Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London
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19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 1 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London Clemens Huber WIEHAG GmbH AT-Altheim
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 2 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 3 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London 1. Projektüberblick und Entwurf 1.1. Das Gesamtprojekt Crossrail Crossrail ist ein Eisenbahn-Verkehrsprojekt im Großraum London für eine ca. 100 km lange Regionalexpresslinie zwischen Shenfield im Osten und Maidenhead im Westen, wofür als Kernstück ein neuer 21 km langer Eisenbahntunnel die Great Western Main Line an ihrem jetzigen Endbahnhof Paddington im Westen Londons mit der Great Eastern Main Line am Bahnhof Stratford im Osten Londons verbinden soll. Im Westen ist die Strecke zum Flughafen Heathrow einbezogen und im Osten soll eine neue Zweigstrecke von Whitechapel in die neuen Geschäftsviertel mit den Stationen Canary Wharf und Custom House führen, anschließend unter der Themse hindurch nach Woolwich und Abbey Wood. Abbildung 1: Streckenverlauf der neuen Crossrail Bahnlinie Bis zu 24 Züge pro Stunde sollen in den Hauptverkehrszeiten auf dem Mittelteil der Strecke verkehren. Es werden 200 Millionen Fahrgäste pro Jahr erwartet. Die Kosten werden auf 14,8 Milliarden Britische Pfund (ca. 18 Mrd. Euro) geschätzt. Als Fertigstellungs- und Eröffnungstermin gilt derzeit 2018. Der offizielle Baubeginn für die Strecke war am 15. Mai 2009 an der zukünftigen Halte- stelle Canary Wharf. 1.2. Die Crossrail Station Canary Wharf Canary Wharf ist das neue Geschäftsviertel von London, das sich in den letzten Jahrzehn- ten abseits der City of London in den Docklands, dem ehemaligen Hafengebiet im Osten Londons entwickelt hat. Als integrierte Eigentumsentwicklungs-, Investitions- und Pro- jektmanagementgesellschaft fungiert die Canary Wharf Group plc mit ihren Untergesell- schaften. Heute arbeiten in Canary Wharf täglich mehr als 100.000 Menschen in den un- terschiedlichsten Branchen. Vor allem aber sind hier die Global Player der Banken- und Beratungsunternehmen versammelt.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 4 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber Abbildung 2: Blick auf den Bauplatz Die Station in Canary Wharf ist sehr großzügig dimensioniert und erstreckt sich über eine Länge von 300 m bzw. sechs Geschoße, wobei vier unterirdisch und zwei oberhalb des Wasserspiegels eines Seitenarms der Themse liegen. In den untersten zwei Geschoßen befindet sich der originäre Stationsteil mit Bahnsteigen und Kassenräumen und in den darüberliegenden werden Geschäfts- und Erholungsflächen errichtet. Auf der obersten Ebene wird eine Grünanlage mit Cafes und Restaurants entstehen, die von einer Holz- konstruktion überspannt und teilweise mit mehr oder weniger transparenten Membran- kissen bedacht wird. Abbildung 3: Grundriss der Parkfläche und Längsschnitt durch das Gebäude
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 5 1.3. Der architektonische Entwurf von Foster + Partners Foster + Partners, das international renommierte Architekturbüro von Sir Norman Foster in London, das für tollkühne, innovative und dabei ökologische Architektur steht, wurde 2008 mit dem Entwurf der Stationszugänge mit Anbindungsbrücken, Geschäftsflächen und der obersten Ebene mit Cafes, Restaurants und dem zentralen Park inklusive der Dachkonstruktion beauftragt. Insbesondere diese Dachkonstruktion sollte als Blickfang und Markenzeichen von Canary Wharf einen Kontrast zu den umliegenden Hochhäusern aus Stahl, Beton und Glas bilden. Auch der Bauherr legte großen Wert darauf, dass für die Dachkonstruktion dieses mar- kanten Gebäudes der Baustoff Holz zum Einsatz kommt! Abbildung 4: Visualisierung Entwurf Abbildung 5: Innenansicht auf Parkebene In der ersten Entwurfsphase wurden viele verschiedene Tragwerksformen untersucht, wobei sich bis zur Ausschreibung jene Variante durchsetzte, die in Form einer gekrümm- ten Gitternetzschale, bestehend aus unregelmäßigen Dreiecken, das Dachtragwerk bildet. Eine attraktive und lebendige Gestaltung der Dachfläche wird durch die in die Dreiecke eingesetzten Membrankissen erreicht, die je nach unterschiedlicher Bedruckung mehr oder weniger transparent sind und durch punktuelles Durchbrechen mit Öffnungen Aus- blicke aus den Cafes ermöglichen bzw. im zentralen Bereich eine natürliche Bewässerung des Parks zulässt. Die längsseitigen Enden bleiben ebenfalls offen, sodass man das Dach als offene Konstruktion beschreiben kann. Das ca. 31 m freitragend gespannte Holztragwerk verläuft über die gesamte Länge der Station von 260 m und kragt an beiden Enden jeweils 30 m spektakulär über die Wasser- fläche aus. Durch den Umstand, dass die Tragschale nicht nur im Querschnitt eine ellipti- sche Bogenform darstellt, sondern darüber hinaus in der Ausschreibungsphase auch in Grundriss und Ansicht eine konkave Krümmung erhielt, handelte es sich um eine überaus komplexe Struktur, die kaum gleiche Bauteile beinhaltete. Es war auch geplant, die dia- gonal über das Bauwerk führenden Balken, der Spirallinie folgend verdrillt auszuführen, was einen sehr hohen Bearbeitungsaufwand und Holzverschnitt zur Folge gehabt hätte. Abbildung 6: Grundriss und Ansicht der Tragstruktur in der Ausschreibungsphase
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 6 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber Nach der ersten Phase der Ausschreibung, in der sich die Bietergemeinschaft, bestehend aus der Holzbaufirma Wiehag GmbH (Holztragstruktur) und dem Fassadenspezialisten Seele (Membrankissen) durchsetzte, wurde gemeinsam mit den Architekten von Foster + Partners sowie dem Gesamttragwerksplaner der Station Arup eine wirtschaftlich optimier- te Lösung erarbeitet, die im weiteren genauer beschrieben wird. Abbildung 7: Grundriss und Ansicht der Tragstruktur der Ausführung Abbildung 8: Visualisierung der Ausführungsvariante 2. Ausführungs- und Tragwerksplanung 2.1. Die Konstruktion und ihre Elemente Die Geometrie der Dachkonstruktion des Stationsgebäudes kann man im Querschnitt als steile Halbellipse beschreiben, die einer Kreisform angenähert ist. Im Gegensatz zum Ausschreibungsentwurf wurde für die Ausführung eine Tonnenform gewählt, wodurch eine regelmäßigere Dachfläche entstand. Die Netzstruktur der Tragschale wird aus aneinander gekoppelten Dreiecken gebildet, deren Basen längs des Gebäudes horizontal ausgerichtet sind. Die Diagonalen verlaufen, der Dachform folgend, in unterschiedlichen Neigungswinkeln.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 7 Abbildung 9: Schnitt im Endbereich mit den "dog ears" Gelagert ist die Struktur in einem regelmäßigen Raster von 6,00m in den Knotenpunkten der Längsseiten auf dem Niveau der Decke des Parks. Da die Dachkonstruktion ca. 1,50m vom betonierten Stationsgebäude abgesetzt ist, mussten an diesen Punkten auskragende Stahlrohre die Verbindung herstellen. An den Enden des Gebäudes gibt es jeweils Bereiche über ca. 40m Länge, an denen die Dachstruktur mit den verkleidenden Membrankissen die Fassade über eine Höhe von ca. 7,00m unterhalb des Deckenniveaus des Parks bildet, die sogenannten „dog ears“. Der ca. 30 m auskragende Abschluss des Daches wird zusätzlich, und parallel zu den dia- gonalen Holzbalken verlaufend, mit einem Rundrohr aus Stahl, dem sogenannten End Ring Beam, eingefasst. Dieser ist doppelt gekrümmt und hat neben der strukturellen Ver- stärkung der Konstruktion auch die architektonische Funktion eines kontinuierlich ver- wunden verlaufenden Abschlusses des Daches. Im Zuge der Optimierung der Struktur konnte auch erreicht werden, dass im zentralen Bereich die Geometrie der Dreiecke in jeder Linie gleich bleibt, was zu mehr gleichen Tei- len und einer Vereinfachung in Konstruktion und Produktion führte. In den Endbereichen werden die nach aussen hin fallenden Scharen der Diagonalen aber immer flacher, wo- durch die beeindruckende Form der Auskragung erzeugt wird. Das hat dann auch zur Folge, dass jedes Dreieck mit individuellen Seitenverhältnissen auszuführen ist. Das Gesamttragwerk besteht aus 1525 Stäben, wovon 1414 aus brettschichtverleimten Hölzern in Fichte der Güteklassen Gl24h bzw. Gl28h ausgeführt sind. Für die restlichen 111 Stäbe wurden rechteckige Formrohre in Stahl gewählt, da sie in Bereichen über den Entlüftungsöffnungen der Station liegen, frei bewittert sind und durch die warme Stations- abluft ein Auftreten von Kondensat zu erwarten ist. Die Längen der Stäbe ergeben sich geometriebedingt zwischen 3,70m und 6,70m. Die Holzquerschnitte der Diagonalen beste- hen im Regelfall aus Rechteckquerschnitten 24 x 61cm, die der Horizontalen 24 x 36cm. Im Bereich der Kragarme sind die Querschnitte der Diagonalen mit 24 x 73cm und jene der Horizontalen mit 24 x 36 bis 73cm aus statischen und konstruktiven Gründen ausge- führt. Im zentralen Bereich der Struktur mit ihren großen Öffnungen sind zur seitlichen Stabilisierung der Diagonalen in drei Linien der Horizontalträger Stahlzugstangen mit 20mm Durchmesser angeordnet.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 8 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber Bereich über der Stationsentlüf- tung mit Stahlträger ausgeführt offener Zentralbereich Dreiecke ohne Membrankissen End Ring Beam Dog Ears Abbildung 10: Isometrische Darstellung der Holzkonstruktion und der Membrankissen Eine besondere Bedeutung kommt der Ausbildung der insgesamt 564 Knotenverbindungen mit in der Regel 6 Einzelanschlüssen zu. An einen gesonderten sternförmig zusammenge- schweißten Zentralstahlteil, in mehreren Neigungsvarianten der Profilgeometrie angepasst ausgeführt, werden Kopfplatten (Stoßverschraubungen mit je 4 Stahlbauschrauben) mit an den BSH-Stäben bereits werkseitig aufgebrachten Gegenplatten bei der Montage ver- schraubt. Diese Gegenplatten werden auf die exakt im rechten Winkel ausgebildeten Endabschnitte mit unterschiedlich geneigten Vollgewindeschrauben aufgeschraubt. Abbildung 11: Ein typischer Knoten vom Entwurf zur Ausführung In einer Spezialqualität wurden die Holzschrauben mit einer Zink-Nickel-Beschichtung hergestellt, um die Vorgaben zur Korrosionsbeständigkeit für 1500 Stunden Salzsprühne- belprüfung nach EN ISO 12944 zu erfüllen. Zusätzlich wurde ein Zweikomponenten- Kleberanstrich, welcher aushärtet, verwendet, der zwischen Stahlplatten und Binderab- schnitt für einen Pass-Sitz einerseits und einen zusätzlichen Korrosionsschutz zwischen den Schraubenköpfen und dem Versenkansätzen der Stahlplatte andererseits sorgt. Nach dem Aufschrauben an den BSH-Stäben wurden die Versenk-Nischen der Holzschrauben- köpfe in der Stahlplatte selbst zusätzlich mit dem Kleberanstrich verspachtelt und so plattenbündig verschlossen.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 9 Abbildung 12: Verspachteln der Schraubenköpfe mit Zweikomponenten-Klebeanstrich Da die Variante gewählt wurde, in der auch die diagonal verlaufenden Holzbalken als ge- rade rechteckige Bauteile ohne Verdrillung ausgeführt werden sollten, musste dieser Ro- tationsversatz im Knoten aufgenommen werden. Abbildung 13: Die Rotation der diagonal verlaufenden Balken wird in den Knoten aufgenommen Präzise Maßhaltigkeit über alle durch Normen gedeckte Toleranzen zwischen Stahlbauein- zelteilen und den Holzbauteilen sind bei Fertigung und Abbund im Stahl- und Holzbauwerk absolute Voraussetzung für die reale Ausführung und Montage der Gesamtkonstruktion. Die Ausführung der Dachstruktur als Netzschale erforderte auch Knoten, die nicht nur Normal- und Querkräfte, sondern auch Momente in alle Richtungen aufnehmen konnten. Dafür wurden die Kopfplatten bei den höheren Querschnitten zweiteilig, mit einer „obe- ren“ und einer „unteren“ Kopfplatte am Stabende gewählt. Über diese Aufteilung der Anschlüsse in der Höhe des Stabes, können über den so gegebenen Hebel Anschlussmo- mente in Normalkräfte zerlegt und zusätzlich zur Quer- und Normalkraftübertragung des Stabwerk-Systems über das Bindeglied des in sich geschlossenen Zentralknotenstahlteils übertragen werden. Damit die Anschlussknoten möglichst klein gehalten werden konnten, sind diese geomet- risch so gestaltet, dass die bei der Montage einzubringenden Stahlbauschrauben gerade noch eingeführt und angesetzt werden können, um dann nur mit speziellen, gekröpften Schraubenschlüsseln zugänglich, kraftschlüssig fixiert zu werden.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 10 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 2.2. Besonderheiten bei Statik und Werkplanung Um eine gute und verlässliche Basis für die Planung und Ausführung dieses, trotz Opti- mierungen immer noch komplexen Dachtragwerkes zu bekommen, war es notwendig, die Geometrie parametrisiert zu erfassen. Ausgehend von einem von der Architektur vorge- gebenen koordinativ fixierten Gitternetz, wurden exakte Regeln für die genaue lagemäßige Positionierung aller Bauteile inklusive aller Einzelteile der Knotenstahlteile beschrieben und tabellarisch in Listen (Excel) erfasst und umgesetzt. Auf dieser Basis konnten unab- hängige 3d-Modelle für die Statik (Rstab 8 / Dlubal) die Architektur (Rhino) bzw. Werkpla- nung (bocad) erstellt und gegebenenfalls einfach modifiziert werden. Teilweise wurden, basierend auf dieser Parametrisierung, auch die Ansteuerungsdaten für die Bearbeitung der Einzelbauteile auf der Abbundmaschine (Hundegger K3) sowie die Werkstattpläne automatisiert erstellt. Da es sich bei diesem Dachtragwerk um eine statisch hochgradig unbestimmte Struktur handelt, war es notwendig, ein sehr präzises und detailliertes räumliches statisches Mo- dell zu erzeugen. Darin sind alle Holz- und Stahlquerschnitte in der exakten räumlichen Lage ebenso wie idealisierte Querschnitte in den Knotenpunkten und entsprechend der Nachgiebigkeit der Verbindungsmittel modellierte lineare und nichtlineare Gelenke in den Übergangspunkten enthalten. Isometric Isometric Z Y X Abbildung 14: Statisches 3d-Modell mit detaillierter Knotenmodellierung Bei den äusseren Belastungen des Tragwerkes waren in diesem Fall nicht nur die übli- chen Lastansätze für Schnee, Wind, Installationen und Temperatur in Ansatz zu bringen sondern auch zusätzlich die Einflüsse des Schwindens der Betonunterkonstruktion zu be- rücksichtigen, da diese durch zwei Dehnfugen in drei Blöcke geteilt ist, die Holzkonstruk- tion aber als geschlossenes System ausgeführt wird. Um dies zu ermöglichen, ohne zu große Zwängungen im Tragwerk zu verursachen, wurden die im Regelfall fixen, jedoch um die Vertikalachse gelenkigen Auflagerpunkte um den Bereich der Dehnfugen über eine Länge von 30 m zusätzlich auch horizontal verschieblich ausgeführt. Eine weitere Besonderheit bei der Modellierung des Systems war die Berücksichtigung der Lasten aus den Membrankissen. Diese verursachen durch den Innendruck, aber auch durch äussere Belastungen, in den Randfeldern Horizontallasten bzw. an den Längsträ- gern auf Grund der Richtungsänderung in der Dachfläche Umlenkkräfte. Da sich diese nicht linear zur äusseren Belastung des Systems verhalten, war es notwendig, makroge- steuert für alle zu berechnenden Lastfallkombinationen entsprechende Lastfälle zu be- rechnen und generieren.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 11 Abbildung 15: Horizontalkräfte durch Membrankissen Interessant war auch der Einfluss der un- terschiedlichen Steifigkeiten der Unterkon- struktion. Generell sind ja die Auflagerpunk- te des Daches mit einem massiven Beton- unterzug mit hoher Steifigkeit verbunden, in den auch die Decke des Parks einbindet und der wiederum auf Stützen gelagert ist. Im Bereich einer das Bauwerk querenden Straße wurde jedoch das System einer Stahlkonstruktion mit Beton Verbunddecke gewählt, das über 24 m spannt und eben- falls der Auflagerung der Dachkonstruktion dient. Auf Grund des Umstandes, dass die- ses System eine geringere Steifigkeit be- sitzt und durch die Flächentragwirkung der Holzkonstruktion diese auch Lasten im „Verbund“ aufnimmt, war es notwendig, die Lasten des Bodenaufbaues und der Bepflan- zung des Parkes, die erst zu einem späteren Zeitpunkt als die Montage der Holzkon- struktion aufgebracht werden, während der Montagephase durch Ersatzlasten mittels gefüllter Swimming Pools zu simulieren, um die Holzkonstruktion nicht „unnötig“ zu be- lasten. Abbildung 16: Blick auf die befüllten Pools auf der Stahlbrücke während der Montage Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt war auch die statische Bemessung der 3050 Anschlusspunkte, da dafür keine Standardsoftware verfügbar ist. Durch die vielfältigen geometrischen Randbedingungen und Lastkombinationen war es unwirt- schaftlich, die Bemessung der Knoten- und Verbindungselemente mit „einhüllenden“ Las- ten aus allen möglichen Kombinationen zu bemessen. Daher war es notwendig, eigene umfangreiche Bemessungstabellen und Makros zu erstellen um damit für jeden Anschlusspunkt die Nachweise für die dort auftretenden Lastkombinationen zu führen. Zusätzlich wurden auch Vergleichsrechnungen mit räumlichen Finite Elemente Modellen durchgeführt.
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 12 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber Abbildung 17: FE-Modell eines Referenzknotens und Ergebnisse 3. Produktion und Montage Um die Qualität der gesamten Dachkonstruktion zu unterstreichen und auch den Werk- stoff Holz ins beste Bild zu rücken, wurde vom Architekten eine Exquisite Oberfläche der Bauteile im unmittelbaren Sichtbereich (bis zu 7 m Raumhöhe) gefordert. Dieser im All- gemeinen eher unüblichen Anforderung wurde mit einer speziellen visuellen und auch maschinellen Sortierung von Holz bester Ausgangsqualität Rechnung getragen und das Ergebnis auf der Baustelle ist beeindruckend. Von den ca. 1000 verbauten m³ Brett- schichtholz wurden ca. 470 m³ in dieser Exquisit-, ca. 450 m³ in Sicht- und die restlichen ca. 80 m³ in untergeordneten Bereichen in Industriequalität ausgeführt. Ein wesentliches Augenmerk in Produktion und Montage musste auf die Maßhaltigkeit der Bauteile gelegt werden. Dies galt für Holzbauteile ebenso wie für jene der Stahlverbin- dungsteile, da einerseits eine Struktur dieses Typs und die Art der verwendeten Verbin- dungsmittel wenige Möglichkeiten für einen Toleranzausgleich bieten und andererseits die darauf aufbauende Fassaden- und Dachkonstruktion mit präzise gefertigten Aluminium- profilen und Membrankissen Toleranzen des Innenausbaues fordert. In der Produktion des Stahlbaubetriebes wurde dem mit sehr präzisen individuellen Schweißvorrichtungen und Schweißschablonen sowie einer laufenden verschärften Quali- tätskontrolle Rechnung getragen. Dies galt auch für die Holzproduktion, die mit einem sehr präzisen Abbund durch CNC-gesteuerte Anlagen diese Anforderungen sicherstellte. Abbildung 18: Schweißvorrichtung und Lochbildschablone im Stahlbaubetrieb
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 13 Um auch die Passgenauigkeit der Stahlbauschraubenverbindungen zwischen den Stahl- platten je am BSH-Stab und an den Kopfplatten des sternförmigen Knotenstahlteiles zu gewährleisten, wurde ein gesonderter Stahlteil als „Lehrenkörper“ beim Aufschrauben der Platten auf die BSH-Stäbe verwendet. Abbildung 19: Verwendung von Lochbildschablonen in der Holzbaufertigung Auch für die Montage war eine präzise Vermessung und der Einbau der Verbindungs- stahlteile an die Betonstruktur ein Erfolgskriterium. Dafür wurde bereits im Zuge des Planungsprozesses eine umfangreiche Vermessung der Baustelle vorgenommen um die Anschlussstahlteile auf diese Gegebenheiten angepasst planen und produzieren zu können. Ein anderes Erfolgskriterium war auch ein ausgeklügeltes Logistikkonzept, da die Lager- möglichkeiten auf der Baustelle sehr eingeschränkt waren und nur die Zwischenlagerung von maximal zwei LKW-Ladungen zuließ. Die Montage war so konzipiert, dass von der Mitte des Bauwerkes weg nach beiden Seiten hin längs des Bauwerkes gearbeitet wurde. Die Ausführung der Konstruktion mit den momentensteifen Knotenverbindungen und eine präzise Fertigung machte es möglich, diese Struktur ohne aufwendiges Raumgerüst zu montieren. Im zentralen Mittelbereich mit seinen großen Öffnungen war es möglich, bis auf eine Höhe von ca. 7 m die Einzelbauteile im freien Vorbau zusammen zu setzen. Da- nach mussten jeweils die Knotenpunkte tem- porär mit Stützen unterstellt werden bis so viele Elemente montiert waren, dass die Bo- genstruktur im First geschlossen war. Ab dem Bereich, in dem eine durchgehende Git- terstruktur vorhanden war, konnte bis auf einzelne temporäre punktuelle Unterstützun- gen der Knoten auf weitere Unterstellungen komplett verzichtet und im freien Vorbau gearbeitet werden, was eine sehr wirtschaft- liche Methode darstellte. Abbildung 20: Freier Vorbau der ersten Balken
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 14 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber Abbildung 21: Unterstellung von Knoten Abbildung 22: Montage am Knotenpunkt Abbildung 23: Einheben der ersten Firstbalken Abbildung 24: Erster geschlossener Bogen Abbildung 25: Fortgeschrittene Montage im Zentralbereich
19. Internationales Holzbau-Forum 2013 Tollkühne Architektur in Holzbauweise: Crossrail Station in Canary Wharf London | C. Huber 15 4. Fazit und Projektbeteiligte Die Dachkonstruktion der Crossrail Station in Canary Wahrf in Holzbauweise zu erstellen war eine große Herausforderung, da eine unglaubliche Vielzahl an äusseren und inneren Randbedingungen zu berücksichtigen waren. Gerade die kooperative Zusammenarbeit mit Bauherrn, Architekten und prüfenden Gesamttragwerksplanern machte es möglich, durch die Optimierung der Geometrie und struktureller Details eine wirtschaftliche Lösung zu finden und dabei auch die hohen architektonischen Ansprüchen für ein so mar- kantes und in Zukunft hoch frequentiertes Bauwerk im Herzen von London zu erfüllen. Bauherr Canary Wharf Contractors (Crossrail) Ltd One Canada Square Canary Wharf London, E14 5AB United Kingdom www.canarywharf.com Design Architect Foster & Partners Riverside 22 Hester Road London, SW11 4AN www.fosterandpartners.com Executive Architect Adamson Associates One Canada Square, Level 6 Canary Wharf London, E14 5AB United Kingdom www.adamson-associates.com Tragwerksplaner für das Arup Gesamtprojekt + Prüfin- 13 Fitzroy Street genieur Dachtragwerk London, W1T 4BQ United Kingdom www.arup.com Planung, Statik und WIEHAG GmbH Ausführung Dachtragwerk Linzer Straße 24 4950 Altheim Austria www.wiehag.com
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