gesamte Bay inklusi-
ve Golden Gate Bridge und der Skyline von San Francisco. Umgekehrt, der
Blick vom Rest des Campus’ aus auf Evans Hall, bekanntlich das hässlichste
Gebäude auf dem Campus, ist eher zu vermeiden, wenn man sich nicht einen
besonders depressiven Tag bereiten will. Für einen guten Überblick über den
Campus lohnt sich der Besuch des Campanile (Sather Tower). Täglich um 9.30
Uhr findet eine Führung über den Campus statt (Treffpunkt: Sather Tower).
Das studentische Leben findet rund um den Campus statt und Telegraph Ave.
ist immer noch von Aussteigern und Alternativen geprägt, die dort Ramsch ver-
kaufen oder versuchen, ihre politische Botschaft an den Mann zu bekommen.
Generell gilt: nördlich vom Campus ist die ruhigere Gegend, an der Euclid Ave-
nue gibt es einige Cafés und Läden, die besonders bei grads beliebt sind. Die
meisten grads essen eher auf Euclid, während Telegraph eher von undergrads
bevölkert wird. Gute Restaurants gibt es jedoch auf beiden Straßen und am be-
sten probiert ihr einfach alles selber aus! Es gibt übrigens keine Mensa—daher
essen eigentlich alle immer in Fastfood-Restaurants, die jedoch in Berkeley viel
Variation bieten und tatsächlich auch sehr gutes Essen haben. Natürlich ist das
Ganze etwas teurer als in Bonn, aber an die hohen Lebenshaltungskosten wer-
det ihr euch auch bald gewöhnen. Südlich vom Campus ist außerdem eher die
“alternativere” Gegend, Telegraph Avenue und People’s Park sollten ein Begriff
sein. Dort gibt es Essmöglichkeiten für jede Geschmacksrichtung und ein sehr
buntes Publikum. Westlich vom Campus ist downtown Berkeley: dort gibt es
auch manchmal Menschen, die keine Studenten sind und natürlich auch einige
Cafés und Restaurants.
Ganz und gar unamerikanisch ist die hohe Zahl an Fahrradfahrern. Ein solches
erhält man für $60 - $200 wochenends auf dem Ashby Market (die Verkäufer
lassen sich oft noch um bis zu 40% herunterhandeln) oder in verschiedenen
Läden (The Missing Link an der Shattuck Ave., Mike’s Bikes auf der University
Ave.). Außerdem könnt ihr natürlich auch die derzeitigen Bonner kontaktieren.
Nicht sparen sollte man am Schloß, ein U-Lock der Marke “Kryptonite” ist loh-
nend. Empfohlen wird, das Fahrrad bei der University Police (am Sproul Plaza)
registrieren zu lassen. (Meines Wissens ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben.)
Ein Konto kann man auch sehr unbürokratisch eröffnen, mit einem Pass und ei-
ner anderen Visa-Karte/oder dem deutschen Führerschein ist das gesagt-getan.
Alle Banken bieten im Sommer Sonderangebote für Studenten an (Washington
Mutual, Wells Fargo, BofA). Die BofA ist aus erwähnten Gründen besonders
praktisch, außerdem hat sie Filialen in den gesamten Vereinigten Staaten. Da-
neben kann eine sog. “California ID” hilfreich sein, die man beim Department
of Motor Vehicles (DMV) erhält. In die meisten Clubs oder Bars kommt man
allerdings einfach mit dem deutschen Personalausweis hinein.
Rund um Berkeley empfehlen sich Besuche in San Francisco, zu jeder Tag- und

                                       8
Nachtzeit. San Francisco erschließt sich dem Besucher am besten zu Fuß oder mit
dem Fahrrad. Neben den Standardsehenswürdigkeiten ist die Marina sehr emp-
fehlenswert für einen entspannten Sonntagnachmittag, Baker Beach mit Blick
auf die Golden Gate Bridge ist unbedingt zu empfehlen und ansonsten solltet
ihr euch einfach auf Erkundungstour machen. Neben Cable Car und Street-
car (Market und dann Richtung Wharf) ist auch das Bussystem und die Muni
ein gutes Transportmittel. Weitere sehr schöne Anlaufpunkte sind das Hippie-
viertel Haight/Ashbury und der Kinokomplex Metreon für den frühen Abend.
Das Drehrestaurant des Hyatt auf California/Market für einen Drink ebenso.
Das California Palace of the Legion of Honor bietet klassische Malerei, das San
Francisco Museum of Modern Art moderne. Touristisch-schön sind die Klassiker
Lombard Street und Coit Tower, ebenso die Mission Dolores und Alamo Squa-
re. Wenn man etwas entspannen will, gibt es den Golden Gate Park (größer
als Central Park!), Ocean Beach oder einfach die “Platz-Parks”, Alamo Square,
Alta Plaza Park und Lafayette Park. Mein persönlicher Geheimtip ist, einmal
mit der O-Bus Linie 1 vom Ferry Building aus quer durch San Francisco zu
fahren (Endstation am Palace of the Legion of Honor): Damit hat man einen
Querschnitt durch das Stadtleben—Hochhäuser im Financial District, angereg-
tes Leben in Chinatown, ruhige Villen im edlen Pacific Heights, und schließlich
atemberaubende Aussichten über die Golden Gate, wenn man den Sea Cliff Trail
läuft—und außerdem fährt die Linie 1 über die steilsten und die engsten Straßen
der Stadt. Aber das bemerkenswerteste an San Francisco ist, daß es einfach eine
Stadt ist, mit Stadtleben, mit Cafés auf der Straße, und alles ist eigentlich zu
Fuß begehbar. Das macht San Francisco (don’t call ist Frisco! Wenn überhaupt
San Fran oder besser noch The City) zu einer Besonderheit in den USA und
zum beliebtesten Touristenziel. Um Stadt/Straßenleben zu spüren sind tagsüber
ebenso wie nachts Union Street, Fillmore Street und Chestnut Street zu emp-
fehlen. Zum Weggehen sind die beiden letzteren jedoch etwas teurer.
Mit dem Auto—zum Autokauf siehe unten—empfehlen sich Touren:

   • gen Süden: Highway 1 mit 17-Miles-Drive, ggf Monterey, Carmel, Hearst
     Castle, vielleicht über Santa Barbara bis nach Los Angeles, dann im Lan-
     desinneren in 6 Stunden zurück,

   • gen Norden: Entlang der Küste über Bodega Bay (Hitchcock’s Vögel wur-
     den hier gedreht, es gibt aber eigentlich nur noch das Schulhaus in “Bode-
     ga” ohne “Bay”)10 zu den Riesenbäumen, den Redwoods; besonders be-
     eindruckend ist die “Avenue of the Giants”, ein alter Highway, der direkt
     durch den Wals führt,

   • nach Napa Valley, dem Weinbaugebiet. Sommer und Wochenenden sind
     dort eher zu vermeiden. Und obwohl alles sehr nett aussieht, ist es doch
     sehr vermarktet. Die Weine sind sehr angenehm.
   • Point Reyes und Stinson Beach. Dünen, grüne Wiesen mit Kühen, hügelige
     Landschaften.
  10 Zum Thema Hitchcock: Einmal muß man den Film “Vertigo” sehen, der wurde in San

Francisco gedreht; und außerdem “The Graduate”, auch wenn nicht von Hitchcock, aber der
spielt zwischen Berkeley und Stanford

                                          9
• nach Yosemite (die Halfdomebesteigung ist wirklich toll, kann aber kühl
     werden und aufgrund von Schneefall können Teile des Parks bis Juni ge-
     sperrt sein),

   • zum Mono Lake
   • in den Sequoia National Park,
   • zum Lake Tahoe (nicht nur im Winter, wenn es dort zahlreiche Skigebiete
     gibt),

   • und für Extreme eine Fahrt zum Death Valley (aber Vorsicht, der Bergpass
     im Yosemite ist meistens (von Oktober bis April) geschlossen, ihr müsst
     also aussenrumfahren).
   • Skydiving in Sacramento (Nur 100$ aber trotzdem sicher)

   • Santa Cruz bietet sich zum Surfen an, allerdings nur mit Neoprenanzug
   • Vacaville; Premium-Outlet mit 100 Geschäften
   • Achterbahnparks unterscheiden sich von deutschen Freizeitparks vor allem
     dadurch, dass sie auf Achterbahnen spezialisiert sind, und diese interes-
     santer und zahlreicher sind. Unspektakulär ist es in Santa Cruz, durch-
     schnittlich in Vallejo (25 Meilen von Berkeley, fahrt besser mit dem Auto
     als mit dem Bus) und großartig in der Nähe von LA im SSix Flags Magic
     Mountain”.

Abends hat man in Berkeley schnell alles gesehen: Frat-Parties (eher für under-
grads), I-House Parties, das Blake’s, das Raleigh’s und das Jupiter, das Albatros,
Albany Bowl und die Kinos. Man merkt halt, dass Alkohol erst ab 21 gekauft
werden kann. Daher gibt es wenige Lokale, und die Undergrads besaufen sich
dann zuhause mit Hilfe eines volljährigen Komplizen. In San Francisco ist Ca-
stro zu Halloween unschlagbar (unbedingt verkleidet) und ansonsten sollte man
auf jeden Fall mal auf Folsom in den Cat’s Club (jünger und ausgelassener), ins
1015 (mehrere Floors, v.a. House etc.), in die DNA Lounge (klein aber fein) und
ins EndUp (ältester und berühmtester Club in der City mit schönem Außenbe-
reich, ebenfalls House). Weitere gute Clubs, für die, die die Clubszene intensiv
testen wollen, sind das Ruby-Sky, Minna und Make-Out-Room. Sehr schön ist es
auch rund um Mission St., etwas vom Zentrum weg findet man unzählige kleine
Musikkneipen, und auch Haight/Ashbury. Generell gilt, dass SoMa der Bezirk
mit den meisten Clubs ist und dass man Mission und Haight/Ashbury wun-
derbar für Kneipenabende ansteuern kann. Auch Union Square hat in näherer
Umgebung einige Bars zu bieten, ebenso wie die Gegend rund ums Metreon.
Für abendliche Unternehmungen ist übrigens ein Auto überaus praktisch, da
die ersten BARTs am Samstag erst wieder um 8 Uhr fahren und die Fahrt mit
dem Bus nach Oakland vom Transbay Terminal aus eher eine Tortur ist (wenn
auch die ersten Male eine schöne Erfahrung). Taxis sind teuer. Ganz schick ist
es, wenn man mit mehreren Leuten eine Limousine mietet. Dies kostet 25 $ pro
Person von San Francisco nach Berkeley.
Wenn man sich schon einmal in Kalifornien aufhält, sollte man beizeiten (z.B. in
den Winterferien) einen kurzen Urlaub auf den hawaiianischen Inseln in Betracht

                                       10
ziehen. Näher kommt man kaum dran, warm ist es immer und im Winter auch
relativ preiswert. Die Vorstellung, welche man von Hawaii in der Regel hat, ist
wahrscheinlich etwas verklärt. Oahu ist mit Mallorca zu vergleichen, Maui etwas
ruhiger und Big Island insbesondere zum Klettern geeignet. Surfer fahren nach
Maui oder in den Norden von Oahu.
Ein Autokauf lohnt sich eigentlich nicht. Am billigsten und einfachsten fhrt
man mit Holiday-Autos11 . Inklusive Versicherung und Underage-Driver fee ca.
50 Euro pro Tag.

Studieren im Ph.D.-Programm
Ein amerikanisches Ph.D.-Programm ist nur schwer mit einem deutschen Studi-
um vergleichbar, es handelt sich vielmehr um eine organisierte Promotion für ca.
25 eintretende Promotionsstudenten pro Jahr. Sie werden “graduate students”
genannt und haben in der Regel den Bachelor. Die Mitstudenten gehören inter-
national zu den besten nach denen, die in Stanford, Harvard oder am M.I.T.
studieren. Auf der einen Seite kann so auf einem hohen fachlichen Niveau unter-
richtet werden, aber andererseits ist die Vorliebe für alles Nichtfachliche bei den
Mitstudis lange nicht so ausgeprägt wie bei anderen Studenten, beispielsweise
den “undergrads”, die man aus den entsprechenden Collegefilmen kennt oder
auch deutschen Kommilitonen. Nach meinen Erfahrungen sind die Berkeley-
grads jedoch durchaus recht partyfreudig und haben vor allem auch meistens
einige Interessen neben dem Studium. Auf jeden Fall sind die meisten grads
alles andere als langweilig!
Auch die Professoren gehören klar zur Spitzenklasse. Es ist faszinierend fest-
zustellen, dass sie oft in der Lage sind, auch bei äußerst komplexen Zusam-
menhängen die wirklich wesentlichen Dinge herauszustellen. Sie beteiligen sich
aktiv an der aktuellen Forschung und unterrichten nicht selten die selbst er-
forschte Materie.
Mein erster Eindruck war, dass es wohl schwierig ist mitzuhalten, aber nach
einiger Zeit machte sich die Erkenntnis breit, dass man sich als Bonner VWLer
keineswegs zu verstecken braucht. Unsere Vorkenntnisse sind nicht schlecht und
auch ohne alle Pflichtkurse in Berkeley gehört zu haben, kann man an fast allen
Kursen teilnehmen. Dennoch sollte man sich den amerikanischen Gepflogenhei-
ten orientieren, was bedeutet, dass es kein Tabu sein sollte, auch einmal bis
zwei Uhr morgens in der Bibliothek zu studieren oder “problem sets” zu lösen.
Die Kunst besteht aber auch dort darin, notwendige Arbeit von der nicht not-
wendigen zu trennen und sich auf erstere zu konzentrieren. Der Mut zur Lücke
zahlt sich oft aus, Literatur muss auch hier—entgegen der Aussage der mei-
sten Professoren—nicht komplett gelesen werden und auch die “problem sets”
müssen nicht perfekt sein. David Romer sagte dem Sinn nach: was in der Li-
teratur steht ist ja schließlich schon erforscht—es ist wichtiger, eigene Ideen zu
entwickeln und kritisch zu sein. Es wird Wert auf die Kernaussagen gelegt, diese
werden in den Klausuren abgeprüft, normalerweise nicht die Details.
Für uns Austauschstudenten waren die “first years”, die mit uns dort began-
nen, oft die relevante Bezugsgruppe. Kennenlernmöglichkeiten gibt es während
 11 holidayautos.de

                                        11
des Mathe-Vorkurses, der zwei Wochen vor Semesterbeginn startet. Man sollte
jedoch nicht vergessen, dass es auch für sie das erste Jahr in Berkeley ist und sie
daher auch nicht wissen, wie man das alles so meistert. Ihre Reaktion ist (genau
wie bei uns) blindes draufloslernen und nach dem Jahr waren wir uns alle einig,
dass das nicht ideal war.
Nun zur Kurswahl. Das erste Jahr besteht für reguläre Studenten aus Pflicht-
kursen in Mathematik, Wirtschaftsgeschichte (je 1), Mikro, Makro und Ökono-
metrie (je 2). In diesen Kursen werden wichtige Grundkenntnisse vermittelt und
sie gehören mit zum besten, was Berkeley zu bieten hat. Es empfiehlt sich, pro
Semester 1-2 solche Kurse zu besuchen.

   • Micro (201A/B): 201A deckt die ersten Kapitel in MWG (Konsumenten-
     theorie und Produktionstheorie) sowie eine unterhaltsame Spieltheorie mit
     Matt Rabin ab. In 201B folgen dann Mechanism Design und Allgemeine
     Gleichgewichtstheorie. Die Skripte sind sehr hilfreich. Diese Kurse sind
     mathematisch sehr anspruchsvoll (abgesehen vom Spieltheorie-Teil).
   • Macro (202A/B): 201A deckt mit Akerlof und Romer den letzen Teil des
     Romer-Lehrbuches (ab Kap. 5): der neukeynesianische Hauch ist vor allem
     für uns besonders neu und faszinierend. Und George Akerlof muß man
     einmal gesehen haben. Dafür deckt 202B eher bekannte Themen (Romer 1-
     3), neoklassische Wachstumstheorie etc. ab. Die zweite Hlfte wurde dieses
     Jahr erstmals von Yuriy Gorodnichenko gelesen, Lesen der Literatur war
     hier überlebenswichtig.
   • Econometrics (240A/B): Hierbei handelt es sich um die zwei Kurse des
     Ökonometriezyklus. 240A vermittelt statistisches Hintergrundwissen und
     führt in die Ökonometrie ein. Belegt man nur 240B, kann man den Wis-
     sensvorsprung mit ein bißchen Schweiß aber auch während des Spring
     Terms gut aufholen und auch eine ordentliche Note erreichen. Auf das
     Ruud-Buch und seinem eklektischen Ansatz fluchen (er “sieht” halt Pro-
     jektionen, wo die Normalsterblichen OLS sehen), kann ab und zu mal die
     Nerven beruhigen, ist aber auf Dauer nicht hilfreich. Es geht allen so.
     Beide Kurse zusammen bilden ein gutes Fundament für den zukünftigen
     Ökonometriker.
   • Economic History (210A): Brad DeLong und Barry Eichengreen. Ein ex-
     trem lektüreintensiver Kurs, der jedoch extrem interessant ist. Es ist eine
     ganz andere Art, Wirtschaftsgeschichte zu betreiben, als Buchheims Vor-
     lesungen. Ich finde, man sollte sich zumindest als Gasthörer stets dazuset-
     zen.

Grundsätzlich empfehle ich die Wahl der Kurse auch von den jeweils lesenden
Professoren abhängig zu machen. Wie schon erwähnt ist das Ökonometrieange-
bot sehr zu empfehlen, aber auch alles andere ist Spitzenklasse. Mein persönli-
ches Fazit: Sehr viel Arbeit, die sich mehr als auszahlt. Aber nochmal: wenn
man die Woche über gut arbeitet kann man sich die Wochenenden freinehmen,
Reisen sollte es euch wert sein. Cool bleiben, am Ende werden in der Klausur
die wesentlichen Dinge abgefragt, die man auch unter der Woche lernen kann
;-)).
Der Vollständigkeit halber noch die anderen von uns belegten Fächer:

                                        12
• Econ 206: Mechanism Design und Agency Theory (+). Sehr intensiver
  Kurs, man sollte mit dem Material von 201B sehr vertraut sein oder 201B
  gleichzeitig besuchen.

• Econ 209B: Theory and Application of Non-Cooperative Games (+++).
  Wenn von Shachar Kariv angeboten, dann ein sehr empfehlenswerter Kurs.
  Bereitet auf eigene Experimente vor.
• Econ 210B: European Economic History (+++). Wird abwechselnd von
  Brad De Long (real) und Barry Eichengreen (monetär) gelesen.
• Econ 219A und B: Psychology and Economics (+++). Hier rückt man
  endlich von der Annahme ab, alle Menschen seien rational. A beinhaltet
  Theorie und B Anwendungen. Beide Kurse sind sehr umfangreich, insbe-
  sondere Matt’s Übungsblätter haben es in sich. Mit mindestens 30 Seiten
  Lösung seid ihr dabei.
• Econ 220A: Industrial Organization (+). Bietet einen guten Überblick,
  der Kurs zählt aber sicherlich nicht zu den Kursen, die man nicht auch
  woanders belegen könnte.
• Econ 220B: Industrial Organization (+). Anwendungsorientierter Kurs
  mit vielen Praxisfällen, Schwerpunkte auf Regulierung und Antitrust.
• Econ 230A: Public Economics (+++). Steuern, Staatsausgaben und Pu-
  blic Choice. Und Alan Auerbach.
• Econ 234A: Macroeconomic Finance (+++). Der Kurs dreht sich um das
  Equity Premium Puzzle und andere Anomalien der Finanzmärkte. Adam
  Szeidl ist ein König!
• Econ 236B: Aggregate Economics (+++). Kurs zur Angewandten Ma-
  kroökonometrie, sehr intensiv, aber selten lernt man soviele brauchbare
  Methoden. Der Arbeitsaufwand ist enorm, wöchentliche Übungsblätter,
  die mindestens einen Tag (15 Stunden) in Anspruch nehmen, insbesondere,
  wenn die Matlab-Vorkenntnisse überschaubar sind, dazu Referee-Reports
  und eine Abschlussarbeit. Aber es lohnt sich!
• Econ 244: Applied Econometrics (+++). Hier wendet man endlich das an,
  was man in theoretischen Ökonometrie-Kursen gelernt hat.

• Econ 260A: Comparative Systems (o). Als Alternative zu Wipol II durch-
  aus erwägenswert (es sollte aber im Vorfeld geklrt werden, ob eine Aner-
  kennung möglich ist), aber ansonsten würde ich den Kurs nicht wirklich
  empfehlen. Der Syllabus hört sich interessanter an als der Kurs nachher
  ist!

• Econ 270C: Analytics of Economic Development and Planning (++). Ein
  sehr interessanter Kurs und eine gründliche Einführung in die Thematik
  (zumindest mit Ted Miguel), aber der Arbeitsaufwand sollte nicht un-
  terschätzt werden

                                  13
• ARE 213: Applied Econometrics (++). Als Alternative zu Econ 244, je
     nachdem was einen in Applied Metrics interessiert, durchaus zu empfehlen.
     Neuester Verfahren der Mikroökonometrie werden hier behandelt. Falls
     Michael Anderson den Kurs hält, ist das Skript ungemein hilfreich, weil
     hier die Intuition gut erklärt ist.
   • ARE 231: International Trade and Environment (++). Ein Kurs in em-
     pirischem Außenhandel, eine gute Ergänzung zur Theorie aus der Bonner
     Außenhandelsvorlesung.

   • PhDBA 279A: Institutions, Interest Groups and Public Policy. (++)
   • Stat 251: Stochastic Analysis with Applications to Mathematical Finance
     (++). Finance für Leute mit gutem Mathe-Hintergrund. Es hängt sehr
     stark von einem selber ab, wieviel man mitnimmt. Bietet die Möglichkeit
     zu einer sehr interessanten Abschlussarbeit.

Wie ihr seht, ist es auf jeden Fall lohnenswert, auch andere graduate-Kurse aus
der Business-Fakultät (Haas School) und von den Agrarökonomen (“ARE”) in
Erwägung zu ziehen.

Anrechnung in Bonn
Die Anrechnung sollte unproblematisch sein. Beantragt ein offizielles “Trans-
cript of Records” bei der UC Berkeley (15 $) und lasst es Euch nach Deutschland
schicken. Dieses könnt ihr dann zusammen mit den Kursbeschreibungen bei der
Auslandskoordinatorin Frau Hübner-Monien einreichen. Anrechnen kann man
maximal 40 Kreditpunkte, und Anrechnungsanträge müssen zum 1. März, 1.
Juni, 1. September oder 1. Dezember eingereicht sein, um auf der folgenden
Sitzung des Prüfungsausschusses bearbeitet zu werden.

Schlussbemerkungen
Noch ein Schlusswort zum Wetter: Wer die Nase voll hat, vom schwülen Wetter
in Bonn, ist in der Bay Area genau richtig. San Francisco hat wohl eines der
mildesten Klimas überhaupt. Im Sommer steigt die Temperatur nie über 25C,
und am Nachmittag steigt der berühmte Nebel auf. Allerdings ist es in Berkeley
etwas wärmer. Die wärmsten Monate sind September und Oktober (!). Über
Weihnachten kann es bisweilen bis zu 5C kommen. Eins solltet ihr jedoch nicht
vergessen: Kalifornien ist nicht das Land der ewigen Sonne. Der Winter ist hier
durchaus regnerisch!12
Wir hoffen, dieser “Guide” hat euch gute Dienste erwiesen. Die aktuelle Ver-
sion bekommt ihr am Lehrstuhl von Alois Kneip. Gerne schickt man euch das
zugehörige TeX-Dokument zu, so daß ihr für nachfolgende Generationen Eure
Erfahrungen und Tipps mit einflechten könnt.

 12 Nicht zu vergessen ist das Lied von Simon and Garfunkel, “Cloudy”: “Down from Berkeley
to Carmel. / Got some pictures in my pocket and a lot of time to kill. / Hey sunshine / I
haven’t seen you in a long time.”

                                           14
Sie können auch lesen