"The Medium is the Message" - Hausarbeit zur Vorlesung Rahmenbedingungen 4. Semester Handelsmanagement
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„The Medium is the Message” Hausarbeit zur Vorlesung Rahmenbedingungen 4. Semester Handelsmanagement Erstellt von Ariane Galle und Angelika Zschau Abgabe: 23.05.2006 EUFH, Brühl
Aufgabenstellung: „The Medium is the Message“ von Marshall McLuhan schreibt dem Medium selbst eine Botschaft zu. Recherchieren Sie die originale Bedeutung dieser These. Interpretieren Sie die Aussage für das neue Medium Internet. The Medium is the message Seite 2 von 17
Inhaltsverzeichnis 1. Der Mensch McLuhan Seite 1.1. Kurzbiographie 4 1.2. Leben und Werke 4 2. The Medium is the Message 2.1. McLuhan’sche Definition von Medien 7 2.2. Heiße und kalte Medien 12 2.3. Retribalisierung und das globale Dorf 12 3. Das Internet aus McLuhan’scher Sicht 15 4. Quellenverzeichnis 17 The Medium is the message Seite 3 von 17
1. Der Mensch McLuhan 1.1 Kurzbiographie Herbert Marshall McLuhan wurde am 21.07.1911 in Edmonton, Alberta in Kanada geboren. Er studierte Englische Literatur in Cambridge und Manitoba. 1930 veröffentlichte er seinen ersten Artikel mit dem Namen „Macaulay – What a man!“ in einer Studienzeitung. 1937 konvertierte er zum Katholizismus1. 1939 heiratete er die texanische Schauspielerin Corinne Keller Lewis, mit der er sechs Kinder hatte2. Ab 1951 unterrichtete er an verschiedenen Universitäten in den USA und in Kanada. In diesem Jahr wurde auch sein erstes Buch „The Mechanical Bride“ veröffentlicht. 1953 gründete McLuhan das Magazin „Explorations“, um Arbeiten zum Thema „Sprache“ und „Medien“ darin veröffentlichen zu können. Im Jahre 1955 gründete er die Gesellschaft „Idea Consultants“, deren Ziel es war, Geschäftsleuten kreative Ratschläge zu geben. 1962 erschien eines seiner wichtigsten Werke „The Gutenberg Galaxis“1. Um McLuhan als einzigartigen und außergewöhnlichen Professor zu halten, wurde 1963 das „Institut for Culture and Technology“ an der Universität von Toronto gegründet, so dass er dort seine Forschungsarbeit betreiben konnte. Dies geschah, da er zu dieser Zeit besonders viele attraktive Angebote von ausländischen Universitäten bekam3. 1967 erschien sein Werk „The Medium is the Message“. 1979, kurz vor seinem Tot am 31.12.1980, veröffentlichte er noch das Buch „The Global Village. Transformation in World Life and Media in the 21st century.“1. 1.2 Leben und Werke Marshall McLuhan war Kommunikations- und Literaturwissenschaftler, Medientheoretiker, Medienkritiker und Publizist in einer Person1. Der Mensch Marshall McLuhan wurde von vielen Wissenschaftlern als Spinner angesehen. Diese Aussage könnte sein seltsamer Gang auf das Patentamt 1971 beweisen. Er meldete mit _________________ 1 Vgl. wikipedia 2 Vgl. Morisse und Lehmann 3 Vgl. Gordon The Medium is the message Seite 4 von 17
seinem Neffen zusammen ein chemisches Mittel an, das den Uringeruch aus Unterhosen vertreiben sollte. Diese Erfindung begründete er damit, dass die Menschheit durch das globale Dorf immer weiter zusammenrückt und sich dadurch auch intensiver riechen würde. Tatsächlich könnte man ihn aber fast als Genie bezeichnen. Schließlich war er in der Lage in einer Woche bis zu 35 Bücher zu lesen. Er war geradezu davon besessen. Er benutzte dazu verschiedene Techniken um ein Buch durchzuarbeiten. Er verwendete eine Art kursorischer Schnelllektüre, in Kombination mit einer Stichprobenentnahme und einem teilweise recht intensivem Textstudium. Dadurch war er in der Lage, alle Kernaussagen und Fakten eines Buches herauszufiltern und das dadurch Aufgenommene auch im Gedächtnis zu behalten. Diese Art und Weise zu Lesen förderte allerdings auch seine Sprache. Man hätte ohne Probleme aus seinem gesprochenen Wort einen Aufsatz entwickeln können, ohne dass das gesprochene Wort hätte verändert werden müssen. Genau nach diesem Schema schrieb er auch seine Bücher. Er arbeitete ihren Inhalt aus Gesprächen und Dialogen1. „Seine Schriften wirken sprunghaft, mosaikartig, diskontinuierlich und inhomogen wie Gespräche, sein Reden erweckte den Eindruck logischer Strukturiertheit, wie sie nur die Schrift erzeugt.2“ Viele Menschen waren der Meinung, dass er der schnellste Denker war, den sie jemals kennen gelernt hatten. Jedoch konnten sie sich meist nicht sicher sein, ob sein gesprochenes Wort besonders tiefsinnig oder einfach nur unsinnig war. Man hatte geradezu den Eindruck, dass er während des Sprechens all seine Ideen entfaltete. Ab dem Moment, wenn er ersten Gedanken gezündet hatte, war er in der Lage gedankliche Explosionen zu entwickeln und sein Gegenüber oder Zuhörer damit zu elektrisieren1. Zu seiner Zeit wurde McLuhan als „Kanadas intellektueller Komet“ und „Medien-Guru“ bezeichnet. Zusätzlich wurde er als „Vater des globalen Dorfes“ benannt3. Diese Behauptungen unterstützen auch einige Aussagen von Freunden und Kollegen McLuhan´s. Diese waren der Meinung, dass sein Kopf speziell verdrahtet sein musste, da er unaufhörlich denken konnte, sprach und nie müde zu werden schien. Er konnte zwischen verschiedenen Gedanken oder Fakten eine Beziehung herstellen und diese im Verhältnis zueinander betrachten1. Diese Denkweise trainierte er sich während seiner Studienzeit an. Damals begann _________________ 1 Vgl. McLuhan (2001), S. 247ff 2 McLuhan (2001), S. 247 3 Vgl. Ludes (1998), S. 84 The Medium is the message Seite 5 von 17
er mehrere Bücher gleichzeitig zu lesen und sie in Beziehung zueinander zu sehen. Wie wichtig er für seine Zeit war, beschreiben Rainer Hötschl und Fritz Böhler: „McLuhan wirkte in den sechziger Jahren so mächtig wie andere neue Medien, denen man sich nicht entziehen konnte. Alles schien von ihm betäubt, McLuhan auf allen Kanälen, in allen Medien.1“ _________________ 1 McLuhan (2001), S. 254 The Medium is the message Seite 6 von 17
2. The Medium is the Message 2.1 McLuhan’sche Definition von Medien Medien sind für McLuhan Ausweitungen des Körpers. Durch Medien können Sinne oder Körperteile erweitert oder sogar ausgelagert werden, was sowohl eine Veränderung des Menschen selbst, als auch seiner Umwelt nach sich zieht1. Dabei betrachtet McLuhan ursprünglich nicht nur Radio und Co. als Medien, sondern auch Kleidung oder die Erfindung der Eisenbahn. Für ihn war Kleidung zum Beispiel nur eine Ausweitung der menschlichen Haut, wie das Radio eine Ausweitung des menschliches Ohres und der menschlichen Stimme darstellt2. Im Idealfall sind diese Körperausweitungen ausgeglichen und aufeinander abgestimmt und nicht einseitig belastet1. Die Erweiterung der Sinne durch die Medien ermöglicht es dem Menschen Raum und Zeit zu überbrücken und somit unabhängig von seinem physischen Körper „auch dort zu sein, wo er nicht ist3“. Man bedient sich vielleicht auch deswegen dem griechischen Wort „tele“, was soviel bedeutet wie weit oder fern, in Begriffen wie Telefon, Telefax oder Television. Aber auch die deutschen Bezeichnungen wie fern-sehen oder Rund-funk-hören unterstützen die These der Sinnesausweitung4. Durch diese Erweiterung der Wahrnehmung, des menschliches Aktionsradiuses und der menschlichen Möglichkeiten entsteht laut McLuhan eine völlig neue Umwelt für den Menschen. Diese Veränderung ist viel wichtiger und gravierender als jegliche Botschaft, die durch ein Medium transportiert werden soll. Eine Botschaft stellt nur einen kurzen Informationsaustausch dar, der in der Masse vernachlässigbar ist. Die Veränderung aber, die die Einführung eines Mediums nach sich zieht, beeinflusst das Leben der Menschen nachhaltig. Daher prägt der Ausdruck „das Medium ist die Botschaft“ den größten Teil seiner Medientheorie. „Man würde sehr wenig über das Auto erfahren, wollte man es einfach als ein Vehikel betrachten, das Leute hin und her transportiert. Ohne die Veränderung der Stadt, die Schaffung von Vorstädten, Service-Veränderungen zu verstehen – die Umwelt, die es schuf -, würde man sehr wenig über das Auto erfahren.5“ _________________ 1 Vgl. McLuhan (2001), S. 257 2 eb., S. 189 3 Ludes (1998), S. 20 4 Vgl. Ludes (1998), S. 20 5 McLuhan (2001), S. 76f The Medium is the message Seite 7 von 17
Damit widerspricht er der gängigen Ansicht, dass es stets auf den Inhalt ankommt und es egal ist, welches Medium zur Übertragung und Speicherung der Information benutzt wird. McLuhan behauptet, dass das Medium die Botschaft ist und der Benutzer der Inhalt. „Der Benutzer ist der Inhalt.[...] Es kann nichts bedeuten, wenn es Ihnen nichts bedeutet.1“ Durch seine intensiven Studien der verschiedensten Wissenschaften, wie Geschichte, Soziologie, Physik und Psychologie, ist McLuhan zu dem Schluss gekommen, dass die Technologien, vor allem die Entwicklung von neuen Medien zur Informationsübertragung, die Gesellschaften stets am meisten beeinflussten, mehr noch als zum Beispiel die Kunst2. Vorallem mit den Einflüssen der Schrift und des Buchdruckes auf die Gesellschaft vergangener Jahrhunderte beschäftigte sich McLuhan intensiv, der so genannten „Gutenberg Galaxis“. So stellte er fest, dass sich Kommunikation schon dadurch drastisch verändert hat, dass das geschriebene Wort nicht mehr so emotionsgeladen ist wie das Gesprochene3. Somit hat der Buchdruck vor etwa 500 Jahren eine starke Visualisierung ausgelöst, indem er Ereignisse, die mehrere Sinne berühren in ein Medium übersetzt, welches nur noch den visuellen Sinn anspricht. In der Gesellschaft machte sich der Einfluss des Mediums Buch dadurch bemerkbar, dass jetzt das Bedürfnis nach Bildung für größere Bevölkerungsschichten aufkam, da es sich nun viele leisten konnten ein Buch zu kaufen, was vorher nur dem reichen Adel möglich war. Es kam dadurch auch zu einer Abwendung vom Latein als alleinige Schriftsprache und zur Förderung der nationalen Schriftsprachen zum Beispiel durch die Übersetzungen von Luther. Über den Verlauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte hatte der Buchdruck somit zu einer Verschiebung der Machtbalance durch eine breitere Bildung gesorgt4. Außerdem konnten, seit Beginn der Übertragung der Sprache durch Zeichen auf Papier, durch die Fähigkeit der Schriftstücke „schnell den Raum zu überbrücken, Armeen, Bürokratien und Weltreiche entstehen5“. Überhaupt spricht McLuhan den Medien einen großen Einfluss auf die Politik zu. Vorallem das Fernsehen trug seiner Ansicht nach entscheidend zu den Ereignissen in der Politik seiner Zeit bei. So wurde Kennedy nur Präsident, weil er das _________________ 1 McLuhan (2001), S. 54 2 Vgl. Ludes (1998), S. 12 3 Vgl. McLuhan (2001), S. 178 4 Vgl. Ludes (1998), S 78f 5 McLuhan (2001), S. 110f The Medium is the message Seite 8 von 17
Medium Fernsehen verstand und es für sich zu nutzen wusste. Das bedeutet, dass für eine politische Entscheidung der Gesellschaft wirklich nicht mehr die eigentliche politische Botschaft von Bedeutung ist, sonder die Art und Weise, in der sich die Politik darstellt. „Kennedy war in Wahrheit deshalb so viel glaubwürdiger, weil er über eine ganz andere Form der Kommunikation verfügte. Ein Politiker, der das Fernsehen versteht – egal welcher Partei er angehört, welche Ziele und Überzeugungen er vertritt -, kann eine in der Geschichte bisher unbekannte Machtposition erringen. Wie er diese Macht dann einsetzt, ist natürlich eine ganz andere Frage.1“ Mit diesem Zitat deutete McLuhan auch an, dass er den neuen Medien nicht nur positiv gegenübersteht, obwohl er immer versucht hat nicht wertend zu argumentieren, sondern nur als Beobachter zu fungieren. Trotzdem ist zu ahnen, dass er hiermit auf Diktatoren des 20. Jahrhunderts anspielt, wie Hitler oder Mussolini, die die Medien sehr intensiv und taktisch kalkuliert eingesetzt haben, um ihre Macht zu erlangen und zu festigen. Nach McLuhan beeinflussen die neuen Medien aber nicht nur die politischen Führungsfiguren, sondern auch das politische Geschehen an sich und die Einstellung der Gesellschaft dazu. So äußert er sich über die Veränderung der Kriegsführung und des Kriegsgeschehens seit der Einführung des Fernsehens. Unter anderem stellt er die äußerst kontroverse These auf, dass der Vietnamkrieg durch die informierte Öffentlichkeit verlängert wurde. Er begründet dies damit, dass die Bevölkerung durch das Fernsehen unmittelbar am Krieg teilnahm und es durch die entstandene Menschenrechtsbewegung zu einer Differenzierung der Bevölkerung kam, die militärische Entscheidungen stets behinderten, die den Krieg radikaler aber schneller beendet hätten2. Weniger kontrovers und vielmehr erschreckend wahr erscheint folgende Aussage: „Das Fernsehen macht den Krieg unerträglich. Die Leute werden viel zu sehr in ihn verwickelt: Es gibt keine Zuschauer mehr, nur noch Teilnehmer. Aber es ist noch eine andere seltsame Sache passiert: Die Kriegsberichtserstattung ist selbst _________________ 1 McLuhan (2001), S. 197 2 Vgl. McLuhan (2001), S. 70f The Medium is the message Seite 9 von 17
zum Krieg geworden. [...] Wenn es keine Berichte über die Ereignisse in Irland mehr gäbe, würden die Unruhen aufhören. Die Leute, die an diesen Unruhen teilnehmen, warten auf die Journalisten, genauso wie die Streikenden. [...] In Irland warten die Leute mit dem Bombenwerfen, bis die Kameras aufgestellt sind, bis die Journalisten mit ihrem Fotoapparat und ihrem Bleistift da sind. Sie werfen keine Bombe, sie warten. Und wenn sich die Kameras zurückziehen, kommt alles zum stehen.1“ Natürlich kann man nicht allgemein sagen, dass es ohne die Kriegsberichtserstattung und die Teilnahme am Krieg der ganzen Welt, durch die Medien, nicht zu Kriegen und Ausschreitungen kommen würde. Es wäre historisch nicht haltbar zu behaupten, dass es vor der Erfindung der Schrift keine Kriege gab. Allerdings ist schon zu beobachten, dass die Medien eine ganz neue Art von Konflikten ermöglicht. So ist es fraglich, ob die Taliban derartige Terrorängste und militärische Reaktionen hätte auslösen können, wenn es das Medium Fernsehen zur Übertragung ihrer Ideen, Forderungen und Drohungen nicht gäbe. Vielleicht hätte es die Kriege der letzten Jahre nicht gegeben, wenn Terrorgruppen ihre Ideen nicht so weitgreifend hätten streuen können und die Öffentlichkeit in Zeiten der nationalen Panik über anscheinende Bedrohungen aus dem Ausland nicht informiert wurden wären. Allerdings ist auch zu beobachten, dass entgegen McLuhans Meinung die Bevölkerung nicht wirklich an den Kriegen teilnimmt. Dies scheint vor allem in Zeiten der Überflutung mit Kriegsneuigkeiten der Fall zu sein, in der man eher dazu neigt, wegzuschalten sobald Berichte oder gar Bilder aus aktuellen Kriegsgebieten gesendet werden. Man zieht sich immer mehr in seine eigene Welt zurück und informiert sich lieber über den aktuellen Klatsch und Tratsch (siehe auch Retribalisierung). Abseits der Politik wird der Mensch, laut McLuhan, seit der Einführung der elektronischen Medien auch als Individuum sehr stark geprägt. In Hinblick auf seine Erfahrung sei jeder Mensch mehrere hundert Jahre alt, da er „sämtliche Kulturen der Welt kennt und überall gewesen ist2“. Auch sammle der Mensch heutzutage Informationen, wie vor Jahrtausenden Nahrung3. Dadurch entfremdet sich der Mensch immer mehr von seinem Körper, da dieser eher hinderlich ist beim „Surfen durch die elektronischen Medien“ und was man als Zuhause bezeichnet einem als Gefängnis vorkommt, welches einen in seinen Möglichkeiten limitiert2. _________________ 1 McLuhan (2001), S. 140f 2 eb., S. 137 3 Vgl. Ludes (1998), S. 82 The Medium is the message Seite 10 von 17
Trotz seiner Exkurse über den Einfluss der Medien und der Technologie auf die Gesellschaften zu den unterschiedlichsten Zeiten der Menschheitsgeschichte, kommt McLuhan doch stets auf seine Kernaussage zurück, dass das Medium die Botschaft ist. Als Zusammenfassung seiner Thesen entwickelte er eine Tetrade, eine viergliedrige Gestalt, mit dessen Hilfe man jedes Medium und seine Auswirkungen analysieren und zusammenfassen kann. So führe jedes Medium als erstes zur Ausweitung bzw. Verstärkung eines Sinnes und der mit ihm verbundenen, bereits vorhandenen Medien. Zweitens ist es verantwortlich für das Veraltern bzw. Abschwächen anderer vorherrschender Medien. Zudem führe es zur Wiedergewinnung verdrängter Qualitäten und sobald all seine Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, zu einem Umschlag in ein neues Medium1. Folgend nun McLuhan Anwendung der Tetrade für das Radio: „Es verstärkt den Zugang zum ganzen Planeten, zu jedem einzelnen. Auf Sendung ist man überall, aber ohne Körper. Radio lässt Kabel und Drähte und physikalische Körper veralten. Es bringt tribalistische, ökologische Umwelten zurück, die selbst wiederum zu traumatischen und paranoiden Auswirkungen führen. Es springt um in das Theater des globalen Dorfes.2“ Diese Sichtweise auf die Medien ist in dieser Art einzigartig und konnte sich nicht in der Wissenschaft durchsetzen. Beim Versuch McLuhans Gedankengänge nachzuvollziehen, stößt der Leser oder Zuhörer zumeist spätestens bei dem dritten Teil der Tetrade an die Grenzen seiner Vorstellungskraft. Die ersten beiden Teile der Tetrade lassen sich, vor allem unter dem Gesichtspunkt McLuhans, dass jedes neues Medium zumeist vorerst ein altes Medium als Inhalt hat, doch in gewissen Maße nachvollziehen und anwenden. _________________ 1 Vgl. McLuhan (2001), S. 269f 2 McLuhan (2001), S. 45 The Medium is the message Seite 11 von 17
2.2 Heiße und kalte Medien Einer der wohl am umstrittensten Bereiche von McLuhans Theorien ist die Unterscheidung in heiße und kalte Medien. Zwar wird in der Medientheorie unterschieden in Medien, die nur die Wahrnehmung ansprechen und Medien, die sowohl zur Wahrnehmung als auch zur Kommunikation dienen (lineare und komplexe Medien), allerdings ist dies nicht deckungsgleich mit McLuhans Definition1. Für McLuhan sind heiße Medien die, welche vom Benutzer nur geringe Eigen- oder Ergänzungsleistung erfordern. Sie erweitern einen einzigen Sinn mit hohem Detailreichtum bzw. hoher Auflösung und schließen den Benutzer somit aus. Als heiße Medien nennt McLuhan zum Beispiel das Foto, das Radio, die Vorlesung und das Buch. Die kalten Medien erfordern, im Gegensatz dazu, eine hohe Eigen- oder Ergänzungsleistung vom Benutzer, da sie nur über einen geringen Detailreichtum verfügen. Somit muss der Benutzer die Nachricht aus eigener Kraft vervollständigen und wird somit einbezogen. Kalte Medien sind zum Beispiel das Telefon, der Comic, das Seminar, das Gespräch/die Diskussion und das Fernsehen. In all diesen Medien stellt sich McLuhan den Benutzer als aktiven Bestandteil vor2. Laut ihm unterscheidet sich jedes heiße Medium also von einem Kalten, in der Art wie es einem Sinnesorgan höhere Auflösung bietet. Es ist schwer nachvollziehbar, wieso zum Beispiel das Fernsehen für McLuhan weniger Detailreichtum bietet als ein Buch. McLuhan selber hat diesen Teil seiner Arbeit auch am wenigsten ausgearbeitet, da er wahrscheinlich mehrmals auf begründete Kritik stieß3. 2.3 Retribalisierung und das globale Dorf Als Folge der elektronischen Umwelt sieht McLuhan die Bildung eines globalen Dorfes und die damit einhergehende Retribalisierung. Durch die neuen Medien entsteht ein weltumspannendes Netzt, durch das die Menschen miteinander verknüpft werden. Die Fähigkeit der elektronischen Medien Zeit und Raum zu überbrücken, sorgt für ein Zusammenrücken der Menschheit, womit die Welt für den Einzelnen nicht größer, sondern kleiner wird4. „Mit der Technologie verschwindet das Privatleben5“, da man sich kaum mehr _________________ 1 Vgl. Ludes (1998), S. 19 2 Vgl. McLuhan (2001), S. 192 3 Vgl. Marchessault (2005), S. 176f 4 Vgl. McLuhan (2001), S. 56, S. 230, S. 255ff 5 McLuhan (2001), S. 150 The Medium is the message Seite 12 von 17
abkapseln kann vom Einfluss der gesamten Welt. Man ist jederzeit Sender und Empfänger in einer Welt der vollkommenen Verknüpfung. McLuhans Verwendung des Oxymorons „globales Dorf“ ist recht beschreibend für seine These1. Seiner Ansicht nach herrschen durch die elektronischen Medien vermehrt Bedingungen, wie in einem Dorf, wo jeder jeden kennt und mit ihm Kontakt aufnehmen kann, nur auf einer globalen Ebene. Es kommt zu einem globalen Kulturtransfer, der zusammen mit dem großen Informationsaustausch dazu führt, dass sich neue Gruppen formieren2. Durch die weltweite Vernetzung kommt es weniger zu einer Vereinheitlichung, als zur Bildung von Gemeinschaften oder „Stämmen“, die gleiche Ideen und Interessen haben. Diese Förderung der Diskontinuität, Vielfalt und Einzigartigkeit ist die Grundlage für die Retribalisierung, also die Rückkehr von Stammesverhältnissen. Da dies auf globaler Ebene entsteht, wird der Nationalismus verdrängt3. McLuhan ist sogar überzeugt, dass es bald keine Riesenstaaten wie die USA geben wird, da sich die Menschen grenzübergreifend neu gruppieren. Dass dieser Prozess nicht konfliktfrei stattfindet ist für McLuhan ganz natürlich und in der Natur der Sache. „Uniformität und Ruhe gehören nicht zu den Markenzeichen des globalen Dorfes. Viel eher sind Streit und Zwietracht sowie Liebe und Harmonie wahrscheinlich – so wie für die Lebensweise von Stammesmenschen üblich.4“ Dies bedeutet also, dass durch die Medien, aber auch durch die neuen Fortbewegungsmöglichkeiten, und deren Überbrückung von Zeit und Raum sich die Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, auflösen wird. Genauso werden die Menschen aus den Städten fliehen, da sie ihren Sinn verloren haben5. Dieser Prozess, so McLuhan, kann, wenn man ihn nicht rechtzeitig erkennt, zu einer sehr intensiven Freisetzung von Gewalt führen, da sich die Menschen neu orientieren müssen. Die Entwicklung zum globalen Dorf kann aber auch zur Auswirkung haben, dass es wirklich nur noch zu einer Dorfkommunikation kommt, in der vor allem Tratsch und Klatsch thematisiert werden1. Und durch die Überflutung mit Information könnte es nicht nur zu einem Rückzug in die alten Stammesverhältnisse und die eigene Welt kommen, sondern auch _________________ 1 Vgl. Ludes (1998), S. 21 2 Vgl. McLuhan (2001), S. 87 3 Vgl. eb., S. 222 4 McLuhan (2001), S. 222f 5 Vgl. eb., S. 105f The Medium is the message Seite 13 von 17
in die Welt der Mythen, da diese eine gewisse Sicherheit und Beständigkeit ausstrahlt1. Heutzutage kann man sagen, dass es vor allem mit Hilfe des Fernsehens für einige Minuten zur Bildung eines globalen Dorfes, vor allem bei Großveranstaltungen wie der WM, kommt. Inwiefern McLuhans restliche Thesen zu diesem Thema eintreffen werden, ist noch fraglich. _________________ 1 Vgl. McLuhan (2001), S. 75 The Medium is the message Seite 14 von 17
3. Das Internet aus McLuhan’scher Sicht Da McLuhan schon im Jahre 1980 starb, konnte er den Erfolg des Internets als neues Medium des Informationsaustausches nicht miterleben. Zwar hat er in seinem Werk schon vereinzelt Theorien über die Möglichkeiten des Computers entwickelt, allerdings ist davon auszugehen, dass, wie die meisten Menschen zu seiner Zeit, auch er sich das wahre Ausmaß dieser Entwicklung nicht vorstellen konnte. In diesem Zusammenhang ist es um so bemerkenswerter, in wie vielen seiner Thesen man eine Vorahnung über die Entwicklungen der Zukunft, welche teilweise tatsächlich schon eingetreten sind, erkennen kann. Im Folgenden soll das neue Medium Internet aus McLuhan’scher Sicht betrachtet werden, auch um zu zeigen, dass seine grundlegenden Überlegungen auf jedes Medium übertragbar sind. Das Internet verstärkt in großem Maße den Sehsinn, aber auch alle anderen Sinne. Dabei sind diese Sinne aber in gewisser Weise losgelöst vom Körper und es kommt vor allem zu einer Ausweitung und Auslagerung des Nervensystems. Durch das Internet wird besonders die gesprochene Sprache überflüssig, da sowohl Kommunikation als auch zum Beispiel das Einkaufen möglich ist, ohne den Mund zu öffnen. Der Körper selbst ist nur noch das Instrument, um Gedanken über die Tastatur in Daten zu verwandeln. Der Mensch selbst aber existiert im Internet als körperloses Wesen. In Hinblick auf McLuhans Unterscheidung in heiße und kalte Medien, ist das Internet, wenn überhaupt, als Heißes einzuordnen. Durch seine Vielzahl von integrierten Medien und durch seine Informationsdichte, besitzt es einen hohen Detailreichtum und erfordert kaum Eigenleistung vom Benutzer. Der Internetnutzer taucht weniger in das Internet ein, als dass er sprichwörtlich auf ihm „surft“. Wie McLuhan bei jeder Entwicklung von neuen Medien beobachtet hat, sind auch die Inhalte des Internets vor allem andere Medien, wie Radio, Fernsehen, Zeitungen und Telefon. Als weltumspannendes Netz von verbundenen Rechnern, ist das Internet zum Inbegriff des globalen Dorfes geworden. Es lässt Ländergrenzen verschwinden, da jeder mit jedem in Kontakt treten kann, unabhängig von Ort und Zeit. Der Informationsaustausch hat mit Hilfe des Internets ungeahnte Maße angenommen, da man sich jeder Zeit zu jedem Thema informieren, mit Experten Kontakt aufnehmen und in fremde Kulturen und Religionen abtauchen kann. Jeder kann seine Meinung der ganzen Welt zugänglich machen, wodurch Meinungsvielfalt und Diskussionen gefördert werden. Allerdings führt dies nicht nur zu neuen Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, sondern auch zu der Ausnutzung des Internets durch zum Beispiel radikale politische Minderheiten, die auf diesem Weg ihr Gedankengut The Medium is the message Seite 15 von 17
verbreiten können. Durch die Bildung von Chatrooms und Internetforen kommt es zu der von McLuhan beschriebenen Retribalisierung, da man sich Gleichgesinnte sucht und sich unter ihnen aufhält. Man kann sich sozusagen seine Mitmenschen selbst aussuchen um der Realität zu entfliehen. In diesen Gemeinschaften, die teilweise wirklich einen Zusammenhalt wie eine Dorfgemeinde haben, kann das Individuum aber auch vor sich selbst flüchten. Durch die Körperlosigkeit ist es jedem möglich sich zu verstellen und somit eine andere Identität anzunehmen. Die realitätsferne Welt und die unpersönliche Kommunikation verursachen verstärkt eine Vereinsamung der Menschen, da das Bedürfnis nach körperlichem Kontakt vollkommen vernachlässigt wird. Menschen, die zulange in dieser Welt gelebt haben, haben oft Schwierigkeiten sich in der realen Welt zurechtzufinden und mit Menschen in direkten Kontakt zu treten. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich noch nicht absehen, in welche Richtung sich das Internet weiterentwickeln wird. Entweder wird es die Gesellschaft, wie wir sie kennen, teilweise komplett ersetzten, indem alles über den Computer läuft oder es wird sich als Medium der Kommunikation und der Informationsbeschaffung etablieren, aber nicht weiter in die zwischenmenschlichen Beziehungen eingreifen. Wenn die Arbeit von zuhause erledigt, der Arzt über das Internet konsultiert und der Einkauf elektronisch abgewickelt und per Automatisierung bis vor die Haustür geliefert werden kann, gibt es für den Menschen zwei Möglichkeiten: entweder bleibt er in seinen vier Wänden, in seinem Reich, oder er entdeckt die Natur für sich ganz neu, indem er sich mit Gleichgesinnten außerhalb der beengenden Wohneinheiten trifft. Vielleicht wird es, wie McLuhan es sieht, bald keine Städte mehr geben. Jeder könnte sich irgendwo auf der Welt ein Zuhause schaffen, wo er mit Hilfe des Internets arbeitet und sich informiert und bildet, welches er aber verlässt um sich an einem anderen Ort mit Menschen zu treffen und Kultur zu erleben. Ein Medium kann niemals eine Gesellschaft ersetzen. Deswegen ist es wichtig, dass man auch beim Internet, die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren rechtzeitig erkennt, und dafür sorgt, dass die Technologie nicht über den Menschen siegt und ihn regelrecht verschlingt. Wie in vielen Dingen ist es auch hier wichtig das gesunde Mittelmaß zu finden, um das Medium Internet in das Leben zu integrieren, was heutzutage schon fast unabdingbar ist, ohne sich davon vollkommen abhängig zu machen. The Medium is the message Seite 16 von 17
4. Quellenverzeichnis Gordon, T.: Herbert Marshall McLuhan – If it works it’s obsolete, in: http://www.marshallmcluhan.com/main.html, zugegriffen am 18.05.2006 Ludes, P.: Einführung in die Medienwissenschaft, 1. Auflage, Berlin 1998 Marchessault, J.: Marshall McLuhan - Cosmic Media, 1.Auflage, London 2005 McLuhan, M.: Das Medium ist die Botschaft = The medium is the message, 1.Auflage, Dresden 2001 Morisse, I. und Lehmann, U.: Marshall McLuhan, in: http://www.mcluhan.utoronto.ca/mcluhanprojekt/einfluessein dex.htm, zugegriffen am 20.05.2006 Wikipedia: Herbert Marshall McLuhan, in: http://de.wikipedia.org/wiki/Marshall_McLuhan, zugegeriffen am 11.04.1006 The Medium is the message Seite 17 von 17
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